Kapitel 9
Die ganze Stadt war in Aufruhr. Der Hohe Spatz, so hieß es, hätte angeordnet, den Hohen Septon für seine Sünden bestrafen zu lassen. Sofort war der Rat einberufen worden. Lord Tyrell öffnete die Tür und der Septon trat ein. Seine weite Robe schwankte umher, als er sich dem Tisch näherte. Er fühlte sich unwohl, wie ich merkte, wofür sicherlich auch Cersei sorgte, die den Mann mit einem abschätzenden Blick musterte.
»Lady Stark, Euer Gnaden, Großmaester, Lord Tyrell«, sagte der Septon der Reihe nach. Er sah zu Qyburn und stockte.
»Unwichtig«, meinte der neue Großmaester nur.
»Als Hoher Septon des Glaubens der Sieben verleihe ich dem Willen der Götter die Stimme und ich bin ihr höhster Diener in dieser Welt«, erklärte der Mann der Zitadelle. »Ein Affront gegen mich ist ein Affront gegen die Götter. Ein täglicher Angriff auf mich ist ein Angriff gegen unsere Religion selbst.«
Cersei nickte verstehend. »Ihr wurdet angegriffen -«
»Ja, das wurde ich«, sagte der Hohe Septon sofort. »Von diesen Fanatikern, die sich Spatzen nennen.« Er spuckte uns das Wort förmlich vor die Füße. »Sie haben mich gedemütigt, mich geschlagen und mich nackt und blutend auf der Straße liegen lassen. Ich habe Glück, dass ich noch lebe.«
»Ich hörte, dieser Übergriff fand in Kleinfingers Bordell statt«, warf Qyburn ein.
»Hoher Septon, was ich da höre, ist geradezu schockierend«, sagte Lord Tyrell entsetzt.
»Ich kümmer' mich um die Hochgeborenen sowie um die Niedersten unter uns. Sogar Prostituierte verdienen die Gnade der Mutter«, entgegnete der Hohe Septon.
»Also nahmt Ihr Euch gerade der Bedürfnisse dieser frommen Prostituierten an?«, fragte Qyburn.
»Privatangelegenheiten eines Mannes sollten auch privat bleiben«, sagte Maester Pycelle entzürnt.
Cersei beäugte den Mann kurz, dann sah sie zum Septon. »Was wollt Ihr von uns, Hoher Septon?«
»Gerechtigkeit. Ich wünsche, dass Ihr unseren Glauben schützt, indem Ihr diese Verbrecher verhaftet und sie in die Schwarzen Zellen werfen lasst. Ich wünsche, dass Ihr deren Anführer, den sogenannten Hohen Spatzen, hinrichtet. Er ist eine Bedrohung für alles, was uns heilig ist. Sollte er ungestraft -«
»Wo finden wir diesen Mann?«, unterbrach Cersei die stürmische und harsche Bitte des Septons.
»In Flohloch. Ihr müsst etwas dagegen tun, Lady Hand!«
»Ich bin nicht die Hand, Hoher Septon«, sagte die blonde Frau kühl.
Ich richtete mich in meinem Stuhl auf und sah den Mann der Zitadelle an. »Ich werde mich um dieses Problem kümmern«, versprach ich. »Ich danke Euch für Euren Hinweis. Ihr dürft nun gehen.«
Der Mann nickte und verließ den Raum.
»Der Rat ist aufgelöst«, verkündete ich und mit einem »M'lady« zogen sich auch die Mitglieder zurück - alle, bis auf Cersei.
»Was wollt Ihr nun tun?«, fragte sie mich. »Ich bezweifle, dass Ihr den Hohen Spatzen zur Vernunft bringt.«
Ich lachte. »Und Ihr denkt, dass Ihr ihn besänftigen könnt.«
»Ich bin älter und erfahrener als Ihr«, sagte Cersei.
Ich erhob mich und blickte auf sie herab. »Wir werden ja sehen, wer von uns mit dem Hohen Spatzen mithalten kann.«
Cersei und ich wurden in jeweils einer Sänfte nach Flohloch getragen. Mit einer Handbewegung befahl ich der Wache, zu warten, während die Königin Mutter und ich bröckelnde, alte Stufen hinauf zu einem Innenhof stiegen. Die Armen wichen vor uns zur Seite und ließen demütig ihre Köpfe sinken. Cersei roch ununterbrochen an einem Duftbeutel, ich hingegen war an dieser Art Gerüche gewöhnt - bei meiner Reise hatte ich Schlimmeres erlebt.
