Kapitel 19...Der Gefängnisbesuch

Lara stand im Polizei - Präsidium und wartete darauf ihre Mutter besuchen zu können. Sie meldete sich an und nahm auf der Fensterbank links neben dem Haupteingang Platz, die ihr zugewiesen wurde, um dort zu warten. Sie wollte ihre Mutter besuchen. Was würde sie erwarten, wenn sie ihr gegenüber sitzt? Seit der Schießerei im Salon hatten nicht mehr miteinander gesprochen. Während sie wartete, füllte sie ein Besucherformular aus. Sie konnte sich nicht wirklich darauf konzentrieren.  Es wurde verdammt laut auf dem Präsidium, als zwei Polizisten zwei Frauen in Handschellen durch den Haupteingang schoben. Die Frauen keiften sich an und spuckten sich gegenseitig hasserfüllt ins Gesicht.

Worum ging es denn da?

Lara hörte mitten im Ausfüllen des Formulars auf und folgte dem Lärm mit ihren Augen und schüttelte nur mit dem Kopf. Die eine Frau war in einer schwarz - weiß - karierten Radlerhose und einem getigerten Top gekleidet und darüber eine Hüft - Lederjacke in schwarz. An den Füßen trug sie getigerte Zehn - Zentimeterabsätze, in denen sie kaum vorwärts kam. Es sah so aus, als würde sie die Schuhe mit ihren Zehen innen drin festhalten. Ihre Haare waren blond gefärbt und in Dauerwelle versetzt. In ihrem Haar saß eine große, rote Schleife.

Die andere Frau trug einen schwarzen Zweiteiler und schwarze Pumps dazu.

Lara konnte mithören, wie sie sich um einen Strafzettel stritten. Die kraushaarige Frau hatte einen für das Falschparken bekommen und wollte ihn an das Auto der Frau im Anzug unter die Scheibenwischer klemmen. Diese kam allerdings rechtzeitig aus dem Laden heraus gestürmt und erwischte die Kraushaarige dabei, wie sie die Tat ausführte. Mit einer Rangelei begann der ganze Zirkus auf offener Straße...mit den Handtaschen um sich schlagen, an den Haaren ziehen, mit Schubsen und vulgären Worten. Bis eine ihr Pfepperspray herausholte und es der anderen ins Gesicht sprühte. Ab da übernahm die Polizei. Viele Passanten und Autofahrer wurden Zeuge der Auseinandersetzung.

Natürlich ließ sich kaum jemand das keifende, kreischende Spektakel entgehen. Einige Passanten empfanden dies allerdings als Ruhestörung und einige Autofahrer hielten dies für ein Hindernis im Berufsverkehr. Irgendwann benachrichtigte jemand die Polizei.
Nun ging der Lärm auf dem Präsidium weiter. Die Polizei hatte ihre Müh und Not, die beiden Frauen voneinander zu trennen, denn die Frau im Anzug ließ sich das nicht gefallen.

"Miss Stanwyck?", kam ein Polizist auf sie zu.

Lara wand ihre Augen erschrocken von dem Theater der beiden Frauen ab und wand ihr Gesicht dem Polizisten zu, der nun vor ihr stand.

"Ja! Die bin ich!", antwortete Lara darauf.

"Kommen Sie bitte mit!", wurde sie höflich gebeten und sie ging neben dem Polizisten her in Richtung Besucherräume.

Vor einer großen Glaswand blieben sie stehen, die in mehrere Telefonkabinen geteilt war. "Sie haben zehn Minuten, Miss Stanwyck!..."

"Solange werde ich nicht brauchen!", murmelte Lara vor sich hin.

"Bitte! Nehmen Sie Platz! Ihre Mutter kommt gleich. Ich werde draußen an der Tür auf Sie warten, Miss Stanwyck. Klopfen Sie an die Tür und ich lasse Sie hier raus!...Viel Glück!"

"Danke!", kam es über ihre Lippen kaum hörbar.

Und damit war der Polizist verschwunden.

