Kapitel 26
Aus Iwans Sicht:
Schweißgebadet schreckte ich aus meinem Albtraum! ,,Bryan!“, flüsterte ich. Es musste etwas passiert sein! Ich zog mir so schnell ich konnte meine Schuhe an und stieg in mein Auto. Ich drehte den Autoschlüssel um und drückte meinen Fuß aufs Gas. Das Auto schlitterte los. Ich fuhr so schnell um die Kurven, dass die Reifen quietschten. Mit einem unglaublichen Tempo legte ich den Weg zurück. Es fing langsam an zu Tropfen und wurde dann zu immer stärkerem Regen. War ja klar, immer wenns dramatisch wurde musste es Regnen! Es hatte auch damals geregnet, als Bryan mir die Geschichte anvertraut hatte. Er sagte er würde es nicht mehr aushalten und dass er sich dem Mörder schon längst geopfert hätte, wenn es Ethan und Lucy nicht gäbe. Der April der machte wirklich was er will! Ich stieg aus dem Auto und knallte die Tür hinter mir zu. Sofort stapfte ich in eine Pfütze. Ich ignorierte das Wasser in meinem Stoffschuh. Dann rannte ich die Treppen des Internats nach oben. Ich rutschte auf nassen Sohlen den Gang entlang. Es war gespenstisch still. Ich riss die Tür zu Bryans Zimmer auf. Es brannte Licht! Doch es war niemand drinnen! Am Boden fand ich einen Brief. Sofort hob ich ihn auf. Er war an Ethan gerichtet. Ich las ihn mir in Windeseile durch. ,,Shit!“, fluchte ich. Ich war mir ziemlich sicher, dass Ethan nicht auf Bryan gehört hatte und auf dem Weg war Bryan zu retten. Ich rannte wieder zurück zu meinem Auto. Kloster der schwarzen Gräfin also… ich drückte wieder aus Gas. Inzwischen schüttete es wie aus Eimern und ich musste den Scheibenwischer auf die höchste Stufe stellen, um überhaupt etwas erkennen zu können. Die Ampel direkt vor mir wurde rot. Ich fuhr drüber. Mir kam ein Taxifahrer im rasanten Tempo entgegen. Ich schaffte es nicht rechtzeitig auszuweichen und wir krachten ineinander! Sofort blähte der Airbags sich auf und der Anschnallgurt schnitt mir in den Hals. Ich brauchte einen Augenblick um mich von meinem Schreck zu erholen. Mir ging es gut! Ich schnallte mich ab und sah nach dem Taxifahrer. Er war bereits ausgestiegen und sah sich den Schaden an. Ich hatte jetzt keine Zeit dafür! Ich musste meinem Bruder helfen! ,,Sorry!“, sagte ich nur entschuldigend. Der Taxifahrer antwortete nicht. Ich rannte los. Die ganze Kleidung klebte an meiner Haut wegen dem starken Regen. Ich rannte und rannte. Zu Fuß war der Weg viel länger als gedacht. Als ich endlich das verlassene Kloster erreicht hatte, wartete ich keine Sekunde. Ich rannte hinein. Ich sah mich einmal nach rechts und einmal nach links um. ,,Bryan wo bist du nur?“, flüsterte ich verzweifelt. Ich rannte nach links in den Keller. Dort war alles stockdunkel. Mein Gefühl sagte mir, dass ich falsch war. Ich rannte wieder nach oben. Und dann hörte ich ein leises Schluchzen. ,,Oh nein! Bitte nicht..", murmelte ich. Ich rannte die Treppen nach oben. Ich folgte dem Schluchzen. Ich lief immer schneller. Und dann hatte ich das Zimmer erreicht, aus dem das Schluchzen kam. Das Bild, was sich mir dort bot ließ mein Herz in tausend Teile zerspringen! Mein kleiner Bruder lag regungslos auf dem Boden. Er atmete nicht! Auf seinem Bauch war ein riesiger Blutfleck! Neben ihm saß Ethan. Seine Augen waren genauso rot, wie Bryans Blut. Ich rannte zu ihnen. Als ich Bryans totes Gesicht sah, sackte ich zusammen. Mir rollten Tränen über die Wangen. Ich streichelte ihm über seine blonden Haare. Mein kleiner Bruder! Der, der mich immer zum Lachen gebracht hatte! Der, der mir immer die Wahrheit gesagt hatte! Der, der mich über den Tod unserer Eltern hinweg getröstet hat, obwohl er tief im inneren selbst nicht damit klargekommen war! Er hatte das einfach nicht verdient! Egal wen er ermordet hatte! Er war immer noch mein kleiner Bruder! Ich nahm seinen leblosen Körper fest in meine Arme. Und schloss die Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich Ethan an. ,,Was ist passiert?“, fragte ich ihn mit zitternder Stimme. ,,Iwan, es sein alles meine Schuld! Ich haben ihn getötet! Ich haben meinen besten Freund ermordet! Ich sein ein Mörder!“, schluchzte er und sah mir völlig aufgelöst in die Augen. Ich wusste nicht, was genau passiert war, aber ich wusste, dass er Bryan niemals mit Absicht etwas antun würde! ,,Komm her!“, sagte ich und legte meinen Arm um ihn. Ich wusste, dass er jetzt jemanden brauchte, der für ihn da war, auch wenn ich selbst gerade am aller liebsten sterben würde. Nach einiger Zeit fiel mir eim Zettel, welcher am Boden lag auf. Ließ Ethan vorsichtig los und hob ihn auf. Ich faltete ihn auseinander und las:
Für manche bin ich die größte Furcht,
andere erwarten sehnlichst meinen Besuch. Meine Hände so kalt wie Eis, mit denen ich warme Herzen zerreiß!
