Kapitel 27. Celest

›Bitte verkauf das Haus nicht. Ich liebe es und ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als dass unser Kind in dem Anwesen aufwächst, indem du so wundervolle Erinnerungen gesammelt hast.‹
Warum sagst du das nicht einfach? Ist nicht soooo schwer, C. Du hast ihm immerhin auch gesagt, dass du ein Kind bekommst. WO ist dein Problem?
›Bitte, Elias, lass uns hier wohnen. Zusammen. Du und ich.‹
Und dann war da noch die Sache mit dem Kind seiner Urgroßmutter, das scheinbar spurlos verschwunden war und eventuell einen neuen Erben bedeuten könnte. Einen Erben, der Ansprüche auf alles hatte, was Elias Großmutter und ihr Eigentum betraf. Was auch dieses Anwesen beinhaltete. Später. Elias und ich, so hatten wir es ausgemacht, würden uns später darum kümmern.
Ich seufzte und sah in den Spiegel. Elias hatte mir, wie auch Judi, als Überraschung Kleider für heute Abend bringen lassen. Und nun stand ich hier und sah mir diesen eng anliegenden Traum von einem schwarzen Ballkleid an. Trägerlos, die enge Korsage mit weitem Ausschnitt war komplett mit goldener spitzen Mustern bedeckt, die das Schwarz sprenkelten, und die bis etwas weite unter die Hüfte reichten und dann in den Tüll ausliefen, der etwas weiter gerafft war und bis zum Boden glitt, sodass man meine Schwarzen High Heels nicht sah, wenn ich stand. Die Visagistin, die Elias beauftragt hatte, hatte sanfte Wellen in meine Haare gedreht und mich bis auf die kirschroten Lippen und den dicken Mascara nur dezent geschminkt. Auf meinen Wunsch hin, denn ich war einfach nicht der Typ Frau, der viel geschminkt war.
Ein versonnener Seufzer entkam mir, als ich das Kleid betastete und dann über meinen Bauch strich. Schwanger. Heilige Scheiße, ich war wirklich schwanger! Von Elias, meinem Boss, meinem Freund. Ich bekam ein Kind.
Ein Kind. Ein ... verdammtes KIND!!!!
Bevor die aufsteigende Panik mich erfassen konnte, riss mich meine beste Freundin aus dem Strudel des Untergangs, indem sie sagte: »Hör auf so zu schauen, du kannst froh sein, dass der bescheuerte Ball jetzt stattfindet und nicht in ein oder zwei Monaten. Sonst hättest du das wohl nicht mehr eingepasst.«
Mich umdrehend, sah ich zu Judi, die ebenfalls nun fertig gestylt war. Das Blonde, lange Haar hochgesteckt und in einem hellen, engen Seidenkleid, sah sie mindestens genauso gut aus, wie ich. Wenn nicht besser. Ihre blauen Augen strahlten durch den schwarzen Kajalstift und die Wimpern waren zwar unecht, aber dick und betonten alles noch mehr. Sie trug Rouge, das ihre Wangen färbte und ebenfalls knallroten Lippenstift. Als sie zu mir lief, blitze ihr Bein durch den langen Schlitz an der Seite auf. Vor mir stehend, betrachtete sie mich neutral und zupfte dann an dem Tüll meines Kleides herum.
Sie war noch sauer. Wir hatten zwar lange, lange über alles geredet, und ich ihr jedes Detail erklärt und mich dafür bedankt, dass sie Phils Ibiza-Trip erwähnt hatte, aber sie war noch immer angepisst. Auch wenn sie es nicht ganz so offen zeigte.
»Du hättest es mir sagen können. Ich bin deine BFF«, hatte sie gesagt und damit durchaus recht.
Aber ich ... wusste ja selbst nicht, wie ich damit umzugehen hatte.
Ich seufzte. Ich kannte Judi schon seit der vierten Klasse und wusste, dass ihr das noch eine Weile im Magen liegen würde und sie schmollte. Sie würde mich auch spüren lassen, dass sie noch sauer war, aber letztlich verzieh sie mir. So war es bei allem.
Mein Blick huschte wieder in den Spiegel und ich strich über den Punkt, wo gerade Elias Baby heranwuchs. Es war unglaublich. Unvorstellbar. Ich würde in absehbarer Zeit Mutter werden?
