Ein idyllischer Strandtag
Valerie
„Vergiss es!", sagte ich bestimmt und räumte weiter meine Wäsche in den Schrank.
Kyra schmollte. „Aber warum nicht? Nur wegen ihm?!" Sie hörte auf an den Fransen an ihrem kurzen Top zu spielen.
Auch ich hörte auf. „Ja, wegen ihm! Könnt ihr nicht zu zweit gehen?", fragte ich sie genervt. Kyra hatte mich heute an keinem guten Tag erwischt. Auch wenn gerade an keinem Tag ein guter Tag war.
„Das ist doch öde. Wir wollen euch dabei haben. Ihr müsst ja nicht viel miteinander reden oder so", versuchte sie mich weiter zu überreden.
„Vergiss es!"
„ Ach komm, Val! Sei nicht so ein Langweiler!"
„Doch. Und jetzt finde dich damit ab."
„Val!"
„Kyra!"
„Du musst auch Mal raus kommen! Du bist nur in deinem Zimmer!"
„Na und? Es sind Semesterferien. Und außerdem war ich erst letztens Tennisspielen und gestern war ich mit Nala und den anderen aus meinem Studiengang draußen."
Kyra verdrehte die Augen. „Aber wann warst du das letzte Mal mit mir unterwegs?" „Also das liegt nicht an mir. Du bist hier die ganze Zeit Rum." „Tue ich gar nicht! Wir...reden auch manchmal." Ich lachte auf. Das war ein guter Scherz. Ich hörte sie regelmäßig durch die Wand. Und sie waren laut. Extrem laut. Wenn ich nicht schon Schlafprobleme durch die Trennung hatte, dann auf jeden Fall durch die Geräuschkulisse.
„Bitte, Val!", bettelte Kyra noch Mal, doch ich schüttelte den Kopf. „Wie könnte ich dich dazu bringen, dass Du mitkommst?" Dafür musste ich gar nicht Mal überlegen. „Nichts in der Welt würde mich dazu bewegen mit zu kommen.
"Wir können ein anderes Mal zu zweit schwimmen gehen."
„Aber dann kann uns Joschka nicht retten. Er ist doch Rettungsschwimmer!"
Ich sah sie entgeistert an. „Weil wir ja auch nicht schwimmen können. Ich habe Silber!"
„Stimmt. Manchmal vergesse ich, dass du sportlich bist"
„Ha ha. Sehr lustig."
Kyra streckte mir die Zunge raus. Ich ließ mich neben sie aufs Bett fallen. „Du kannst ihn ja ignorieren? Und ich kaufe dir danach einen Sundae mit Schokosauce!" Bei Sundae hatte sich mich. Ich liebte Eis und so ein Softeis mit Soße ganz besonders. „Ich werde mit ihm aber kein Wort wechseln, okay? Und danach möchte ich ihn nie wieder sehen." „Spielt ihr nicht noch Tennis zusammen?" „Wenn ich Glück habe, hat Shirin das demnächst vergessen." Das bezweifelte Kyra.
***
„Sehe ich so okay aus?", fragte ich Kyra und drehte mich einmal im Kreis. Ich trug ein grünes Kleid über meinem Bikini, Flip Flops, eine Sonnenbrille und meine Haare hatte ich zu einem Dutt gebunden. Sie streckte einen Daumen in die Höhe. „Girl, du siehst heiß aus!" Ich lachte.
Gemeinsam gingen wir durch die Flure und das Treppenhaus nach draußen. Kyra schaute auf ihr Handy. „Sie sollten gleich da sein", informierte sie mich und fügte dann hinzu: „Und denk daran den Tag einfach zu genießen."
Das war leichter gesagt, als getan. Wie könnte man einen schönen Tag haben, wenn der Typ, neben dem man aufgewacht ist, einem den ganzen Tag auf den Fersen war?
„Das sind sie glaube ich", rief Kyra begeistert auf. Ich sah auf. Und tatsächlich. In einem schwarzen SUV saßen Jakob und Joschka und hielten vor uns an. Beide stiegen aus, Joschka von der Fahrerseite. Seine Haare waren wuschig und auf der Nase hatte er eine Sonnenbrille.
