Kapitel 11: Zwischen den Zeilen


Kapitel 11:
Zwischen den Zeilen
~*~

Man sagte sich, Vornamen seien wie ein Zeichen der Vertrautheit, als ob man sich plötzlich näherkäme, und Hermine wusste das nur zu gut. Es war eine unausgesprochene Regel zwischen ihnen – eine Distanz, die sie durch die formelle Anrede aufrechterhielten. Doch in einem unachtsamen Moment, als ihre Gedanken von den Ereignissen des Tages überwältigt gewesen waren, war ihr 'Draco' über die Lippen gerutscht. Es war einfach passiert, das Wort hatte ihre Lippen verlassen, bevor sie es hatte verhindern können.

Das Wort hallte immer noch in ihrem Kopf wider, auch Stunden später, als sie längst nicht mehr bei ihm war. Sie spürte ein beklemmendes Gefühl in ihrer Brust, während sie sich fragte, ob er es bemerkt hatte. Vielleicht hatte er es überhört oder einfach nicht darauf reagiert... Doch die Unsicherheit fraß an ihr. Es war, als hätte sie eine Grenze überschritten, die sie beide stillschweigend akzeptiert hatten, und nun gab es kein zurück mehr.

~*~

Hermine saß am Sonntagmorgen mit Luna in einem Café, zwei ganze Tage seit dem „Vorfall" zwischen ihr und dem Slytherin waren vergangen. Zwei Tage in denen sie Draco weder gesehen noch mit ihm darüber gesprochen hatte. Es war ja nicht so , dass sie es wollte. Merlin ja sie wollte unbedingt über alles reden, was vorgefallen war. Besonders darüber, dass Malfoy sie fast geküsst hatte. Doch irgendwie hatte sie das ungute Gefühl, dass das ganz und gar nicht in seinem Ermässen lag. Deswegen tat sie das, was ihr jüngeres Teenager-Ich getan hätte: Sie zog sich in sich selbst zurück, versuchte, den Schmerz zu verdrängen und sich selbst zu beruhigen, während sie gleichzeitig den Mut finden musste, sich ihrer eigenen Unsicherheit zu stellen.

Der Tag war ruhig, und das Café strahlte eine entspannte Atmosphäre aus. Der Duft von frisch gebackenem Brot und Kaffee erfüllte den Raum, doch für Hermine war dieser Duft nur ein schwacher Trost gegen den Kummer, der sie seit dem letzten Treffen mit Draco quälte.

Luna, die fröhlich mit ihrem frischen Croissant kämpfte, schien den Gedanken ihrer Freundin nicht zu bemerken. Ihre lebhaften Erzählungen über ihre neueste Entdeckung in der Magie wurden von Hermine nur halbherzig verfolgt. Der Gedanke an den vergangenen Abend ließ sich nicht aus ihrem Kopf vertreiben.

Erneut stellte sich der Moment vor Hermines Augen ein, als sie ihn „Draco" statt „Malfoy" genannt hatte. Es war eine kleine Unachtsamkeit, doch in ihrer Erinnerung wuchs dieser Moment zu einer unüberwindbaren Barriere heran. Die Art und Weise, wie sich sein Gesicht einen winzigen Moment lang versteift hatte, war unauslöschlich in ihrem Gedächtnis eingegraben. Auch wenn es ganz leicht übersehen worden konnte, wenn sie ihn nicht so foskussirt angestarrt hätte. Noch eine Sache, die ihr peinlich war. Und auch der beinahe Kuss zwischen ihnen, war ein weiteres schmerzhaftes Echo der vergangenen Woche. Diese Kluft, die sich zwischen ihnen geöffnet hatte, war unerträglich.

Hermine versuchte, sich in das Gespräch mit Luna zu vertiefen, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder zu dem Moment zurück. Der Gedanke, dass sie sich möglicherweise durch eine solch einfache Sache wie einen Namen von ihm entfernt hatte, ließ ihre Schuldgefühle immer stärker werden. Und auch das mit dem Kuss, verletzte sie mehr als sie zugeben wollte. Weshalb hatte er es überhaupt in Erwägung gezogen, nur um später wieder seine gewohnte Maske aufzusetzen?

Sie fühlte sich schrecklich, als hätte sie eine unsichtbare Grenze überschritten, die nicht mehr zurückgenommen werden konnte. Beide hatten diese Grenze überschritten, jeder auf eine andere Weise. Manch eine Weise war nun schmerzhafter als jene, allerdings empfand sie es gerade als sehr sehr belastend immer wieder daran zurückdenken zu müssen.