Lara ging zögernd auf eines der Abteile zu. Wieso bin ich überhaupt hier?, fragte sie sich insgeheim. Was soll das jetzt noch bringen? Meine Mutter wollte mich umbringen lassen. Ich sollte nicht hier sein.

Lara hatte so einige Geheimnisse von ihrer Mutter nach der Schießerei erfahren und aufgedeckt...darunter auch Schwarzmarkt von Schönheitsprodukten, die nicht das hielten, was sie versprachen. Und somit hatte Emilia schon einige Klagen am Hals, um die sie sich nicht im geringsten scherte. War Matt deswegen in ihren Salon eingebrochen, weil er diese Informationen ihrer Mutter stehlen sollte, die sie irgendwo im Salon versteckt gehalten hatte, damit sie keinen Wind von den schmutzigen Geschäften ihrer Mutter bekam?

Lara setzte sich und zog ihren Mantel aus und hängte ihn hinter sich über die Stuhllehne. Sie beobachtete einige Besucher, die mit ihren Angehörigen telefonierten. Sollte das jetzt ewig so weiter gehen - Gespräche durch eine Glasscheibe und durch einen Telefonhörer?

Und es ertönte eine Art Basser - Geräusch. Lara zuckte etwas zusammen und ihre Augen klammerten sich an die rot aufleuchtende Lampe, die über der Tür rechts hinter der Glasscheibe aufzuleuchten begann. Diese Tür wurde nun geöffnet und Emilia betrat in einem grauen Overall den Raum. Eine Polizistin brachte sie herein und wies sie an, sich auf den Stuhl gegenüber von Lara zu setzen.

Die Polizistin nahm die Handschellen von Emilias Armen ab, die auf dem Rücken befestigt waren und stellte sich hinter Emilia an die Wand und würde dort geduldig auf das Ende des Gesprächs warten, um Emilia in Handschellen wieder in ihre Zelle zu bringen.

Emilia rieb sich ihre Handgelenke und setzte sich Lara gegenüber an die Scheibe. Sie rückte an den kleinen Tisch heran und nahm den Hörer ab.

Lara tat es ihr gleich, zögernd und ohne eine Miene zu verziehen. Sie trug einen kalten Ausdruck im Gesicht.

Beide Frauen saßen sich nun gegenüber und starrten sich eine Zeit lang schweigend an. Lara brach irgendwann das Schweigen.
"Wieso?", fragte sie ihre Mutter.

Emilia stieß etwas Luft aus und setzte ein hinterhältiges Lächeln auf. "Ich habe keine Ahnung, wovon du redest!", gab Emilia ihr zu verstehen.

"Soll ich dir auf die Sprünge helfen?", kam es barsch von Lara zur Antwort.

"Du meinst Stone?...Ach Kind! Du hättest nur - JA - sagen müssen. Dann wäre das alles nicht passiert!", grinste Emilia. "War das denn so schwer, dieser Entscheidung zuzustimmen?"

"Es hängt viel mehr daran, als du glaubst!", antwortete Lara enttäuschend.

"Wo haben sie Matt hingebracht?", fragte Emilia ihre Tochter.

"Keine Ahnung! Ist mir auch egal!", gab Lara ihr gleichgültig zu verstehen. 

"Antworte mir gefälligst in einem angemessenen Ton, junges Fräulein! Ich bin doch deine Mutter! Also sei nicht so respektlos! Klar?"

Lara wurde nun ernst und erhob sich mit dem Hörer in der Hand. "WAR!", gab sie klar und deutlich von sich.

"WAR?", schaute Emilia sie verwirrt an. "Ich verstehe nicht!"

"Eigentlich wollte ich nicht hierher kommen, um dein verlogenes Gesicht zu sehen! Du hast Schande über die Familie gebracht und die beiden Firmen in einen grausamen Verruf gestürzt mit deinem Schwarzmarkthandel.", brannte es Lara sehr auf der Seele und schrie es ihr durch den Hörer ins Gesicht. Doch hier drinnen musste sie ihr Temperament zügeln, sonst wurde sie im hohen Bogen hinaus geworfen. Aber das war Lara egal. Sie wollte nicht hierher, doch sie rang sich dazu durch.

