Kapitel 33

Erschrocken schaue ich in Daytons blasses Gesicht.

 “Woher, weißt du das?”, frage ich stotternd.

 “Du bist meine Gefährtin, Tala. Ich spüre, was du fühlst, und du hast Angst, weil du sie kommen siehst.”

 “Es war ganz unheimlich. Ich hätte schwören können, dass ich wirklich dort war”, versuche ich das Geschehen in Worte zu packen.

 “Das warst du.”

Daytons Blick geht zur Tür und meine Augen folgen ihm schnell.
Jakob steht im Türrahmen. Ich hatte ihn vor Aufregung gar nicht kommen gehört.

“Du hast die Gabe des inneren Wolfs. Diese Fähigkeit erlaubt dir, deinen Körper und deinen Geist zu trennen”, erklärt er ruhig und sachlich, “Aber Awan kann dir dazu mehr sagen.”

Ich empfinde seine gespielt ruhige Gelassenheit eher verstörend als beruhigend. Nun bin ich nicht nur aufgewühlt und körperlich geschwächt, jetzt bin ich zu alledem noch verwirrter denn je.
Ängstlich schaue ich zu Dayton.
Es ist nicht nur die Angst vor den Vampiren und vor dem, was auf uns zukommen wird, zunehmend bekomme ich sogar Angst vor mir selbst.
Ich fühle mich nicht wie die Besondere, die ich für Alle hier zu sein scheine. Nein, ich fühle mich wie ein Monster, ein unkontrollierter Freak.
Langsam rappelt sich Dayton auf und schlingt seine Arme um mich. Wortlos gibt er mir den Halt, den ich gerad so sehr brauche.

 “Ich hole Awan. Er wird es dir besser erklären”, murmelt Jakob, während er den Raum verlässt, um uns einen Moment Zeit zu geben.

 “Wir werden schnellst möglich hier abhauen”, flüstert Dayton mit beruhigend, samtiger Stimme, “Niemand weiß von dieser Hütte. Dort wird dich keiner finden.”

Zärtlich küsst er meine Schläfe, versucht mir Mut zu machen, und schafft es wenigstens ein kleines Bisschen mich aufzubauen.
Das ist besonders an ihm, er weiß immer, wie ich mich fühle, geht auf mich ein wie noch keiner in meinem Leben und tut immer genau das Richtige. Dafür und für noch so Vieles mehr, liebe ich Dayton auf diese so bedingungslose Weise. Bei ihm fühle ich mich sicher. Bei ihm bin ich einfach ich, auch wenn mir im Augenblick selbst nicht klar ist, wer das eigentlich wirklich ist.

Da betritt auch schon Awan das Zimmer.
Kurz frage ich mich, ob der Schamane überhaupt einmal schläft, verwerfe diesen Gedanken jedoch angesichts der ernsthaften Situation sofort wieder.

“Tala, du hast also deine Gabe entdeckt.”

Als ich zögerlich nicke, setzt er sich zu Dayton auf die Bettkante, um mehr darüber zu reden.

 “Es muss im ersten Moment befremdlich für dich sein aber du wirst sehr schnell lernen, diese Fähigkeit zu kontrollieren. Dein innerer Wolf wird dir die Macht geben, unbemerkt von fast Allem und Jedem an andere Orte zu gelangen. Deine menschliche Hülle verweilt sicher, während der Wolf heimlich dem Szenario beiwohnen kann.”

Mit großen Augen sauge ich jedes seiner Worte auf.

 “Was hast du denn gesehen?”, möchte Awan wissen, “Reiche mir deine Hand und zeige es mir.”

Als Awan sieht, was ich gesehen habe und hört, was ich gehört habe, verzieht sich seine Miene zu einer angespannt, nervösen Grimasse. Rückwärtig reißt er die Augen auf.

 “Ihr müsst gehen, am Besten morgen schon.”

Dayton und sein Vater wechseln ernste Blicke, während ich unfähig bin auch nur zu blinzeln.

 “Okay, wir werden morgen Früh direkt aufbrechen”, durchbricht Dayton schließlich die angespannte Stille, “Allerdings gibt es eine Sache, die ich vorher hier noch machen möchte, bei meinem Rudel.”

Jakobs Augen werden sanfter.

 “Natürlich, mein Sohn. Was ist es?”

 “Ich bin auf Tala geprägt, aber Tala ist mehr Mensch wie Wolf. Daher denke ich, dass es für sie wichtig ist, um so eine Bindung greifbarer zu machen.”

Da klettert Dayton von der Matratze, nimmt meine Hände in seine und kniet vor mir nieder.

 “Tala Brown, ich wusste vom ersten Moment an, in dem Augenblick, als ich dich das erste Mal gesehen habe, dass wir unser Leben gemeinsam verbringen werden. Du gehörst zu mir und ich werde alles tun, um dich zu beschützen und glücklich zu machen. Heirate mich!”

Meine Augen füllen sich mit Tränen, während sich eine Wärme und ein wohliges Kribbeln von meinem Bauch aus in meinem kompletten Körper ausbreiten.

 “Ja, natürlich”, wispere ich.

 “Dann soll es so ein! Ich werde alles veranlassen”, verkündet der Alpha feierlich.

Schnell haben uns Jakob und Awan auch schon verlassen, um die Vorbereitungen zu veranlassen.   Dayton und ich liegen aneinander geschmiegt auf der Matratze.
Keiner von uns wagt es zu Sprechen und somit diese einzigartige Stimmung zu zerstören. Es ist auch überhaupt nicht nötig. Wir verstehen uns wortlos. Wir verlieren jegliches Zeitgefühl, genießen einfach den Moment miteinander, den wir seit meiner Ankunft hier kaum hatten.
Seit ich Dayton kenne, rast mein Leben wie in einem Zeitraffer, und auch wenn es mich oft sehr überfordert, viel Verwirrendes und Erschreckendes auf uns hinunter regnete, möchte ich keine Sekunde, die wir zusammen waren müssen.
 Doch dann wird unsere Zweisamkeit erneut unterbrochen. Ein lautes Klopfen an der Tür lässt uns aufschrecken.
Dayton, der schneller aufspringt als ich, öffnet die Tür.

 “Ich würde gerne mal mit dir reden”, klingt es bis in den Schlafbereich.

Diese schnippige Stimme mit dem gereizten Unterton erkenne ich sofort. Es ist Kanti.

 “Stimmt es denn, was ich gehört habe? Du willst diese Kleine aus der Irrenanstalt doch nicht ernsthaft heiraten?”

Dayton antwortet etwas, das ich kaum verstehe.

 “Okay, von mir aus”, keift Kanti wieder.

Ihre Eifersucht ist klar und deutlich herauszuhören.

 “Aber wenn du wirklich auf sie geprägt bist und sie auch schon deine Markierung trägt, warum der dieses alberne Tamtam?”

Im Gegensatz zu seiner lauten und ziemlich aufgebrachten Ex, spricht Dayton leise und gelassen. Zu leise, um auf Distanz etwas mitzubekommen.

 “Verdammt! Und was wird aus mir? ICH trage auch deine Male!”

Nun kann ich mich nicht mehr im Hinterzimmer halten. Hastig rapple ich mich auf, Strecke die Schultern durch und trete in den Wohnbereich.
Kanti bemerkt mich sofort. Unsere Blicke kreuzen sich ernst. Innerlich bin ich schon auf einen Streit gefasst, aber Kanti dreht sich wütend um und geht, ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen.
 

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