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Raleigh
„Gott, Coco, wir werden dich vermissen!", Chastity hat Tränen in den Augen, als sie mich in eine warme Umarmung zieht. Ihre dünnen Arme, schlingen sich um meinen Nacken, als ihr süßliches Parfüm in meine Nase dringt.
„Ich euch auch", sage ich mit belegter Stimme.
Manche Abschiede waren schwerer als andere. Und dieser war einer der Schwereren. In den zwei Wochen, in denen ich hier war, hatte ich die anderen Mädels ein bisschen ins Herz geschlossen.
„Süße, schwing deinen knackigen Arsch zur Seite, jetzt bin ich dran!", zwitschert Diamond dazwischen und klopft Chastity dabei leicht auf die Schulter.
Ich lache, während Chastity sich von mir löst. Sie streicht kurz über ihr blondes, langes Haar, bevor sie einen Schritt zurück macht und Platz für Diamond macht, die mich nun ebenfalls in eine Umarmung schließt.
„Lass dich irgendwann mal wieder hier blicken", sagt Diamond sanft und löst sich anschließend von mir.
„Weißt du eigentlich schon, wo es jetzt für dich hingeht?"
Ich nicke und schenke Diamond ein Lächeln. „Nach Raleigh, North Carolina."
„Raleigh?", Diamond rümpft ihre Nase. „Ich hätte eher auf Memphis getippt. Was willst du denn in Raleigh?"
Ich zucke mit meinen Schultern und streiche mir eine meiner kastanienbraunen Haarsträhnen hinter die Ohren. „Ein Freund von Viktor kennt dort jemanden, der eine neue Tänzerin für ein paar Wochen sucht. Du weißt ich kann das Geld gebrauchen. Und jemand der mit Viktors Freund befreundet ist, muss auch ziemlich in Ordnung sein, oder?"
Diamond und Chastity nicken.
„Uh North Carolina. Ich hab gehört, da gibts ein paar heiße Südstaatenmänner", flötet London vom anderen Ende des Clubs.
Ein Bild von einem anderen Mann materialisiert sich plötzlich vor meinem inneren Auge.
„Gott nein, Hun, da willst du nicht hin glaub mir", mischt sich Angel in unsere Konversation ein. „Sobald du dir einen von denen geschnappt hast, ist das Nächste was er von dir will, dass du ihm zehn Kinder gebärst und ihnen allen Namen gibst, die du in der Bibel nachschlagen kannst."
„Das wird nie passieren. Ich kann keine Kinder bekommen", werfe ich nonchalant ein.
Es ist wahr. Vor zwei Jahren hatte mein Gynäkologe bei mir eine Beeinträchtigung meines Hormonhaushaltes festgestellt, welche meinen Kinderwunsch sehr stark beeinträchtigte. Es tat ein bisschen weh, aber ich war mir sicher, ich würde auch ohne Kinder glücklich im Leben sein.
„Oh das tut mir leid", sagt Chastity mitfühlend und drückt meine Hand.
„Vielleicht...", ruft London schließlich in die Stille hinein um die Stimmung ein bisschen aufzulockern. „Kannst du sie trotzdem dazu bringen, ein paar Sünden zu begehen", sie kichert.
Ein Grinsen erscheint nun auf meinem Gesicht und ich lecke mir mit der Zunge über die Oberlippe.
„Könnte ich", sage ich frech. „Aber wir wollen doch den Beichtstuhl nicht überfüllen", zwinkere ich den Mädels zu und breche dann in lautes Gelächter aus.
♥♥♥
Mit meinem kleinen pinken Koffer stehe ich im Busbahnhof von Detroit und warte auf meinen Bus. Die Busfahrt kostet mich 115$ und es tut mir im Herzen weh, so viel Geld für die Busfahrt auszugeben, aber ich weiß ebenso, dass es noch teurer wäre mit dem Flugzeug zu fliegen.
Ich beobachte, wie ein blauer Greyhound Bus in den Terminal einfährt und schließlich vor mir zum Stehen kommt. Er öffnet seine Türen und der Busfahrer läuft die Treppe herunter. Er kommt mit einer Liste vor mir zum Stehen, fragt mich nach meinem Busticket und checkt schließlich meinen Namen auf seiner Liste ab.
Heute ist ein besonders heißer Tag in Detroit, die Temperatur beträgt 28 Grad Celsius und meine Haare kleben von der Hitze an meinem Nacken.