„Wer hat hier denn reiche Eltern?", murmelte ich. Selten sah man Studenten teure Autos fahren. Die meisten konnten sich gerade Mal eine Schrottkare leisten. Oder gar kein Auto.
„Das wäre dann ich. Hast du ein Problem damit?", beantwortete Joschka meine Frage und sah mich grinsend an. Oh Gott, wie ich sein Grinsen hasste! Wie hatte er das hören können? So leise wie ich das geflüstert hatte.
„Nö, warum sollte ich ein Problem damit haben? Aber du kennst ja sicher auch den Spruch: Desto größer das Auto, desto kleiner der Schwanz."
Er sah mich kurz überrascht an, wirkte dann aber wieder selbstsicher. „Zum Glück muss ich mir da keine Sorgen machen", erwiderte er und sein Blick ging nach unten. Ich folgte ihm und wandte den Blick dann ganz schnell wieder ab. Joschka feixte.
„Ihr beiden seid auch fertig?", unterbrach Kyra uns, während sie an Jakob lehnte. Ohne darauf einzugehen, ging ich zum Auto und wollte hinten einsteigen. „Du sitzt vorne bei Joschka", informierte mich Jakob und ich stöhnte. Jakob lachte und ich streckte ihm die Zunge raus.
Neben Joschka vorne im Auto zu sitzen fühlte sich komisch an. Er konzentrierte sich zwar die meiste Zeit auf den Verkehr, jedoch sah er auch ab und zu mir rüber oder sah nach hinten, wenn Jakob was interessantes sagte.
„Wenn du möchtest, kannst du dein Handy anschließen für Musik", wandte sich Joschka kurze Zeit später an mich. Auf dem Touchscreen des Autos tippte er herum. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich verband mein Handy mit dem Auto und machte dann meine Lieblingsplaylist an. Als „A little Death" von The Neighborhood ertönte, schloss ich die Augen und genoss das Lied.
„Du hörst The Neighbourhood?", fragte mich Joschka erstaunt und hob eine Augenbraue. Ich sah ihn ebenfalls überrascht an.
„Du kennst The Neighbourhood?"
„Ja klar, mag aber eher Sweater Weather von ihnen."
Kurz sah ich ihn noch skeptisch an, dann lehnte ich mich wieder in den Sitz und genoss den Song. Ich hörte wie Joschka Teile des Liedes mitsang. I want you to touch me there. Make me feel like I am breathing. Seine Stimme war angenehm dunkel. Nebenbei tippte er im Takt auf das Lenkrad. An seinen Fingern hatte er mehrere Ringe. Das Lied wechselte und ich wandte mich ab.
***
„Wer zuerst im Wasser ist!", rief Kyra und rannte los. Jakob folgte ihr und hatte sie bald eingeholt.
„Du wolltest mir aber...", fing ich an, hörte dann aber auf. In meiner Hand noch die Sonnencreme. Frustriert seufzte ich auf und wollte gerade die Tube wieder in meinen Rucksack packen, als Joschka meinte: „Ich kann dir gerne den Rücken eincremen. Glaube nicht, dass Kyra und Jakob so schnell zurückkommen."
„Nein, danke."
„Warum nicht?"
„Darum!"
„Ich bin aber verifizierter Sonneneincremer."
Ich rollte mit den Augen. „Das glaube ich dir aufs Wort. Ist das so eine Masche von dir?"
Er grinste. „Noch nicht. Aber kann es ja noch werden. Genauso wie mit dem Auto. Wenn ich damit ankomme, wollen die Mädels sofort überprüfen, ob mein Schwanz wirklich klein ist." Ich sah ihn genervt an. Er zwinkerte mir zu.
„Aber wirklich. Sonnenbrände sind sau gefährlich. Ich hätte es lieber, wenn ich dich eincremen könnte. Mit deinem hellen Hauttyp sollte man nicht spaßen", meinte er dann etwas ernster. Wir lieferten uns ein Blickduell. Dann gab ich nach. Resigniert gab ich ihm die Sonnencreme und drehte ihm meinen Rücken zu. Er machte sich einen großen Klecks auf die Hand und begann dann mich einzucremen. Zuerst am Nacken, dann meine Schulterblätter und unter meinem Bikiniträger. Sein Händedruck war kräftig, ohne zu stark zu sein. Fast fühlte es sich wie eine Massage an. Ich lehnte mich gegen ihn. Seine Hände wanderten weiter nach unten. Kurz über meinem Bikinihöschen blieben sie stehen.
