Kapitel 10

»Die Eiserne Bank hat ein Zehntel der Schulden eingefordert«, erklärte Lord Tyrell, »doch die Kosten für den Wiederaufbau der -«
»Wie viel kann sich die Krone leisten?«, unterbrach Cersei ihn sofort.
»Da der Winter naht, höchstens die Hälfte von dem, was gefordert wird. Eher weniger.«
»Können wir bei einigen Dingen sparen?«, fragte ich. »Oder irgendetwas kürzen?«
»Ich sehe da keinen Anhaltspunkt«, meinte Lord Tyrell. »Mein Haus könnte natürlich einige Münzen zur Verfügung stellen und die Krone würde es dann bei Zeiten zurückzahlen - ansonsten müsste ich ein ernstes Wort mit meiner Tochter reden.« Der Mann gluckste belustigt. Als niemand reagierte, wurde seine Miene ernst und still lehnte er sich im Stuhl zurück.
»Nein, das können wir uns nicht leisten«, sagte ich. »Das würde den Schuldenberg nur vergrößern.« Ich richtete mich auf. »Nein, wir müssen das persönlich mit der Eisernen Bank regeln. Vielleicht könnt Ihr neue Verträge aushandeln.«
»Ich?«, fragte Lord Tyrell mit hoher, kratziger Stimme.
Ich nickte. »Ihr seid der Meister der Münze. Wer sonst vermag die Herren der Eisernen Bank Braavos' überzeugen zu können?«
»Der König sorgt sich um die Sicherheit seines Schwiegervaters auf dieser Reise«, meinte Cersei. Ein heimtückisches Lächeln umspielte ihre Lippen. »Er befahl Ser Meryn für Euer sicheres Geleit zu sorgen.«
Der genannte Ritter betrat in seiner goldenen Rüstung den Raum. Er hatte sich kaum verändert, nur die Haare waren grauer geworden. Ich erinnerte mich an ihn sehr wohl. Er hatte auf dem Podest gestanden, damals, als mein Vater vor der Septe von Baelor verurteilt wurde, und hatte Sansa festgehalten. Der Anblick des Ritters ließ alle Erinnerungen zurückkommen. Ich öffnete meine Augen und sah die Wahrheit, als hätte ich einen Schlag ins Gesicht bekommen.
»Eine eigene Königsgarde«, sagte Lord Tyrell entzückt und riss mich somit zurück in die Realität. »Bitte richtet dem -«
»Gute Reise, Lord Tyrell«, unterbrach Cersei den Mann mit einem zuckersüßen Lächeln.
»Natürlich, natürlich.« Sofort erhob sich der Mann und packte seine Sachen zusammen. »Auf Wiedersehen, M'lady.« Er verbeugte sich vor mir und verließ dann mit Ser Meryn den Raum.
Ich sah zu Cersei. Das Lächeln war aus ihrem Gesicht gewichen, eine kalte Miene zierte sie nun.
»Der Kleine Rat wird zusehends kleiner und kleiner«, bemerkte Maester Pycelle.
»Nicht klein genug«, meinte Cersei und verließ uns ohne ein weiteres Wort.
»Der Rat ist aufgelöst«, sagte ich mit einem Nicken. Ich erhob mich, Qyburn und Pycelle taten es mir gleich, dann ging auch ich.

Ich wandte mich von der Stadt ab und betrat vom Balkon aus mein Zimmer.
»Ich will mehr Wahrheiten ans Licht bringen«, verkündete ich.
Lady Jeyne, die Frau, die mir nach meiner Vergewaltigung geholfen hatte, blickte von ihrer Stickarbeit kurz zu mir auf. »Das haben schon andere versucht, bessere, M'lady. Verzeiht, wenn ich Euch sage, dass Ihr schneller den Tod finden werdet als jene vor Euch.«
Ich seufzte. »Mein Vater wurde hier ermordet. Ich weiß, wieso. Aber Cersei spinnt immer mehr Intrigen, und niemand hält sie auf. Ich bin die Hand des Königs und dennoch liegt die Macht in ihrem Schoß.«
»Ihr seid eine Fremde hier, eine Verurteilte und, in Augen mancher, eine Spionin und Verräterin. Cersei steht seit Jahrzehnten an der Seite des Throns. Sie spinnt immer mehr, und das Knäul ist dick, so dass man es nicht einmal mehr mit einer Schere durchtrennen kann. Ihr habt hier keine Freunde, M'lady. Nur jene, die Euch verachten und jene, die Euch keinerlei Beachtung schenken.«
»Margaery -«, begann ich.
»Die Königin wickelt jeden in ein Tuch voller Liebe und Freundschaft, doch kann niemand dieses Tuch sehen. Es ist nur eine Illusion.« Mit flinken Fingern ließ Lady Jeyne die Nadel auf- und abtauchen.
Ich atmete tief durch und wandte mich ab. »Aber während ich hier stehe und rede, sitzt Cersei irgendwo und versucht den Hohen Spatzen mit ihren Worten zu umschmeicheln. Sie gewinnt immer öfter. Irgendwann werd' ich wie mein Vater vor ihr im Dreck knien.«
Die Frau in meinem Rücken schwieg kurz. »Ihr könntet vielleicht mit dem König reden und versuchen ihm Euer Leid zu klagen. Er ist so naiv, dass er Euch dies glauben würde, und vielleicht würde er Cersei dann endlich fortschicken.«
Ich drehte mich ihr zu. »Ja, Tommen ist naiv. Doch er würde eher zu Cersei rennen und mir ihr sprechen, als sie einfach fortzuschicken. Maergary hat es versucht - und die Königin Mutter ist weiterhin hier.«
Lady Jeyne vollführte den letzten Stich, legte die Nadel ab und strich über ihre Stickarbeit. »Ihr seid eine Stark, M'lady«, sagte sie. »Der Winter naht. Er wird auch hierher kommen. Doch bis dahin müsst Ihr sie dies spüren lassen. Seit wann wird eine Stark von einer Lennister eingeschüchtert? Vergesst nicht, was Ihr für ein Wappentier habt.« Die Frau hob das kreisrunde Tuch hoch und wandte es mir zu, so dass ein grauer Wolf auf einem weißen Untergrund mir entgegenschien.

