CHAPTER NINE ─── the potions warder
- ───── ✧・゚: *✧・
Marigold Aberdeen
♫
honey — Halsey
AUF DEM INNENHOF DES GLOCKENTURMS liefen gelb-schwarz eingewickelte Gestalten ihnen entgegen, die Taehyung schon aus der Ferne als, wie auch anders zu erwarten, seine befremdlich bienenhaft aussehenden Freunde erkannte.
Über das Schloss war bereits die frühe Nacht eines sterbenden Septembers eingebrochen und hatte sich wie ein schützender Mantel um sie gelegt. Abertausende Lichter erhellten die Burg und warfen warme, orangene Strahlen auf die erstillte Oberfläche des Schwarzen Sees.
Nach der zehnstündigen Zugfahrt, deren Ankunftszeit in Hogsmeade sich erheblich verschoben hatte, weil das Muggel'sche Transportäquivalent aufgrund von zu obliviierenden Passagieren vor Edinburgh ihre Gleise blockiert hatte, meldeten sich seine versteiften Beine bei jedem Schritt mit einem müden Ziepen zu Wort. Die Reise hatte ihn mehr gebeutelt als er zugeben mochte, und Taehyung wollte nicht pessimistisch sein, aber allem Anschein nach würde er nicht wie erhofft alsbald in sein Federbett fallen und den Rest dieses trüben, zähen Sonntags verschlafen können.
„Einen Tag weg", stieß er seufzend hervor, sein Atem ein graues Wölkchen in der fröstelnden schottischen Abendluft, missmutig den sachten Hang hinauf trottend und skeptisch die Kleiderauswahl seiner Freunde begutachtend, „und alles geht den Bach runter."
Jeongguk lachte rau auf, den Kopf in den Nacken gelehnt, die Hände in der Bauchtasche eines dunkelblauen Pullovers versteckt. Er beäugte die Hast, mit der Seokjin und Laurent auf die spät eingetroffenen Neuankömmlinge zustürmten, mit gediegener Neugierde, die sodann verfliegen musste, als die beiden einen schlitternden Halt vor ihnen einlegten und aus Laurent eine Salve aus atemlosem Französisch hervorbrach.
„Taehyung...", keuchte er, die Hände auf die Knie gestützt, der Marsellais in seiner abgehetzten Stimme so präsent, dass selbst Taehyung Schwierigkeiten hatte, dem einzigartig abgehacktem Rhythmus zu folgen. „Monsieur Yves... er ist... heute eingetroffen... Kutsche... Abraxaner..."
Schlagartig trocknete Taehyungs Mund aus. „Was?"
„Wir wollten's dir früher sagen", stöhnte Seokjin, der sich die Seiten rieb und mit vor Schmerz verzerrter Miene—waren das gelb-schwarze Malereien auf seiner Wange?!—zu Jeongguk blickte, der offensichtlich diesen monumentalen Augenblick als den richtigen Zeitpunkt erkannte, vorm Übertreten der magischen Grenzziehung eine letzte Zigarette anzuzünden. Kopfschüttelnd schaute sein Vetter zurück zu seinem erstarrten Gegenüber. „Aber die Schule hat uns nicht erlaubt, eine Expresseule loszuschicken. Angeblich soll unten bei Edinborough eine ganze Warte von Ministeriumsabgesandten Vergessens-Zauber an Non-Magiques gewirkt haben, die die Abraxaner am Himmel bezeugen konnten."
„Der Grund für unsere Verspätung, nehme ich an", nuschelte Jeongguk in seine hohle Handfläche hinein, während er versuchte, den Stängel zwischen seinen Lippen zu entzünden.
Seokjin trug eine Sorgenfalte zwischen den Brauen, die verlauten ließ, dass auf den unsachgemäßen Gebrauch von Non-Magiques-Artefakten auf Schulgelände die Höchststrafe stand, aber er schien sich im letzten Moment eines Besseren zu besinnen und äußerte sein Missfallen nur in einem Kopfschütteln.
„Hat nach dir... gefragt", warf Laurent ein, dessen Lunge bereits besorgniserregende Pfeiflaute ausstieß. „Und wegen... fuck, alles dreht sich, deines... Vaters-"
„Was ist mit meinem Vater?", keuchte Taehyung tonlos. Eine archaische Angst flutete seinen Körper; spülte mit tosender Vehemenz die Erschöpfung aus seinen bis zum Bersten versteiften Muskeln und hinterließ nichts als beißende, schwächliche Beklemmung.