Die Luft im Bus ist nicht wirklich besser. Zum Glück habe ich mich luftig angezogen. Ich trage ein süßes, dunkelrotes Crop top, das am Saum geschnürt ist. Gepaart habe ich es mit einfachen verwaschenen Jeanshorts, an meinem Füßen, halbhohe schwarze Plateauboots.
An meinem Sitz angekommen, fasse ich mein Haar zusammen und binde es mir zu einem unordentlichen Dutt, den ich auf dem Kopf befestige. Die goldenen Armreifen, die meinen halben Arm zieren, klimpern bei jeder Bewegung. Ich stoße einen erleichterten Seufzer aus und beobachte die Leute, die in den Bus einsteigen. Die Fahrt wird fast zehn Stunden dauern und ich hoffe innig, dass sich niemand neben mich setzen wird. Doch leider kann man bei den ganzen Zwischenstopps, nie so wirklich sicher sein. Irgendwann würde sicherlich eine Person neben mir sitzen.
Als die Bustür sich jedoch hinter mir schließt und sich erstmal keine Person neben mich setzt, atme ich erleichtert aus und mache es mir sofort auf meinem Sitz gemütlich. Ich bin erschöpft vom ganzen Arbeiten und sehe die nächsten zehn Stunden als Gelegenheit ein wenig zu schlafen. Ich krame meine Kopfhörer hervor und stecke sie in mein sieben Jahre altes I Phone. Kurze Zeit später dringt Little Mix's „Nothing but my feelings" in meine Ohren. Ich kuschele mich noch weiter in den Sitz und schließe meine Augen und gleite sanft in den Schlaf.
♥♥♥
Ein paar Stunden später wache ich nach einem besonders expliziten Traum von einem Mann mit blauen Augen und schwarzen Haaren auf. Meine Brust hebt und senkt sich hektisch vor Erregung. Ich stöhne genervt auf und fahre mir einmal kurz durch, die aus meinem Dutt herausgefallenen, Haarsträhnen. Seit vier Tagen träumte ich von meiner Nacht mit dem Fremden, ein permanentes Ziehen zwischen meinen Beinen, wenn ich an unsere Nacht zurückdachte. Es war frustrierend, weil mich noch nie ein One Night Stand so aufgewühlt hatte wie dieser. Meine Nippel drücken sich hart gegen meinen BH und plötzlich wünsche ich mir, ich wäre alleine in meinem Apartmentzimmer mit „Mr O" meinem Vibrator. Es war zwar nicht dasselbe wie mit einem Mann zu schlafen, aber zur Überbrückung, bis ich einen gefunden hatte, mit dem es wert war zu schlafen, tat er seinen Zweck.
Der Bus kommt plötzlich zu einem Stopp und die Türen öffnen sich. Als ich aus dem Fenster blicke, sehe ich, dass wir uns bereits in Ohio befinden. Eine Scharr von Passagieren steigt ein und als ich schon glaube, dass ich weiterhin meine zwei Sitze für mich alleine habe, steht plötzlich ein blonder Kerl neben mir und schaut auf mich herunter. Meine Augen mustern ihn und nach wenigen Sekunden bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass es sich bei ihm um einen Studenten handeln muss. Alles, von seinem rotkarierten Hemd, seinen beigen Cargo Shorts und Sneakers schreit förmlich „Verbindungstyp". Nach dem er mich ebenfalls abgecheckt hat, seine Augen verweilen dabei ein wenig zu lange auf meinen Brüsten, greift er nach seiner dunklen Sonnenbrille, setzt sie sich auf den Kopf und schenkt mir ein strahlendes Lächeln. Seine Augen sind moosgrün und er hat ein Grübchen auf der linken Wange, wenn er lacht. Er ist süß. Das musste ich mir eingestehen.
Plötzlich dringen Londons Worte in meine Gedanken und auf einmal weiß ich, wie ich den Fremden aus dem Club aus meinem System bekommen würde. Ich richte meinen Körper ein wenig auf und streiche mir eine Haarsträhne, die aus meinem Dutt gefallen ist, in einer koketten Bewegung hinters Ohr. Dann schenke ich dem Verbindungstypen ein Lächeln. „Das ist wohl dein Sitz oder?"
Sein Lächeln wird noch breiter, während er nickt. „Es sei denn du möchtest, dass ich auf deinem Schoß sitze", sagt er mit einer versteckten Anspielung in seinen Worten.
