- one-way road ღ - L.
Louis P.o.V.
Die Tür fällt klackend ins Schloss. Tief atmet Harvey durch, steht auf und dreht eine Runde um den Tisch, bevor er sich dagegen lehnt. "Versuch dich zu konzentrieren, Louis. Bist du sicher, dass du das nicht irgendwie nachweisen kannst?" Seufzend hebe ich meinen Kopf aus meinen Händen, in die ich ihn vergraben hatte. "Was meinst du, was ich hier tue..." murmle ich und fummle an meinem Ärmel herum, den ich mir bis in die Hände gezogen habe. Einen Moment ist es still und die Gedanken in meinem Kopf drehen sich im Kreis - ohne einen Ausweg zu finden.
Ich merke, dass es in mir hochkommt, aber ich will nicht. Ich bin ein erwachsener Mann und ein seriöser Anwalt steht vor mir. Aber - wie immer - gewinnen die Tränen trotzdem. Ich drehe den Kopf zur Seite und versuche es zu verstecken, aber Harvey bekommt es natürlich trotzdem mit. Kommentarlos hält er mir sein Einstecktuch hin und legt mir die Hand auf die Schulter, als ich mir damit die feuchten Augen trockne. "Tschuldigung..." murmle ich und räuspere mich, in der Hoffnung, damit den Kloß in meinem Hals loszuwerden - vergeblich natürlich. "Schon okay, es ist menschlich, zu weinen, Louis." Ich nicke bloß, weil ich Angst habe, zu reden. Ich fürchte, meine Stimme bricht.
Ich atme tief durch und kaue mir auf der Lippe herum, als ich einen kleinen Fleck an der kahlen Wand vor mir fixiere. Es kann doch nicht sein, dass ich wirklich für die Taten eines Anderen grade stehen muss. Es muss doch eine Lösung geben. Aber ich habe absolut keine Ahnung, wie die aussehen soll. Obwohl Harveys Anwesenheit mir ein minimales Gefühl von Sicherheit gibt, fühle ich mich so alleine.
Ich will zu Harry. Ich will gerade nichts mehr, als in seinen Armen zu sein. Er würde mir versichern, dass Alles gut wird. Auch, wenn niemand weiß, wie das funktionieren soll. Aber ich weiß, dass es mir dadurch besser gehen würde. Harry schafft es immer, dass es mir besser geht.
Gedankenverloren streiche ich über die leere Stelle an meinem Arm, an der das Armband sein sollte, dass mich mit Harry verbindet. Sie haben es mir abgenommen, da sie Angst hatten, ich könne damit kommunizieren. Gewissermaßen stimmt das ja auch, aber mir wollte niemand glauben, dass ich damit ohne mein Handy keine geheimen Botschaften verschicken kann. Nur mit der zugehörigen App kann ich die Farbe ändern und Nachrichten hinzufügen. Drücke ich ohne mein Handy in Reichweite darauf, passiert leider rein gar nichts. Trotzdem hätte ich es gerne behalten, einfach damit es sich anfühlt, als wäre er bei mir.
"Soll ich ihn anrufen?" Ich blicke von meinem Handgelenk auf und blinzle meinen Anwalt an. "Darfst du das?" frage ich überrascht. "Ja, tatsächlich darf ich das. Ich kann ihn laut stellen, dann kannst du kurz mit ihm reden." Ich nicke wild und richte mich auf. Auch wenn er nicht persönlich hier sein kann, lässt die Vorstellung, seine Stimme zu hören, mein Herz höher schlagen. Er wählt seine Nummer und legt das Handy dann auf den Tisch. Es dauert nur wenige Sekunden, bis er abnimmt und sich mit einem nervösen "Styles?" meldet. "Guten Morgen, Harry." sagt Harvey ruhig, woraufhin der Angesprochene allerdings direkt panisch fragt, ob es etwas Neues gibt. "Das positive oder das negative zuerst?" seufze ich, weshalb ich ihn erschrocken aufatmen höre.
"Louis?" Ich muss lächeln. "Hallo, Love." sage ich leise und für einen kurzen Moment fühlt sich alles wieder okay an. "Oh mein Gott, Schatz! Geht es dir gut?" fragt er besorgt, weshalb ich reflexartig nicke, obwohl er das nicht sehen kann. "Ja, soweit ist alles okay, denke ich." sage ich und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich immer noch Tränen in den Augen habe. "Aber wie geht es dir, Haz? Ich hoffe, der Stress wird dir nicht zu viel..." Sofort wimmelt er ab, aber ich merke, dass er lügt. Er klingt so erschöpft und es tut mir fast Leid, dass ich ihn auch noch mit meinem Stress belaste.
Natürlich will er wissen, was es bezüglich meiner Situation Neues gibt. Nachdem Harvey ihm die Kurzfassung erzählt hat, verspricht er, dass auch er sich Gedanken macht und sich sofort meldet, wenn ihm etwas einfällt, das helfen könnte.