Das Inquisierungsverfahren. Sein Atem stockte. Er hatte im Trubel des gestrigen Nachmittags vollkommen vergessen, was den reinblütigen Zaubererfamilien auf der anderen Seite des Ärmelkanals bevorstand, und die Tatsache, dass Laurent es für nötig erachtete, seinen Vater zu erwähnen, sprach Bände. Eine brennende Kälte sickerte quälend langsam durch seine Synapsen, fraß sich wie ein lähmendes Gift durch jede noch so kleine Nervenbahn.
Er nahm am Rande seiner bis zum Anschlag feindlich beanspruchten Wahrnehmung wahr, wie Seokjin noch einmal ungeduldig den Kopf schüttelte.
„Das ist jetzt nicht so wichtig", zischelte er, ihren Kindheitsfreund mit vorwurfsvollen Blicken bearbeitend, fast so als hätten sie sich vorher schon über die Nichtigkeit dieser kleinen Information in die Haare geworfen; bei Laurents verständnislosem Blick keine unwahrscheinliche Vermutung. „Hauptsache ist, dass du sofort reinkommst und Monsieur Yves aufsuchst. Wenn wir Glück haben, diniert er noch mit dem Kollegium."
Die Jungs hatten Mühe, mit ihm mitzuhalten, denn Taehyung preschte ohne zu zögern los. Ihre Fußschritte hallten in einer dissonanten Kakophonie durch den steinernen Innenhof, der außer ihnen zu dieser späten Uhrzeit nur von einem nistenden Eulenpärchen auf der Spitze des Glockenturms besucht worden war. Taehyung konnte den eigenen Herzschlag in den Ohren hören; er rief nach Hause, und erhielt endlich eine Antwort. Ihm zog sich die Brust vor geballter Sehnsucht zusammen, die sich nur enger und enger zuschnürte, als Seokjin aufholte und atemlos neben ihm das Foyer stürmte.
Er warf ihm nur einen kurzen Seitenblick zu. „Warum siehst du aus wie eine Biene?"
Seokjin japste. „Hufflepuff-Training", stieß er atemlos hervor. „Du solltest die anderen sehen. Seit du weg bist, drehen alle am Rad."
„Ich war nur einen Tag fort!"
„Hah, du unterschätzt deinen Einfluss gehörig!" Sein Vetter schlitterte, mähte auf ihrer halsbrecherischen Hetzjagd in der Empfangshalle beinahe eine Slytherin-Drittklässlerin um, die die Dreistigkeit besessen hatte, ihre Wege gekreuzt zu haben, und schnitt dann eine gequälte Grimasse. „Jimin hat angefangen, weiße Katzen zu jagen. Allmählich glaube ich, dass die ihm auf Durmstrang nicht nur den Arm amputiert haben."
„Er... was?"
Erst schien Seokjin abzuwägen, wie wichtig es sein konnte, ihn zwischen Tür und Angel in den geistigen Irrgarten ihres Freundes einzuschleusen, dann besann er sich offensichtlich eines Besseren und schüttelte nur entschieden den Kopf. „Später. Erst musst du Monsieur Yves treffen."
Sie stemmten die schweren Flügeltore zur Großen Halle nur so weit auf wie nötig, damit Taehyung sich durch den aufgetanen Schlitz in die orange geflutete Heimeligkeit des Saales zwängen konnte, aus der der Duft von warmen Kürbispasteten und karamellisiertem Obst waberte. Verzerrte Fratzen waren in die Reifen verzauberter Kürbisse geschnitzt worden, die unter der Decke schwebten und geradezu hämisch belächelten, wie zerstreut Taehyungs Augenmerk durch die Halle zuckte, um Kerzenlicht und magische Festtagsdekor nach Vertrautheit zu sondieren.
Er meinte zu erstarren, als er eine bemantelte, hochgewachsene Anomalie im Kollegium ausmachte, die sich trotz eingefallener Wangen und dürrer Schultern mit mehr Anmut hielt als seine robentragenden Kollegen.
Sein ebenholzbraunes, gekringeltes Haar war von silbernen Strähnen durchzogen, die ihm aus nächster Nähe in den ewigen Monologen über höfische Etikette nie so eklatant aufgefallen waren wie aus der Ferne, und streng zurückgebunden, wodurch seine schiefe Adlernase umso gezackter aus seinen Gesichtszügen hervorstach. Taehyungs Herz zog sich unwillkürlich vor Wehmut zusammen. Monsieur Yves war sein Mentor gewesen, der Patron seines Jahrgangs, die ersten Paar Arme, die ihn in ihre schützende Mitte gezogen hatten, nachdem Sangook gestorben war, und er sah älter aus als er sich erinnerte.