Ich lache auf, schüttele meinen Kopf und rutsche auf den Fenstersitz rüber. Der Bus ist inzwischen wieder los gefahren. Es sind noch 8 Stunden bis nach Raleigh. Verbindungstyp setzt sich neben mich und streckt mir eine seiner großen, nackten Hände entgegen. Keine Tattoos.
„Hi, ich bin Chad."
„Ariel", sage ich mit einem Lächeln, bevor wir die Hände schütteln.
♥♥♥
„Du solltest unbedingt nach Charleston kommen. Ich kann dir sogar ein paar Tickets für eins meiner Spiele sichern, Babe", raunt mir Chad in einem tiefen Ton zu. Nur dass seine Stimme nichts bei mir auslöst.
Chad spielt Baseball im College. Er ist der Center Field. Oder war es der Left Field?
Ich weiß es nicht mehr wirklich, weil Chad, seit wir Ohio verlassen haben, ununterbrochen über sich erzählt. Wie ich schon angenommen habe, ist er in einer Studentenverbindung.
„Ach sind wir etwa schon beim Babe?", frage ich ihn sarkastisch und ziehe meine Augenbraue dabei hoch.
Er scheint meinen Sarkasmus allerdings nicht zu raffen. Stattdessen breitet sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und er legt seinen Arm um die Rückenlehne meines Sitzes. „Sicher", sagt er gedehnt. „Du bist viel zu heiß, um dich nicht Babe zu nennen."
Es hat gerade einmal eine halbe Stunde gedauert, um meinen Plan über Bord zu schmeißen. Chad ist viel zu anstrengend und er ist es einfach nicht wert mit ihm zu schlafen. Vermutlich würde er noch nicht mal meinen G Punkt finden. Außerdem schien es mir nicht fair zu sein, den blauäugigen Teufel mit so einem Loser zu vergessen. Ich wusste, dass hörte sich gemein an und als ob ich eine kleine Diva wäre. Aber wie sagte man so schön? Starke Frauen haben ihre Standards. Und Respekt war für mich bei diesen ganz oben. Und das, hatte Chad nun mal nicht.
Als der Bus endlich nach einer weiteren Stunde auf eine Raststätte fährt, atme ich erleichtert auf. Ich muss auf die Toilette und es ist gleichzeitig meine Chance von Chad wegzukommen. Ich greife nach meinem pinken Koffer und quetsche mich an Chad vorbei, der immer noch in seinen Sitz gepresst ist.
„Hey Babe, wo willst du hin?!", ruft er mir hinterher, als ich durch den Gang des Busses laufe.
„Ich bin nicht dein Babe!", rufe ich ihm über die Schulter mit leicht pissigem Unterton zu, bevor ich die Treppe nach unten laufe und mich, in der untergehende Sonne South Carolinas, auf den Weg zur Toilette mache. Nur noch höchstens zwei Stunden bis ich Chad los bin.
Ich rolle meinen Koffer hinter mir her und flüchte in die kleine Raststättentoilette. Dort angekommen entleere ich mich, wasche meine Hände und blicke schließlich in den Spiegel. Mein Makeup sitzt noch, einer meiner goldenen Kreolen hängt allerdings nur noch halb in meinem Ohrloch. Ich öffne den Clip des Ohrrings und schiebe ihn wieder richtig hinein.
Plötzlich höre ich ein Geräusch hinter mir. Ich drehe mich sofort um und blicke in kein geringeres Gesicht, als das von Chad. Er steht am Eingang zur Toilette und versperrt mir die Tür.
„Da bist du ja, Babe", sagt er mit tiefer Stimme, aus der Entfernung kann ich den Blick in seinen Augen sehen, die nun lüstern meinen Körper entlangwandern.
Er fährt sich mit seiner Zunge über die Lippen, bevor er sich vom Türrahmen abstützt und auf mich zu geschlendert kommt. Ich weiche einen Schritt zurück, bis mein Hintern gegen das Waschbecken stößt.
„Na, hat es dir gefallen mich die ganze Zeit im Bus so heiß zu machen?", seine Stimme ist schwer und klingt voller Lust.
„Es hat auf jeden Fall funktioniert", er macht einen Satz nach vorn und drückt mich gegen das Waschbecken, bevor sich seine Lippen hart auf meine pressen.
Bah!
„Meine Anakonda ist schon seit zwei Stunden verdammt hart", brummt er an meinen Lippen und steckt mir zu allem Übel seine Zunge in den Mund, seine Hände halten nun meine Arme fest, damit ich mich nicht wehren kann.
