Kapitel 23

Dayton schläft noch tief und fest, seinen Arm schwer auf mir liegend, als ich am nächsten Morgen aufwache. Er sieht so viel jünger aus, wenn er schläft. Sein Gesicht ist komplett entspannt, seine Züge ungewohnt friedlich.
Vergebens schaue ich mich nach einer Uhr um. Durch die Jalousien scheint die Sonne herein. Es ist bestimmt schon Mittag.
Da ich Dayton nicht wecken möchte, schiebe ich vorsichtig seinen Arm von mir und setzte mich auf die Bettkante. Ich hatte anders wie erwartet einen ruhigen, traumlosen Schlaf. Trotz der Aufregung, der fremden Umgebung und Dayton neben mir, hatte ich schnell in den Schlaf gefunden.
Kurz muss ich daran denken, welch ein Aufsehen mein Verschwunden in der Klinik wohl ausgelöst hat und wie mein Vater darauf reagierte. Schnell verdränge ich diese Gedanken und entschließe ich mich dazu ins Bad zu gehen, um mich ein wenig frisch zu machen.
Leise schließe ich die Tür hinter mir und betrachte mich im Spiegel. Meine Wimperntusche ist komplett verschmiert, weil ich gestern eingeschlafen Bin, ohne mich abzuschminken, meine eigentlich eher blassen Wangen gerötet und meine Lippen wirken roter und voller.
Auf der Ablage stehen Shampoo und Duschgel, da ich mich hier aber ziemlich fremd fühle, muss ich kurz mit mir ringen, bevor ich in die Dusche steige. Das warme Wasser auf meiner Haut fühlt sich gut an und lässt mich das seltsame Gefühl vergessen, nicht zu Hause zu sein. Trotzdem beeile ich mich.

Ohne ihn zu sehen, weiß Ich, dass Dayton inzwischen wach geworden ist. Ich kann es fühlen. Also wickle ich mich in das große Handtuch und folge dem Kaffeegeruch in den Wohnbereich.

 “Guten Morgen, hast du gut geschlafen?”

Dayton steht mit freiem Oberkörper an der Kochinsel und ist gerade dabei uns zwei Tassen einzugießen.

 “Ja, vielen Dank”, antworte ich, wobei er mir meinen Kaffee reicht.

 “Ich muss gleich auch duschen, sonst komme ich zu spät zur Arbeit. Wenn du möchtest kannst du den anderen Gesellschaft leisten, bis ich wieder hier bin.”

 “Klar”, nuschle Ich, während ich verlegen an meiner Tasse nippe.
 “Keine Sorge, sie sind alle sehr herzlich”, versucht mich Dayton schnell zu ermutigen, lenkt aber auch direkt ein, “Du kannst aber auch einfach hier bleiben, wenn du Zeit für dich brauchst.”

Es ist schon fast unheimlich, wie er jedes Mal ganz genau zu wissen scheint, was in mir vorgeht. Seit ich ihn kenne tut und sagt er immer das Richtige.

Nachdem ich mich angezogen habe und Dayton zur Arbeit aufgebrochen ist, bin ich also alleine.
Um mich zu beschäftigen, Räume ich meine Sachen in den Schrank und mache Ordnung. Doch lange kann ich mich damit nicht ablenken.
Jetzt sitze ich auf dem Sofa und beginne nachzudenken. Ständig muss ich an Sophie denken. Es tut mir leid, sie im Stich gelassen zu haben. Da Dayton später ja die Kantine beliefert, wird er mir später mit Sicherheit berichten können, was dort nun los ist.
Gedanken an meinen Dad habe ich jedoch seit heute früh aus meinem Kopf verbannen können. Ihn und alles was mich mit Ohio und meinem alten Leben dort verbindet, will ich hinter mir lassen. Ich bin nun hier und muss die Geschehnisse der letzten 24 Stunden erst einmal verarbeiten.
Während ich in meine eigenen Überlegungen vertieft bin, klopft es plötzlich an der maroden Holztür.

 “Hallo, ich bin Yona", begrüßt mich ein dunkelhaarige Mädchen, in etwa zwei oder drei Jahre älter als ich, “Ich wollte mal nach dir schauen, damit du nicht alleine bist.”

 “Das ist wirklich nett. Komm rein.”

Ich setze mich mit ihr in den Wohnbereich und Yona beginnt sofort ein Gespräch.

 “Das muss alles noch schrecklich verwirrend für dich sein. Wenn du etwas wissen möchtest, kannst du mich gerne fragen.”

Tatsächlich habe ich tausende Fragen, und da Yona nett und offen erscheint, zögere ich nicht.

 “Ja, ich würde gerne viel mehr wissen. Zum Beispiel frage ich mich, wie man denn zu einem Wolf wird.”
Yona lacht herzlich.