Jeder Versuch, das Gespräch mit Luna zu genießen, scheiterte kläglich. Je mehr  sie sich darauf konzentrierte, bei der Sache zu bleiben- sich aktiv auf Lunas gesprochene Worte zu konzentrieren, um diese zu verständlichen Sätzen in ihrem Kopf zu formen, desto mehr schweiften ihre Gedanken zu einem gewissen Slytherin, an den sie gar nicht denken wollte.

„Hermine? Ist alles in Ordnung? Du siehst blass aus", bemerkte Luna vorsichtig.

„W...was?", murmelte Hermine, als sie sich endlich dazu zwang, ihre Freundin anzusehen.

„Du hast mir nicht zugehört", stellte Luna sanft fest, ohne Vorwurf in ihrer Stimme. Stattdessen lächelte sie leicht und beobachtete Hermine aufmerksam, die nun hastig einen großen Schluck von ihrem Kaffee nahm. Luna sprach weiter: „Du solltest ihm nicht so viel Macht über deine Gedanken geben."

Als hätte sie jemand mit eiskaltem Wasser aus dem Schlaf gerissen, zuckte Hermine zusammen und hätte sich beinahe an ihrem Kaffee verschluckt. Es fühlte sich an, als hätte Luna ihre geheimsten Gedanken gelesen. War es wirklich so offensichtlich? Hatte sie sich so sehr in ihren eigenen Kopf verschlossen, dass sie ihre innere Fassade völlig hatte fallen lassen?

„Ich denke nicht an Draco Malfoy", sagte sie, fast als würde sie versuchen, sich selbst davon zu überzeugen.

Luna lächelte sanft, nippte an ihrem Tee und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Es ist in Ordnung, wenn du nicht darüber sprechen möchtest."

„Ich... würde wirklich gerne, Luna. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo ich anfangen soll", gestand Hermine schließlich.

„Wie wäre es mit dem Anfang?", schlug Luna vor, ihre Stimme ermutigend.

Die Brünette nickte und nahm sich einen Moment, um ihre Gedanken zu sammeln, bevor sie begann, ihre Geschichte zu erzählen. Während Hermine sprach, lauschte Luna aufmerksam, ihr Gesichtsausdruck warm und verständnisvoll, gleichzeitig neugierig und aufrichtig interessiert.

Als Hermine schließlich geendet hatte, erschien ein sanftes Lächeln auf Lunas Lippen. „Es ist verständlich, Angst zu haben. Und was Draco betrifft, glaube ich, dass er möglicherweise ähnliche Gefühle hat."

„Du meinst, dass Draco Malfoy tatsächlich vor etwas Angst hat und deswegen nicht weitergemacht hat?" Hermine klang skeptisch, aber auch neugierig.

„Ich denke, dass es sich lohnen würde, mit ihm zu reden. Zeig ihm, wie sehr dich das verletzt hat und dass du dich unsicher fühlst, weil du ihm nähergekommen bist", schlug Luna vor.

Hermine nickte erneut, nachdenklich.

Vielleicht hatte Luna recht. Vielleicht war es an der Zeit, das Gespräch mit Draco zu suchen und herauszufinden, was wirklich in ihm vorging. Doch bei dem Gedanken, sich ihm zu öffnen, spürte Hermine sofort einen Knoten in ihrem Magen. Die Vorstellung, ihm gegenüberzustehen und über ihre Gefühle zu sprechen, machte ihr Angst. Was, wenn er sie auslachte? Oder schlimmer noch, was, wenn er sie nochmal so kalt abwies?

„Aber was, wenn ich ihm egal bin?", flüsterte Hermine, fast als hätte sie Angst, dass das Aussprechen dieser Worte die Möglichkeit noch realer machen würde. „Was, wenn er das alles nur als Spiel betrachtet hat?"

Luna sah sie mitfühlend an. „Draco Malfoy hat sich die Mühe gemacht dich durch New York zu führen, und das öfters. Denkst du wirklich, dass er das lediglich aus Nettigkeit getan hat?"

Hermine wusste, dass Malfoy sie womöglich nicht ohne Grund die Stadt gezeigt hatte, aber die Unsicherheit nagte weiter an ihr. Sie erinnerte sich an die vielen Male, in den sie sich über Draco geärgert hatte, an die kleinen Momente, in denen sie dachte, sie habe einen anderen, verletzlicheren Teil von ihm gesehen. Den Teil, der sie dazu gezwungen hatte ein fremdes Grundstück zu betreten, allein weil er wollte, dass sie los ließ und Spaß hatte. Der Teil, der sie auf dem Weg zu seinem Penthouse gestützt hatte, als sie nicht mehr in der Lage gewesen war, richtig zu gehen.