Ich beiße zu und hoffe, dass er mich loslässt, aber es scheint ihn nur noch mehr anzutörnen. So langsam platzt mir der Kragen!
Niemand fasste mich an, ohne meine Einwilligung! Und nur weil ich eine Frau war und ein Mann einen Penis hatte, der durch mich irrigiert werden konnte, gab das einem Mann nicht das Recht mich bis in die Toilette zu verfolgen und sich mir aufzudrängen! Mich zu belästigen!
Ich hole einmal aus und trete schließlich mit meinem Plateauabsatz hart zu. Ich bin mir sicher ich hab seinen Fuß gebrochen. Verstaucht bestimmt. Er schreit auf und macht einen Satz zurück, aber nicht bevor ich besagte Anakonda zu greifen bekomme. Meine Finger zu einer Kralle geformt halte ich seinen Penis durch seine Hose in einem harten Griff und drücke zu.
„Hör mir mal gut zu, Freundchen!", sage ich todernst und drücke noch fester zu, meine Fingernägel bohren sich in seine Hoden.
Ein schmerzhaftes Wimmern verlässt seinen Mund. „Ich bin weder dein Babe, noch dein persönliches Spielzeug! Und solltest du mich noch einmal anfassen, dann kastrier ich dich!", drohe ich ihm, meine Stimme eiskalt und schneidend.
Ich wurde von einer starken Frau aufgezogen und sie hatte mir schon früh beigebracht, dass man sich von Männern nichts gefallen lassen sollte. Sie hatte mich ebenfalls im frühen Alter vor der Sorte von Mann, die Chad war, gewarnt. Ich war mir sicher Mum saß auf einem Thron im Himmel, in all ihrer Schönheit, schaute auf mich herunter und feuerte mich an. Denn so war meine Mum gewesen. Eine selbstbewusste, starke, schöne Frau, die sich von niemanden etwas gefallen ließ und die, wenn sie wollte, ein ganzes Zimmer in Minuten in Flammen setzen konnte. Komme was wolle.
„Okay, okay. Ich mach alles was du willst, lass...", ein schmerzhaftes Stöhnen dringt aus Chads Mund. „Lass nur meine Eier in Ruhe."
Ich schaue ihm noch ein letztes Mal für ein paar Sekunden, drohend in die Augen, um ihn klar zu machen, dass ich ihn ohne jegliche Reue kastrieren würde, wenn er mich noch mal anfasste. Dann löse ich schließlich meinen Griff von seinem Penis und mache einen Schritt zurück. Chad stolpert im selben Moment nach vorn und hält sich schmerzhaft den Schritt.
Geschieht im Recht, diesem kleinen Pisser!
Ich greife schließlich nach meinem Koffer und verlasse die Toilette.
♥♥♥
Raleigh war kein bisschen wie Detroit. Nicht nur das Wetter, das hier durchschnittlich fünf Grad wärmer war, ist anders, sondern auch der Club. Ich bin gerade mal fünf Tage hier und überlege schon wieder abzureisen. Ich vermisse Detroit komischerweise. Aber ich brauche das Geld und kann mir nicht erlauben den Job zu kündigen, bevor ich weiß wo ich überhaupt hin will.
Meine Augen wandern das Badezimmer meines schäbigen Apartments, in dem ich hier wohne, entlang, während ich mir die, fast nicht existierenden Stoppeln, von den Beinen rasiere. Russel, der Clubbesitzer und mein neuer Chef für die nächsten 14 Tage, inspizierte vor jedem Auftritt, ob wir rasiert waren.
Als ich fertig bin, werfe ich mir einen hellblauen Rock über mit einem passenden Crop top. Ich binde meine Haare zu einem hohen Dutt. Meine silberne Perücke liegt in meinem Koffer. Stattdessen greife ich nach der blonden Langhaarperücke, die auf dem mit Rost bedeckten kleinen Tisch, der in der Ecke des Zimmer steht, liegt. Russel besteht darauf, dass die Tänzerinnen, die kein blondes Haar von Natur aus haben, eine blonde Perücke tragen müssen. Lola und ich sind die Einzigen. Wenn man jedoch glaubt uns verbindet dies, dann hat man sich geirrt. Die anderen Mädels hassen mich.
