Kapitel 24
“Ich ... ich verstehe nicht ...”
“Genau wissen wir es auch nicht aber sie lassen wohl Patienten verschwinden, die sie gebissen haben. Einige dürfen aber auch in der Klinik bleiben, nachdem sich ihre Verwandlung vollzogen hat”, erklärt Jakob weiter.
“Würden sie aber denn nicht auffallen?”
“Die Vorstellung vom Blutsauger, der im Sarg schläft und nur Nachts wandeln kann, stammt aus alten Geschichten. Sie sind zwar blasser als andere, müssen das Sonnenlicht allerdings längst nicht mehr fürchten.
Da Dayton kein reines Wolfsblut ist und dadurch erst sehr spät zum ersten Mal seine Gestalt gewechselt hat, habe ich ihn ausgewählt dort zu forschen. Einen vollen Wolf würden sie höchstwahrscheinlich sofort enttarnen. Da aber Daytons Mutter ein Mensch war, ist es für ihn leichter unerkannt zu bleiben.”
Ein eisiger Schauer zieht mir über den Rücken.
“Jakob, du solltest ihr doch Zeit geben, um Tala nicht völlig aus der Bahn zu werfen”, ertönt eine Stimme hinter mir.
Es ist Dayton. Ich brauche mich nicht umzusehen, ich kann seine Anwesenheit spüren. Von ihm geht eine ganz besondere Wärme aus, die sogar auf mehrere Meter Abstand zu mir dringt.
“Sie hatte gefragt und hat das Recht auf eine Antwort.”
Dayton sieht wütend aus, beherrscht sich jedoch seinen Vater, dem Alpha, gegenüber.
“Du musst dir aber keine Sorgen machen”, wendet er sich an mich, “Du bist hier bei uns absolut sicher. Niemand würde es wagen, in unser Territorium einzudringen.”
Dann nimmt er meine Hand, zieht mich zu sich nach oben und führt mich schweigend zurück zu seiner Hütte.
“Tut mir leid. Das muss dir Angst gemacht haben”, sagt er einfühlsam, sobald die Tür hinter uns ins Schloss fällt, “Glaube mir, ich werde dich beschützen, egal was passiert. Ich bin zwar nur ein Halbblut. Ich bin aber trotzdem stärker, als die Meisten hier im Rudel.”
Schnell greift er meine Hände, sieht mir tief in die Augen.
“Ich habe auch keine Angst, solange du bei mir bist”, wispere ich mit belegter Stimme.
Seine Hand greift meinen Hinterkopf und zieht mich zu ihm. Er sieht mir tief in die Augen. Dann küsst er mich so lustvoll, dass mir schlagartig schwindelig und heiß zugleich wird. Seine Zähne gleiten langsam meinen Hals entlang. Die Leidenschaft, mit der er von mir Besitz ergreift, lässt meine Knie weich werden. So sehr, dass ich meine Arme um seine Schultern schlinge.
“Du gehörst jetzt zu mir", knurrt er in unseren Kuss hinein und ich nicke heftig, während seine Hände über meinen Rücken hinunter zu meinen Hüften streichen.
Eine ungewohnte Hitze breitet sich in meinem Körper aus, eine Sehnsucht, die ich so noch nicht kenne und mich alles um uns herum vergessen lässt.
Ich weiß wirklich nicht viel über ihn, aber es reicht mir zu wissen, was ich fühle, wenn er mich küsst. Dann bin ich lebendiger. Dann bin ich die Motte und er das Licht.
Erhitzt presse ich mich fester an ihn, bevor ich mit meinen Fingern den Saum seiner Jeans entlang taste. Doch da schiebt mich Dayton von sich.
Atemlos steht er vor mir. In seinem Gesicht kann ich erkennen, wie er um Selbstbeherrschung kämpfte.
“Ich will dich", keucht er, “aber es geht noch nicht. Ich habe es noch nicht komplett unter Kontrolle. Es ist zu gefährlich.”
“Dayton, ich habe noch nie ... und ich will es mit dir”, flüstere ich heißer, “Du wirst mich ganz bestimmt nicht zerfleischen oder so.”
Plötzlich wird seine Miene ernst.
“Du solltest jemanden kennenlernen.”
Hastig fährt er sich durchs Haar, dann gleich er meine Hand und zieht mich mit sich nach draußen.
Wir überqueren die Wiese und Steuern auf eine Hütte am Rand der Lichtung zu.
“Schau nicht so auffällig hin", weißt mich Dayton an.
Sein harter Ton lässt mich innerlich zusammenzucken.
Als er klopft, öffnet uns ein Mädchen. Sie müsste ungefähr in meinem Alter sein. Ihre Haut ist goldbraun, ihr langes, schwarzes Haar fällt ihr seitlich über die Schulter und reicht ihr bis zur Brust.
“Hallo Kanti, das ist Tala. Ich dachte ihr Beide solltet euch kennenlernen”, begrüßt Dayton die junge Frau, “Dürfen wir reinkommen?”
Schüchtern streicht sie über ihre dunkle Mähne, während sie einen Schritt zur Seite weicht, und da sehe ich es.
Tiefe Narben ziehen sich von ihrem Hals über ihr ganzes Schlüsselbein. Vier tiefe Kratzer, wovon die beiden Inneren länger zu sein scheinen. Es waren die Krallen eines Tieres.
Kanti setzt sich mit uns an den kleinen Tisch in ihrer Hütte. Anders als bei Dayton, hängen hier zahlreiche Bilder und Traumfänger an den Wänden. Alles erscheint bunt und fast schon kitschig.
“Freut mich dich kennenzulernen”, murmle ich, bemüht nicht auf ihre Narben zu starren.
Statt etwas zu erwidern, lächelt sie schwach, bevor sie sich an Dayton wendet.
“Hast du inzwischen etwas herausgefunden?”
Dayton schüttelt den Kopf.
“Leider nicht viel. Im Moment ist auch zu viel los. Das plötzliche Verschwinden von Tala, hat Unruhe gestiftet. Ich muss abwarten, bis sich alles etwas beruhigt hat.”
Natürlich entgeht mir nicht, dass Kanti mich immer wieder unauffällig mustert. Sie mag mich nicht, das steht fest.
Dayton und sie sprechen noch kurz über irgendwelche Maßnahmen, Organisationen, denen ich nicht folgen kann. Dann verabschieden wir uns wieder.
“Was ist mit ihr passiert?”, frage ich, kaum dass wir die Wiese entlang laufen.
Dayton sieht mich gequält an.
“Das sind die Spuren eines Wolfs. Kanti kann selbst auch die Gestalt ändern und hat somit die Fähigkeit sich selbst schnell zu heilen aber die Verletzungen waren zu tief. Für einen Menschen wäre es letal gewesen.”
Unwillkürlich überkommt mich ein seltsames Gefühl.
“Wer war das?”
Dayton schweigt.
Dieses Schweigen ist Antwort genug.
Mein Herz zieht sich zusammen.
“Vor ein paar Monaten waren Kanti und ich zusammen. Wir kennen uns von klein auf und glaubten, es wäre uns bestimmt ein Paar zu sein. Als Halbblut habe ich die Gabe erst sehr spät entwickelt ...”
Plötzlich unterbricht er seinen Satz.
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