Das Zeugnis seiner eigenen Ignoranz kam einer beschämenden Ohrfeige gleich. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass der Krieg nicht nur in den Schülersälen gewütet hatte, und jetzt stand sein eigener Lehrer in Fleisch und Blut vor ihm und sah aus wie eine staubige, abstrakte Hülle seiner Selbst.
Taehyung sah Hoseoks Kopf—heute honiggelb—überrascht aus seinem Augenwinkel in die Höhe zucken, als er seine Freunde und Jeongguk zurückließ und den Tisch der Hufflepuffs und Gryffindors geradlinig ablief, um mit festen Schritten auf das Lehrerpodest zuzuhalten. Sein entschiedener Gang erfuhr einen erheblichen Dämpfer, als sich eine Traube von Vertrauensschülern aus ihrer Standardformation vor dem Rednerpult auflöste und den Blick auf drei Figuren vorgab, die ihm zuvor gekommen waren.
Zu seiner heillosen Verwunderung stand Hufflepuffs Bienenkönigin Marigold Aberdeen vor seinem ehemaligen Professor, der wirkte, als wäre er von seinem Vorhaben, die Tafel zu verlassen, jäh abgefangen worden. Eine Kaskade aus braunem, glänzendem Haar wippte bei jedem Mal auf und ab, wenn sie ihr überraschend angeregt scheinendes Gespräch mit Genicke untermalte, und Taehyung spürte seine Zielstrebigkeit erlahmen, als er seinen Blick nur einen Meter weiterschweifen ließ.
Das durfte nicht wahr sein.
Niemand Geringeres als Antoine Carpentier und Mister Nicholas Balcombe waren in ein Gespräch mit dem Schulleiter verwickelt, das ganz und gar nicht so viel Heimtücke verlauten ließ wie Taehyung ihnen in der zwielichtigen Schummrigkeit der Nokturngasse angelastet hatte.
Verblüfft öffnete er den Mund, doch kein Ton kam heraus; auch dann nicht, als Mister Balcombe einen Moment lang dieses typisch überhebliche Halbgrinsen über den grauen Haarschopf von Monsieur Dumbledore hinweg in seine Richtung flackern ließ. Erst im nächsten grässlich langen Augenblick realisierte Taehyung, dass es nicht ihm gewidmet war.
Jemand rauschte an ihm vorbei, mit so viel Eleganz wie nur wenige sie in dieser kalten Burg innehielten, und Taehyung schaute sprachlos zu, wie Genevieve Balcombe geradewegs auf den Leiter für internationale magische Zusammenarbeit zuschwebte, um ihn äußerst un-britisch mit mehreren Küsschen auf die Wangen zu begrüßen.
Er spürte seine Schultern in die Tiefe sacken. Das Mädchen mit dem heraldischen Pelzumhang und den dunklen Katzenaugen, das ihn gestern Morgen auf eigene Einladung hin zum Bahnhof nach Hogsmeade begleitet hatte, musste die Tochter dieses Mannes sein.
Ein schaler Ärger brodelte in ihm hoch, nicht so lange, um Fuß in seiner flauen Magengegend zu fassen, aber warm genug, um ein intensives Schamgefühl loszutreten: darauf hätte er viel, viel früher kommen müssen, und nicht nur jetzt, weil ihm die Antwort auf seine vage Vermutung auf dem Silbertablett präsentiert wurde.
„Taehyung?"
Es war Namjoon, der auf seine Schulter getippt hatte; so vorsichtig, als hätte es ihm widerstrebt, Taehyung aus seinem Tagtraum herauszureißen. Seokjin, Laurent und Jeongguk schlossen bedeutend gesitteter zu ihm auf, wobei Letzterer bereits das Augenmerk zu derjenigen Ecke des Saals wandern ließ, in der seine Fankurve seine Wiederkehr gebührend feierte.
Namjoon schob beflissen seine Hornbrille hoch, dann zog er die Augenbrauen in die Höhe. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."
Verständnislos blickte Taehyung ihn an. „Was?"
Namjoon blinzelte, dann fing er sich. „Oh, äh, ich meine damit, dass du dich setzen und essen solltest, eure Reise muss lang gewesen sein."
„Das geht nicht, ich muss zuerst zu Monsieur Yves", entgegnete Taehyung eine Spur zu schroff und verrenkte sich den Nacken, um einen Blick auf seinen Lehrer zu riskieren—nur, um mitanzusehen, wie dieser von der ersten Welle an Abendessenabgängern abgetragen wurde.
