Kapitel 5

Den Blick zu Boden gerichtet, schweigend - seit Stunden saß ich in meinem Zimmer, beobachtet von der Frau, die mich aufgefangen hatte. Sie war eine Lady, ihren Namen hatte ich wieder vergessen; er schien wie die Zeit an mir vorbeigezogen gewesen zu sein - wie alles andere hier, was um mich herum geschah.
Es war bereits hell. Der König war benachrichtigt worden, Lady Margaery, Cersei - wahrscheinlich wusste nun der ganze Hof von dem Vorfall, zumindest von dem, was sie dachten, zu wissen. Ich hatte mit niemanden ein Wort gesprochen, nicht einmal, als der König mich gefragt hatte und man mich des Öfteren aufgefordert hatte, ihm zu antworten. Der Junge hatte mich schließlich verlassen, auf Rat seiner Verlobten hin. Cersei hatte ich bisher nicht zu Gesicht bekommen. Ihr Glück, denn ich war mir sicher, dass sie mit dem Vorfall zu tun hatte.
Ich erhob mich und wandte mich an die Frau. Unruhig spielte ich mit den Schnüren am Ärmel meines Nachthemdes, welches ich immer noch nicht ausgezogen hatte. Tränen stiegen in meine Augen, und ich versuchte sie zu unterdrücken.
»Es waren drei Männer ... Sie kamen in mein Zimmer ... und ...« Ich stockte und ließ den Blick sinken.
»Ich werde dich nur ein einziges Mal fragen, damit wir uns beide einig sind, was in dieser Nacht passiert ist«, begann die Lady und ich sah sie zögernd an. »Wurdest du vergewaltigt?«
Nun konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Zitternd sank ich zu Boden, ich spürte den Schrank mit dem verschnörkelten Verzierungen in meinem Rücken. Mein Körper bebte aufgrund des Weinens - ich hatte keine Kontrolle mehr.
Die Frau hockte sich langsam vor mich, eine Hand beruhigend nach mir ausgestreckt. »Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, zu entkommen, aber du hast es geschafft. Du bist am Leben! Du wirst das überleben. Ich weiß das. Wer auch immer Schuld daran trägt, und glaube mir, diese Männer taten dies nicht aus freiem Himmel, wird bald seine gerechte Strafe erhalten. Du musst nur stark sein. Zeig, woraus die Menschen aus dem Norden gebaut sind. Zeig, dass du kein verängstigtes Mädchen bist. Du bist die Lady von Winterfell. Du bist die Erbin und Wächterin des Nordens. Du wirst dir zurückholen, was dir genommen wurde. Du wirst jede Aufmerksamkeit auf dich lenken, und die Menschen werden zu dir hinaufblicken und die Wahrheit erkennen!«
Ich blickte die Frau schweigend an. Ihre Augen sprachen aus, dass sie es ernst meinte. Ich kannte sie nicht, doch schien sie so vertraut, dies sagte mir auch mein Herz - und so ergriff ich ihre Hand und ließ mich in einen neuen Abschnitt meines Lebens ziehen.

