Kapitel 19
Sie warf sich ihren Rucksack über die Schulter und sah mich fragend an.
,,Bist du bereit?“
Ich tat ihr gleich und nickte.
,,Aber sowas von!“, meinte ich. Und ich meinte es wirklich ernst! Wir würden herausfinden, wer der Mörder war! Für Bryan! Für Lucy! Und für alle, die gestorben waren, oder jemanden verloren hatten! Wir gingen so unauffällig, wie es mit unseren Rucksäcken möglich war, aus der Schule und trafen auf dem Weg unseren Hausmeister Herrn Zobel. Ein etwas älterer Mann mit vielen Muskeln. Er hatte immer den gleichen Gesichtsausdruck! Grimmig und verschlossen. ,,Ich sags euch! Wenn ihr nochmal über meinen frisch gewischten Boden lauft, dann könnt ihr in selbst schrubben!“, rief er. ,,Sorry..", antwortete ich entschuldigend. ,,Jaja... ich hasse Schüler!“, murmelte er leise. Wir verließen das Gebäude und nahmen noch aus dem Augenwinkel wahr, wie er im Gang verschwand. ,,Was haben der denn für eine Problem?“, fragte ich verärgert. ,,Ach … Von dem hab ich keine Ahnung! Aber ich wüsste auch gerne, wieso er in einem Internat arbeitet, wenn er Schüler hasst.", lachte Lucy nur. ,,Vielleicht waren er mal Profisportler und dann sein seine Karriere gehen die Bach runter und er müssen arbeiten, als Hausmeister in unsere Internat!“, überlegte ich. ,,Gut kombiniert, aber jetzt komm, wir müssen uns auf andere Dinge konzentrieren!“, erinnerte Lucy mich. ,,Wissen du wo wir müssen hin?“, fragte ich sie nervös. ,,In etwa..", gab sie zu. ,,In etwa?“, fragte ich fassungslos. ,,Ja, ich war da mal mit Bryan. Da war ein Feld, dann ein Wald und dahinter war ein Fluss, der irgendwann mal in die Weser mündet!“, überlegte Lucy. ,,Wissen du in welchen Richtung ungefähr?“, fragte ich hoffnungsvoll. Sie nickte. ,,Hier in der Nähe gibt es nur einen Wald! Dafür müssen wir nach links!“, bemerkte sie und fing an zu rennen. Ich holte sie mit der Zeit auf. ,,Haben du nicht gesagt, wir sollen nicht ziehen so viel Aufmerksamkeit auf uns? Wenn wir rennen, wir machen genau das!", fragte ich schnaufend. ,,Ja, aber wir sind spät dran! Ich will bevor sie kommen noch ein Diktiergerät verstecken!“, erklärte Lucy genauso schnaufend. Das Rennen war uns einfach nicht gegeben. Sie bog um ein paar Ecken in weitere Gassen. Ich hasste es, um Kurven zu rennen! Meine Beine machten da nicht mit! Vielleicht lag es an meiner Größe? Es interessierte mich gerade aber nicht wirklich. Mit der Zeit wurden es immer weniger Häuser und wir gelangten auf einen Feldweg. Es war ein großes Rapsfeld und wir atmeten den süßlich strengen Geruch ein. Auf einmal blieb Lucy abrupt stehen. Unsere Schuhe knirschten, beim Abbremsen, auf dem Boden. ,,Wir sind schneller, wenn wir da durch Rennen!“, meinte Lucy und zeigte auf das Rapsfeld, hinter dem sich der Wald befand. ,,Dürfen wir das denn?“, fragte ich vorsichtig. ,,Nö", meinte Lucy schulterzuckend. ,,Was solls!“, meinte ich nur. Sie nickte und rannte los ich blieb dicht hinter ihr. Da wir uns jetzt direkt im Rapsfeld befanden, stach mir der Geruch noch viel stärker in die Nase. Er kitzelte mich so stark, dass ich dreimal niesen musste. Lucy ebenso. Irgendwo weit hinter uns hörten wir einen empörten Bauern rufen, dass wir da sofort rauskommen sollten, doch wir ignorierten ihn. Wir drehten uns nicht einmal um.