"Vater und Myles sind an dem Salon dran, ihn wieder aufzurichten und zu vergrößern. Er wird ein neues Aussehen verliehen bekommen.
Leider steht es in den Sternen, ob du ihn je fertig zu Gesicht bekommen wirst.
Für den Schwarzmarkt wirst du wohl einiges absitzen müssen...Und noch etwas werde ich dir mit auf den Weg geben, Mutter: Rede mir nicht ein, ich sei dir gegenüber respektlos!...Du warst es die ganzen Jahre lang mir gegenüber...Und ich bin deine Tochter! Deine Tochter!...Die du nie wie eine Tochter behandelt hast!"

Lara ließ Dampf ab. Sie hatte das Bedürfnis ihre Mutter zurecht zu weisen, wie sie es immer mit ihr getan hatte, als Lara noch ein Kind war.

Lara spielte mit dem Hörer in ihren Händen und überlegte, ob sie nicht einfach auflegen und gehen sollte. Der Blick ihrer Mutter widerte sie an. Dann tat sie es doch. Sie hängte den Hörer auf und ging langsam rückwärts.

"Wo gehst du hin, Lara?", begann Emilia laut zu werden.

Doch Lara gab keine Antwort darauf.

"Besuchst du mich wieder?", brüllte Emilia.

Lara blieb stehen. War es richtig einfach so zu gehen? War es denn nicht falsch ihre Mutter im Stich zu lassen?

Wie lange wird ihre Mutter hier drinnen ihre Strafe wohl absitzen müssen?

Emilia war jetzt aufgestanden und ihr Gesicht war kurz vor einem Tränenausbruch. Sie ließ den Hörer aus ihren Händen rutschen und begann gegen die Scheibe mit ihren Fäusten zu schlagen und sie schrie.
"Lara!...Komm zurück!...Es tut mir leid!...Lara!"

Emilia hatte Angst ihre Tochter heute ein letztes Mal gesehen zu haben. Doch sie war selbst daran schuld.
Emilia war einst eine angesehene, beliebte Frau. Was war nur aus ihr geworden? War sie auf Mason eifersüchtig gewesen, weil er ein gefragter Mann mit seiner Firma war und genug verdiente, um die ganze Stadt damit umzubauen? Im Erfolg liegt das Geheimnis. Das hätte Emilia wissen müssen, denn auch ihre Salons waren gefragte Treffpunkte.
Doch eines Tages konnte sie nicht genug damit einnehmen. Sie wurde gierig und ließ sich auf den Schwarzmarkt ein.

Oder war sie eifersüchtig auf die Zeit, die er mit Glen hatte und aus der ein Kind geboren wurde?

Emilia war eine schlechte Mutter. Das würde sie sich aber nie eingestehen wollen. Von Erziehung hatte sie wahrlich keine Ahnung. Das überließ sie lieber den anderen. Und was es bedeutete Mutter zu sein...erst recht nicht.

Jetzt hatte sie genügend Zeit, um über ihr Leben und ihre Fehler nachzudenken.

Lara warf einen letzten Blick auf ihre Mutter, die mit gesenktem Kopf und mit den Händen an der Scheibe gestützt, stand und weinte.

Lara klopfte an das Bullauge der Ausgangstür.
"Meine Zeit ist um. Lassen Sie mich gehen!"

Die Tür wurde von außen geöffnet und Lara verließ den Raum. Die Tür schloss sich hinter ihr. Ein letztes Mal sah sie durch das runde Fenster zu ihrer Mutter.

Die hatte sich zu der Polizistin umgedreht, die Emilia herein gebracht hatte. Sie sah noch zu, wie ihrer Mutter die Handschellen angelegt wurden. Danach verließ sie das Präsidium.

"Bringen Sie mich in meine Zelle zurück!", bat Emilia mit gleichgültigem Ton, mit dem Gesicht zu der Tür, durch die ihre Tochter gegangen war und verließ die Telefonkabine und wurde zurück in ihre Zelle gebracht.

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