Leider. Es gefällt mir nicht, dass er sich darüber nun auch noch den Kopf zerbricht, aber ich kann es sowieso nicht verhindern.
"Okay, wir haben nicht mehr viel Zeit bis die Beamten zurück kommen..." murmelt Harvey, weshalb ich leise seufze. "Okay, halt mich auf den Laufenden, okay?" Der Anwalt brummt zustimmend. "Oh und denkst du dran, mir die Zahldaten zukommen zu lassen?" fügt mein Freund dann hinzu. Verwirrt blicke ich den Mann vor mir an und frage "Du meinst für Harveys... Dienste?" Ich höre ihn schmunzeln. "Nein, Sweetheart. Für deine Kaution."
Ich reiße die Augen auf. "Meine-? Nein." Irritiert hebt Harvey eine Augenbraue und auch Harry scheint verwirrt zu sein. "Wie 'Nein'?" Ich setze mich aufrecht hin und verschränke die Arme vor der Brust. "Nein. Du zahlst nicht meine Kaution, Harry." sage ich trocken. "Aber Schatz-" Sofort unterbreche ich ihn. "Harry, ich diskutiere da nicht mit dir drüber. Ich will nicht, dass du in irgendeiner Form mit der ganzen Sache in Verbindung gebracht wirst." Leise höre ich ihn seufzen. "Schatz, ich will nicht dass du noch eine Nacht unschuldig in einer gruseligen Zelle eingesperrt bist. Und niemand wird von der ganzen Sache erfahren, es darf nicht mal an die Öffentlichkeit geraten, wer in so einem Fall die Kaution zahlt. Ich will doch bloß, dass du da raus bist, Lou, mach dir um mich keine Sorg-" Ich unterbreche seinen Redeschwall indem ich laut seinen Namen sage. "Ich sagte, ich diskutiere da nicht drüber. Ich lasse mich nicht von dir freikaufen, da kann ich genauso gut gleich ein Schuldgeständnis unterschreiben, wie sieht das bitte aus?" sage ich, etwas gereizter als ich eigentlich möchte.
"Quatsch, jemanden auf Kaution aus der Untersuchungshaft zu holen ist vollkommen legitim. Das hat absolut nichts mit der Schuld und der Meinung der Ermittler darüber zu tun, glaub mir, Schatz." Langsam werde ich wirklich sauer. "Ich sage es noch ein letztes Mal, Harry. Ich will es nicht. Akzeptier das bitte." Ich höre ihn leise seufzen. "Looou..." versucht er mich zu besänftigen. Allerdings ohne Erfolg. "Nein, nichts da 'Looou', Harry. Ich meine das Ernst. Wenn du das gegen meinen Willen machst, dann..." Ich raufe mir die Haare. "...dann kannst du dir den Weg nach Doncaster am Samstag sparen."
Stille.
"Und anschließend ebenfalls." Zittrig atmet er ein. "W-Was?" Seine Stimme ist bloß ein Flüstern. "Du hast mich schon verstanden, Harry." Bevor er etwas erwidern kann, drücke ich den roten Hörer auf dem Smartphone und starre zu Boden.
"Ich will zurück in meine Zelle." sage ich, als der Kommissar wieder den Raum betritt. Zu meiner Überraschung erfüllt er mir den Wunsch ohne Einwände, sodass ich mich kurze Zeit später auf die harte Matratze fallen lasse.
Erst als ich wieder hier sitze und nur das leise Ticken der Uhr zu hören ist, wird mir wirklich bewusst, was ich da gerade gesagt habe. Ich habe ihm indirekt gedroht, ihn zu verlassen. Ich sacke in mich zusammen und die Tränen brechen erneut aus mir heraus. Schluchzend ziehe ich meine Beine ran, schlinge meine Arme herum und lasse meinen Kopf darauf fallen. "Euer erster Streit?" Harvey steht noch in der Tür und blickt mich mitfühlend an. Ich nicke zaghaft. "Ich hätte sowas nicht sagen dürfen..." murmle ich. "Mach dir keinen Kopf, ich bin sicher, er versteht dich. Lass etwas Gras drüber wachsen, es ist weniger schlimm, als es sich anfühlt, glaub mir." Er lächelt mir noch einmal aufmunternd zu, bevor die Tür ins Schloss fällt und von außen klirrend verriegelt wird. Ich rutsche an die Wand hinter mich und schluchze erneut laut auf.
Fuck... Was habe ich nur angerichtet?