Das wird auch wieder deutlich, als ich zwanzig Minuten später, die Umkleidekabine des Clubs betrete und auf mein „Hi" als Begrüßung keine Antwort erhalte und stattdessen von sämtlichen Mädels ignoriert werde. Ich versuche mich nicht dran zu stören und laufe weiter durch die Umkleidekabine zu meinem hinteren Platz vorm Spiegel. Auf dem Weg dorthin kommt mir Cherry auf hohen schwarzen Highheels entgegen. Auf ihrem Gesicht ein katzenartiges Grinsen, ihre langen, naturblonden Haare zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. Sie trägt einen rückenfreien schwarzen Netzanzug mit Spitze, plus lange schwarze Strapse. Sie sieht heiß aus. Und das weiß sie auch. Sie sucht sich extra immer die besten Outfits aus, damit sie das meiste Trinkgeld bekommt.
Das ist auch noch etwas, was anders ist, als in Detroit. Wir haben keine Outfits, die für uns bestimmt sind. Stattdessen hängt für gewöhnlich eine Reihe von Outfits an einer Kleiderstange, von denen wir uns eins aussuchen können. Das Material, der meisten Outfits, ist ein unbequemes, billiges Polyester, was meistens an der Haut kratzt.
Als Cherry schließlich bei mir angekommen ist, bleibt sie vor mir stehen.
„Nur dass du Bescheid weißt, Fettarsch..", sie betont jede einzelne Silbe des letzten Wortes, während ein langsames, höhnisches Lächeln sich auf ihren Lippen ausbreitet.
Wut steigt in mir hoch und schießt in meine Wangen. Ich bin schon immer eine Person gewesen, die zu Gefühlsausbrüchen neigte.
„Ich tanze heute an der Stange. Russel hat mir schon seine Erlaubnis gegeben", ihre Stimme trieft nur so vor Hohn.
Cherry hatte die letzten fünf Tage, jeden einzelnen Tag an der Stange getanzt. Sie weiß, dass die Männer der Frau, die an der Stange tanzt, meistens mehr Dollar zustecken. Ich weiß nur leider nicht, wozu sie das ganze Geld braucht, denn sie sieht aus wie eine dieser Südstaatenschönheiten, die in einem großen Haus, mit einem weißen Palisadenzaun, großgeworden ist und eine Menge Geld hat. Aber man schaute den meisten Leuten sowieso nur vor den Kopf.
Ich stemme meine Hände in die Hüften und starre wütend zu Cherry hoch. Mir ist es egal, dass sie mich mit ihren Absätzen fast 15 Zentimeter überragt. „Erstens du Hungerhaken, wenn du mich noch einmal Fettarsch nennst, dann wirst du den Absatz einer meiner süßen Schuhe in deinem knochigen Arsch wiederfinden", ich schenke ihr ein boshaft, süßes Lächeln. „Und zweitens: Die Stange tut mir leid. Sie wird nie wahres Talent erfahren", bei meinen letzten Worten werfe ich mir mein Haar mit genug Attitüde über die Schulter und treffe sie dabei mit ein paar meiner Haarsträhnen. In einem Käfig voller Hyänen war der einzige Weg sich durchzusetzen, wenn man zurückbiss.
Schließlich drehe ich mich um und laufe mit einem Schwung in der Hüfte an ihr vorbei zu meinem Platz an dem Spiegel.
♥♥♥
„Dirty" von Christina Aguilera dröhnt aus den Lautsprechern, während ich und drei andere Tänzerinnen, deren Namen ich nicht weiß, weil sie mir sie nicht verraten haben, auf dem schmalen Bartresen tanzen. Ich weiß, dass der Barmann hinter mir, mir auf den Hintern glotzt. Dabei ist er durch den schwarzen Latexbody, den ich trage sogar halbwegs bedeckter, als ich es gewohnt bin. Vor uns sitzt eine Reihe von Männern auf Barhockern. Sie starren uns alle an, als ob sie im Himmel gelandet wären.
Mir ist unglaublich heiß in dem Latex, es klebt an meinem Körper und kratzt in meinem Schritt. Ich mache einen Tanzmove, bei dem ich tief in die Hocke gehe. Ich spüre, wie plötzlich etwas reißt. Ein kurzer Blick nach unten zeigt mir, dass ich ein großes Loch in meine Netzstrumpfhose gerissen hab. Zum Glück ist das nicht weiter schlimm. Einer der Männer versucht nach meinen schwarzen Hasenohren zu greifen, doch ich weiche seinem Griff nach mir gekonnt aus, in dem ich flüssig in einen anderen Tanzmove wechsele. Als Christina Aguilera schließlich beginnt zu singen „What do when the music starts to drop...", lege ich erst richtig los.
