Ich kann mich eigentlich nicht daran erinnern, wie ich mir mein Leben mit 18 vorgestellt habe.
Vielleicht habe ich mir auch nie wirklich Gedanken darüber gemacht. Wahrscheinlich bin ich ganz selbstverständlich davon ausgegangen, meine Leben würde einfach immer weiterlaufen, ohne besondere Höhen und Tiefen, ohne Steine im seichten Gewässern.
Dann kam meine Mom ums Leben und alles tauchte in Dunkelheit. Eine Finsternis umhüllte alles, bis ich selbst kaum mehr einen Ausweg sah, bis ich Dayton begegnete.
Ich spürte schon bei unserer ersten Begegnung, dass an ihm etwas ganz Besonderes ist. Er rettete mich, nicht nur aus der Klinik, sondern auch aus einem Leben, das niemals für mich bestimmt war.
Und heute, an meinem Geburtstag, stehe ich hier, habe lernen müssen, dass nicht alles ist, wie es scheint, und es Dinge gibt, die fernab meiner früheren Vorstellungskraft existieren. Schnell habe ich lernen müssen, wer ich zu sei scheine und woher ich tatsächlich stamme. Mein Leben würde so unglaublich bereichert, obwohl ich so viele herbe Tiefschläge einstecken musste.
Es war nicht einfach zu erfahren, wer meine Mutter wirklich war, und dass Jeffrey nicht mein leiblicher Vater ist.
Es war ebenso verwirrend zu hören, ich sei die Frau aus einer Prophezeiung, welche ich bis heute noch nicht einmal ganz verstehe.
Und ich habe oft Angst, die mich oft wie aus dem Nichts überkommt und selbst durch meine neu gewonnenen Kräfte des Alphabluts nicht gemindert wird.
Und trotz alledem, könnte ich gerade nicht glücklicher sein, als ich es an Daytons Seite bin. Es fühlt sich alles einfach richtig an, seit ich bereit war loszulassen, um endlich wirklich anzukommen.
Leise höre ich das Knarren der sich öffnenden Tür, als Dayton zu mir ins Zimmer kommt. Sofort erfüllt seine Gegenwart den Raum und wie immer, spüre ich seine Nähe, längst bevor er von hinten seine Arme um mich schließt.
Er duftet nach Moos, Laub und frischen Wind, da er eben erst von seinem Kontrollgang zurück ist.
Seit ein paar Tagen ist das Daytons morgendliches Ritual, um auch absolut sicher zu stellen, dass uns niemand auflauern. Auch abends, bevor wir schlafen gehen, kontrolliert er immer wieder die Fenster und die Türe. Auf der einen Seite gibt er mit dadurch natürlich ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit, auf der anderen Seite macht es mich allerdings auch nervös, zu sehen, dass er sich offensichtlich Sorgen macht.
Kurz schließe ich die Augen, lasse mich etwas mehr gegen seine Brust fallen und nehme seine Wärme in mich auf.
“Happy Birthday”, flüstert Dayton zart in mein Ohr.
Seine samtige Stimme und der kleine Kuss auf meinen Hals bescheren mir eine wohlige Gänsehaut.
“Kann ich dich für eine Stunde alleine lassen?”
Verwundert drehe ich mich zu ihm, blicke fragend zu ihm auf.
“Weil wir ja nicht ausgehen können, will ich ein paar Sachen besorgen, damit wir uns heute hier einen schönen Abend verbringen.”
In seinen Augen kann ich sehen, dass er selbst mit sich hadert. Er möchte mich nur interne hier lassen, das merke ich, obwohl sich seine Lippen zu einem verschmitzten Lächeln ziehen.
“Natürlich, was soll denn schon sein", ermuntere ich ihn.
“Okay, aber bleib’ bitte im Haus. Ich beeile mich.”
Als ich zustimmend nicke, nimmt Dayton mein Gesicht in beide Hände, sieht mir tief in die Augen und streicht mit seinem Daumen über meine Wange.
“Ich liebe dich, Tala”, raunt er heißer, bevor sich unsere Lippen treffen, “In spätestens einer Stunde bin ich wieder da.”
Kurz darauf ist er dann schließlich auch schon unterwegs nach Fountain Spring.
Doch nicht ohne eine kleine Überraschung für mich zu hinterlassen.
Auf dem Tisch erwartet mich eine heiße Tasse Kaffee und ein wunderschöner, riesiger Strauß Wildblumen, deren Duft überall in der Luft zu liegen scheint und etwas Feierliches in unsere Zurückgezogenheit bringen.
Dayton gibt sich wirklich alle Mühe, mir stets aufs Neue zu zeigen, dass er mich liebt und alles dafür tut, dass es mir gut geht. Er ist die Person auf dieser Welt, auf die ich mich immer verlassen kann, der Einzige, der mich wortlos versteht und tief in meine Seele schauen kann.
Es gibt keinen Zweifel daran, dass wir füreinander bestimmt sind, auf ewig.
Während ich im Küchenbereich am Tisch sitze, meine Finger an der Kaffeetasse wärme und verträumt aus dem Fenster sehe, schweifen meine Gedanken immer weiter ab. Ich erinnere mich, an die Begegnung mit dem Wolf damals im Wald und daran, wie ich Dayton in der Klinik begegnet bin. Niemals hätte ich daran geglaubt in Centralia auf meine große Liebe zu treffen, ausgerechnet in dieser schrecklichen Klinik.
Ich spürte vom ersten Moment an diese Faszination, diese Verbundenheit zwischen uns. Wie hätte ich da Angst haben sollen, als ich erfuhr, welches Geheimnis Dayton verborgen hat? Auf eine seltsame Art und Weise habe ich ihm von Anfang an vertraut und war ohne lange zu überlegen bereit, meine Zukunft in seine Hände zu legen, als ich mit ihm aus dem Centralia Hospital geflohen bin.
Die Erinnerungen an meinen Aufenthalt und all die damit verbundenen Ereignisse versetzen meinem Herz einen schmerzlichen Stich.
Ich habe meine Freundin, Sophie, dort zurücklassen müssen, was mir immer noch wahnsinnig leid tut. Einen erneuten Rettungsversuch zu starten wäre allerdings viel zu riskant. Bei unserem letzten Versuch wurde ich gebissen und habe Dayton in Gefahr gebracht. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ihm etwas zustoßen würde, wegen mir.
Trotz aller Vernunft quält mich die Frage, was aus Sophie geworden ist, ob es ihr gut geht oder ob sie überhaupt noch das Mädchen ist, das ich kennengelernt habe. In mir Seiten Sorgenkind Angst auf, welche immer intensiver werden, bis mir plötzlich schwindelig wird.
Dicke Nebelschwaden nehmen mir die Sicht und erst, als sie sich lichten, erkenne ich, wohin mich meine Sinne entführt haben.
Nach und nach lüftet sich der graue Schleier und gibt die Sicht auf den schwarzen Nachthimmel über dem grauen Steinkomplex mit den vielen, quadratischen Fenstern frei. Über der doppelten Schiebetür prangert in großen Druckbuchstaben “Centralia Hospital”. Ein Name der so schlicht und pragmatisch daherkommt und hinter dem sich so viel Unheilbringendes verbirgt.
Regungslos stehe ich vor dem Ort, der nicht nur mein Leben einschneidend verändert hat.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top