Nachdem wir am Waldrand angekommen waren, verschnauften wir kurz. Sie holte die Strumpfmaske auf ihrem Rucksack und setzte sie auf. Ich tat ihr gleich. Und dann ging es weiter! Quer durch den Wald. Über raschelnde Blätter und knacksende Äste. Immer wieder schnippte ein Ast von vorne direkt in mein Gesicht. Hätte ich die Strumpfmaske nicht aufgehabt, hätte ich wahrscheinlich schon Abdrücke in meinem Gesicht gehabt. Wir rannten so schnell, dass ich die Befürchtung hatte, dass ich sogar gegen einen Baum rennen könnte, wenn ich nicht aufpasste!
Als wir das Ende des Waldes erreicht hatten, war mir ganz schummrig! Durch die Strumpfmaske zu atmen war nicht das beste! Schon gar nicht beim Rennen. Ich schwitzte unglaublich unter diesem Anzug. Wir mussten wirklich aussehen wie zwei Verbrecher in diesen Outfits! Lucy sah sich ein paar mal unsicher um dann rannte sie flink vor den Fluss und setzte ihren Rucksack ab. Ich folgte ihr. Sie zog ein dunkelfarbiges relativ kleines Gerät aus ihrem Rucksack. ,,Was sein das?“, fragte ich verwundert. ,,Das ist eine Art Diktiergerät, dann haben wir Beweise, falls sie sich selbst verraten! Und wir können sie hören ohne, dass wir direkt daneben stehen müssen!“, meinte sie. ,,Smart!“, sagte ich bewundernd. Sie gab mir eine Art Kopfhörer, den ich mir daraufhin ins Ohr steckte. Sie tat das Gleiche. Dann steckte sie das Gerät in den Boden und schaltete es ein.
Ich musste zugeben, dieser Ort war wirklich romantisch! Ich konnte mir vorstellen, warum Bryan sich hier mit Lucy getroffen hatte! ,,Komm!“, sagte sie auffordernd. ,,Wir verstecken uns!“ Ich nickte. Ich zeigte auf einen dichten Busch. Dort wäre das perfekte Versteck! Von da aus könnten wir sie sehen, aber sie uns nicht, wenn sie nicht genau hinsahen! Als wir uns dahinter setzten, sagte Lucy: ,,Das Diktiergerät nimmt Geräusche aus der Entfernung von bis zu vier Metern auf, hoffen wir, dass sie sich in die Nähe stellen!“ Sie war so schlau! An sowas hätte ich nie gedacht! Wir saßen still da und ich hörte nur noch unseren Atem. Ich bemerkte wieder dieses Gefühl, dass mich zu ihr hinzog! Wieso musste ich mich ausgerechnet in sie verlieben? Das war so ungerecht! So konnte es nicht weitergehen! Mit einem Mal wurde mir klar, dass ich mit Bryan darüber reden sollte! Er war mein bester Freund und ich durfte ihn nicht anlügen! Irgendwann würde sowieso alles rauskommen! Besser jetzt die Wahrheit sagen, als später im Streit enden! Ich spürte wie Angst in mir aufstieg. Was wenn Bryan mich verurteilen würde? Ich schüttelte in Gedanken versunken den Kopf. ,,Was?“, fragte Lucy plötzlich und ich zuckte zusammen. ,,Nichts…“ Sie sah mich vielsagend an, erwiderte aber nichts darauf. ,,Gib mir mal deinen Rucksack bitte!“, sagte sie nur. Ich reichte ihn ihr fragend. Sie holte einen kleinen Block heraus und schrieb das Datum darauf. 31.5.2025. ,,Was machen du?“, fragte ich sie irritiert. ,,Ich schreibe das Gespräch auf..", meinte sie. ,,Wieso? Wir haben doch die Diktiergerät!“ ,,Ja, aber ich weiß nicht, ob das Wasserfest ist! Und es sieht nach Regen aus!“, antwortete sie misstrauisch. Als ich in den Himmel blickte, erkannte ich was sie meinte.