Aus Lucys Sicht:
Als ich erwachte brauchte ich eine Weile um zu erkennen, wo ich war. Ich lag immer noch auf dem Sofa des mürrischen Bauers. Ich setzte mich auf. Ich war einfach eingeschlafen! Ich hatte mich in den Schlaf geweint. Ich sah mich um und entdeckte ihn in seiner Küche. Meine Wangen klebten, von den getrockneten Tränen. Ich wischte mir mit dem Ärmel darüber, was nicht viel half. Der Bauer kehrte mit einer Tasse Tee zurück. ,,Hier! Ein Beruhigungstee!“, meinte er und reichte ihn mir. Ich nahm ihn unsicher an und erwischte mich bei dem Gedanken, ob er imstande dazu wäre mich zu vergiften. Wenn er mich töten wollen, würde, dann hätte er es schon längst getan! Ich machte mir einfach zu viele Gedanken, seit ich nicht mehr wusste, wem ich vertrauen sollte. Ich trank vorsichtig einen Schluck von dem warmen Getränk und es tat gut. ,,Und jetzt erzähl mal, was ist überhaupt passiert?“, fragte er mich. Ich trank noch einen Schluck, dann stellte ich die Tasse auf den braunen Tisch vor mir. Und dann begann ich zu erzählen. Von Anfang an. Alles was passiert war, seit ich Bryan kannte. Er hörte mir schweigend zu. Als ich meine Rede beendet hatte, folgte eine Stille. Dann fragte er: ,,Liebst du ihn noch?“ Ich sah an ihm vorbei, dann nickte ich. ,,Und liebst du Ethan?“, fragte er plötzlich, dass was ich die ganze Zeit versucht hatte zu verdrängen. Ich sah ihn eine Weile an, dann sagte ich: ,,Ich weiß es nicht… Ich hab den Gedanken daran verdrängt!“, gab ich zu. ,,Und sie beide lieben dich!“, fasste er zusammen. Ich nickte abermals. ,,Wieso läufst du dann davon? So wie ich das rausgehört habe, könnten die beiden ganz dringend deine Hilfe gebrauchen! Ich glaube sie sind in ernsthafter Gefahr!“, meinte er bestimmt. ,,Aber Bryan will mich doch töten!“, rief ich aus. ,,Nein! Bryan soll dich töten! Also nach dem, was du mir erzählt hast glaube ich, dass Bryan sich zehnmal lieber töten lassen würde, als dir auch nur ein Haar zu krümmen! Du solltest zu ihnen gehen und ich komme mit! In diesem Internat geht es doch nicht mit rechten Dingen zu!“, grummelte er. Ich sah ihn überrascht an. ,,Na los!“, rief er! Ich sprang sofort auf und folgte ihm. Er hatte recht! Ethan und Bryan waren in Gefahr!
Der Bauer schnappte sich seine Autoschlüssel und wir stiegen in sein modernes Auto ein. Ich war überrascht, dass er sich das leisten konnte!
