Kapitel 53
Schreckhaft schaue ich mich im Wohnbereich um. Alles ist friedlich, doch mein Herz rast so schnell, dass ich befürchte, es könnte mir gleich zerspringen. Meine Atmung ist unkontrolliert.
Um mich zu sammeln, starre ich auf den Strauß Blumen vor mir auf dem Tisch, betrachte genau die Farbe und Form der Blätter, während ich versuche ruhig durch die Nase zu schnaufen.
Es kann nicht sein, dass er mich bemerkt hat. Das ist unmöglich. Niemand kann meinen inneren Wolf sehen, noch nicht einmal Awan.
Durch das undichte Fenster zieht kalter Wind herein und lässt mich erschaudern. Gänsehaut überzieht meinen erhitzten Körper.
Plötzlich höre ich Schritte. Jeder Muskel verkrampft sich. Es ist nicht Dayton. Ihn hätte ich sofort gespürt.
Hektisch fahre ich um und schaue in das blasse Gesicht von Aiden.
“Was machst du hier?”, keuche ich atemlos, “Woher kennst du unsere Hütte?”
“Ich wollte dich nicht erschrecken. Dayton hat mich eingeladen heute mit euch zu feiern.”
Ein zaghaftes Lächeln schmückt seine Lippen.
“Du bist also ein Überraschungsgast?”
“Genau", antwortet Aiden, wobei er allmählich auf mich zukommt, “Alles Gute zum Geburtstag, Tala.”
Zart legt er seine Arme um mich und küsst mich auf die Wange.
Ich selbst muss mich momentan noch bemühen nicht komplett durcheinander zu erscheinen. Auch wenn ich mich wirklich freue, dass Aiden hier ist, hätte ich noch ein paar Minuten zum Ankommen gebraucht, um voll auf der Höhe zu sein. Schnell ringe ich mir ein Lächeln ab, jedoch ist mir im Augenblick nicht zum Lachen zumute.
Diese Augen, rot und leblos, die mich so eindringlich fixierten, verfolgen mich zu sehr.
“Ähhh ... Danke", murmle ich, um wenigstens etwas Höflichkeit zu bewahren, “Setzt dich doch, ich habe Kaffee.”
“Gerne, ich wusste nicht genau, wann es losgeht. Ich hoffe, dass ich jetzt nicht ungünstig erschienen bin.”
“Nein, alles gut", lüge ich, während ich ihm eine Tasse hinstelle und mich neben ihn setze, “Dayton ist nur kurz noch etwas besorgen.”
Kaum, dass ich auf meinem Stuhl sitze drogen meine Gedanken erneut abzudriften, doch da greift Aiden meine Hand.
“Um jetzt ganz ehrlich zu dir zu sein", beginnt er, “Ich bin froh, dass wir einen Moment Zeit haben alleine zu sprechen. Ich habe das Gefühl, dass du unterdrückt wirst und irgendwie nicht wirklich glücklich bist.”
Mit verengten Augen lege ich fragend die Stirn in Falten. Doch Aiden spricht unbeirrt weiter.
“Ich weiß nicht, ob es dir bewusst ist, aber eure Trauzeremonie ist nicht rechtskräftig. Du bist nicht an ihn gebunden, wenn du gehen willst.”
Kurz muss ich tatsächlich schmunzeln. Es ist fast schon ulkig, welch falschen Eindruck Aiden von meiner Beziehung hat.
“Aiden, es ist wirklich süß, dass du dir Gedanken machst, aber es ist absolut nicht nötig. Zwischen Dayton und mir ist eine unglaublich tiefe und feste Verbindung. Es ist besonders.”
Aiden drückt meine Hand fester, als ich sie ihm entziehen will.