Luna lächelte sanft. „Es steht in den Sternen geschrieben, dass du zu ihm gehen solltest. Die Art wie seine Augen, deinen Blick finden...".

Hermines Herz klopfte heftig in ihrer Brust. Die Angst und der Zweifel waren noch immer da, aber irgendwo tief in ihr spürte sie auch eine kleine Flamme der Entschlossenheit. Vielleicht würde sie verletzt werden. Vielleicht würde sie eine Seite von Draco sehen, die sie nicht mochte. Aber Luna hatte recht: Sie musste es versuchen, um sich selbst treu zu bleiben und um Frieden mit ihren Gefühlen zu finden.

„Danke, Luna", sagte sie schließlich leise und mit einem zaghaften Lächeln. „Ich glaube, du hast mir wirklich geholfen, klarer zu sehen."

Luna erwiderte ihr Lächeln und nickte. „Manchmal braucht es nur jemanden, der zuhört und die richtigen Fragen stellt."

Hermine atmete tief durch. Sie wusste, dass der Weg vor ihr nicht einfach sein würde, aber sie fühlte sich jetzt ein wenig mutiger, ihn zu gehen. Es war Zeit, die Dinge mit Draco zu klären, egal, was das für sie beide bedeuten würde.

~*~

Hermine eilte die Fifth Avenue entlang, das pulsierende Herz der Stadt um sie herum schlagend wie ihr Eigenes- fieberhaft klopfend. Die Lichter der Wolkenkratzer spiegelten sich in den Schaufenstern wider und tauchten die Straße in ein flackerndes Licht, das sie gleichzeitig benebelte und in die Realität zurückholte. Ihre Gedanken kehrten immer wieder zu dieser einen Nacht zurück—der Nacht, in der sie betrunken an Dracos Seite durch dieselbe Straße gelaufen war.

Sie erinnerte sich an das Lachen, das in der kühlen Nachtluft widerhallte, an das warme Gefühl seiner Hand, die ihren Arm stützte, und an die Art, wie sein Blick auf ihr ruhte, als hätte er etwas entdeckt, das er vorher nicht bemerkt hatte. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie erneut daran dachte, wie er sie damals in sein Penthouse gebracht hatte, als sie zu betrunken gewesen war, um geradeaus zu laufen, geschweige denn selbst nach Hause zu finden. Es war eine Nacht gewesen, die ihr Leben für einen Moment auf den Kopf gestellt hatte—eine Nacht, die sie nicht vergessen konnte, egal wie sehr sie es versuchte.

~*~

Jetzt stand sie vor seinem Gebäude, einem imposanten Wolkenkratzer mit einer modernen Glasfassade, die im Tageslicht schimmerte. Ihr Atem ging schneller, als sie die Tür Problem einfach drücken konnte und eintrat. Die kühle Luft des Foyers schlug ihr entgegen, und die Erinnerung an die Nacht, als sie von seinen Armen gestützt worden war, schickte ein Schaudern über ihren Rücken. Sie konnte die Hitze in ihren Wangen spüren, als sie an das Gefühl seiner Berührung dachte, an das leise Flüstern seines Namens auf ihren Lippen, während sie durch die selbe Tür geschlüpft waren.

Doch diesmal war sie nicht betrunken. Sie war klar im Kopf, auch wenn ihre Gefühle alles andere als klar waren. Sie wusste, dass sie hier sein musste, dass sie Antworten brauchte. Egal wie verletzt sie war. Sie rannte auf den Aufzug zu und drückte wiederholt den Knopf für das Penthouse. Jeder Moment des Wartens fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Als die Türen endlich aufgingen, stieg sie ein und drückte mit zitternden Fingern auf den Knopf für Dracos Etage.

Während der Aufzug nach oben stieg, versuchte Hermine, ihre Atmung zu beruhigen, ihre Hände glitten nervös an den Seiten ihrer Jeans entlang. Was würde sie ihm sagen? Was würde er sagen? Ihr Kopf war ein Wirbel aus Fragen, doch ihr Herz kannte nur eine Antwort: Sie musste es wissen, egal was passierte.

Der Aufzug hielt an, und mit einem leisen Klingeln öffneten sich die Türen direkt zu seiner Wohnung. Der Korridor vor ihr war dunkel und still, und für einen Moment schien es, als hätte die Welt angehalten. Sie atmete tief durch, ging langsam auf die schwere Holztür zu und hob die Hand, um zu klopfen. Doch bevor sie es tun konnte, ergriff eine plötzliche Panik sie. Was, wenn er nicht allein war? Was, wenn er sie nicht sehen wollte?

