Kapitel 27
Noch immer aufgewühlt und berührt von Jakobs Ansprache und der Unterhaltung mit Awan, kehre ich zur Hütte zurück. Doch was ich beobachte, lässt mich inmitten meiner Bewegung erstarren.
Die Tür fliegt auf und Kanti stürmt wütend heraus. Einige Sekunden später stürzt Dayton ihn nach, hält sie am Handgelenk fest und zieht sie an sich. Ihr kurzer Widerstand verliert schnell, zu schnell um echt zu sein. Unbemerkt sehe ich zu, wie sie reden, wobei sich Kanti Tränen von den Wangen wischt. Dann verabschiedet sie sich mit einem Kuss auf seine Wange und läuft schnell zu ihrem Haus.
Meine Herz rast. Plötzlich entfacht in mir ein heftiger Kampf zwischen dem, was ich fühle und dem, was ich eigentlich wissen müsste. Ein Gefecht zwischen heißer Wut und kalter Angst.
Ich neige eigentlich nicht dazu, eifersüchtig zu sein, doch jetzt gerade steigt panische Verlustangst in mir auf. Ich habe schon so viel verloren und Dayton und diese kleine Siedlung sind alles, was ich habe.
Dieses zermürbende Gefühl in meiner Brust und meinem Bauch zeigt mir, wie viel mir Dayton tatsächlich bedeutet. Er ist nicht nur mein Anker, meine Zuflucht, er bedeutet wahre Liebe.
Krampfhaft versuche ich alles Schlechte von mir abzuschütteln, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und zwinge meine wackeligen Beinen den Rest der Wiese zu überqueren.
Dayton tigerte ruhelos im schmalen Wohnbereich auf und ab. Er ist so in Gedanken, dass er mich erst gar nicht bemerkt.
“Dayton?”, spreche ich ihn leise an.
Da fährt er um. In seinem Blick steht purer Zorn, der selbst jetzt nicht schwindet.
“Was ist denn los?”, frage ich ganz behutsam, doch eine Antwort bekomme ich nicht.
“Was wollte Kanti denn?”, setze ich erneut an.
Dieses Mal bemüht, ein wenig taffer zu klingen.
Erst jetzt scheint er etwas zu sich zu kommen, atmet tief ein und fährt sich durch sein bereits völlig zerzauste Haar.
“Sie kommt nicht wirklich gut damit zurecht, dass du nun bei mir bist”, antwortet er, “Das darfst du ihr nicht zu übel nehmen. Kanti glaubte einfach immer, dass sie meine Gefährtin sein würde.”
Es beruhigt mich, dass Dayton ihr wohl klar gemacht hat, dass es für sie Beide keine Zukunft geben wird, aber erleichtert bin ich trotzdem nicht.
Da liegt etwas in Daytons Stimme, ein gewisser Unterton, der mich weiterhin beunruhigt.
“Weißt du, Tala, sie trägt meine Narben, die sie jeden verfangen Tag an unsere Vergangenheit erinnern. Unser Dorf ist in Gefahr. Und das alles wahrscheinlich nur, weil ich mich ausgerechnet in ein Mädchen aus dieser scheiß Vampirklinik verlieben musste.”
Seine Worte treffen mich wie ein Schlag in die Magengrube.
Gibt er mir denn allen Ernstes Schuld am Angriff dieser Neugeborenen?
Schlagartig zerfällt meine neue Welt, eine Fantasiewelt voller Übersinnlichkeit, wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Bin ich denn nur das ‘Mädchen aus der Vampirklinik’, das ihm nur Last und Ärger bereitet? Wäre es Dayton in Wirklichkeit lieber, nicht geprägt worden zu sein?
Von einem Wimpernschlag zum nächsten wandelt sich mein romantischer Traum von vorbestimmter Liebe zu einem demütigenden Alptraum.
Mit Tränen in den Augen stehe ich ihm gegenüber, nicht fähig auch nur eine Silbe über die Lippen zu bringen.
In meinem Magen brennt es.
“So siehst du mich?”, keuche ich, wobei ich gegen meine zitternde Stimme ankämpfe.
Daytons Pupillen weiten sich.
“Nein! So habe ich das nicht gemeint.”
“Du findest, dass ich dir alles erschwere!”, entgegne ich weinerlich und verschränke schützend die Arme vor der Brust.
“Ich will nichts mehr, als dich bei mir zu haben. Es ist nur ...”
Ich spüre seinen tiefen Schmerz.
“Meine Mutter, sie wurde damals von streunenden Neugeborenen getötet.”
Mein Herz zieht sich schmerzlich zusammen.
Natürlich kann ich in diesem Moment all seinen Zorn, seinen Hass und die Trauer nachvollziehen.
An Tagen wie heute droht der Verlust dich regelrecht von innen zu zerfressen, nagt an dem Schmerz erfüllten Herz und hält einem selbst stets vor Augen, was Schreckliches passiert war.
Schlagartig ist mein Ärger verflogen, da ich absolut nachvollziehen kann, was Dayton durchmacht.
Tröstend lege ich meine Hände in seine.
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