//DAS GROSSE SCHMAUSEN//
»VIELEN DANK, MISS Owens. Sie können wieder draußen Platz nehmen und auf Ihre Begleitperson warten.« Mit einen kräftigen Knall schloss sich die schwere Tür hinter Amy.
Ihre erste Anhörung vor dem Zaubereiministerium war zu Ende und das nicht zu früh. Ihre Uhr sagte der jungen Frau, dass es bereits kurz nach 12 Uhr war. Sie hatte fast eine Stunde lang Fragen beantworten müssen, auf denen sie keine Antworten wusste, was die Sache natürlich nicht besser, sondern eher schlechter machte.
Sie setzte sich auf einen der edlen schwarzen Ledersessel in der kleinen Halle vor dem langen und bedrückend wirkenden Flur. Neben ihr hatte Gwyn, der hundeähnliche Crup platzgenommen. Er verhielt sich zum Glück angemessen still, hatte allerdings für einzelne Personen ein kaum hörbares Knurren oder Winseln übrig.
Es war zwar alles sehr elegant eingerichtet im Ministerium, mit den in Schwarz gehaltenen Böden und Wänden, aber es hatte auch einen etwas schweren Charakter. Amy kam sich mehr wie in einer Art Gefängnis vor. Nie zuvor war sie in solch einem großen und weitläufigen Gebäude gewesen und dennoch fühlte es sich dort sehr eng für sie an.
Aus einem der weiteren Räume hörte sie Dumbledores Stimme, doch konnte sie keine Worte verstehen, sondern vernahm lediglich ein undeutliches Murmeln. Er schien, da war sich Amy sicher, nicht gerade ein freundliches Gespräch zu führen. Vermutlich stellten sie ihm genauso viele ungemütliche Fragen, wie ihr. Nach etwa zehn Minuten sprang endlich auch die zweite Tür auf und ein sichtlich erschöpfter Albus Dumbledore stiefelte heraus und wischte sich mit einem silberverzierten Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
»Wie ich sehe, hatten Sie auch nicht gerade ein gemütliches Kaffeekränzchen dort drin«, sagte Amy und sah den Zauberer mitfühlend an.
»Alles andere als das, Miss Owens«, antwortete er und bedeutete ihr, zu gehen. »Jetzt dürfen wir uns in der Kantine erst einmal etwas stärken. Ich schätze, das wird uns guttun, bevor die Verhandlung beginnt. Wie haben Sie sich geschlagen?«, erkundigte sich Dumbledore nach den Verlauf von Amys Befragung.
»Ich habe nur das gesagt, was ich wusste. Etwas anderes konnte ich ohnehin nicht tun«, berichtete sie und klang leicht resigniert. »Jedoch bin ich mir sicher, dass diese Leute eine ganz schön voreingenommene Meinung von dieser Sache haben. Sie haben mir Fragen gestellt, die ich nur beantworten könnte, wenn ich wüsste, was es mit dieser falschen Amanda auf sich hat.«
»Ja, die Mitarbeiter des Zaubereiministeriums sind zuweilen etwas starrköpfig. Was wollten sie denn hören?«
»Was meine Beweggründe waren, diesen Personentausch durchzuführen. Was mich davon überzeugt hat, Hogwarts nicht besuchen zu wollen. Was ich in den letzten Jahren, in denen ich nicht in Hogwarts war, getrieben habe. Wie oft ich Kontakt zu besagter Doppelgängerin hatte«, zählte Amy einige der Fragen auf. »Was sehr seltsam war ...«, fuhr sie fort und blieb auf dem Gang stehen. »Sie haben nicht ein einziges Mal infrage gestellt, dass ich eine Hexe bin. Sie hätten mich doch nach meiner Muggel-Herkunft fragen müssen, wie Sie es immer nennen. Aber nichts dergleichen. Ich habe mir gedanklich viel zurechtgelegt, in den letzten Tagen, über die Sache mit meinen wahren Großeltern und so. Doch das wollten diese Leute gar nicht wissen.«
Dumbledore kratzte sich nachdenklich am Bart und murmelte nickend vor sich hin. »Sie scheinen sicher zu sein, dass Sie wissentlich etwas mit dieser Sache zu tun haben. Es muss unvorstellbar für sie zu sein, dass jemand durch reinen Zufall oder, was ich glaube, eine einseitige hinterhältige Intrige in solch eine Situation gerät.«
»Also könnte es für mich doch brenzliger werden, als Sie dachten, Professor?«, fragte Amy ängstlich.
