Kapitel 2

Bryan öffnete die Tür zum Zimmer mit der Nummer 48. ,,Darf ich vorstellen, unser Reich!“ Ich sah neugierig in das Zimmer und entdeckte einen Jungen, der an einem alten Tisch saß und angestrengt nachzudenken schien. ,,Bryan!“, rief der Junge plötzlich, ohne sich von seinen Notizen abzuwenden. ,,Wusstest du, dass eine Information umso wahrscheinlicher ist, wenn sie wenige Informationen enthält? Und wusstest du eigentlich auch, dass Mathematisch gesehen die … Oh.“ Der Junge hatte mich entdeckt. ,,Hallo!“, sagte ich schüchtern. Der Junge antwortete nicht. Stattdessen sah er Bryan mit einem fragenden Blick an. ,,Wer ist denn das?“, fragte er. Ich war mir nicht sicher aber es klang, als hätte er etwas Abwerfendes in seiner Stimme. ,,Anton! Das ist Ethan. Er ist ab jetzt mit uns in unserem Zimmer!“, erklärte Bryan freudig. ,,Muss das sein? Ich hätte ihn nicht so gern in meinem Zimmer!“, gab Anton zu. Ich war ernsthaft verletzt. Er kannte mich noch nicht Mal und schon mochte er mich nicht? Bryan bemerkte wie mein Gesicht sich verzog und ich auf meine Schuhe starrte. Auf einmal wurde er richtig wütend. ,,Ey man! Musste das jetzt sein?“, schrie er, so, dass Anton zusammenzuckte. ,,Er ist gerade erst hier angekommen und du machst ihn gleich runter? Such dir doch ein anderes Zimmer, wenn es dir nicht passt!“ Es fühlte sich gut an, dass Bryan so sehr zu mir stand! Anton sagte kein Wort mehr, schob seine grüne Brille wieder zurecht und drehte sich zu seinen Notizen zurück.
Bryan ließ sich nicht beirren. ,,Hier! Das ist dein Bereich des Zimmers. Dein Bett, dein Schrank und dein Nachttisch. Die Lampe da flackert manchmal. Ich pflege es einmal draufzuhauen, wenn das passiert.“ Ich hörte ihm gar nicht richtig zu. ,,Bryan?“, fragte ich schließlich. Er sah mich fragend an. ,,Sonst kann ich Herr Schwarz fragen, ob ich kann in ein anderer Zimmer!“, sagte ich schließlich. Bryan sah mich entschlossen an. ,,Jetzt halt Mal die Luft an Ethan, du kannst dich doch, wegen so einem Streber, nicht klein machen lassen! Der wird schon noch merken, wie cool du bist!“ Anton schnellte hoch: ,,Streber? Das hab ich gehört!“ ,,Gut so!“, fauchte Bryan ihn an. ,,Und jetzt Leg dich erstmal schlafen Ethan, ich zeig dir morgen das ganze Internat.“ Widerstrebend nickte ich und stellte meine Tasche in eine Ecke. An diesem Abend redete Anton kein Wort mehr. Bryan war schnell eingeschlafen, zu meinem Glück schnarchte er nicht. Ich lag schon ungefähr eine Stunde im Bett und starrte an die Decke, als ich Bryan schreien hörte. Der Schrei war so von Angst erfüllt, dass ich eine Gänsehaut bekam. Mit der Hand tastete ich im Dunkeln nach dem Schalter meiner Lampe. Als sich meine Augen langsam an das Licht gewöhnten erkannte ich Bryan der zitternd in seinem Bett lag, die Augen geschlossen. Anton hatte sich ein Kissen über den Kopf gepresst und versuchte vergeblich alles auszublenden. Als er bemerkte, dass er so nicht schlafen konnte, richtete er sich stöhnend auf. Ich rannte zu Bryan und rüttelte ihn. ,,Hey! Bryan! Wach auf! Was sein passiert?“, schrie ich. ,,Mach dir keinen Kopf, der hat oft Albträume!“, hörte ich Anton sagen. Ich wollte einfach nur, dass Bryan aufhörte zu schluchzen. Das passte nicht zu ihm. Bryan schreckte hoch. Als er mich erblickte, beruhigte er sich langsam wieder. ,,Hey, was hast du geträumt?