Der Himmel war mit schweren dunklen Wolken überzogen. Aus der Ferne konnte man sogar leichtes Donnergrollen hören! ,,Dann hoffen wir mal, dass sie kommen schnell!“, meinte ich beunruhigt. Und wie auf das Stichwort hörten wir Stimmen aus dem Wald. Wir pressten unsere Kiefer aufeinander, dass es weh tat. Das mussten sie sein! Aus dem Wald traten, zwei genauso schwarz gekleidete Personen wie Lucy und ich. Es war ein großer stark gebauter Mann und ein kleinerer schwach aussehender. Wenn mich nicht alles täuschte, könnte das sogar ein Junge sein! Sie sahen sich immer wieder um. Was mir als aller erstes auffiel, war die Waffe an der Seite der größeren Person. Er hielt seine Hand immer in der Nähe seiner Pistole! Tatsächlich stellten sie sich genau dorthin, wo wir das Diktiergerät angebracht hatten. Der Himmel verdunkelte sich immer mehr. Die Wolken wurden schwerer. Komm schon! Sagte ich zu mir selbst. ,,Wo bleibt er?“, fragte der größere. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich diese Stimme schon einmal gehört hatte! Aber wem konnte ich sie zuordnen? Ich sah zu Lucy. Ihr schien es ähnlich zu gehen. Sie kniff angestrengt die Augen zusammen, als könnte sie dadurch mehr hören. ,,Ich weiß es nicht!“, sagte nun der kleinere. Lucy und ich sahen uns entgeistert an. ANTON! Wir hatten von Anfang an recht gehabt! Und jetzt konnten wir es beweisen! ,,Ich hab ihm den Brief an den gleichen Platz wie immer gelegt!“, meinte er. Lucy und ich sahen uns ein weiteres Mal erschrocken an. Also war der Mann da vorne schon mal nicht Herr Fred! Der Himmel zuckte. Nicht mehr lange und das Gewitter würde direkt über ihnen sein! ,,Hast du den anderen Bescheid gesagt?“, fragte der Mörder. Anton nickte. Ich horchte auf. Andere? Es gab noch mehr von denen? ,,Sag ihnen, sie sollen besser aufpassen! Genau wie du! Die spionieren dir schon hinterher. Ich hab keine Lust dich oder (in dem Moment knallte es… Das Gewitter hatte uns erreicht!) umbringen zu müssen, nur weil ihr zu inkompetent seid heimlich zu töten!“, beendete er den Satz. Anton nickte ein weiteres Mal. Das reichte als Beweis! Jetzt mussten die beiden nur noch verschwinden und wir könnten es der Polizei melden! Die würde die Stimme schon erkennen! ,,Was ist das?“, schrie der ältere plötzlich. ,,Scheiße!“, fluchte Lucy leise. Und jetzt sah ich es auch. Er hatte das Diktiergerät entdeckt! Wutentbrannt trat er darauf bis es in unseren Ohren schrillte. So schnell wir konnten zogen wir die Kopfhörer aus. ,,Wir müssen hier weg!“, flüsterte Lucy ängstlich. Ich konnte ihr nur zustimmen. Langsam fielen die ersten Tropfen. ,,Ich würde euch vorschlagen, dass ihr einfach rauskommt! Ich glaube, dass alles hier ist ein großes Missverständnis!“, schrie der Mann laut. Er machte Anton ein Handzeichen, dass er in die andere Richtung laufen sollte. Der Mann starrte direkt in unsere Richtung! Wir mussten darauf warten, dass er nicht hinsah! Stattdessen griff er jedoch zu seiner Pistole. ,,Wenn ihr nicht sofort rauskommt, dann bekommt ihr Probleme! Ich kann nämlich echt gut zielen!“, rief der Mann spöttisch. Im selben Moment knallte es ein weiteres Mal über uns und Lucy und ich zuckten zusammen. Der Mann sah kurz zum Himmel auf. Wir ergriffen die Chance und rannten was das Zeug hielt. Der Mann hatte unsere Bewegung sofort wahr genommen und feuerte zwei Schüsse auf uns ab. Er verfehlte. Mit Todesangst geplagt rannten wir zickzack durch den Wald um den Mörder und Anton abzuschütteln. Inzwischen regnete es in Strömen und der Waldboden wurde immer rutschiger. ,,Bleibt stehen oder der nächste Schuss trifft!“, schrie der Mann wütend. Wir dachten keine Sekunde daran stehenzubleiben. Er war uns so dicht auf den Versen, dass ich meinte seinen kalten Atem in meinem Nacken zu spüren. Es war klar, dass ich mir das nur einbildete! Es musste der Wind sein. Aus Reflex drehte ich mich einmal um und erkannte wie die beiden immer näher kamen. Lucy entfuhr ein Schrei und mit einem Mal lag sie auf dem Boden. Sie war ausgerutscht! Ich zog sie am Arm nach oben. ,,Los weiter!