 “Obwohl viele denken, dass man sich nach einem Werwolfbiss selbst in einen verwandelt, sind das nur Märchen. Diese Gabe wird vererbt. Meist geschieht es in der Pubertät, dass man zum ersten Mal die Gestalt wechselt.”

 “Awan hat gestern von der Prägung gesprochen”, beginne ich meine nächste Frage doch mit mehr Zurückhaltung, “Meinst du ... Ich meine ... könnte es sein, dass Dayton geprägt würde?”

Sofort spüre Ich, das meine Wangen erröten, doch Yona übergeht meine Verlegenheit höflich.

 “Wenn es nicht so wäre, dann hätte er dich nicht zum Rudeln bringen dürfen. Ich bin mir also sicher, dass ihr in einander den Seelenpartner gefunden habt. Das wirst du mit der Zeit selbst spüren. Ihr seid auf eine ganz besondere Art miteinander verbunden. Er spürt, was du fühlst und du wirst das auch können.”

Mein Herz setzt einen Schlag aus, um dann vor Freude viel schneller zu klopfen.
Weiter will ich Yona allerdings für’s Erste nicht mit Fragen bombardieren. Wir sitzen noch eine Weile am Tisch und unterhalten uns über das Leben in den Wäldern, bis sie aufbricht.
Es ist schön, so schnell jemanden zum Erzählen gefunden zu haben. Das nimmt mir die Schau vor dem Neuen, das hier auf mich wartet.
Wieder und wieder hallen ihre Worte in meinem Kopf, was ein unglaubliches Kribbeln in meinem Bauch auslöst. Dayton und ich scheinen wirklich füreinander bestimmt zu sein.
Doch da fallen mir auch die anderen Dinge ein, von denen Awan in seinem Trancezustand sprach. Was meinte er damit, ich wäre nicht ohne Grund hier? Vor welchen Dämonen oder Geistern sollen die Wölfe uns schützen?
Ruhelos gehe ich zwischen der Kochinsel und dem Schlafzimmer umher. Was Awan gesagt hat, schwirrt endlos in meinem Kopf umher, macht mich unruhig und angespannt. Ich hätte gestern Abend besser gleich nachhaken sollen. Doch das werfe ich jetzt nachholen.
Voller Entschlossenheit verlasse ich die Hütte, um zu ihm zu gehen, aber bereits nach wenigen Schritten verlässt mich zunehmend der Mut. Schließlich will ich weder aufdringlich, unhöflich noch zu neugierig erscheinen.

 “Guten Morgen, Tala”, ruft eine sehr tiefe, brummige Stimme.

Erschrocken fahre ich um, ich merke erst jetzt, dass Daytons Vater, Jakob, an der Feuerstelle steht.

 “Guten Morgen. Ich habe Sie war nicht gesehen. Ich ... Ich wollte gerade zu Awan.”

 “Da wirst du kein Glück haben. Um diese Uhrzeit macht der Alte jeden Tag seinen Spaziergang durch den Wald. Setz dich doch zu mir.”

Natürlich nehme ich die Einladung des Alphas an.

 “Was wolltest du denn von Awan?”

Schüchtern spiele ich mit meinen Fingern.

 “Er hatte Gestern von Dämonen gesprochen. Irgendwie hat mir das keine Ruhe gelassen und ich wollte ihn fragen, was genau er damit gemeint hätte”, berichte ich vorsichtig.

Im markanten Gesicht von Jakob verändert sich etwas. Nachdenklich legt er einen Scheit ins Feuer und setzt sich zu mir, als wäre ihm in diesem Moment klar geworden, dass unser Gespräch wohl länger dauern würde.

 “Ich halte es noch für zu früh mit dir darüber zu reden. Wir sollten dich nicht überfordern”, sagt er mit ernster Miene, “Da Awan es jedoch schon angesprochen hat, werde ich dir alles erzählen.
Nachdem durch den Brand hier kaum mehr etwas ist, wollte auch das Rudel den Ort verlassen. Aber dann kam uns zu Ohren, dass hier in der Gegend nach langen Jahren wieder Vampire gesichtet wurden.”      

Mir stockt der Atem. Bei dem bloßen Gedanken daran, dass auch diese Schauergeschichten wahr sein könnten, bekomme ich eine Gänsehaut.

 “Anfangs konnten wir uns selbst nicht erklären, warum diese Blutsauger ausgereicht in Centralia sind aber dann würde uns klar, was sie hier wollen. Die Klinik.”

 “Die Klinik?”, wiederhole ich geschockt.

 “Ja, der perfekte Ort um Menschen verschwinden zu lassen oder eine Veränderung ihres Seins zu erklären.”
 

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