„Nein", entkam es ihm atemlos, und es sollte ihm peinlich sein, wie viel von dieser abscheulichen Verlustangst ihn durchzuckte, doch Taehyung konnte nicht anders, als unmittelbar einen Fuß nach vorne zu setzen, um die Verfolgung aufzunehmen.
Verlier ihn nicht noch einmal, wisperte die Stimme in seinem Hinterkopf, die immer schwer vor Angst und Sorgen war. Schaust du zurück, wird alles verloren sein.
Eine Hand grub sich in seinen Unterarm, zu bestimmt um zu dem sanftmütigen Namjoon zu gehören, und Taehyung geriet nur ins Hadern, weil Professor McGonagalls strengzügiges Gesicht lähmend wirkte. Sie musste gerade vom Abendessen aufgebrochen sein und trug eines dieser schmalen Lächeln auf den Lippen, das immer genau zu wissen schien, was ihre Schüler ausheckten, und sich zu gut mit dem Bedauern in ihren wässrig grünen Augen verstand.
„Professor", hob Taehyung geradezu entschuldigend an, doch die alte Dame kam ihm zuvor.
„Professor Yves ist müde, Mister Kim", fuhr sie ihm über den Mund. „Wie Sie sicherlich auch. Er wird morgen auch noch bei uns zu Gast sein."
Bei jeder anderen Lehrkraft hätte Taehyung versucht, sich aus dieser Form von Bevormundung zu winden, doch der abwartende Ausdruck in Professor McGonagalls mitfühlendem Blick lauerte auf Gehorsam, nicht darauf, umgestimmt zu werden. Die Anhörung in ihrem Büro war kein Erlebnis, das er noch einmal ertragen wollte, geschweige denn dessen Konsequenzen er erneut schultern konnte.
Zwiegespalten schaute er zum Eingangstor, wo der breitschultrige Mann wie ein blau und golden bestickter Berg zwischen den Erstklässlern herausragte und sich immer weiter von ihm entfernte. „Aber es ist wichtig", versuchte er es erneut, mit der seufzenden Kapitulation eines Verlierenden in der Stimme, und der Klammergriff der Lehrerin lockerte sich eine Winzigkeit.
„Es wird auch noch morgen wichtig sein." Sie schenkte ihm ein flaches Lächeln, in dem Taehyung wenig Trost fand, und studierte sein Gesicht, bis er sich geschlagen gab und still nickte. „Nun denn", schloss sie zufrieden. „Sie haben sich in der Winkelgasse einen neuen Zauberstab beschaffen, will ich hoffen?"
Taehyung kam sich vor wie ein zum Nachsitzen verdonnerter Schüler, während er geistlos nickte. Er sah Namjoon abtreten und zurück zur Langtafel seines Hauses gehen, und erst danach teilte er vorsichtig die Lippen; das Bedürfnis, sich irgendjemandem mitzuteilen zu brennend, um all die prickelnden Worte auf seiner Zunge herunterzuschlucken. „Da war...", begann er langsam, den Blick auf den orange beflackerten Steinboden unter sich gerichtet. Er bemerkte in seinem Augenwinkel, wie Seokjin und Laurent sich näher zu ihnen schoben. „In der... in der Gasse, Professor, wir..."
„Machen Sie mir nicht weis, Jeon hätte mein Vertrauen missbraucht und dem armen Tom im Tropfenden Kessel Überstunden aufgebrummt", scherzte Professor McGonagall mit einer schneidenden Schärfe, die wortlos Rechnung dafür trug, sich trotz ihrer Belustigung nicht zu schade dafür zu sein, ihrem Schüler noch einmal eine ähnlich exorbitante Strafarbeit aufzudrücken.
„Professor", empörte sich Jeongguk wenig überzeugend, wieder das altbekannt schelmische, träge Halbgrinsen tragend, das er immerzu in dieser Halle aufsetzte, und Taehyung schüttelte barsch den Kopf.
„Nein, es... es ist etwas Anderes, wir glauben, etwas... gesehen zu haben-"
Entweder war Professor McGonagall unsagbar desinteressiert an seiner Beobachtungsgabe oder sie verstand sich exzellent darin, die Unwissende zu spielen. „Ich bin mir sicher, dass es in London viel zu sehen gab."
„Was genau suchen Mister Balcombe und Monsieur Carpentier hier?", platzte es aus ihm heraus.
Jeongguk entwich ein leises „Sehr subtil", doch Professor McGonagall schien entgegen seiner Erwartungen auf eine solche Reaktion gefasst gewesen zu sein. „Die Angelegenheiten von Hogwarts haben Sie nichts anzugehen, Kim."