Sie hatte keine Zeit, ihre Zweifel zu klären, als sich die Tür plötzlich öffnete und Draco vor ihr stand. Sein Gesicht war für einen Moment erstaunt, aber dann verwandelte sich sein Ausdruck in eine Mischung aus Überraschung und etwas, das wie Erleichterung aussah.

„Gr...Granger?" Seine Stimme war rau, als hätte er nicht damit gerechnet, sie zu sehen.

Hermine schluckte schwer, ihre Worte schienen in ihrer Kehle zu stecken. „Malfoy... ich... ich muss mit dir reden", stammelte sie schließlich, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

Er musterte sie einen Moment lang, bevor er einen Schritt zur Seite trat und die Tür weiter öffnete. „Komm rein."

Die Einladung fühlte sich an wie ein Sprung ins Ungewisse, doch Hermine trat über die Schwelle, lief in den weichen Schein der Lichter seines Penthouse und wusste, dass es kein Zurück mehr gab.

~*~

Das Erste, was Hermine auffiel, als sie Dracos Penthouse betrat, war die Helligkeit. Die Fensterfront reichte vom Boden bis zur Decke und ließ die Lichter der Stadt hereinströmen. Sie hatte seine Wohnung in düsteren, schattigen Räumen in Erinnerung, abgesehen von der Küche, mit Abstand der Teil, in dem sie- im nüchternen Zustand- zusammen mit ihm gewesen war. Irgendwie hatte sie vielleicht sogar mit einer düsteren Atmosphäre, die zu Dracos Slytherin-Image passte, gerechnet. Doch das genaue Gegenteil war der Fall. Der Raum wirkte offen und einladend, das helle Parkett reflektierte das Licht und ließ den Raum noch größer erscheinen.

Die Einrichtung war eine interessante Mischung aus modernem Minimalismus und einer unerwarteten, persönlichen Note. In einer Ecke stand eine große, elegante Schachbrett-Tischlampe, deren Schachfiguren in silbernen und smaragdgrünen Tönen leuchteten – eine klare Anspielung auf Dracos Hausfarben. Auf einem gläsernen Beistelltisch lagen ein paar gut sortierte Bücher, einige Klassiker der magischen Literatur, aber auch eine Ausgabe von „Quidditch im Wandel der Zeiten". Neben einem der Bücher lag ein Lesezeichen, als hätte er gerade erst aufgehört zu lesen und es achtlos beiseitegelegt.

Ein weicher, grauer Teppich erstreckte sich über den Boden und lud dazu ein, die Schuhe auszuziehen und sich niederzulassen. Die Wände waren in einem beruhigenden Grauton gestrichen, der in starkem Kontrast zu den wenigen, aber wirkungsvollen Farbakzenten im Raum stand: grüne Kissen auf einem dunkelgrauen Sofa, ein paar Slytherin-Schals, die über die Lehne eines Sessels geworfen waren, und ein großer, auffälliger Slytherin-Wimpel, der in einem schlichten Rahmen über einem Bücherregal hing.

Überraschenderweise war die Wohnung ordentlich, fast schon steril. Die Oberflächen waren frei von Staub, und alles schien seinen festen Platz zu haben. Hermine hatte eine chaotische Junggesellenbude erwartet, vielleicht mit leeren Feuerwhisky-Flaschen auf dem Boden und halbgeöffneten Pizzakartons, die auf einem Tisch herumlagen. Stattdessen war es sauber und strukturiert, mit nur wenigen Anzeichen dafür, dass dies das Zuhause eines jungen Mannes war. Auf einem kleinen Beistelltisch in der Nähe der Couch stand tatsächlich eine halbvolle Flasche Feuerwhisky und zwei Gläser, als hätten Draco und jemand anderes, kürzlich einen Drink geteilt. Ein paar leere Chips-Tüten waren ordentlich zusammengefaltet und in einem Mülleimer verstaut, der diskret in einer Ecke stand.

Auf einem der Regale standen einige gerahmte Fotos. Hermine trat näher, ihre Neugier geweckt. Es waren Schnappschüsse aus Dracos Schulzeit – sie erkannte ihn sofort, flankiert von seinen Freunden aus Hogwarts. Theo war auf vielen der Bilder zu sehen, sein Arm oft lässig um Dracos Schultern gelegt. Auf einem Foto, das in einer Ecke leicht schief hing, standen Draco und Theo nebeneinander vor dem Kamin in der großen Halle, beide grinsten und hielten ihre Zauberstäbe in die Luft, als hätten sie gerade einen Streich geplant.