Ich lass mich vollkommen gehen, komplett in meinem Element, schwinge mit meinen Hüften und tanze sexy mit meinen Highheels über den Bartresen. Den Männern scheint es zu gefallen, denn ich bekomme mehrfach Dollar zugeworfen. Als Redman anfängt zu rappen, werfe ich den Männern eine Kusshand zu und zwinkere ihnen schließlich zu. Einer der Männer, hat einen Schein in der Hand und bedeutet mir mit dem Finger zu ihm zu kommen, weil er mir das Geld vermutlich zustecken will. Ich schenke ihm einer meiner verführerischsten Lächeln und setze mich zu ihm in Bewegung.
Plötzlich spüre ich, wie ich stark von hinten geschubst werde. Ich stolpere nach vorne, kann mich auf meinen hohen Schuhen nicht mehr halten und falle schließlich nach vorn. Ich komme zum Glück noch auf meinen Knien auf und kann mich davor bewahren, mit dem Kopf irgendwo aufzuschlagen. Schock vermischt mit Wut dringt durch meinen Körper.
Was zum Teufel?!
Der Barmann ist schnell an meine Seite geeilt und hält mir seine ausgestreckte Hand entgegen, um mir wieder aufzuhelfen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?", fragt er mich über die Musik hinweg.
Ich nicke nur, richte mich auf und streiche mir meine blonde Perücke aus dem Gesicht. Diese Biester! Ich fahre herum und komme langsam auf meinen Absätzen zu den beiden anderen Frauen gelaufen. Die Kleinere von den Beiden verrät sich, weil ein kurzes, freches Grinsen auf ihrem Gesicht erscheint. Ich laufe ruhig auf sie zu, obwohl in meinem Inneren ein Tornado wütet. Als ich bei ihr ankomme, hole ich aus und pfeffere ihr eine. Ihre Augen weiten sich geschockt. Alleine der Ausdruck in ihrem Gesicht gibt mir genug Genugtuung, um mein Blut ein bisschen zu beruhigen.
Zum den letzten Tönen von „Dirty" schwinge ich mich schließlich vom Tresen auf den Schoß eines Mannes. Er ist zu perplex, um irgendwas anzustellen, was mir genug Zeit gibt, von seinem Schoß zu springen und durch die Tür, die sich neben der Bar befindet, zu verschwinden.
♥♥♥
Grillenzirpen dringt durch das offene Fenster hindurch, der modrige Gestank des Apartments verweilt wie eine permanente Duftwolke im Raum. Nur noch eine Nacht in diesem schäbigen Apartment. Ich habe gekündigt. Keine Zehn Pferde würden mich mit solchen Biestern zusammen arbeiten lassen. Ein kleiner Stich durchfährt mich, als ich über das Geld, welches mir fehlen würde, nachdenke. Ich hatte bereits eine Menge meines verdienten Geldes auf mein Sparkonto eingezahlt. Aber es war immer noch nicht genug.
Mein Finger fährt über den Bildschirm meines Handys. Wehmut dringt durch jede Pore meines Körpers, als ich auf die Bilder auf meinem Handy blicke. Sie sind von meiner Mum und mir. Wir lachen beide in die Kamera, hinter uns der beleuchtete Ocean Drive. Die Bilder sind kurz entstanden, bevor Mum mit Demenz diagnostiziert wurde. Eine Träne kullert mein Gesicht herunter. Ich fange sie mit meinem Finger auf. Mum und ich hatten so viel Spaß in Miami zusammen gehabt. Ich erinnere mich an heiße Sommerabende und eine lateinamerikanische Bar, in der mir Mum und ein Mexikaner namens Miguel Angel, eine Salsa beibringen wollten. Ich glaube Miguel Angel war in Mum verknallt.
Es ist Jahre her, seit ich das letzte Mal eine Salsa getanzt habe. Ich bin mir nicht mal mehr sicher, ob ich mich an die Schritte erinnern kann. Auf einmal dringt ein merkwürdiges Gefühl durch mich hindurch. Fast wie ein unsichtbarer Sog, der mich in eine bestimme Richtung ziehen will. Und dann breitet die Idee sich glasklar vor meinen Augen aus und ich weiß, wo meine Reise mich als Nächstes hinführen wird.
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Hi :)
Hier ist ein neues Kapitel :) Ich hab selten so eine Danceparty während des Schreibens veranstaltet hahaha.
Aber hey, es ist Christina Aguilera :) + music fuels me in every sense possible :)
Ich hoffe es gefällt euch :D
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