„Mit Verlaub, Professor, und ob, wenn sie Frankreichs Ausgangssperre betreffen", beharrte Taehyung. „Bedeutet das, wir können bald zurück?"
„Ich bin nicht befugt, über die Sicherheitsmaßnahmen des Ministeriums zu entscheiden."
„Aber befugt genug, um ihre Abgeordneten durch Hogwarts paradieren zu lassen."
Taehyung hielt dem warnenden Blick mit Einfachheit stand, mit dem sie ihn taxierte. Der fast schon mütterliche Sanftmut war aus ihren Zügen gewichen und erst sein Entzug offenbarte die eiserne, vertraute Strenge, die für gewöhnlich darunter lag.
Endlich, dachte Taehyung bei sich. Diese zuvorkommende Fürsorglichkeit befremdete ihn mehr als dass sie ihn wirklich beruhigt hatte.
Als die Intensität in ihren scharfen Augen begann, unter seine Haut zu kriechen, straffte er seine Schultern. Und wenn schon, redete er sich stur und verärgert ein, was kann sie dir schon anhaben? Schmeißen sie dich raus, tun sie dir nur einen Gefallen
Ihr schien der seltene Sinn von Humor verflogen zu sein, daher gab er sich keinerlei Mühe, um den heißen Brei herumzureden. „Da ist etwas", beharrte er fest und ohne ihren forschen Blickkontakt zu unterbrechen. „Ich habe etwas gesehen, etwas gehört, und ich muss darüber sprechen, sei es mit Ihnen oder Monsieur Yves oder Monsieur Dumbledore selbst, es ist von absoluter Dringlichkeit, es betrifft die Sicherheit unserer Schulen."
Er bildete sich nicht ein, dass es Misstrauen war, das in ihrem Antlitz aufblitzte; nicht an seiner Ehrlichkeit, sondern an sich selbst, an seinem Mitwissen, und Taehyung spürte einen Schwall von perverser Genugtuung in sich aufkommen, weil er doch im Recht lag. Eifrig öffnete er den Mund. „Ich bin nicht der einzige, der dort war", schloss er, „Jeongguk kann es bezeugen."
Jetzt flackerte ihr Adlerblick an ihm vorbei, mit einer tödlich abwartenden Präzision zu Jeongguk hinter ihm, und sie zog eine ihrer schmalen, gezupften Augenbrauen so hoch, dass er befürchtete, sie würde jeden Moment unter der Krempe ihres Huts verschwinden. „Nun denn, Mister Jeon?", verlangte sie noch immer skeptisch klingend zu wissen. „Ich bin ganz Ohr."
Als nach einigen Sekunden der schweren Stille nichts kam, drehte auch Taehyung sich ungeduldig zu Jeongguk um.
Der Junge mit den unzähmbaren schwarzen Locken hatte nichts Besseres zu tun, als auf seinem Lippenpiercing herumzukauen und Taehyungs fordernden Blicken auszuweichen. Ein ungutes Gefühl fasste in Taehyungs Magengegend Fuß, als er schlussendlich doch den Mund öffnete—nur nicht das sagte, was Taehyung wirklich hören wollte.
„Sie kennen die Nokturngasse, Professor", atmete Jeongguk so überraschend vage aus, dass es Taehyung die Sprache verschlug. „Allerhand... dubioser Gestalten."
„Ich benötige keine Auffrischung meiner Erinnerungen an diesen Ort, danke."
„Nein, es war... düster. Und regnerisch. Vielleicht sind es auch andere Leute gewesen, die wir gesehen haben."
Wortlos öffnete Taehyung den Mund, doch Jeongguks Rehaugen streiften sein erstauntes Gesicht nur für einen Sekundenbruchteil, zu kurz um Bedeutung aus seinen braunen Iriden zu entladen, ehe er zurück zu seiner misstrauisch dreinblickenden Hauslehrerin sah. „Keine Ahnung", schloss er unnötigerweise noch einmal, ausatmend. „Hätte jeder sein können. Bin ich jetzt von meiner Strafarbeit entlassen?"
„Und das ist alles, was Sie mir sagen wollen, Jeon?"
Kurz zögerte Jeongguk. Dann nickte er. „Ja, Professor. Mehr habe ich nicht gesehen."
Professor McGonagall musterte ihn einige kritische, zweifelnde Herzschläge länger—Momente in denen Taehyung hoffte, irgendetwas würde geschehen—bevor sie mit flachem Mund zustimmte. „Das sind Sie. Und Sie auch, Kim. Gehen Sie zurück in Ihre Schlafsäle, Ihre kleine Exkursion ist keine Entschuldigung dafür, den Unterrichtsstoff zu vernachlässigen oder über ernsthafte Ministeriumsangelegenheiten zu fantasieren. Ich erwarte Sie beide morgen in Ihren Kursen."