Es gab auch ein Bild von Draco links von ihm seine Mutter, mit einem schwachen Lächeln, das fast stolz wirkte. Das Foto fühlte sich anders an als die anderen – es war formeller, distanzierter, als wäre es eher eine Darstellung als ein echter Moment.

Hermine ging weiter durch den Raum und entdeckte eine Tür, die wahrscheinlich zu Notts Zimmer führte. Sie war leicht angelehnt, und durch den Spalt konnte sie sehen, dass das Zimmer weniger aufgeräumt war als der Rest der Wohnung. Klamotten lagen auf einem Stuhl gestapelt, und ein Besen, ein Nimbus 2001, lehnte an der Wand. Es gab einen Stapel „Hexenwoche"-Magazine und einen offenen Feuerwhisky-Karton auf dem Boden. Eine typische Junggesellenbude, wie sie es erwartet hatte.

Im Wohnzimmer, bemerkte sie ebenfalls einen kleinen, magischen Plattenspieler, der auf einem weiteren Regal stand. Die Muggelapparatur erstaunte sie hier. Ein paar Schallplatten waren daneben gestapelt, und Hermine erkannte einige ihrer Lieblingsstücke. Offenbar teilte Draco ihren Musikgeschmack, was sie erneut überraschte. Ein leises, gedämpftes Summen erfüllte den Raum, währenddessen der Plattenspieler sich drehte, und ein Werk der klassischen Musik abspielte.

Diese Wohnung war eine Überraschung nach der anderen, ein Ort, der nicht zu dem Bild passte, das sie von Draco Malfoy hatte. Es gab eine Ordnung und eine Struktur, die sie nicht erwartet hatte, und gleichzeitig einen Hauch von Verletzlichkeit, den sie nie mit ihm in Verbindung gebracht hätte. Hier und da ein Chaos, aber nie mehr als eine kleine Spur davon, gerade genug, um zu zeigen, dass hier tatsächlich gelebt wurde. Es war ein Ort, an dem sich jemand um mehr als nur den äußeren Schein kümmerte.

Hermine spürte ein Flattern in ihrer Brust, ein Mix aus Nervosität und Neugierde. Diese Wohnung zeigte ihr eine Seite von Draco, die sie so noch nie gesehen hatte. Gerade als sie sich weiter umsah, hörte sie Schritte hinter sich. Sie drehte sich um und sah Draco, der sie schweigend beobachtete, sein Blick ein Rätsel, das sie nicht lösen konnte.

„Bist du fertig", fragte der Slytherin mit verschränkten Armen, als er sie von oben bis unten musterte und ihr somit Unbehagen bereitete.

Sein Blick war scharf, fast herausfordernd.  Sie fühlte sich wie ein unerwünschter Eindringling, und ein unangenehmes Gefühl breitete sich wie ein Kribbeln in ihrem Magen aus.

„Ich...bin hergekommen, weil wir uns unterhalten müssen Malfoy", antwortete sie mit ernster Mine.

Draco nickte langsam und deutete auf das Sofa. „Setz dich."

Sie setzte sich wortlos auf die Couch, wobei sie sich Mühe gab, ihre Unsicherheit zu verbergen. Draco nahm auf dem gegenüberliegenden Sessel Platz, sein Blick wie immer durchdringend. Die Spannung zwischen ihnen war fast greifbar, und Hermine konnte das leichte Rascheln der Platten vom Plattenspieler hören, das wie eine beruhigende Hintergrundmelodie wirkte.

„Was ist also so wichtig, dass du hier auftauchst, ohne anzuklopfen?", fragte Draco, seine Stimme klang seltsam schroff.
„Es tut mir leid, wenn ich...dass ich hier einfach so unangemeldet reingeplatzt bin, falls ich dich bei irgendetwas gestört haben sollte...".

„Salazar verdammt, sag einfach wieso du hier bist, Granger", forderte er.

Seine forsche Art, sowie sein scharfer und ungeduldiger Tonfall, beunruhigten sie. Lag es an ihr? Wegen dem was zwischen ihnen vorgefallen war? Dass sie sich ignoriert hatten?

„Ich bin hier, weil ich mir über das, was neulich passiert ist, gerne etwas Klarheit verschaffen würde."