Ich war so aufgewühlt in den Moment, es ist mir einfach herausgerutscht. Ich bin mental nicht gemacht für Stresssituationen dieser Art und ich will ihn doch eigentlich nur schützen. Ihn und seinen Ruf. Es mag bescheuert klingen, aber ich habe einfach so Angst, dass das alles hier sich negativ auf ihn auswirkt. Auch wenn er der Meinung ist, dass nichts davon an die Öffentlichkeit gerät, sehe ich das weniger optimistisch. Er sollte doch die Klatschpresse genauso gut kennen wie ich. Für dieses Pack gibt es keine Grenzen wie Privatsphäre und es würde mich ebenso wenig wundern, wenn auch juristische Hürden für die kein Grund sind, weiter nachzubohren. Und auch Bundesbeamte sind gegen Bestechung nicht immer immun. Leider. So traurig es ist: Geld regiert die Welt.
Trotzdem hätte ich ihm solche Worte nicht an den Kopf werfen dürfen. Denn ich habe Sie nicht so gemeint. Natürlich wäre ich enttäuscht, wenn er meine Meinung nicht akzeptiert und entgegen dieser handelt. Aber ihn deswegen zu verlassen? Das würde ich niemals tun. Ich liebe ihn und... er wollte doch nur mein Bestes. Er wollte nicht, dass ich weiter hier bleiben muss. Er hat sich Sorgen um mich gemacht.
Ich bin so ein unfassbarer Idiot.
Voller Hass auf mich selbst und mein vorlautes Mundwerk schlage ich gegen die Wand neben mir und schreie direkt darauf schmerzverzehrt auf. Ich traue mich erst nach ein paar Sekunden nachzuschauen, was ich meiner Hand angetan habe, denn das Pochen verheißt nichts gutes. Meine Fingerknöchel sind aufgeplatzt und das Blut quillt aus mehreren kleinen Wunden heraus.
Ich wiederhole: Ich bin so ein unfassbarer Idiot. Der größte auf diesem ganzen, verdammten Planeten.
Ich stehe auf und wickle mir ein paar der Papierhandtücher drumherum, in der Hoffnung, dass es dann aufhört zu bluten. Mit der notdürftig verbundenen Hand lasse ich mich erneut aufs Bett fallen, vergrabe mein Gesicht im Kissen und seufze leise hinein. Ich würde am liebsten Harry anrufen und ihm sagen, dass mir meine Worte leid tun. Aber ich kann nicht. Ich habe keine Möglichkeit ihn zu kontaktieren und muss einfach hinnehmen, dass er vermutlich wenig begeistert ist, wenn ich ihn das nächste Mal wieder sehe. Falls er mich überhaupt wiedersehen will nach diesem komplett bescheuerten Verhalten gerade.
Wenn mir doch wenigstens eine Lösungen für mein Problem einfallen würde, käme ich zumindest schnell hier heraus und könnte zu ihm nach London fahren, um mich anständig zu entschuldigen. Aber auch dazu fällt mir ums Verrecken nichts ein.
Obwohl ich mir den ganzen Tag den Kopf zerbreche, komme ich nicht im Ansatz weiter. Harvey hat mir versprochen noch einmal die Unterlagen zu prüfen und nach Hinweisen auf die gefälschten Zahlen zu suchen, aber ich fürchte, auch er wird nicht so schnell fündig werden. Mein Chef wird es sicherlich nicht besonders einfach gemacht haben, seinen Betrug aufzudecken. Ich für meinen Teil kann mich leider überhaupt nicht aufs Wesentliche konzentrieren. Meine Gedanken kreisen um Harry.
Nicht nur die Angst, mit meinen Worten alles kaputt gemacht zu haben, beschäftigt mich, sondern auch, dass er so wahnsinnig erschöpft klang. Seit Wochen mache ich mir Sorgen um ihn und die aktuelle Situation um mich könnte der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Gedankenverloren knibble ich an dem Pflaster herum, das mir der Wärter nach dem Mittagessen für meine Hand vorbeigebracht hat. Ich war einfach froh, dass er nicht weiter nachgefragt, was passiert ist. Genauso egal scheint es ihm zu sein, dass auch das Abendessen unangerührt zurück geht, denn kommentarlos holt er es nach einer halben Stunde wieder ab und verschwindet ohne ein weiteres Wort.
Ich bin einfach ein Mensch, der unter Stress nichts herunter bekommt. Was das angeht, habe ich sogar Glück, dass Harry nicht hier ist. Der würde mich vermutlich eigenhändig füttern, weil er so besorgt ist. Einen kurzen Moment vergesse ich bei dieser Vorstellung meine Situation, als ich mich bei einem leichten Lächeln erwische. Ich hoffe so sehr, dass er mir verzeiht und versteht, dass es mir nur um ihn ging...
Gerade als ich für einen kurzen Moment aus dem kleinen Fenster sehe, denke ich plötzlich, ich habe eine Déjà-vu. Obwohl für heute nichts mehr angekündigt war, wird die Zellentür geöffnet. Erschrocken drehe ich mich um und blicke in die Augen des Zellenwärters.
"Bitte packen Sie Ihre Sachen, Mister Tomlinson. Sie dürfen gehen."
♪Don't you let it kill you, even when it hurts like hell. Oh, whatever tears you apart, don't let it break your heart.♫
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