Es fiel Taehyung schwer, in dieser Nacht Schlaf zu finden. Die Holzlatten knarrten bei jedem Mal, wenn Jimin sich im Bett über ihm rastlos hin und herwälzte (und dabei weiße Katzenhaare abklopfte, die allesamt auf Taehyungs Bett niedersegelten), und auf der anderen Seite des kreisrund angeordneten Turmzimmers drang leises, friedliches Schnarchen zu ihm herüber. Tommaso hatte bis weit nach Mitternacht noch im Schein seines Zauberstabs an einem Aufsatz für seinen Wahrsagen-Kurs gefeilt, doch jetzt, wo all seine Freunde schliefen, fühlte Taehyung sich einsamer denn je zuvor.
Herbstwinde pfiffen eisig gegen die Fensterscheiben, tauchten den Rest des Schlosses unter seinen Füßen in ein blaues, gespenstisches Licht; genauso unzähmbar wie deine zerstreuten Gedanken, die lassen sich auch nicht einfangen.
Leise raschelte das Laken, als er seine Hände hinter dem Kopf verschränkte und tief durchatmete. Das Wissen, dass einer seiner engsten Vertrauten im selben Schloss nächtigte, hielt ihn wach, die Sorgen rund um seine Familie in Frankreich nach dem Ministeriumsgesuch wühlten sein Herz auf, doch es war der hinterlistige Gedankengang, dass etwas in Hogwarts ganz und gar nicht mit rechten Dingen zuging, der ihm Schlaflosigkeit bescherte.
Und wenn schon, hielt die leise, vorwurfsvolle Stimme in seinem Hinterkopf seinen Grüblereien entgegen. Wen kümmert es, was er zu sagen hat?
Jeongguk war der einzige gewesen, der neben ihm bezeugen konnte, was sie in der Nokturngasse erlebt hatten.
Blutsverräter bleiben Blutsverräter, du bist doch nicht wirklich überrascht, oder?
Taehyung sah einige Augenblicke zum Lattenrost hinauf, bevor er sich, still vor seiner eigenen Logik kapitulierend, auf die Seite drehte und einen Arm unter seine Wange schob.
Vielleicht war es irgendeine kindlich ersonnene Form von Rache; Rache dafür, ihm das Auswahltraining für seine Quidditchmannschaft vermasselt zu haben.
Sein Blick fiel nebensächlich auf die petrolfarbene Schatulle seines neuen Zauberstabs, die im schummrigen Mondlicht gräulich schien und auf seinem aufgeschlagenen Buch für Verteidigung gegen die Dunklen Künste drapiert war. Nachlässig lugten die schützenden Seidenverschläge unter der Öffnung hervor, und einen Augenblick lang spielte Taehyung mit dem Gedanken, sich den Stab zu schnappen und ihn in der nächtlichen Verlassenheit des Gemeinschaftsraumes auszutesten, bevor er am nächsten Morgen seine ersten Kurse der Woche besuchen würde.
Vielleicht könnte er sich irgendeine Entschuldigung, eine glaubwürdige Ausrede aus dem Ärmel schütteln, weshalb er eben nicht morgen früh zwei Stunden lang in Monsieur Binns Geschichte der Zauberei schwelgen konnte; vielleicht würde er schlussendlich doch schweren Herzens auf das Angebot des Zaubereiministeriums zurückkommen und ihnen Zeit für das Exklusivinterview einräumen, nach dem sie seit Beginn des Monats heischten.
Je mehr du über das Ministerium weißt, rief er sich konzentriert in Erinnerung, schon wieder unruhig die Seiten wechselnd, desto besser. Gib dich solange mit ihnen ab, bis sie dir aus der Hand fressen.
Weil Balcombe auch wie der Typ erscheint, der vor dir kuscht, fügte Taehyung seinen Überlegungen beinahe spöttelnd hinzu—und stieß sich dann den Kopf am Lattenrost, als er sich im nächsten Moment ruckartig aufsetzte.
Leise fluchend hielt er sich die Stirn, doch das schnelle, aufgeregte Herzklopfen in seinen Ohren überwog das dumpfe Schmerzensecho oberhalb seiner Augenbrauen.