Es verbreitete sich wie ein Lauffeuer - die Spatzen zündeten Septen in ganz Westeros an, schändeten Schweigende Schwester, griffen die Betreiber von Kleinfingers Bordell an und verhafteten Margaerys Bruder Loras Tyrell. Ich wusste nicht, wieso, doch konnte ich mir denken, wer hinter der Verhaftung steckte.
Ich saß gerade im Turm der Hand, in meinem Solar, in welchem auch mein Vater vor langer Zeit gesessen hatte, und ging verschiedene Unterlagen durch, als auf einmal Lady Jeyne eintrat.
»Habt Ihr davon gehört?«, fragte sie aufgeregt und so schnell, dass sich ihre Worte überschlugen.
»Was gehört?«, gab ich gelassen zurück, ohne aufzublicken. Ich war eher damit beschäftigt, Briefe zu unterschreiben und mit meinem Siegel in Gültigkeit einzurufen.
»Cersei hat den Militärischen Orden zurück ins Leben gerufen und den Hohen Spatzen eine Armee gegeben!«, rief die Frau aufgebracht.
Ich legte den Stempel ab und blickte auf. »Den was?«
»Den Militärischen Orden«, wiederholte Lady Jeyne, »oder auch Kriegerischer Arm des Glaubens. Hat man Euch nicht Geschichten darüber erzählt?«
Ich schüttelte den Kopf.
Die Frau seufzte und ließ sich vor mir auf dem Stuhl nieder. »Der Orden ist ein militärischer Orden des Glaubens der Sieben, der dem Hohen Septon dient und im Lichte der Sieben handelt.«
»Die Sieben waren noch nie meine wahren Götter«, meinte ich und lehnte mich im Stuhl zurück.
»Ihr versteht nicht!«, rief die Frau, und ich merkte, dass sie allmählich die Geduld verlor. »Cersei gibt dem Hohen Spatzen die Macht, um Schrecken und Gewalt zu verbreiten. Sie wird alles vernichten, was sich ihr in den Weg stellt, Euch inklusive. Ihr dürft dies nicht zulassen. Ihr dürft nicht zulassen, dass ganz Westeros in einen Krieg verfällt!«
»Ihr meint, die Spatzen morden und schänden im Auftrag Cerseis?«, fragte ich.
»Und ich dachte, Ihr würdet es nie verstehen«, sagte Lady Jeyne eher zu sich. »Ihr müsst handeln!.«
Ich eilte durch die Korridore, so dass meine Absätze laute Geräusche auf dem Boden verursachten, die von den Wänden abprallten. Mein Kleid raschelte - ich musste aufpassen, dass ich in meinem stürmischen Gang nicht darüber stolperte. Vor Cerseis Gemach traf ich auf Tommen, dessen Gesichtsausdruck alles verriet - er war verzweifelt, wusste nicht, was er tun sollte, und doch verlangte Margaery von ihm sicherlich die Befreiung seines Bruders.
Ich ließ demütig den Kopf sinken. Er murmelte ein leises »M'lady« und verschwand. Dann stieß ich die Flügeltür auf und betrat Cerseis Zimmer.
»Wie könnt Ihr es wagen, solch etwas ohne meine Erlaubnis einzuführen?«, verlangte ich aufgebracht zu wissen. »Ihr habt nicht die Macht und Befugnis dazu!«
Cersei, die vor ihrem Fenster stand und ein Weinglas in der Hand hielt, wandte sich mir zu. »Oh, das denk' ich nicht, denn immerhin seid Ihr gekommen und habt mich nicht zu Euch bestellt, um mir dort Eure Größe zu beweisen. Ihr seid immer noch das schwache Mädchen, welches vor Jahren Winterfell verlassen hatte. Euer Wort und Euer Siegel an Eurer Brust bedeuten mir nichts.«

1271 Wörter

Dam dam daaam.

Ich muss sagen, ich bin zufrieden mit dem Kapitel. Was sagt ihr?

Was, denkt ihr, hat Cersei mit Sienna vor bzw. was wird mit Sienna vielleicht noch geschehen?

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