“, fragte ich vorsichtig. Er überlegte einen Moment, dann sagte er: ,,Komm mit!“ Er zog mich am Arm aus dem Zimmer hinaus und schloss die Tür. Dann ließ er sich an der Wand des Flurs auf den Boden sinken. Ich setzte mich neben ihn. Eine Weile saßen wir nur schweigend da bis Bryan zu erzählen begann: ,,Ich bin hier gelandet, weil meine Eltern gestorben sind. Jede Nacht träum ich von einem anderen Tod, durch den sie starben, und jedes Mal ist Anton mit dabei. Er hilft mit, sie zu töten, weißt du? Auch wenn er nichts dafür kann, dass er in meinen Träumen auftaucht, ich kann ihn einfach nicht leiden.“ Ich überlegte was ich darauf antworten sollte. ,,Das tut mir echt leid Bryan!“ Es war zwar ziemlich dunkel, aber ich konnte erkennen, dass er lächelte. ,,Weißt du, eigentlich habe ich außer Lucy nicht wirklich Freunde", erzählte er plötzlich. ,,Aber ich glaube, wir könnten ganz gute Freunde werden!“ Ich nickte überzeugt. Bryan war ein netter Mensch und ich mochte ihn also wieso nicht? Bryan wollte noch etwas sagen als ein Schrei ertönte. Er schallte den ganzen Korridor entlang. Es müsste ein Mädchen gewesen sein!
,,Lass uns sehen, ob sie brauchen Hilfe!“, rief ich. Bryan blieb erstarrt. Dann rannte er los. Er war unglaublich schnell! Außer unseren Schritten war nichts im Korridor zu hören. Auf einmal bemerkte ich, dass Bryan mir entgegenlief. Er rannte direkt auf mich zu und fuchtelte wild mit den Armen. Ich hörte ihn rufen: ,,Lauf! Lauf so schnell du kannst!“ Ich blieb wie angewurzelt stehen. Was mochte er gesehen haben? Immer wieder schrie Bryan, dass ich laufen solle. Erst als ich das verängstigte Gesicht meines Freundes erkennen konnte begriff ich, dass ich mich in Bewegung setzten sollte. Doch ich war erstarrt. ,,Ethan!“, schrie Bryan erneut. Ich hatte das vage Gefühl, Bryan würde mich, erstarrt wie ich war, dort stehen lassen und rennen, doch das tat er nicht. Er zerrte an mir, doch mein Körper blieb stocksteif. Was war nur mit mir los? ,,Ethan, bitte!“, schrie Bryan. Wie in Zeitlupe, begann ich mich von meiner Erstarrung zu lösen. Ich sah einen schwarzen Schatten, der mich offensichtlich erblickt hatte! Das war der Augenblick, in dem ich anfing zu rennen. Bryan zerrte mich in unser Zimmer hinein und drückte sich mit seinem vollen Gewicht gegen die Tür. ,,Wer war das?“, fragte ich außer Atem. Anton war sofort hellwach. ,,Ich weiß es nicht!“, keuchte Bryan. ,,Hat er dich erkannt?", fragte ich besorgt. ,,Nein, ich glaube nicht, es war zu dunkel! Aber ich konnte erkennen, dass ein Mädchen auf dem Boden lag! Sie hat sich nicht bewegt!“, antwortete Bryan. ,,Glaubst du, sie ist …“ Ich wagte es nicht auszusprechen. Bryan hatte keine Chance mehr zu antworten, da wir Schritte aus dem Flur vernahmen. Bryan nickte mir kurz zu und ich verstand. Wir rannten sofort zu unseren Betten und löschten das Licht. Wenn der Typ in Schwarz, nicht wusste, wer die Zeugen waren, würde er uns vielleicht verschonen. Die Schritte kamen immer näher. Vor unserem Zimmer verstummten sie. Ich bekam Schweißausbrüche und fing an am ganzen Körper zu zittern. Doch plötzlich entfernten sich die Schritte wieder. Hatten wir es geschafft? Hatte er keinen Verdacht geschöpft? Oder waren wir nächste Nacht dran?

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