Die Antwort lautete Genevieve Balcombe. Die katzenäugige, anmutige Tochter des Leiters für magische internationale Zusammenarbeit könnte Türen für ihn öffnen, die sich ihm bisher im Irrgarten seiner Konfusion nicht einmal aufgetan hatten. Atemlos schaute Taehyung in die Dunkelheit, stützte die Hände hinter sich ab. Natürlich—Alles, was er tun musste, war, sie näher kennenzulernen. Und wie das Schicksal wollte, hatte sie ihm bereits die perfekte Vorgabe geliefert, mit ihr Bekanntschaft zu schließen.
Eine feine Nebelschwade schwebte über den Zinnen und zwischen den Türmen von Hogwarts, als Taehyung sich beim nächsten Morgengrauen ein weißes Hemd überwarf, den Gürtel seiner Hose zuzog und noch im eiligen Beschreiten der Wendeltreppe hinunter zum Gemeinschaftsraum die Stoffenden unter den Bund schob. Ein paar wenige Schüler kreuzten ihn auf seinem Weg herunter zum Erdgeschoss, und die bestiegen zittrig die Treppenstufen, sodass Taehyung bei sich annahm, sie kämen gerade von einer äußerst erfolglosen Astronomie-Stunde.
Ausnahmsweise verhielten sich die verzauberten Treppen an diesem grauen Montag nicht wie von gemeingefährlicher Poltergeister-Hand kontrolliert, sondern ebneten ihm geradezu problemlos den Weg hinunter zur Großen Halle, aus der bereits der aromatische Geruch von gebratenem Speck und Rührei waberte. Bevor Taehyung sich von der Aussicht eines einsamen Frühstücks verlocken lassen konnte, war er bereits scharf hinter der letzten Treppe abgebogen, steuerte er doch einen gänzlich anderen, desolat erscheinenden Trakt des Schlosses an.
Aus Hoseoks trockenen Monologen über die Hogwart'sche Hierarchie und Geschichte des Schlosses hatte sein Gehirn wundersamerweise die beiläufig gestreute Randinformation herausgefiltert, wo sich die Schlafsäle des in Ungnade gefallenen Hauses befanden.
Es erschien ihm höchst morbide, eine ganze Division von Schülern in die Kerker zu verfrachten und immer noch zu behaupten, es herrsche keine Bevorzugung im Kollegium—doch dann, wenn Taehyung bei sich dachte, machte herzlich wenig in dieser Burg, ob logistisch oder gesellschaftlich, wirklich Sinn, und er verwarf seine voreingenommenen, nachlässig getroffenen Überlegungen wieder. Wenn er Glück hatte und seine Planungen nicht im Sande verliefen, würde er die schottischen Gepflogenheiten sowieso alsbald lossein.
Seine zielstrebigen Schritte prallten einsam von den feucht aussehenden, massiven Steinwänden ab, die das heitere Geplänkel von Besteck und Geschnatter aus dem Großen Saal am Ende desselbigen Schlossflügels wie ein schwarzes, hungriges Loch verschluckten.
Kein Wunder, dass jeder aus diesem Haus immer so grimmig dreinschaut, dachte Taehyung im Schein einer Kugellampe, die im Spalt einer unverputzten Wand eingemeißelt war, wenn sie neben den Ratten nächtigen.
Der unterirdische Trakt des Schlosses erstreckte sich—zu seiner naiven Überraschung—über ein längeres Areal als angenommen. Taehyung hatte Mühe, sich in der schummrigen, vom Kerzenlicht unterhaltenen Dunkelheit zurechtzufinden. Er meinte, vage lokalisieren zu können, dass sich der Klassenraum für Zaubertränke, Schottlands weniger ambitionierter Abklatsch von Alchemie, in nächster Nähe dieses Schlossabteils befand, doch im morgendlichen Zwielicht sah jede braune Holztür auf unzeremoniellste Weise gleich aus, und er ließ sich zumeist eher von den Scharen seiner Kurse mittragen als aktiv aufzupassen, wohin ihn der Strom überhaupt führte.
Taehyung unterdrückte ein genervtes Seufzen und mäßigte sein Tempo, als er sich eingestehen musste, dass er besser zuhören hätte sollen. Was hatte Hoseok noch gleich über die Slytherins verlauten lassen? Schliefen sie unter dem Schwarzen See oder neben der Hauselfen-Küche?
Konzentriert hielt er, besah sich die beiden in ihrer Größe identischen Treppenaufgänge, und folgte dann zwecks mangelnder Alternativen—und einer gewissen Voreingenommenheit—dem düstereren, unscheinbareren; einem kuppelförmigen Viadukt aus Glas, in das ornamentierte Blumenmuster eingelassen oder gezaubert worden waren.