„Du schnurrst", unterbrach Joschka die Stille. Seine Stimme klang amüsiert. Ich schreckte auf.
„Nein, tue ich gar nicht", erwiderte ich bissig.
„Ist doch nicht schlimm. Ich weiß, dass meine Hände magisch sind", meinte er und machte es bewusst wieder zweideutig. Ich drehte mich zu ihm, nahm im die Tube ab und warf ihm einen bösen Blick zu. „Du bist ja so lustig", erwiderte ich sarkastisch. Er legte eine Hand an seine Brust. „Danke, dass bedeutet mit sehr viel."
Ich setzte mich auf mein Badehandtuch und holte mein Buch heraus. Joschka zog sich neben mir sein Shirt über den Kopf und ich kam nicht drumherum, ihn dabei kurz zu beobachten. Er war schlank, nicht sehr muskulös, aber man konnte trotzdem sehen, dass er Sport machte. Bei Tim hätte man jeden einzelnen Muskel gesehen und darauf hatte er immer viel wert gelegt. Vielleicht mehr wert als auf seine Freundin. Lieber war er an Wochenenden ins Fitnessstudio gegangen, anstatt Zeit mit mir zu verbringen. Und trotzdem war ich am Ende des Tages die Schuldige gewesen. Ich schluckte meine Wut hinunter. Ich konnte nicht jedes Mal, wenn ich einen Typen oberkörperfrei sah, an meinen Ex denken!
„Kommst du mit ins Wasser?" Joschka stand über mir. Seine Haare fielen ihm ins Gesicht.
„Später", entgegnete ich und hob mein Buch hoch.
„Du musst auch keine Angst haben. Ich bin Rettungsschwimmer."
„Lieber ertrinke ich."
„Das kann ich leider nicht zulassen, sonst wäre es unterlassene Hilfeleistung. Also gehen wir beide dann wohl unter."
„Habe ich tatsächlich kein Problem mit."
„Ich habe noch keinen Mensch erlebt, der so zynisch ist wie du."
„Und ich keinen, der so nervtötend ist, wie du es bist. Scheint so als ob wir beide damit leben müssen, bis unsere Freunde wieder getrennte Wege gehen."
„Ja, scheint so." Er wandte sich von mir ab und ging zu Kyra und Jakob ins Wasser. Ich lehnte mich zurück und las die ersten Seiten meines Buches.
Eine halbe Stunde später kam Kyra wieder aus dem Wasser. „Dass du nicht schmilzt, Val! Komm zu uns!" Tatsächlich war mir schon sehr warm und das Wasser sah verlockend aus. Ich legte das Buch zur Seite und stand auf. Jakob hatte sich die Luftmatratze geschnappt und schwamm damit auf dem See herum. Joschka war weit draußen. Auch ich begann etwas weiter raus zu schwimmen. Ich tauchte meinen Kopf unter Wasser und genoss die Kühle. Es war ein herrlicher Sommertag.
„Scheint so, als ob du doch Schwimmen kannst." Joschka war neben mir aufgetaucht und schwamm entspannt neben mir auf dem Rücken. „Hatte nie etwas anderes behauptet." „Das stimmt." Der See war zwar nicht breit, dafür aber lang. Daher schwammen wir zur anderen Uferseite und dann wieder zurück. Kyra und Jakob rangelten sich um die Matratze und beide fielen immer wieder herunter. Joschka kam dazu und schmiss seinen Kumpel erneut von der Matratze um sich selber drauf zu legen. Handgemenge entstand. Ich blieb im seichten Wasser und sah meinen Freunden zu. Kyra schien sehr glücklich und das freute mich sehr. Und Jakob schien sie auch sehr zu mögen. Wäre da Joschka nicht, wäre es die perfekte Idylle.
Am Abend warfen wir den Einweggrill an und brieten uns Hähnchen, Würstchen und Grillkäse. Ich hatte mich in mein Handtuch gehüllt und lehnte gegen Kyra. Die Jungs regelten das schon alleine. Nebenbei nippte ich an meinem Bier.