»Wir müssen vermutlich etwas mehr auf den Minister einwirken, wenn wir vor dem Zaubergamot stehen. Aber bin ich mir sicher, dass Mr Spencer-Moon Fragen nach Ihrer Herkunft nicht so einfach übergehen wird. Sie werden noch Gelegenheit bekommen, Ihre Familiengeschichte zu erläutern.« Dumbledore lächelte Amy verschmitzt an.
»Es ist nicht so, dass ich besonders scharf darauf bin, das jedem auf die Nase zu binden. Jedoch ich möchte auf jeden Fall, dass die Wahrheit ans Licht kommt, und immerhin habe ich eine sehr heiße Spur, wer diese falsche Amanda sein könnte«, erklärte Amy und nickte, als wenn sie sich selbst zustimmen würde.
»Ist das so?«, fragte Dumbledore, drehte sich neugierig zu ihr um und zwinkerte erwartungsvoll.
»Meine wahren Großeltern waren ein weiteres Mal in freudiger Erwartung, als sie Porthmadoc verließen. Möglicherweise hatten wir letzte Woche mit unserer Vermutung bereits recht, dass meine Fälschung mit mir verwandt ist. Vielleicht habe ich eine hübsche Cousine«, erzählte Amy schulterzuckend.
»Höchst interessant. Lass uns das alles bei einem guten Mittagessen bereden. Folgen Sie mir!« Dumbledore huschte mit wehendem Umhang voraus in Richtung Aufzüge.
Diesmal fuhren sie in den fünften Stock und Amy war sich sicher, dass sie bereits einen köstlichen Duft frisch zubereiteter Speisen vernahm. Unweigerlich fing ihr Magen an, zu knurren, was ihr in Anbetracht der ernst wirkenden Hexen und Zauberer im Aufzug etwas unangenehm war. Doch wie immer waren diese viel zu beschäftigt, um dies zu bemerken.
Als sie ihr Ziel erreicht hatten und sich die goldenen Gitterstäbe wieder öffneten, standen Dumbledore und Amy zunächst in einem Flur, der aussah, wie alle anderen zuvor auch. Dumbledore ging allerdings zielstrebig nach links, genau in die Richtung, aus der dieser unwiderstehliche Geruch kam. Amy folgte ihm eilig und fand sich wenige Augenblicke später am Eingang einer riesigen Kantine wieder, die Tische allesamt gedeckt mit den allerfeinsten Gerichten.
»Dumbledore, Sir? Ich, ich kann mir das niemals leisten«, stotterte Amy ängstlich und enttäuscht darüber, dass sich ihr Magen wohl oder übel mit dem Geruch der Speisen zufriedengeben müsste.
»Keine Sorge, Miss Owens. Das Essen wird aus den Strafzahlungen ungehorsamer Hexen und Zauberer finanziert und ich kann Ihnen versichern, dass Ministerium ist immer auf der Suche nach eben solchen«, blinzelte ihr Dumbledore zu.
»Aber in diesen Mengen? So etwas habe ich noch nie gesehen! Das kann ich unmöglich annehmen. Irgendjemand muss all das doch zubereiten und überhaupt.« Amy fühlte sich fremder in dieser Welt, als ohnehin schon.
»Ach, die Hauselfen sind nicht so erpicht auf finanziellen Lohn und all das«, murmelte Dumbledore und ging voraus. »Jetzt kommen Sie schon und denken Sie nicht so viel nach. Lassen Sie Ihren Crup aber draußen stehen. Hier drin sind Tierwesen nicht gestattet.«
Amy band ihren vierbeinigen Begleiter an einem Heizungsrohr an und wartete, bis er sich hingelegt hatte, bevor sie dem Zauberlehrer folgte.