“Das hat er dir doch nur eingeredet. Eine Beziehung bedeutet immer, sich dem Wolf zu unterwerfen, und wenn er irgendwann nicht mehr bei dir ist, interessierst du auch das Rudel nicht mehr. Dann bist du auf dich alleine gestellt!”, energisch packt er auch meine andere Hand, “Ich habe es selbst zu spüren bekommen. Alle haben mich im Stich gelassen und ich war alleine. Dann habe ich dich gesehen und deine beiden Narben. Da war mir klar, dass wir zusammengehören.”
“Aiden, das ist ...”, möchte ich widersprechen, wobei ich ihm meine Hände entziehe, doch er lässt sich nicht bremsen.
“Du weißt ganz genau, wie es ist einsam zu sein. Du kennst dieses leere Gefühl auch, dass sehe ich in deinen Augen. Du glaubst nur daß, was man dir eingeredet hat. Du hast mit Dayton nichts gemeinsam. Er ist nur ein eingebildeter Tyrann, der alles tun würde, um dich an ihn zu ketten. Bei mir könntest du sein, wer du wirklich bist, Tala. Gemeinsam können wir unsterblich werden, wenn wir zu Vampiren verwandelt wurden.”
Erschrocken, von allem, was ich höre, stringe ich vom Tisch auf.
“Aiden, was erzählst du denn da für Blödsinn?”
Abwehrend hebe ich die Hände, während ich wie von selbst einen Schritt zurücktrete.
“Das ist kein Blödsinn! Das ist Schicksal! Wie tragen die gleichen Narben, Wolf und Vampir, und jetzt ist es Zeit, dass wir uns entscheiden.”
“Ich würde immer den Wolf wählen!”
Obwohl meine Stimme vor Wut zittert, ist sie bestimmt.
Was ist nur plötzlich in Aiden gefahren?
Wie kann er tatsächlich glauben, ich würde Dayton verlassen?
“Sein doch nicht so blind!”, inzwischen klingt er zornig, “Ich kann dir alles geben, was du brauchst, anders als so ein egoistischer Wolf, der dich früher oder später im Stich lässt. Ich habe das in der Vergangenheit lernen müssen und ich will dich davor bewahren.”
Er steckt seine Hand nach mir aus, doch ich weiche zurück und schüttle den Kopf.
“Tala, komm mit mir zu den Vampiren”, während er beschwörend auf mich einredet, kommt er Schritt für Schritt näher und ich weiche Stück für Stück weiter zurück, “Ich gebe dir Ehrlichkeit, Liebe und ein ewiges Leben.”
Da spüre ich das Holz der Hauswand im Rücken. Ich fühle mich so sehr von Aiden bedrängt, dass sich ein Kloß in meinem Hals bildet und Tränen in die Augen steigen. Sein Fordern nach Nähe macht mir immer mehr Angst. Sein eindringlicher Blick schnurrt mir die Kehle zu. Ich spüre wie sich der Druck auf meiner Brust verstärkt.
“Aiden, bitte komm wieder zur Vernunft", flehe ich leise, als er bereits dicht vor mir steht.
Doch mein Bitten dringt nicht zu ihm durch. Er wirkt wie von Sinnen.
Plötzlich greifen beide seiner Hände meinen Kopf, kurz bevor sich seine Lippen hart auf meine pressen.
Unwohlsein und Schreck lassen meinen Magen kämpfen, während ich mit zusammengekniffenen Augen versuche, Aiden mit aller Kraft von mir zu schieben. Weil er jedoch seinen kompletten Oberkörper an mich drückt, will es mir nicht gelingen, mich aus seinem Griff zu befreien. Panik kommt in mir auf. Mein Herz zieht sich zusammen, während sich meine Fäuste gegen seinen Brustkorb stämmen.
“Tala, komm einfach mit mir”, leicht er eng an meinem Mund, “Werde mit mir unsterblich.”
“Niemals! Lieber würde ich tot umfallen!”
Mir wird heiß. Es scheint fast so, als würden meine Muskeln beginnen zu brennen.
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