»Ich werde fett werden.«
Judi schnaubte lachend. »Schwanger sein und Fett werden, sind ja wohl zwei Paar Schuhe. Wenn du danach wieder darauf achtest, was du isst, hast du das schnel runter. Außerdem«, meinte sie und legte ihre Hand auf meine, sodass ich in der Bewegung aufhören musste, »kannst du ja fragen, ob dein Mr. Superbody dich ins Gym mitnimmt. Ich hab' gehört, sein Personal-Trainer kommt heute auch. Frag den doch gleich, welchen Post-Babysport er empfehlen kann, um wieder anzunehmen, nachdem du gekalbt hast.« »Gekalbt? Seh' ich aus wie eine Kuh?«
Sie grinste. »Noch nicht.«
Fauchend verdrehte ich die Augen, dann fragte ich jedoch milder: »Habt ihr euch vertragen?«
Judi nahm die Hand weg, drückte aber noch einmal liebevoll meine Finger. »Mr. Arschloch und ich? Klar.«
Wieder rollte ich die Augen. »Aha, deswegen auch noch Mr. Arschloch?«
Judi stellte sich vor den Spiegel und schmierte sich Gloss auf die schon roten Lippen, während sie sagte: »Hör zu, er hat dir vorgeworfen, dass es nicht sein Kind ist, und dich dann alleine gelassen. In einer echt scheiß Situation für ihn. Und erst nachdem ich gesagt habe, was Sache ist, ist er zu dir. Er hält dich für diese Aylin, C. Ganz einfach. Deswegen will er auch, dass du den Scheißtest machst, als seist du eine Bitch, die rumfickt und betr-«. Sie stoppte sich, sah mich über den Spiegel an und dann wieder weg.
Die was? Betrüg?, dachte ich und wieder hatte ich dieses nagende schlechte Gewissen. Ich war eine Betrügerin. Nur hatte ich nicht Elias mit einem anderen hintergangen. Und das Elias so handelte, weil er einmal mehr als verarscht worden war, verstand sie vielleicht nicht, aber ich. Ich musste es. Punkt. Es war sein recht und ich hatte ja ohnehin nichts zu verlieren. Das Kind war seines. Warum ihm dann nicht dieses eine Sache geben, die er brauchte, um mir zu vertrauen? Ich hatte ihr das alles schon erklärt, also blieben dies Gedanken still und ich nickte nur.
»Außerdem wirft er mir immer wieder vor, dass ich in Kontakt zu Phil stehe, und das mit so einem ... Unterton, der mich nur dezent nervt. Dein neuer Macker ist arrogant, hält sich für supertoll, den schönsten und hübschesten und etwas mehr Zurückhaltung, was seinen Reichtum angeht, könnte er auch üben. Ich meine, ein Ball? Ein fucking BALL? Wie reich willst du sein? Elias so: Ja. Ich mag ihn einfach nicht, C. Und wie gruselig ist das eigentlich«, setzte sie an und wandte sich, zufrieden mit dem Gloss, an mich, »dass er unsere Kleidergröße kennt? Bist du sicher, dass er kein verrückter Besessener ist, der dir etwas ins Trinken mischt, damit du dich verliebst?«
Dass wohl ich von ihm besessen war, kommentierte ich gar nicht, sondern sagte einfach: »Ich liebe ihn, Judi.«
Sie sah mich kopfschüttelnd an. »Muss wohl so sein, denn anders kann ich es mir nicht erklären.«
Jemand klopfte an der Tür und sowohl Judi als auch ich wandten uns um.
»Ja?«, fragte ich.
Die Tür öffnete sich und Elias sah Judi nur eine Millisekunde an, bevor ich mich anblickte. »Du siehst wunderschön aus«, komplimentierte er und trat ein. Ohne meine Freundin zu beachten, ging er auf mich zu und legte sie Arme um meinen Körper.
Hitze brodelte in mir, doch ich schob sie beiseite. »Judi, würdest du uns einen Moment alleine lassen?«
Sie schnaubte und lief mit einem »Ich kotze sowieso gleich« aus dem Zimmer.
Ich hingegen betrachtete Elias. Er sah zum Anbeißen aus mit den zurückgekämmten Haaren, in seinem weißen Hemd und der schwarzen, eng an seinem muskulösen Körper liegenden Weste darüber. Die Krawatte war ebenfalls schwarz und passte so zu der Hose und dem Gürtel mit der silbernen Schnalle. An einer Seite der Weste, hingen kleine Ketten als Schmuck, die dem ganzen Outfit eine edle und doch verspielte Note gaben, und es etwas auflockerten.
Meine Güte. Ladys und Gentleman: Heiß. Heißer, Elias Gelbero.
Bevor ich dahin schmachtend umfiel, lief ich mit einem geflüsterten: »Warte kurz« zu dem Nachtschrank am Bett. Ich zog eine kleine Schachtel heraus und fragte mich, ob ihm das Geschenk gefallen würde. Es war nichts Besonderes, aber wirklich schwer aufzutreiben, wenn man bedachte, dass ich nur Stunden Zeit gehabt hatte.