»Schauen Sie, dort vorne sind Mr Nott und Mr Riddle und Professor Slughorn ist bei ihnen. Kommen Sie, ich stelle Sie einander vor!«
Wieder hatte Amy mit ihren jugendlichen achtzehn Jahren große Mühe, den weiten und flotten Schritten des deutlich älteren Zauberers zu folgen. An einem der langen Tische konnte sie schließlich Tom ausmachen. Er schien bereits mit dem Essen fertig zu sein und saß lässig auf der Tischkante und spielte mit einem Jo-Jo. Sein Blick wirkte kühl und abwesend. Neben ihm saß der andere Junge, dem Amy vorhin auf dem Flur begegnet war, und schaute neugierig zu ihr herüber. Ein weiterer älterer Herr, etwa in Dumbledores Alter, erhob sich vom Tisch und kam freudig auf die Neuankömmlinge zu. Er hatte strohblondes Haar, das von einer kleinen kahlen Stelle, oben auf dem Schädel unterbrochen wurde.
»Albus! Da seid ihr beiden ja endlich. Wir dachten, sie hätten euch gleich nach Azkaban verfrachtet«, war seine wenig ermutigende Begrüßung. »Schön, Sie zu treffen, Miss, ähm, Owens«, richtete der Mann das Wort schließlich direkt an Amy und reichte ihr seine Hand. »Ich habe schon von Ihnen gehört und verzeihen Sie mir, wenn ich Sie einmal betrachte.« Der Herr wedelte etwas mit der rechten Hand in der Luft herum und gebot Amy, sich vor ihm zu präsentieren. Sie kam sich vor wie auf dem Viehmarkt, aber daran musste sie sich wohl gewöhnen.
»Wirklich verblüffend, diese Ähnlichkeit«, war schlussendlich seine Erkenntnis. »Mein Name ist übrigens Professor Horace Slughorn. Aber etwas kleiner, möchte ich meinen«, vervollständigte er seine Beurteilung über Amy und kratzte nachdenklich seinen kahlen Fleck am Kopf.
»Und dürrer. Ich weiß«, ergänzte Amy und warf Tom Riddle einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Das war nicht beleidigend gemeint«, hob dieser entschuldigend die Hände und ließ das Jo-Jo vor sich in der Luft schweben. »Ich bin hier in London aufgewachsen. Ebenfalls nicht bei Zauberern. Ich weiß sehr genau, was diese schweren Zeiten bedeuten.«
Amy schaute ihn nachdenklich an und war nun ein wenig neugierig, warum er, der angeblich der beste Schüler Hogwarts sein soll, ebenfalls bei Muggeln aufwuchs. Doch sie wurde in ihren Gedanken von Professor Slughorn unterbrochen, der den zweiten Jungen herbeiwinkte. Dieser hatte mittelbraunes Haar und einen Mittelscheitel. In seinen braunen Augen war nach wie vor Verwirrung zu erkennen.
»Entschuldigen Sie, so kann ich es besser beurteilen. Ja, wirklich. Die echte Amanda war ein wenig größer, wenn sie neben Mr Nott stand«, sinnierte Slughorn er vor sich hin.
»Ich bitte ebenfalls um Verzeihung, Professor Slughorn –«, wollte Amy gerade klar stellen, dass sie und nicht die andere die echte Amanda war. Aber da war der Lehrer bereits wieder auf dem Weg zum Tisch und im Gespräch mit Dumbledore vertieft.
»Dass das alles ganz schön verdächtig ist und unsere Schule in ziemlich große Schwierigkeiten bringen kann, ist dir klar?«, fauchte Nott ihr kaum hörbar zu und ging ebenfalls zurück zur Tafel. Er schien gleichermaßen der Auffassung zu sein, dass Amy mit all diesem Verwechslungsunfug etwas zu schaffen hatte.
»Setzten Sie sich zu uns, Miss Owens und nehmen Sie sich so viel sie wollen«, rief Dumbledore ihr zu und zeigte aufgeregt auf den lehren Sitzplatz neben sich. »Es sind auch Süßigkeiten da. Sie müssen die Lakritzzauberstäbe probieren! Oder das Zitronen–Sorbet. Einfach magisch!«
Amy kam zögerlich näher und vermied es, besonders gierig auszusehen. Doch das war sie im Angesicht all dieser Köstlichkeiten. Sie setzte sich auf den goldverzierten Stuhl und betrachtete das reiche Angebot mit großen Augen.