Ihre Stimme zitterte, als sie fortfuhr. „Weil ich verstehen möchte, was genau neulich passiert ist. Du hast mich... beinahe geküsst und dich dann plötzlich zurückgezogen. Es war verwirrend und schmerzhaft. Ich brauche einfach zu wissen, was das für uns bedeutet. Warum hast du dich zurückgezogen? Und warum ignorierst du mich seitdem?"

Draco setzte sich aufrechter hin, sein Gesichtsausdruck zeigte eine Mischung aus Frustration und Distanziertheit. „Es war nicht meine Absicht, dich zu verletzen", sagte er langsam. „Ich hatte... Zweifel. Und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Es war ein Fehler, dich so stehen zu lassen, aber ich wollte nicht, dass du denkst, es wäre mehr gewesen als ein... Moment der Unüberlegtheit."

Ein Moment der Unüberlegtheit? Das war es also für ihn gewesen?

„Das glaube ich dir nicht" erwiderte sie schließlich ehrlich.

„Es ist mir scheißegal, was du glaubst. Es war ein Fehler und wir sollten das vergessen", schleuderte er ihr rasche die Worte entgegen, die sie nur noch mehr verletzten.

„Was ist mit den ganzen Abenden, die wir gemeinsam durch die Stadt gelaufen sind", fragte sie mit zittriger Stimme.

„Was soll damit sein." Seine Miene war unergründlich, fast emotionslos. Sie allerdings wusste, dass es ihm etwas bedeutet hatte und er jetzt bloß wider eine seiner vielen Masken aufsetze, um Gleichgültigkeit vorzutäuschen.

Deshalb durfte sie jetzt bloß nichts überstürzen. Wenn sie ihm weiter damit bedrängte, würde er sich vollends verschließend und auch das letzte bisschen Vertrauen, dass er gefasst hatte, wäre verloren.

„Wieso was Ganze dann, wenn ich für dich nichts weiter als ein Fehler bin." Sie spürte wie ihre Hände zitterten, während sie sich zwang ihn anzusehen.

„Du verstehst es nicht Granger, gar nichts davon, oder?"

„Dann erklär es mir!" Sie hielt ihre Stimme laut, um sich etwas mehr Autorität zu verschaffen.

„Du hast allen Grund mich zu verabscheuen, aber du tust es nicht. Und das, Granger, ist etwas, das ich nicht erwartet habe. Damals, als ich dich in Lunas Bar getroffen habe....Deswegen, und nur deswegen, habe ich genossen all die Dinge mit dir zu tun, damit du sie nicht alleine tun musst. Salazar nochmal, nein. Eigentlich WOLLTE ich, dass du all diese Dinge mit mir tust, weil ich dich kennenlernen wollte Granger."

Hermine starrte ihn überrascht an, unfähig, sofort eine Antwort zu finden. Es waren die längsten Worte, die er je zu ihr gesagt hatte. Die Offenheit in diesen war unerwartet und ließ ihre Emotionen durcheinander geraten. Draco fuhr fort, seine Stimme nun etwas sanfter, aber immer noch fest.

„Ich finde nicht, dass du ein Fehler bist, Hermine Granger."
Der Slytherin sah sie an, seine Stimme klang jetzt weicher, fast zerbrechlich.

Diese Worte trafen die Gryffindor wie ein sanfter Schlag. Sie sah ihn überrascht an, ihre Augen weit aufgerissen. Es war das erste Mal, dass Draco so offen und verletzlich erschien, und seine Aussage ließ sie einen Moment lang den Atem anhalten. Die Anspannung, die sie die ganze Zeit über gespürt hatte, schien sich einen Moment lang zu lösen.

Er hatte sich ihr geöffnet.

„Aber...du  hast gesagt."

„Ich weiß, was ich gesagt habe. Aber ich meine damit, das, was ich beinahe getan hätte. Etwas das ich nicht hätte tun sollen."

„Wieso nicht", fragte Hermine mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Weil...".

„Du nicht wolltest", schlussfolgerte sie, denn seinem Schweigen nach zu urteilen, bereute er den Kuss. Vielleicht sogar den ganzen Abend.

„Verdammte Gryffindor! Lass mich ausreden Merlin, oder ich verhexe dir dein loses Mundwerk."

Hermine sah ihn geschockt an, als seine Mundwinkel sich dann jedoch zu einem schmalen Lächeln verzogen, war es, als fiel die ganze Anspannung, die sie die ganze Zeit gespürt hatte, von ihr.

Er sprach weiter: „Es war nicht so, dass ich nicht gewollt hätte, Merlin nochmal. Ich wollte es Granger, das kannst du mir glauben..."