»Ihr ward mehr Schwester für Sansa als ich, da bin ich mir sicher«, sagte ich, während ich mit Lady Margaery durch den Garten schritt.
»Ich kann Euer Misstrauen mir gegenüber verstehen, M'lady. Zu dieser Zeit sollte man niemanden vertrauen - nur sich selbst.«
»Nicht einmal sich selbst sollte man trauen«, erwiderte ich.
Die Tyrell nickte und strich mit den Fingerkuppen über die Blüten einer Rose. »Wenn ich erst einmal Königin bin, werd' ich vieles ändern. Warum sollte ein Mann, der dem König die Treue geschworen hat, nicht heiraten?«
»Es waren keine Goldröcke«, meinte ich. »Das waren Soldaten der Stadtwache. Die haben nicht solch einen Eid geleistet.«
Margaery musterte mich schweigend. Ich kannte diesen Blick, diesen besorgten Blick. Alle Frauen am Hof warfen mir diesen zu. Sie wussten nicht was passiert war, sie kannten nur die Gerüchte, und sie wollten, dass ich die Wahrheit sagte. Zu fragen, wäre nicht angemessen, und so blieb ihnen nur der Blick, in Hoffnung, dass ich ihnen alles erzählte.
»Es wäre einfacher, wenn es wieder die sieben Königreiche geben würde«, meinte ich, ohne auf sie einzugehen, und wandte meinen Blick wieder nach vorn.
»Dann würde Krieg herrschen«, sagte Margaery. Die zukünftige Königin war eine anständige Frau. Ich wusste, dass es sie drängte, die Wahrheit zu erfahren, aber dennoch verstand sie es, wenn ich nicht darüber sprechen wollte. Sie ließ sich keinerlei Anzeichen machen, irgendwas im Schilde zu führen, so wie alle anderen höher gestellten Personen hier am Hof, doch das machte sie so gefährlich.
»Es herrscht sowieso schon Krieg. Was macht das für einen Unterschied?«, gab ich zurück. »Den Starks gehört der Norden, die Lennisters sind wieder auf Casterlystein. Alles wäre einfacher, denn jeder hätte das, was er will. Es gäbe nicht so viele Männer, die behaupten der König von jedem kleinen Land zu sein. Es gäbe diese Männer, oder Frauen, die es auch sind. Noch nie wusste der König in Königsmund, was im Norden geschah. Er hatte keine Kontrolle, nicht wirklich, nicht über die sieben Königslande. Alle sträuben sich und wählen ihren eigenen König - und dafür werden sie des Verrats bezichtigt. Sie werden für den Glauben an ihren König, welcher für sie der wahre König ist, getötet. Wie kann das Verrat sein? Wie kann es Verrat sein, wenn man hofft? Wenn man an etwas glaubt? Einige haben den amtierenden König nie zu Gesicht bekommen. Wie soll man an jemanden glauben, von dem man nur den Namen hört, der wie Asche im Wind zerstreut wird. Die Krone tötet ihre eigenen Kinder. Die Dornen, die nur für einen bestimmt sind, lässt das Blut von Tausenden fließen. Von Unschuldigen sowie von Schuldigen.«
»Ihr könnt Tommen nicht die Schuld geben -«, begann Margaery.
»Ich gebe Tommen nicht die Schuld. Der König ist nur das Werkzeug, meistens zumindest. Ein König. Eine handvoll Berater. Wer, glaubt Ihr, trifft die Entscheidungen bei einem Mann? Der König? Nein. Er ist nur die Marionette. Die Puppenspieler stehen verdeckt, im Schatten. Niemand würde auf die Idee kommen, sie zu verdächtigen. Es heißt immer nur: Im Namen des Königs ... Im Namen des Königs wurde mein Vater getötet, doch nicht der König hatte ihn verraten.«
»Falls jemand Euch hören sollte, werdet Ihr ebenso des Verrats beschuldigt«, meinte die Frau. Sie harkte sich bei mir ein, setzte ein gespieltes Lächeln auf und spazierte mit mir durch den Garten als wäre es das Schönste auf der Welt.
»Man kann mich nicht töten. Ich bin die Erbin Winterfells. Die Krone braucht mich«, erwiderte ich.
»M'lady, bedenkt, dass es ein Leichtes ist, Euch aus dem Weg zu räumen und zu ersetzen. Cersei muss nur einmal mit dem Finger schnippsen und Euer Kopf ziert die Zinnen. Viele Menschen haben Euch unlängst aus Ihren Gedanken verbannt. Die Welt ist in ihrer Meinung gespalten - jeder vertraut einem anderen und ernennt ihn zu seinem eigenen König. Es sind Männer, die sie wollen. Wir Frauen werden immer zur Seite geschoben und als schwach bezeichnet.«
»Verzeiht, wenn ich Euch Eurer Vorstellung meiner Heimat beraube«, sagte ich. »Doch Eines habt Ihr bei der ganzen Sache nicht beachtet: Der Norden vergisst nicht.«

1099 Wörter

Wie seht ihr es? Ein König oder mehrere?

Wen wünscht ihr auf dem Thron von Westeros? Ich glaube, Jon.

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