»Ich ... ich darf wirklich alles davon probieren?«, fragte sie Dumbledore, der längst seinen Teller vollgehauen hatte.
»Nur zu, essen Sie sich satt. Sie werden noch viel Kraft brauchen«, antwortete der Zauberer.
»Ja, hauen Sie rein, Kindchen!«, rief ihr auch Slughorn, mit dicken Hamsterbacken zu.
Amy nahm sich einen leeren Teller vom Stapel, der genauso edel aussah, wie alles in diesem Haus. Vorsichtig sammelte sie hier und da ein paar Kleinigkeiten von den Platten neben ihr und sah, wie einige sehr ungewöhnlich aussehende Gestalten leere Tabletts einsammelten und weitere Speisen und Nachspeisen auf dem Tisch verteilten.
»Sind das diese, ähm, wie sagten Sie? Hauselfen?«, flüsterte Amy Dumbledore zu.
Dieser nickte nur und mümmelte glückselig an einer dicken Karotte herum.
Amy war es trotzdem ein wenig unangenehm. Noch nie wurde sie derart verwöhnt. Schon gar nicht von solchen Wesen, die irgendwie ziemlich grummelig und dennoch zufrieden aussahen. Das Essen jedenfalls, so empfand es Amy nach dem ersten zurückhaltenden Biss, war nichts anderes, als das, was Muggel essen. Nur eben in einer Qualität und Exklusivität, die sie bislang niemals zuvor probieren durfte. Es war eine wahre Explosion auf ihrer Zunge. Sie fühlte sich wie in einem Traum. Zum Glück sah sie, dass alle anderen Zauberer und Hexen um sie herum ebenfalls ordentlich reinhauten. So verlor sie schnell ihre Scheu und schlug sich den Magen voll. Zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit.
Als Amy satt war und an ein wenig Fruchtgummi in Form eines ihr unbekannten Tieres kaute, bekam sie jedoch ein schlechtes Gewissen. Millionen Menschen mussten derzeit wegen des Krieges Hunger leiden und sie saß hier, weit weg von all diesen Gräueltaten und schlug sich kostenlos den Bauch voll.
»Professor?«, sprach sie Dumbledore erneut an, der satt und zufrieden neben ihr saß und sich den vollgestopften Bauch hielt.
»Ja, Miss Owens. Was bedrückt Sie?«
»Ist es nicht etwas, nun ja, dekadent? Ich meine, überall hungern die Menschen und hier wird aufgetischt, bis auch der Letzte nur noch herumkullern kann.«
»Es gibt auch in der Welt der Muggel solche Orte. Sie müssen sich dafür nicht schämen«, sagte Dumbledore mit traurigem und verständnisvollen Unterton. »Auch die Hexen und Zauberer leiden unter dem Krieg. Nicht wenige beteiligen sich daran. In den unterschiedlichsten Weisen. Dieser Krieg geht uns alle etwas an und es gibt in unserer Welt ebenfalls Leute, die, ja, ihre eigenen Vorstellungen und Ideale haben.«
Die letzten Worte schienen schmerzhafte Erinnerungen in Dumbledore zu wecken. Er schaute lange Zeit wortlos ins Leere. »Auch wir sind nicht davor gefeit, Fehler zu machen. Menschen in unser Leben zu lassen und ihnen zu vertrauen, die dies nicht verdient hätten. Aber so ist das Leben. Davor schützt keine Magie.«
»Könnte es sein, dass mein Vater auch etwas mit dem Krieg zu tun haben könnte? Ich meine, ist es denkbar, dass er deswegen oder dem, was Sie meinen nicht mehr zu uns zurückkehren konnte?«, fragte Amy und ließ ihren Blick ebenfalls ins Leere gleiten.
»Das ist vorstellbar. Vielleicht und das hoffe ich sehr für Sie, finden Sie auch darauf irgendwann eine Antwort.« Dumbledore schaute auf die große Uhr am Ende der Kantine und zog die Stirn kraus. »Es ist gleich 13 Uhr. Wir sollten uns so langsam auf den Weg in den zehnten Stock machen. Der Minister sieht es nicht gern, wenn man zu spät kommt.«
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Ich habe mich für die Schreibweise mit Z entschieden, da ich persönlich finde, dass Azkaban geschrieben besser aussieht, als Askaban ^.^
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