Ein Mann in einer Kutte aus einem Lumpen gekleidet und grauen kurzen zerzausten Haaren verteilte Suppe an die Menschen um uns herum, und zielsicher liefen wir auf ihn zu.
»Verzeihung«, sagte ich und der Mann blickte auf, »aber jemand sagte uns, dass wir den Hohen Spatzen hier finden würden ...«
»Der Hohe Spatz« wiederholte der Mann vergnügt. »Das klingt lächerlich, nicht wahr? Wie Lord Enterich oder König Kröte.«
Cersei funkelte ihn nur ernst an.
»Das sollte es auch«, meinte der Mann daraufhin. »Oft bleiben die Namen haften, die unsere Gegner uns geben. Die Vorstellung, dass wir alle gleich sind in den Augen der Sieben gefällt manchen gar nicht. Also verspotten sie mich.«
»Sieben Segen für Euch«, bedankte eine alte Frau sich, als der Mann ihr eine Schüssel Suppe gereicht hatte.
»Sieben Segen für Euch, mein Kind«, antwortete der Mann. Er wandte sich wieder an uns. »Ist ja nur ein Name. Eine verhältnismäßig geringe Bürde. Viel geringer als Ihr.«
»Warum keine Schuhe?«, wollte Cersei nur wissen.
»Weil ich sie jemandem gab, der sie dringender brauchte als ich. Das machen wir alle. Damit wir nicht vergessen, was wir wirklich sind.«
»Seid Ihr deswegen in Königsmund? Um jeden daran zu erinnern?«
»Jeden?«, wiederholte der Hohe Spatz. »Es ist schwer genug, mich selbst daran zu erinnern. Ich sage Ihnen, dass keiner etwas Besonderes ist, und sie halten mich für etwas Besonderes, weil ich es ihnen sage.« Er musterte uns, dann wandte er sich ab und verteilte Brot. »Schicken Euch die Götter, um mich auf die Probe zu stellen?«
»Nein«, sagte ich. »Der Hohe Septon hat uns entzürnt erzählt, dass einige Eurer Anhänger ihn bloßgestellt hätten.«
»Ich nehme an, Ihr wollt mich festnehmen.«
»Tut Ihr das?«, gab ich zurück.
»Heuchelei ist ein Geschwür«, meinte der Anführer der Spatzen. »Eines aufzustechen, ist niemals angenehm. Obwohl sie mit dem Messer etwas vorsichtiger hätten sein können.«
»Der Hohe Septon verlangte Euch nicht festzunehmen, sondern hinzurichten«, erklärte Cersei mit einem faszinierten Blick auf den Mann.
Er sah sie an. »Ich maße mir nicht anzuwissen, wie Ihr darüber denkt.«
Nachdenklich schwieg Cersei. »Meine Gedanken dazu sind in Einklang mit den Euren. Das Verhalten des Hohen Septons ist zersetztend, ebenso wie seine Einstellung. So einen in der Septe weilen zu lassen, schwächt den Glauben von innen heraus. Daher weilt er jetzt im Roten Bergfried in einer Zelle.«
Ich war ebenso entsetzt wie der Hohe Spatz, als ich diese Worte vernahm.
»Welches Recht hattet Ihr, dies zu tun?«, verlangte ich entzürnt zu wissen.
»Der Glaube und die Krone sind die zwei Säulen, die die Welt stützen«, gab Cersei ohne Reue zurück. »Fällt eine um, so fällt auch die andere. Ich habe nur das Richtige getan. Was den König zur Last kommt, kommt auch Euch zur Last. Und wir müssen doch alles Nötige tun, um einander zu beschützen.« Die Frau lächelte mich zuckersüß an. Der Hohe Spatz selbst schien erfreut von ihren Worten, während ich im Innern wusste, dass Cersei dieses Mal wieder gewonnen hatte.
1046 Wörter
Ein diesmal nicht so spektakuläres Kapitel, da es sehr an der Serie lehnt. Es ist eher ein Füller-Kapi.
Was wollt ihr unbedingt in dieser Story sehen?
Lasst eure Meinung da :*
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