“, drängelte ich. Sie richtete sich so schnell sie konnte wieder auf und setzte unseren Sprint fort. Der Mann hinter uns fluchte uns immer wieder Sachen zu, doch wir konzentrierten uns nur aufs Überleben. Lucy blieb hinter einem dicken Baum stehen und ich stellte mich zu ihr. Der Mörder hatte nicht gesehen, wo lang wir gegangen waren blieb jedoch in der Nähe stehen. ,,Ich hab mir den Knöchel verstaucht!“, klagte Lucy flüsternd. Das Rennen tut total weh! ,,Ich stützen dich!“, flüsterte ich. Der Mörder hatte uns den Rücken zugekehrt und richtete die Waffe auf die entgegengesetzte Richtung. ,,Komm!“, sagte ich. Lucy legte ihren Arm auf meine Schulter und wir versuchten weiter zu rennen. Mit einem Ruck drehte er sich um und schoss in unsere Richtung. Ich sah ihm für ein paar Sekunden in seine eiskalten Augen und musste augenblicklich frösteln. Für einen Moment fühlte es sich an, als würde alles in Zeitlupe geschehen! Die Kugeln flogen an uns vorbei. Eine traf einen Baum, der Augenblicklich anfing zu erzittern. Die andere in den Boden. Unsere Kleidung war komplett durchnässt und Lucys Haare klebten ihr im Gesicht. Sie umklammerte voller Angst meine Schulter. Wir rannten weiter. So schnell wir konnten. Und dann erreichten wir das riesige Rapsfeld. Ich folgte eine Weile unserer alten Spur, dann bog ich in die andere Richtung ein. Ich setzte Lucy auf den Boden und mich daneben. Das Raps war so hoch, dass wir uns darin verstecken konnten! Ich hoffte nur, der Mann und Anton würden der falschen Spur folgen. Als die beiden den Waldrand erreichten hörten wir plötzlich wieder den Bauern rufen. ,,Macht das ihr von hier verschwindet!“, schrie er wütend. Sie schienen sich keinen extra Ärger mit dem Mann einfangen zu wollen und liefen davon. Wir warteten noch ein paar Minuten ab, bis wir uns sicher waren, dass keiner mehr da war. Dann zogen wir unsere Anzüge aus, unter denen wir unsere normale Kleidung hatten. Da wir nicht genau wussten, wer der Mörder war, war die Gefahr zu groß, dass er uns mit den Anzügen sehen könnte! ,,Und die Rucksäcke?“, fragte ich beunruhigt. Lucy zuckte mit den Schultern. ,,Ich weiß nicht…“ Als wir das Feld verließen, stützte ich sie wieder. Auf einmal klopfte sie an die Hütte des mürrischen Bauern, welcher kurz darauf die Tür aufriss. ,,Was machen du denn da?“, fragte ich verwirrt. Sie antwortete nicht. Der Mann fragte nur: ,,Was ist? Was wollt ihr?“ ,,Könnten Sie bitte so freundlich sein und diese Rucksäcke bei sich aufbewahren? Wir waren wandern und jetzt habe ich mich verletzt! Es tut so schrecklich weh und die Rucksäcke machen alles noch viel schwerer!“, klagte Lucy. Auf einmal sah der Mann uns mitleidig an. ,,Aber natürlich! Stellt sie nur hier rein! Ihr könnt sie bald wieder abholen! Braucht ihr sonst noch was? Ein Hanftuch vielleicht?», lächelte er. ,,Nein nein, vielen Dank!“, bedankte sich Lucy. Der Mann nickte nur und schloss die Tür wieder zu. Ich sah Lucy respektvoll an. ,,Wow! Gute Idee!“ ,,Du kannst ja schlecht nach einer Verfolgungsjagd mit Anton, bei der du den Rucksack aufhattest, mit dem gleichen Rucksack zurück ins Internat, geschweige denn in dein Zimmer gehen! Apropos, Anton darf auf keinen Fall Verdacht schöpfen, dass wir das waren! Also verhalt dich ganz normal ihm gegenüber!“, meinte Lucy. ,,Leichter gesagt als getan!“, murmelte ich.
Im Internat war alles wie immer! Keiner sah uns besonders auffällig an, dennoch hatten wir total angst! Nach dem Abendessen in der Mensa, welches wir hinunterwürgten, da es noch dazu komplett versalzen war, gingen wir zurück in unser Zimmer. Ich versuchte Anton so anzusehen wie sonst auch und legte mich daraufhin in mein Bett. Wenn Bryan bloß hier wäre! Immerhin befand ich mich gerade alleine in einem Zimmer mit einem Mörder!
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