Neverland.







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Kᴀᴘɪᴛᴇʟ ₆ ﹕ Nᴇᴠᴇʀʟᴀɴᴅ

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Endlich war ich wieder raus aus diesem Knast von Klinik. Als ich aus dem Haupteingang dieses ekligen Betonklotzes ging, wurde ich von einem kalten Windzug erfasst und ein paar bereits herabgefallene Blätter flogen mir um die Nase. Ich musterte das rotbraune Laub, welches sich in allen Ecken sammelte und dort von dem Herbstwind aufgewirbelt wurde. Es gefiel mir irgendwie. Es gefiel mir zu wissen, dass die Blätter an den Bäumen jeden Herbst starben, nur um im nächsten Frühjahr in einem neuen, prachtvolleren Kleid zu erstrahlen. Fast so wie ein Phönix. Aber eben nur fast.

„Na, über was denkst du jetzt schon wieder nach?", wurde ich plötzlich von einer mir so bekannten, tiefen Stimme aus meinen Gedanken gerissen. Genervt verdrehte ich meine Augen und lief einfach weiter vorwärts, ohne auch nur mit einem einzigen Wort auf die Frage einzugehen. „Hey, Kookie! Jetzt warte doch mal!", rief er mir allerdings sofort hinterher, doch ich dachte gar nicht daran jetzt stehen zu bleiben. Konnte er mich nicht wenigstens ein einziges Mal in Ruhe lassen? Ich kam gerade aus einer dieser beschissenen Therapiesitzungen, die mir ja sowieso nichts brachten und dann tauchte er auch noch hier auf. War ich eigentlich verflucht oder so? War ich wirklich ein so von Gott gehasster Mensch, dass mein Leben so scheiße war?

„Jetzt bleib doch mal stehen!", schallten da die nächsten Worte an meine Ohren. „Was willst du?", fragte ich schließlich mehr als desinteressiert und beschleunigte meine Schritte nur noch mehr. „Ich will einfach nur reden...", kam es nun kleinlaut von dem Jungen hinter mir und ich wusste auch ohne mich umzudrehen, dass er nun den Kopf gen Boden gesenkt hatte und beide Hände in den Taschen seiner Jeans vergrub.

„Wusste ich's doch", schnaubte ich belustigt auf, als ich mich doch zu ihm herumdrehte. Dass meine Mundwinkel keine Sekunde später bei seinem mir so vertrauten Anblick wieder herabfallen wollten, versuchte ich möglichst gut zu überspielen. „Was wusstest du?", fragte der Junge mit den so auffälligen meerblauen Haaren schüchtern und legte dabei die Stirn in Falten. „Na, dass der wahre Taehyung mal wieder ans Tageslicht gefunden hat", murmelte nun auch ich verlegen, was den Blauhaarigen augenblicklich rot werden ließ. Der leichte rosa Schimmer auf seinen sonst karamellfarbenen Wangen, ließ mein Herz schneller schlagen.

„Ich... ich... hey, du bist gemein!", motzte er aber mit einem Mal beleidigt. Seine Lippen zu einer grimmigen Grimasse verziehend, kam er ein paar Schritte auf mich zu. Dabei baute er sich zu seiner vollen Größe vor mir auf und überragte mich schließlich sogar um einen halben Kopf. Dennoch beeindruckte mich das nicht wirklich. „Ich habe keine Angst mehr vor dir, Tae. Nicht mehr", schnaubte ich und konnte keine Sekunde später spüren, wie sich mein Herz etwas zusammenzog.

„Was soll das denn heißen?", fragte Taehyung gleich darauf und verschränkte seine Arme dabei trotzig vor seiner Brust. „Na eben genau das, was ich gesagt habe. Ich habe keine Angst vor dir...", langsam nagte der Satz an meiner Gefühlslage und ließ mich kurz auf meine Unterlippe beißen, „was willst du schon tun." Ein Stich zog durch meine Brust.

„Hey, jetzt reicht's aber", meckerte mein Gegenüber frech, während sich ein schiefes und so überlegenes Grinsen auf seine Lippen schlich. Normalerweise hätte er mich immer mit diesem Grinsen rumbekommen. Aber jetzt nicht. Ich hatte keine Lust und erst recht keine Kraft mehr für das alles hier. Seufzend drehte ich mich also wieder um und lief einfach weiter, vorbei an den Haufen brauner Blätter, welche jetzt doch eher trist und einfach nur tot auf mich wirkten.

„Jungkook." Mit einem Mal spürte ich ein Kribbeln an meinem Handgelenk. Ruckartig drehte ich ich mich wieder herum und blickte den Jungen direkt vor mir perplex an. „Lass uns reden. Bitte", flehte er schon beinahe. Ich hätte so gerne etwas auf seinen Satz erwidert. Ich hätte ihm gerne an den Kopf geworfen, dass ich nicht mit ihm reden wollte. Dass wir das schon viel früher hätten tun sollen und es nichts ändern würde. Ich hätte ihm klar gemacht, dass er endlich verschwinden sollte. Ganz im Gegensatz dazu kam mir allerdings kein einziges Wort über die Lippen. Viel mehr stand ich wie angewurzelt auf meinem Fleck und starrte seine langen Finger an, welche mein Handgelenk fest umschlossen und dieses warme Kribbeln meinen Arm heraufjagte.

„Taehyung, i-ich... ich verstehe d-das nicht", stotterte ich überfordert, wobei ich es nicht schaffte den Blick auch nur eine Sekunde von meinem Handgelenk zu nehmen. „Das musst du auch nicht", sprach Taehyung daraufhin bedächtig und machte noch einen weiteren Schritt auf mich zu, „lass uns einfach reden."

Ganz langsam hob ich meinen Kopf wieder an, sodass ich dem Jungen vor mir tief in die dunklen Augen sehen konnte. Augen, in denen ich mich immer wieder aufs Neue verlieren könnte. Augen, die so viel mehr sagten als tausend Worte. Wenn ich das nur früher erkannt hätte.

„Okay", nickte ich zustimmend und spürte anschließend wie das Kribbeln an meinem Handgelenk verschwand. Als ich meinen Blick wieder dorthin wandern ließ, lagen seine schlanken Finger nicht mehr darum und ich konnte nicht verhindern, dass sich mein Herz noch ein ganzes Stück schwerer anfühlte.

Einen tiefen Atemzug nehmend versuchte ich das beklemmende Gefühl in mir drinnen loszuwerden. Für ein paar Sekunden hielt ich meine Augen geschlossen, um meine Gedanken zu sortieren. „Wo sollen wir hingehen?", fragte ich schließlich, nachdem ich mich wieder etwas gesammelt hatte. Von der Seite entging mir Taehyungs schelmischer Blick natürlich nicht. Der Blauhaarige grinste sein schiefes und so markantes Grinsen, während er mit großen Schritten an mir vorbeilief. Im nächsten Moment drehte er seinen Kopf über seine Schulter zu mir herum und hob dabei seine tiefe und so unglaublich geheimnisvolle Stimme: „Ins Nimmerland."

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