Kapitel 4
Es klopfte an der Tür und kurz darauf wurde sie geöffnet. Der König trat herein, seine Garde blieb draußen.
»M'lady«, begrüßte er mich.
»Euer Gnaden.« Demütig hielt ich den Kopf gesenkt und knickste. »Wie komme ich zu der Ehre?«
»Eure Wölfe wollen nichts essen. Ich befürchte, sie hungern sich zu Tode, wenn Ihr nicht nach Ihnen seht«, erklärte der Junge.
»Ich würde nach ihnen sehen, wenn Ihr erlaubt«, sagte ich.
»Natürlich.«
Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich weiß nur nicht, wo Ihr sie untergebracht habt.«
»Ich zeig' es Euch.«
Zusammen gingen wir hinunter zu den Ställen. In einer Box warteten meine Wölfe. Als sie mich bemerkten, begannen sie zu fiepen und an der Tür zu kratzen. Tommen wies einen Soldaten an, den Stall zu öffnen, und zögernd ging der Mann dem Befehl nach. Sofort rannten die Tiere auf mich zu und ich schloss sie in eine Umarmung.
»In Eurer Nähe scheinen sie sehr ruhig zu sein«, bemerkte der Junge.
»Wenn Ihr wollt, könnt Ihr sie streicheln.« Ich erhob mich und trat zur Seite, so dass Tommen sich zu den Tieren hinunterbücken konnte.
»Ich muss mich bei Euch entschuldigen«, sagte der Junge auf einmal und richtete sich wieder auf.
Verwirrt zog ich die Stirn in Falten. »Wofür?«
»Für das, was meine Familie der Euren angetan hat. Mein Bruder, mein Großvater, mein Onkel ... meine Mutter - sie alle haben Euch das Leben schwer gemacht, und dafür will ich im Namen jener entschuldigen.«
Du naiver, junger König, dachte ich. Wie könnt Ihr nur so blind sein? »Ich nehme Eure Entschuldigung an«, sagte ich stattdessen mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. »Hier, bei Euch auf der Burg, weiß ich, dass ich in Sicherheit bin. Das bin ich doch, oder, Euer Gnaden?«
»Natürlich«, sagte der Junge schnell. »Natürlich, M'lady.«
Ich nickte, mein Lächeln war breiter. »Danke sehr, Euer Gnaden.« Ich beobachtete ihn, als er sich wieder hinunter zu meinen Tieren beugte und sie streichelte, und ich wusste: Jeder könnte seine Krallen in ihn hineinschlagen und ihn als das eigene Spielzeug benutzen, bis er ausgeblutet und letztendlich ohne jegliche Macht auf dem Boden lag.
Es war spät in der Nacht, als ich am Schreibpult saß und im Kerzenschein mit säuberlichster Schrift Liebste Sansa auf das gelbe, alte Pergament schrieb. Ich stockte, musterte die Buchstaben, las sie unzählige Male durch, um dann das Blatt zu nehmen und zu zerreißen. Achtlos schmiss es in die Ecke und legte die Feder mit Nachdruck auf den Tisch, so dass sich einige Tintenkleckse auf dem Holz bildeten. Ich beobachtete, wie es die Farbe aufsog und letztendlich nur dunkle Punkte übrig blieben.
Liebste Sansa, dachte ich kopfschüttelnd. Sie wird sich wahrscheinlich nicht einmal mehr an mein Aussehen erinnern können.
Auch ihr Bild wurde von Tag zu Tag undeutlicher. Nach beinahe fünf Jahren war meine Schwester kein Kind mehr. Sie war eine Frau - doch konnte ich sie mir nicht einmal im Traum vorstellen. Ich erinnerte mich nur noch an ihr hysterisches Gesicht, als unser Vater vor ihren Augen geköpft wurde.
Doch es hatte sich alles geändert. Ned Stark war tot; Caitelyn und Robb ebenso. Ob Rickon noch lebte, wusste ich nicht. Selbst bei Jon und Bran war ich mich nicht sicher, obwohl ich die beiden als letztes gesehen hatte. Was ich wusste, war, dass Jojen tot war. Ich hatte es gesehen, davon geträumt, und es erst nicht geglaubt, doch als ich mich an den Tod meiner Mutter und meines ältesten Bruders erinnerte, wusste ich, dass es wahr war.
Auf einmal hörte ich, wie die Tür sich öffnete. Verwundert wandte ich mich um und mein Blick fiel auf drei Ritter, die ungefragt mein Gemach betreten hatten. Abrupt erhob ich mich, so dass mein Nachthemd, welches mir bis zu den Waden reichte, umherwehte.
»Was wollt Ihr hier? Ihr habt keine Befugnis, mein Zimmer zu betreten«, meinte ich. Selbstbewusst lief ich auf die Männer zu, mein Blick war ernst.
Der eine Ritter lächelte mich dreckig an und trat einen Schritt auf mich zu. »Oh, ich denke, da liegt Ihr falsch«, entgegnete er und musterte mich von oben bis unten.
Erst nach wenigen Lidschlägen wurde mir bewusst, was diese Männer hier wollten. Ich stolperte einen Schritt zurück, den Finger zurechtweisend erhoben. »Ich bin Lady Sienna, die älteste lebende Tochter von Eddard und Catelyn Stark. Ich bin die Erbin von Winterfell.«
Der Ritter vor mir lächelte vielsagend.
»Ihr tragt kein Recht, mich anzufassen!«, rief ich. Panik stieg allmählich in mir auf - es schien keinen Ausweg zu geben, es waren zu viele und ich war zu schwach.
Die Männer kreisten mich enger ein.
»Ich warne Eu-« Ich konnte nicht aussprechen, denn da spürte ich einen Schlag auf meiner Wange, der mich von den Beinen riss. Unsanft fiel ich zu Boden. Schmerz durchzog meinen Körper. Ich hatte kein Kraft, um mich aufzurappeln, keine Kraft, um mich zu wehren, als einer der Männer mich an den Beinen packte. Ich schrie auf, und da wurde mir bereits der Mund verbunden.
Ich spürte, wie man mein Kleid hochschob. Angst überkam mich. Ich hörte das Lachen der Männer, spürte die Griffe um meinen Knöcheln, und konnte nichts tun. Tränen rannen über meine Wangen, und dann spürte ich einen unheilvollen Schmerz, der sich durch meinen Unterleib zog. Ich schrie in das Tuch, versuchte nach dem Mann zu treten, doch war ich zu schwach.
Durch den Tränenschleier hindurch erfasste ich die Vase, die bei meinen Sturz zu Boden vom Tisch gefallen sein zu schien. Sie war unversehrt, und mit Mühen ergriff ich sie und schleuderte sie nach meinem Peiniger. Völlig überrumpelt ließ er mich frei, und obwohl mein ganzer Körper zitterte, kämpfte ich mich auf die Beine und flüchtete aus meinem Zimmer.
»Lasst sie nicht entkommen!«, schrie der Mann, den ich getroffen hatte.
Kurz darauf vernahm ich schwere Stiefelschritte hinter mir. Ich wandte mich nicht um, ich wollte nicht langsamer werden.
Mit weiterhin tränenden Augen bog ich um die Ecke und stieß prombt mit jemanden zusammen. Ich erkannte nicht, um wen es sich handelte, doch war mir das in diesem Moment gleichgültig. Schwach hing ich in den Armen des Unbekannten und verlor dann mein Bewusstsein.
1012 Wörter
Arme Sienna. Aber ich wollte ein wenig Drama. Tut mir leid ...
Was sagt ihr dazu?
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