„Was studierst eigentlich du, Jakob?", fragte ich ihn.
Er drehte sich zu mir. „Maschinenbau. Und du Chemie oder?" Ich nickte. „Warum Chemie? Habe gehört, das ist ziemlich schwer."
Ich sah ihn stirnrunzelnd an. „Chemie ist super easy. Ich liebe es! Das einzige nervige ist, Laborplätze zu bekommen. Wer hat dir das denn erzählt?" Jakob schielte zu Joschka, der mit den Schultern zuckte. „Chemie ist nicht so meins."
Ich überlegte kurz. Hatte ich ihn schon einmal im Chemielabor gesehen? Wüsste nicht wann. „Studierst du Chemie?", fragte ich ihn deshalb zweifelnd.
Er verneinte. „Ich studiere Medizin." Das passte. Und erklärte so ziemlich alles. „Ich mag keine Medizinstudenten. Die meisten sind super arrogant und bestimmte Substanzen nehmen sie auch." Auch Mediziner mussten bestimmte Chemiemodule mitmachen und daher war ich oft in Kontakt mit ihnen. Und was man da für Stories hörte. Da bekam ich Angst, wenn ich von einem dieser später behandelt werden sollte.
„Ich aber nicht. Und an dem Abend, an dem wir uns kennen gelernt haben, fandest du es ganz toll. Hast mich sogar gefragt, ob ich dich untersuchen darf." Er zwinkerte mir zu und ich funkelte ihn böse an. Er tat das mit Absicht, nur um mich zu nerven. „Und nicht alle Medizinstudenten sind so. Ich halte mich von solchen Leuten grundsätzlich fern."
Jakob nickte. „Joschka ist ein richtiger Streberstudent. Nur am Lernen. Keine illegalen Substanzen im Spiel." Na wenn Jakob das sagte, musste es wohl stimmen.
„Aber wenn du Aufzeichnungen brauchst, sag Bescheid", fügte Joschka hinzu.
„Danke, aber nein danke. Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass du Aufzeichnungen von mir brauchst."
„Ich bin aber schon im 9. Semester."
„Ändert nichts an der Tatsache. Als Chemiestudentin habe ich mein Wissen beisammen."
Wir funkelten uns an bis Jakob die ersten Würstchen verteilte. Den restlichen Abend ließen wir mit einem Kartenspiel und Musik ausklingen. Und so langsam wurde mir Jakob sehr sympathisch. Auf den ersten Blick schien er mit seinen Muskeln und kurzen Haaren eher der harte Typ zu sein, doch innerlich war er sehr einfühlsam und super soft. Und daher überraschte es mich umso mehr, dass Kyra mit ihm schlief. Sonst stand sie nämlich eher auf südländiche Typen mit einem Ego so groß wie Russland, die ihr immer wieder das Herz brachen. Sie hatte sich zwar immer über meinen Ex beschwert, aber ihre Romanzen waren nicht besser gewesen.
„Woran denkst du?", sprach mich Joschka an und musterte mich. „Daran, wie sehr du nervst." Ich drehte mich zu ihm. „Es wird spät, wir sollten langsam zusammenpacken", erklärte er und ignorierte damit mein Gesagtes. Und tatsächlich: Kyra und Jakob hatten schon angefangen aufzuräumen. Ich stand auf und suchte alles zusammen. Ich wollte gerade zur Picknicktdecke greifen, als Joschka genau den gleichen Gedanken hatte. Unsere Hände berührten sich. Erschrocken zog ich meine Hand weg und trat einen Schritt zurück.
„Deine Hand ist so kalt- bist du etwa ein Vampir?", meinte Joschka mit einer ganz komischen Stimme.
Ich sah ihn verwirrt an. „Meine Hand ist nicht kalt."
„Das war Spaß. Kennst du Twilight nicht?"
„Du hast Twilight geschaut?"
„Sogar gelesen. Meine Mutter ist ein richtiger Fan."
„Du bist komisch."
„Kann ich nur zurückgeben."
Wir sahen uns an. Schnell griff ich nach der Picknickdecke und wandte mich ab. Ich musste Kyra definitiv an mein Eis erinnern!
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