Ich ging zurück und legte Elias, den ich heute, weil er den ganzen Tag in seinem Büro in der Firma arbeiten musste, zum ersten Mal sah, das Geschenk in die Hand. »Alles Gute zum Geburtstag.«
Er sah überrascht auf das Geschenk. »Du hast mir ernsthaft was geschenkt?«, fragte Elias und grinste dann schief. »Du bist wirklich das Niedlichste, was ich je gesehen habe.«
Dieses Lächeln würde mich irgendwann umbringen. Wirklich. Ich tippte auf die Schachtel und war plötzlich nervös. Es war ... es wohl etwas kitschig, wenn ich so darüber nachdachte. Oh, nein. Nein, ich wollte nicht, dass er es öffnete. Er würde mich für total bescheuert halten, dass ich einem erwachsenen Mann, einem Mann wie IHM, so etwas Dämliches schenkte! Was hab' ich mir nur gedacht?! Aber bevor ich es ihm aus der Hand reißen konnte, weil ich meine Meinung geändert hatte, hatte Elias es schon ausgepackt und sah nun auf das dezente Armband, an dem mehrere Anhänger baumelten. Eine Butterblume, ein Papierflieger, ein Sektglas für den Mimosa, ein Pfirsich und ein kleines Haus, das meine neue große Schwäche aufzeigen sollte. Dieses Haus. Es war ein nicht mehr ganz so subtiler Hinweis, zugegeben, aber da Elias bis dahin noch nicht begriffen hatte, wie sehr ich alles hier liebte, würde ich ihm weiter kleine Krumen hinwerfen. Und zu guter Letzt, hin an dem Armband noch ein E und ein C.
Ich wurde rot, weil es auf einmal so albern wirkte, wenn ich es in seinen großen, von dezenten Adern gespickten Händen sah.
Er musterte das Armband, sah sich jeden Anhänger an und blieb bei dem Haus stehen. »Ein Haus? Ist das eine neue, große Schwäche von dir oder wie darf ich das verstehen?«
Bei seinem amüsierten Ton wurde ich nur roter und sah peinlich berührt zu Boden. Er mochte es nicht. »Du ... ich kanns zurückgeben. Es war dumm, entschuldige. Ich dachte nur, damit du nie vergisst, was mir am wichtigsten ist und ...« Ich schnaubte über mein Gestotter und griff dann nach dem Armband. »Sorry. Ich hätte wissen sollen, dass so was nicht dein Stil ist. Ich weiß nicht, was mich geritten hat.«
Er packte mein Handgelenk und zog das Armband zurück. »Meins«, sagte er nur und machte es mit einer schnellen Bewegung an seinem Handgelenk dran. Ich blinzelte. »Du hast meine Frage nicht beantwortet und falsche Schlüsse gezogen, aber ich verzeih dir noch mal, weil mir dein Geschenk gefällt.« Elias beugte sich hinunter und küsste mich. »Am meisten die Buchstaben C und E«, raunte er an meine Lippen.
Ich stöhnte leise, wurde Wachs in seinen Händen und sah ihn dann böse an, während ich mich schwächlich versuchte, von ihm zu lösen. »Würdest du bitte aufhören, mich ständig heißzumachen? Ich ...« Meine Lippen trafen seine erneut, »Kann nicht klar denken, wenn du bei mir bist und ...«, wieder küsste ich ihn, »egal, was ich tue, ich will dich. Immer. Und was deine Frage angeht, beantworte sie dir selbst, Elias.«
Er lachte leise. »Dafür kann ich doch nichts, oder soll ich mit einer Mülltüte herumlaufen, damit du klar denken kannst?« Er strich über mein Haar. »Du wirst mir schon noch die Antworten geben, auch, wenn ich dir den Hintern versohlen muss. Aber erst einmal-«, er legte noch einmal die Lippen auf ihre und kniff mir dann über den Tüll in den hintern, »warten die Gäste auf uns, also wollen wir?« Er hielt mir den Arm hin, um mich aus dem Zimmer zu führen.
Ich überlegte ernsthaft, ihm zu sagen, dass wir alles absagen, jeden rausschmissen und er mir einfach das Kleid vom Leib reißen soll, um mich hier und jetzt die ganze Nacht lang flachzulegen. Aber ... das war wohl keine gute Idee und etwas unhöflich, also nickte ich und hakte mich unter. Wir liefen zusammen die Treppe hinunter und dann weiter.