Nach wenigen Minuten erreichten wir das Internat. Ich sprang aus dem Auto und sah sofort die ganzen Polizeiwagen. Hanna rannte mir entgegen. ,,Wo warst du denn?“, rief sie aufgeregt. ,,Was ist hier passiert?“, fragte ich beunruhigt. ,,Du weißt es noch nicht?“, fragte sie Mitleidig. ,,Was denn?“, fragte ich und spürte wie mir das Herz stockte. ,,Herr Schwarz, Sabine Sturmwind und Anton sind spurlos verschwunden! Es gibt Gerüchte darüber, dass die beiden angeblich ein Paar sind! Sie sind die Mörder Lucy! Hättest du das gedacht? Na ja jedenfalls war im Sekretariat am Stuhl überall Klebeband! Als wäre jemand daran geklebt worden! Und in der Wand ist ein Schussloch! Auf dem Boden liegen weitere Kugeln! Aber das schlimmste ist, dass da jemand geblutet haben musste! Überall sind blutige Fingerabdrücke, die Polizei versucht gerade herauszufinden von wem sie stammen. Dort wurde auf ein Telefonbuch gefunden! Die letzte gewählte Nummer war ein Taxiunternehmen und ausgerechnet dieser Taxifahrer hatte einen Unfall. Er schweigt bis jetzt darüber, wen er gefahren hat. Das Kennzeichen des anderen Autos wird gerade überprüft!“, sie holte tief Luft. ,,Weißt du wo Bryan und Ethan sind?“, fragte ich ungeduldig. Sie sah mich traurig an. ,,Die Polizei hat einen anonymen Anruf erhalten, dass sich im Kloster der schwarzen Gräfin eine Leiche befinden würde! Der Anrufer klang wohl, als wäre er total am Ende. Als die Polizei dort ankam, fanden sie die Leiche, aber der Anrufer war verschwunden. Die Person wurde von einem Schuss getötet. Die Waffe fand man irgendwo in der Nähe! Sie hatte die gleichen Fingerabdrücke, wie die blutigen im Sekretariat!“, sie legte eine Pause ein. Musste sie denn so viel reden? Konnte sie sich nicht kurzfassen? ,,Lucy, die Leiche die da lag… Das war Bryan!“, sagte sie leise. Ich sah sie entgeistert an. ,,Was?“, hauchte ich. ,,Nein, das kann nicht sein!“ ,,Es tut mir so leid Lucy!“, versuchte Hanna mich zu trösten. Der Bauer, wessen Name ich immer noch nicht wusste, legte mir eine Hand auf die Schulter. Mir stiegen Tränen die Augen. Und mit einem Mal wünschte ich mir, dass ich an seiner Stelle gestorben wäre! Ich verfiel in tiefen Selbsthass. Ich hätte nicht weglaufen dürfen! Ich hätte ihm helfen müssen! Ich nahm mich zusammen und fragte mit aller Kraft: ,,Und wo ist Ethan?“
Hanna zuckte mit den Schultern, doch dann veränderte sich ihr Blick. ,,Ist er das?“, fragte sie und zeigte hinter mich. Der Bauer und ich drehten uns um. Tatsächlich, das war er! Und jemand stützte ihn! Iwan! Ich rannte los. Als Ethan mich erkannte sah er erleichtert aus. Ich umarmte ihn sofort. ,,Ich bin so froh, dass es dir gut geht!“, flüsterte ich. ,,Bryan… er sein..", begann Ethan zitternd. ,,Ich weiß!“, sagte ich und unterdrückte mir eine erneute Heulattacke. Was Iwan wohlfühlen musste? Ich löste mich aus der Umarmung und dann erst bemerkte ich den blutigen Verband um Ethans Arm. ,,Was ist denn da passiert?“, fragte ich geschockt. ,,Anton!“, antwortete er nur. ,,Weißt du wo er ist?“, fragte ich hoffnungsvoll, da ich das große Bedürfnis hatte ihm eine rein zu hauen! ,,Ich haben ihn an den Stuhl geklebt im Sekretariat!“, meinte Ethan. ,,Jemand hat ihn befreit!“, gab ich enttäuscht zurück. Und mit einem Mal wurde mir etwas klar. ,,Dann waren das deine blutigen Fingerabdrücke im Sekretariat?“, fragte ich ihn. Er nickte: ,,Er hat mir in den Arm geschossen", sagte er so gleichgültig, als wenn er über das Wetter reden würde. ,,Das sieht nicht gut aus! Du solltest zum Krankenhaus!“, meinte ich. Er zuckte nur mit den Schultern, als wäre er sich total egal. Und dann ging mir ein Licht auf. Wenn die blutigen Fingerabdrücke im Sekretariat von Ethan waren, dann waren die Fingerabdrücke auf der Waffe auch Ethans! Ich sah ihn entgeistert an und plötzlich fiel er einfach so um. ,,Ethan!“, schrie Iwan entsetzt. Ethan blieb regungslos liegen. ,,Ich glaube, er ist kollabiert! Hol schnell einen der Polizisten!“, rief Iwan mir zu. Ich brauchte eine Weile, bevor ich verstand, was gerade passiert war. Der Polizist hatte Ethan in die stabile Seitenlage gelegt und das Krankenhaus verständigt. Nach nur wenigen Minuten kam der Krankenwagen und nahm Ethan mit.
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