Hermine sah ihn fragend an. „Aber?"

„Ich... bin nicht gut für dich", sagte Draco schließlich, seine Stimme klang betrübt und aufrichtig. „Eine Hexe wie du verdient wesentlich Besseres als mich. Deswegen sollte ich mich glücklich schätzen, dass du mich nicht hasst und mir erlaubst, dich an all diese Orte zu führen, die du noch nie zuvor gesehen hast."

Hermine war von seinen Worten betroffen. Die Verletzlichkeit, die sich in seinem Gesicht zeigte, schien ein Spiegelbild seiner inneren Konflikte zu sein. „Das ist nicht fair", sagte sie leise. „Es geht nicht darum, was du denkst, dass ich verdiene. Es geht darum, wie wir uns fühlen und was wir füreinander empfinden. Wenn du dich selbst so gering schätzt, dann verlierst du vielleicht etwas, das wertvoll sein könnte."

Dich selbst.
Wollte sie am liebsten sagen.

Hermine atmete tief durch, ihre Gedanken sortierend. „Außerdem", begann sie ruhig, „hast du bewiesen, dass du dich verändert hast."

Draco schüttelte den Kopf. „Nein, Granger, du... du willst nur, dass ich diese Seite von mir zeige. Klar, ich habe mich verändert, keine Frage. Aber gleichzeitig, bin ich immer noch der Gleiche. Kein Mensch kann sich von Grund auf ändern."

„Das akzeptiere ich", erwiderte Hermine mit fester Stimme. „Ich akzeptiere alles an dir. Die Veränderungen und die Teile, die du für unveränderlich hältst."

Draco zog eine Augenbraue hoch, ein Ausdruck von Skepsis auf seinem Gesicht. „Eben das kannst du nicht zu 100 % von dir behaupten. Wenn es hart auf hart kommt, wirst du dann zu mir halten? Nicht zu dem, von dem du willst, dass ich es bin?"

Hermine spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Die Frage war herausfordernd, und sie wusste, dass es darauf ankam, wie sie darauf antwortete. „Ich hoffe, dass ich zu dir halte, so wie du wirklich bist", erwiderte sie ruhig. „Es ist nicht nur eine Frage der Idealvorstellung. Wenn wir uns tatsächlich aufeinander einlassen, dann muss ich lernen, dich in deiner ganzen Komplexität zu akzeptieren – mit all deinen Stärken und Schwächen."

Draco schien nachdenklich, seine Augen suchten die ihren. „Und wenn es schwierig wird? Wenn die Realität uns beide herausfordert?"

„Dann werde ich da sein", antwortete Hermine entschlossen. „Nicht nur in den guten Zeiten, sondern auch, wenn es herausfordernd wird."

„Das versicherte ich dir", fügte sie noch an.

„Dann...lass uns, nichts festlegen. Die Sache entspannt angehen lassen und sehen, was uns erwartet...wie sich alles entwickelt", schlug er mit fester Stimme vor.

„Entspannt klingt gut", stimmte sie sanft zu.

Draco grinste, sah sie voller Zuversicht an, ehe er aufstand und näher an sie herantrat.

~*~

Die Stille zwischen ihnen wurde von einer neuen Intensität erfüllt. Malfoy zog sich langsam näher zu ihr, sein Blick fixierte sich auf ihre Lippen, als ob er die Worte, die er sagen wollte, sorgfältig abwägen würde. Hermine spürte das Kribbeln in ihrem Bauch, als die Spannung zwischen ihnen sich zu einem spürbaren Knoten verdichtete.

Er hielt den Moment fest, seine Hand bewegte sich vorsichtig in Richtung ihres Gesichts. Er streichelte sanft ihre Wange mit dem Handrücken, seine Berührung war warm und zärtlich. Hermine schloss die Augen für einen Moment, als die Nähe zwischen ihnen immer größer wurde. Ihre Lippen partierten sich leicht, und ihr Herz schlug schneller.

„Ich...", begann Draco, seine Stimme leise und unsicher, doch die Intensität seines Blicks sprach Bände. „Ich möchte diesen Moment nicht vergeuden."

Hermine öffnete die Augen wieder und sah ihn an. Sie konnte die Unsicherheit und das Verlangen in seinem Blick sehen, und es war, als ob der Raum um sie herum verschwamm. Langsam, fast zögerlich, bewegte sich Draco noch näher, seine Lippen fanden die ihren.

