You're strong.
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Kᴀᴘɪᴛᴇʟ ₂₂ ﹕ Yᴏᴜ'ʀᴇ sᴛʀᴏɴɢ
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Mit ausreichend Kraft drückte Jimin mich an meinen Schultern auf sein Bett, bevor er sich kurz entschuldigte und hinter der Tür verschwand. Etwas ratlos saß ich in dem hellen Raum und sah mich um. Die weißen Wände stachen in meinen Augen und die unzähligen Poster von verschiedenen Sängern, für die mein bester Freund schon immer geschwärmt hatte und seine Vorbilder waren, ließen mich schwindelig fühlen. Dann fiel mein Blick auf den Spiegel des Kleiderschranks und damit auf mich – erst da realisierte ich wie schlecht ich eigentlich aussah. Meine Wangen waren eingefallen, die dunklen Augenringe ließen mich krank aussehen und meine Haare hingen mir glanzlos in die Stirn.
Gerade wollte ich mein grässliches Gesicht in meinen Handflächen verschwinden lassen, als die weiße Holztür wieder aufschwang und den blonden Jungen offenbarte. Mit einem liebevollen Lächeln lief er zu mir herüber, setzte sich mit einem Seufzen neben mich auf die Bettkante und reichte mir ein Glas Wasser. „Hier", forderte er mich auf, es ihm abzunehmen, „da ist eine Kopfschmerztablette drin aufgelöst."
Er war viel zu gut für mich. Ich hatte ihn doch überhaupt nicht verdient.
„Jetzt nimm schon", kicherte Jimin da aber und ließ nicht locker, bis ich schließlich das Glas mit meinen zitternden Fingern umgriff und ihm aus der Hand nahm. Vorsichtig führte ich es an meinen Mund, ließ die kühle Flüssigkeit meine spröden Lippen benetzen und nahm daraufhin mehrere Schlucke. Für einen Moment schloss ich die Augen, versuchte das Dröhnen in meinem Kopf zu ignorieren und mich nur auf die erfrischende Wirkung zu konzentrieren, die das Wasser auf mich ausübte, als es meine trockene Kehle hinabfloss.
„Danke", kam es mir flüsternd über die Lippen, nachdem ich das Glas wieder abgesetzt hatte. „Doch nicht dafür", grinste Jimin und legte seinen Arm um meine Schultern. Bei seinen Worten und Gesten hätte ich mich am liebsten direkt wieder daraus gelöst. Viel zu oft hörte ich diese Stimme in meinem Kopf, die mir einredete, dass ich diesen Jungen nicht verdient hatte... dass ich ihn zu einem gefallenen Engel machen würde... ihn mit mir reißen würde. Allerdings flutete mich gleichzeitig dieses warme Kribbeln. Ein Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen. Familie. All das war Jimin schon immer für mich gewesen und je stärker ich die sanften Kreise spüren konnte, die er mit seinem Daumen auf meinen Oberarm zeichnete, desto mehr gab ich diesen Gefühlen nach und ignorierte die Stimme in meinem Kopf.
Für einige Minuten herrschte eine bedächtige Stille über unseren Köpfen, in der ich mich Stück für Stück näher an den Kleineren drückte. So viel Wärme ging von seinem schmalen Körper aus, hüllte meine eisige Haut in eine seichte Sommerbrise und ließ mich erleichtert aufseufzen. Für einen winzigen Moment vergaß ich alles um mich herum, die Sorgen und Probleme, mein zerrissenes Herz und meine zersplitterte Seele.
„Was ist denn los, Kooks?", riss mich die helle Stimme da aber wieder zurück in die Gegenwart und ließ die Seifenblase um uns herum zerplatzen. „Du weißt, du kannst immer mit mir reden."
Nein. Das konnte ich nicht. Und das würde ich auch in Zukunft nicht können.
Da war sie wieder die Stimme in meinem Kopf, die mir klar machte, dass ich dieser Junge nicht mit in meinen Abgrund gezogen werden dürfte. Denn wenn er alles erfahren würde... wenn er erneut versuchen würde mich zu retten, dann würde er sich selbst vergessen. Er würde sich selbst für mich aufgeben. Ich kannte ihn.
„Es ist nichts...", murmelte ich deshalb wenig glaubwürdig und versuchte mich etwas aus seinem Arm zu winden, der nun wie ein Sack Steine auf meinen Schultern lag. Mit einem Seufzen ließ Jimin schließlich von mir ab, woraufhin ich augenblicklich bis an das Ende des Bettes rutschte und damit Abstand zwischen uns beide brachte. „Kooks...", murmelte der Blonde einige Sekunden später und aus dem Augenwinkel heraus konnte ich erkennen, dass er sich von der Bettkante erhob und sich vor mir auf die Knie fallen ließ. Kurz streiften sich unsere Blicke und ich konnte sofort das sorgenvolle Funkeln in Jimins blauen Iriden erkennen, was mich meinen Blick hastig von ihm abwenden ließ.