Sobald wir den Raum betraten, holte ich einmal tief Luft. Der versteckte Ballsaal war wunderschön und ich wunderte mich wieder, wie schnell Elias alles geschafft hatte. Die Wand war eingerissen und der Raum nun größer als zuvor. Alles war herrlich hingerichtet und sogar Stromleitungen wurden verlegt, ohne das Mauerwerk und die Wandbilder zu beschädigen. Klar sah ich als Expertin die winzigen Veränderungen, doch es war nahezu perfekt ausgearbeitete und retuschiert.
Alles war so, wie ich es dekoriert und mit der Hilfe der Arbeiter hingerichtet hatte und am Ende des Saals stand sogar ein kleines Fünf-Mann-Orchester und spielte leise Musik, während das gedimmte Licht alles weich und golden erscheinen ließ. Es waren moderne Songs, die auf alt gemacht waren, und es klang wunderschön. Ich sah mich weiter um und so ziemlich alle Gäste scheinen da zu sein. Ich zählte knapp 70 Leute und soweit ich wusste, waren nur 75 geladen gewesen. Mein Blick huschte zu dem Spiegel, der das Meisterwerk unserer Lust darstellte und ich schmunzelte. Ob Elias das schon aufgefallen war? Wahrscheinlich nicht. Mein Griff um seinen Arm wurde etwas fester. Was nicht daran lag, dass gerade jemand auf uns zukam, und ich schüchtern, wäre, sondern daran, dass ich mit dem Wissen, dass ich nun als seine neue Partnerin vorgestellt werden würde, wahrscheinlich eine lange weile des Abends – wenn nicht den gesamten Rest davon – Gesprächsthema Nummer eins sein würde. Ich sah zu Judi, die sich gerade mit Paul und einer Dame, die wohl seine Frau war, unterhielt, aber sie sah mich nicht. Oder beachtete mich mit Absicht nicht. Beides möglich. Ein Kellner lief vorbei und bot und Sekt an und ich griff automatisch danach, als die zwei Männer bei uns ankamen und Elias begrüßten. Ich setzte das Glas an und wollte trinken, als der erste Mann, der sich als Bill und Geschäftspartner vorstellte, Elias sie Hand hin hob und sagte: »Elias, also ich muss sagen, du hast dich selbst übertroffen. Als ich die Einladung bekommen habe, wusste ich nicht recht, was das kitschige Thema soll, aber es ist klasse umgesetzt. Gute Arbeit, mein Freund.«
»Vielen Dank, aber das war nicht mein Verdienst, sondern der meiner neuen Partnerin«, antwortete er und nahm mir gleichzeitig den Sekt aus der Hand. Er hielt es etwas hoch und fragte Bill: »Wollen wir anstoßen?«
»Hey«, maulte ich, erinnerte mich aber wieder, warum ich ja nicht trinken durfte. Bill, der etwas irritiert dreinschaute, sah von Elias zu mir. Auch der andere Mann, dessen Name ich nicht kannte, sah mich an und fragte: »Dann ist sie der Grund für die Scheidung?«
Uff, na das fing ja schon gut an. »Nein«, erklärte ich und lächelte höflich. »Aber ich werde wohl der Grund sein, warum Interessenten für dieses Haus, Reißaus nehmen.«
Bill hob eine Braue. »Das ist also die Dame, die das Haus schätzen soll? Und du und sie ...«
»Darf ich euch erst einmal vorstellen-« begann Elias und sah die beiden Herren an. »Bill und Jasper, das ist meine Historikerin und aktuell neue Partnerin, Celest Dickson.« Er lächelte mich an, bevor er wieder seine Geschäftspartner ansah. »Und nein, sie ist nicht der Grund. Ihr wisst, dass ich trotz meinem Status nicht alles Private mit der Welt teilen möchte. Aylin weiß, weshalb wir uns getrennt haben, und mehr braucht ihr auch nicht wissen«, erklärte er nun mit einem etwas strengerem Ton. Dann blickte er eine Kellnerin an, die gerade an uns vorbei laufen wollte. »Servieren sie nicht nur Sekt, sondern auch Säfte. Miss Dickson hätte gerne einen.« Die Kellnerin sah zu mir und nickte, bevor sie eilig verschwand.
Bill lachte, während Jasper mich mit gezogener Braue und gerunzelter Stirn beobachtete. Von oben bis unten. Er erkundigte sich »Darf man fragen, warum deine Historikerin nichts trinkt? Vor allem, wenn wir doch scheinbar auf ihre Arbeit anstoßen?«
Gerade als ich zu einer lahmen Ausrede ansetzen wollte, holte Bill scharf Luft. »Na, das könnte spannend werden, Elias. Viel Spaß.« Der blonde Mann nickte hinter uns und als Elias und ich uns herumdrehten, kam gerade Aylin in den Raum und steuert direkt auf uns zu.

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