Der Kuss war zunächst sanft und vorsichtig, als ob sie beide den richtigen Weg finden wollten. Doch bald darauf wurde die Berührung intensiver, als sie sich in den Kuss vertieften. Es war ein Kuss voller Leidenschaft und Zärtlichkeit, der all die unausgesprochenen Worte und Emotionen ausdrückte, die sie beide festhielten.

Die Gryffindor schlang ihre Arme um seinen Nacken und zog ihn sanft näher, während Malfoy seine Hand auf ihren Rücken legte, ihre Nähe suchend. Die Welt schien um sie herum stillzustehen, und in diesem Augenblick gab es nur sie beide und die Wärme ihrer Verbindung.

Als sie sich schließlich voneinander lösten, lächelten sie sich an, beide atemlos und erfüllt von einem Gefühl der Zufriedenheit. Draco strich sanft über ihre Wange und sah ihr tief in die Augen.

~*~
Plötzlich ertönte aus dem Nebenzimmer ein lautes Klirren, gefolgt von einem hastigen Rascheln. Eine sarkastische Stimme, die ihr sehr sehr bekannt vorkam, durchbrach die Stille: „Hey, ihr Turteltauben. Ich will ja nicht stören oder so, aber darf ich jetzt wieder rauskommen, Dray?"

Hermine erstarrte, ihre Augen wurden groß vor Überraschung. Sie drehte sich langsam zu Draco, der ebenfalls perplex dreinschaute. Der Malfoy murmelte ungläubig: „Verdammter Theo... Wie lange warst du da drin?"

Theo trat aus dem Nebenzimmer, sein Gesicht eine Mischung aus Verlegenheit und Gelassenheit. „Oh, nur ein paar Minuten. Ich dachte schon, ich müsste hungrig schlafen gehen, weil ihr den Durchgang zum Kühlschrank blockiert."

„Idiot", murmelte Draco und fuhr sich durch die Haare. „Ich habe dich völlig vergessen, ich dachte, du wärst ins Bad, als ich mit Granger an der Haustür gesprochen habe."

Theo lächelte schief und schüttelte den Kopf: „Ne Alter. Was soll ich den im Bad. Dachte, ich verkriech mich mal besser in mein Zimmer. Wollt' ohnehin nicht im Weg stehen, oder so", erwiderte er verteidigend.

Draco schnaubte. „Dann komm raus und hör auf, dich mit uns durch deine Tür zu unterhalten."

„Oh Merlin. Wie sag ich das jetzt am besten", murmelte Theo, „sicher, dass keine Gefahr besteht...?"

Hermine entfuhr ein nervös Lachen, während Draco sich die Haare raufte und sowas wie „Ich bring den Typen um" murmelte.

Einen kurzen Moment später, nachdem Draco seinem besten Freund versichert hatte, dass es keinen Grund gab, in seinem Zimmer zu bleiben, trat Theo mit einem breiten Grinsen aus der Tür. Er sah Draco und Hermine an und sagte locker: „Na, Granger, was läuft?"
Was Draco mit einem Schnauben kommentierte.

Draco schnaubte genervt und versuchte, sich zu entspannen. „Theo, das ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für deine Späße."

„Klar, klar", erwiderte Theo mit einem Schulterzucken, während er sich auf die Couch setzte. „Aber hey, es sieht so aus, als ob ihr gerade einen intensiven Moment hattet. Ich wollte nicht stören, aber jetzt bin ich hier und kann euch etwas Gesellschaft leisten."

„Du hast...äh also jedes Wort gehört", fragte Hermine sichtlich beunruhigt.
„Alles, aber keine Sorge, ich hab zumindest versucht dem Drang zu widerstehen. Aber es ist eine besondere Sache. Weißt du...unser lieber Freund hier bekommt in letzter Zeit nicht allzu häufig Damenbesuch. Vor allem nicht, von Hermine Granger, die plötzlich vor unserer Tür steht."

„Theo...ich warne dich! Noch ein Wort...", Draco warf seinem Freund einen mahnenden Blick zu.

„Entspannt dich Kumpel. Normalerweise bin ich ja nicht so drauf. Aber wie gesagt...".

„Okay Theo, du weißt, dass du wie ein Bruder für mich bist, deswegen muss ich dich bitten, entweder die Klappe zu halten oder diese Wohnung zu verlassen. Nur so...als nett gemeinter Rat."

„Okay, Okay bin schon weg". Er grinste, doch bevor Theo ging, drehte er sich nochmals zu Hermine um.

„Man sieht sich, Granger. Und denk dran, Dray ist manchmal auch ganz charmant, wenn er nicht gerade versucht, mich umzubringen."

tbc...

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