„Es ist nichts, Jimin", versuchte ich es daraufhin erneut, nun aber um einiges bestimmter. Plötzlich spürte ich jedoch eine sanfte Berührung an meinen in meinem Schoß verschränkten Händen, was mich scharf die Luft einziehen ließ. „Wie läuft denn die Therapie?" Und diese Worte ließen mich endgültig erstarren, wobei mein Herz in meiner Brust erneut höllisch schmerzte; als hätte jemand eine Flasche Alkohol darüber ausgekippt und es nun mit einem Streichholz in Brand gesteckt. Im Bruchteil einer Sekunde stiegen mir die Tränen zurück in die Augen, sodass ich verzweifelt versuchte diese wegzublinzeln. Meine Kehle wurde staubtrocken und ich musste schwer schlucken.
„G-gut", presste ich mit all meiner letzten Kraft hervor, ohne meinem besten Freund auch nur einen Seitenblick zu würdigen. Viel zu aufgewühlt war mein Inneres. Viel zu sehr wurde ich von der Flut an Emotionen und Schmerz in meinem Inneren eingenommen. Viel zu stark lag die Schuld auf meinen Schultern und brachte die Narben auf meinen Unterarmen zum Brennen. „W-wir machen Fortschritte", log ich wie gedruckt und presste meine Lippen bei der plötzlichen Überforderung zu einer schmalen Linie zusammen.
„Worüber redet ihr denn so?", hakte Jimin zu allem Überfluss weiter nach und drückte meine Hände in den seinen dabei leicht. Erneut musste ich schwer schlucken, um den Kloß in meiner Kehle zu vertreiben. „Ü-über vieles", versuchte ich dieser Situation irgendwie zu entkommen, dabei hätte mir doch klar sein müssen, dass Jimin sich niemals damit zufriedengeben würde. „Aha", nickte er meine plumpe Aussage gutmütig ab, „und was bedeutet das genau? Ich meine... dir scheint es ja trotzdem nicht besonders gut zu gehen." In seinen Worten lag keinerlei Vorwurf, viel mehr ehrliche Sorge und ich wusste, dass es Jimin in den Wahnsinn treiben würde, wenn ich ihm von meinen Gedanken und dem... dem Schneiden erzählen würde. Er dachte immer noch, dass ich wenigstens das nicht mehr tun würde. Und ich hatte es auch eine ganze Zeit lang nicht mehr gemacht. Aber es zu unterdrücken hatte mich nur noch schwächer gemacht. Meinen Körper all die Zeit daran zu hindern, sich gegen sich selbst zu wenden... dieses Gefühl den Schmerz herauszulassen zu unterdrücken... hatte sich mehr und mehr angestaut. Bis ich es nicht mehr ausgehalten habe.
Ich holte einmal tief Luft, bevor ich meinen Kopf zu meinem Freund drehte, so viel Ehrlichkeit wie mir bei einer Lüge dieses Ausmaßes möglich war in meinen Blick legte und ihm gespielt fröhlich zulächelte. „Wir haben darüber gesprochen, auf was für einem guten Weg ich mich befinde", noch nie war mir meine eigene Stimme so fremd vorgekommen, „vielleicht können wir die Termine sogar reduzieren und ich darf meine Medikamente herunterdosieren." Kurz hielt ich inne und schluckte. „Es läuft wirklich gut." Mit all meiner Kraft unterdrückte ich die Tränen, während mein Blick auf den warm funkelnden Augen meines Freundes lag, die sich nun aufgrund des Lächelns auf seinen Lippen zu schmalen Mandelkernen verformten. „Das ist wirklich toll, Kooks! Ich freue mich sehr für dich", verließ es liebevoll seinen Mund, „aber du weißt... du kannst immer zu mir kommen und mit mir über alles reden."
Bei seinen Worten fiel meine Maskerade für den Bruchteil einer Sekunde, sodass sich eine einzelne Träne aus meinem Augenwinkel löste und über meinen blassen Wangenknochen kullerte. Sofort riss der Blondschopf seine Augen erschrocken auf und erhob sich, um mir die Träne mit dem Daumen trocken zu wischen. „Heeey, was ist denn los?", lag plötzlich wieder so unglaublich viel Sorge in seiner Stimme, sodass ich mich augenblicklich nur noch schlechter fühlte, dass ich ihn angelogen hatte. Ohne es kontrollieren zu können, bahnten sich weitere Tränen ihren Weg über mein Gesicht und ich begann unkontrolliert zu schluchzen. „I-ich... ich weiß es n-nicht, J-jimnie", wimmerte ich und konnte im selben Moment spüren, wie mir zwei schmale Arme um den Nacken geschlungen wurden und mich fest an die Brust des Blonden drückten. „E-es ist nur... m-machmal so schwer", schluchzte ich weiter und griff verzweifelt in den Stoff von Jimins Hemd. „Ich weiß, Kooks... ich weiß", nuschelte er gegen meinen Haarschopf und platzierte einen flüchtigen Kuss darauf, während er mir tröstend über den Rücken strich. „Aber ich weiß, wir schaffen das schon zusammen. Wir sind stark. Du bist es!"
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