Irgendeine richtige Kurve musste er wohl gekratzt haben haben, denn Taehyung stieß mit neuer Zuversicht die nächsten beiden hölzernen Rundtore auf, nur um geradewegs in die wohl einzig andere wache Seele des Schlosses in diesen frühen Morgenstunden hineinzulaufen.
„Verzeihung", rief sie aus, bevor sie ihn überhaupt erkannt hatte, und Marigold Aberdeen besaß die Unverfrorenheit, ihn lediglich überrascht aus ihren schläfrig schönen Augen anzublinzeln, die Augenbrauen nur so weit hinaufgezogen, um bezeugen zu können, dass sie nicht mit dieser Karambolage am Morgen gerechnet hatte.
Taehyung blieb wie angewurzelt stehen, und machte dann Platz, um sie passieren zu lassen.
„Pardon", entkam es ihm konzentriert, und Marigold festigte den Griff um ihre Bücher, die sie einhändig und gelassen vor sich hielt, bevor sie mit einem kleinen Nicken an ihm vorbei schwebte. Anscheinend präferierte sie auch die Vorzüge eines ruhigen Frühstücks. Ihre schlanken Finger kamen auf dem vergoldeten Türknauf zur Ruhe, und sie ließ sie einmal darauf trommeln, bevor sie sich noch einmal über die Schulter zu ihm umdrehte.
„Suchst du etwas?", fragte sie, und Taehyung blieb auf der untersten Stufe stehen, um zu dem Mädchen mit den glänzenden, seidig langen Haaren aufzuschauen.
Es lag keine pressierende Neugierde in ihrem Blick, keine alberne Verlegenheit, die ihm sonst im Übermaß zuteil wurde, wenn er sich zu alltäglicher Konversation hinreißen ließ, sondern dieses träge Interesse; als würde für ihn wie für alle anderen auch nur der minimalste Aufwand zum Interesse betrieben; als könnte ihr Fokus im nächsten Augenblick schon zu etwas anderem hüpfen, so flüchtig wie eine niedersegelnde Feder.
Vielleicht hatte sie sich deswegen gestern Abend mit seinem Professor verquatscht, weil das Hogwart'sche Geplänkel ihren Geist nicht mehr stimulierte.
Er musste ausgesehen haben, als wäre er im Inbegriff, jeden Augenblick auszuweichen, denn sie sprach frei heraus. „Die Große Halle liegt am anderen Ausgang des Treppenhauses, auf der Südseite des Turms."
„Ich weiß", antwortete Taehyung eine Idee zu schroff für die gelassene Freundlichkeit in Marigolds Stimme. Er bemühte sich um einen höflicheren Ton, und um eine erneute Herausforderung seines Glücks, das ihm heute Morgen warum auch immer ziemlich gewillt schien. „Ich gehe nicht zur Großen Halle. Eigentlich suche ich den Gemeinschaftsraum der Slytherins."
Marigold formte den Mund zu einem tonlosen Oh, bevor sie über ihn hinweg schielte und eine Schulter zuckte. Ihr schien auf der Zunge zu liegen, dass Fremdlinge nichts in den Quartieren anderer Häuser zu suchen hatten, doch sie überspielte ihre Verwunderung makellos. „Eine knifflige Aufgabe für den Morgen", erwiderte sie leise mit einem schwachen, schiefen Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. Taehyung glaubte, noch nie in ein so tiefes Braun geblickt zu haben. „Hinter der Kelpiestatue, gleich zwischen den Wandteppichen mit dem gesunkenen Schiff und dem Seemonster, musst du links abbiegen, nicht rechts, und dann dem Korridor folgen. Die Tür wird sich dir nicht öffnen, aber irgendwann werden sie wohl auch aufstehen... Und lass dich nicht von den Ritterrüstungen in der Vorhalle beirren, sie spielen den Unachtsamen gerne Streiche..."
Etwas überrascht von der bereitwilligen Fülle der Informationen blinzelte Taehyung. „Ah... danke." Er wollte sich umdrehen, doch dann bewog ihn irgendetwas dazu, trotz seiner Missgunst über die Ereignisse des gestrigen Abends auf dem Absatz seiner Schuhe umzukehren und ihr ein schiefes Schmunzeln zuzuwerfen. „Du bist doch nicht einmal aus diesem Haus, oder?"
Marigold umfasste ihre Studienbücher mit beiden Armen und kopierte den Zug um seinen Mund mit trägem Amüsement. „Gewiss nicht", erwiderte sie, wissend lächelnd. „Es gibt eine... gemeinsame Abkürzung zu meinem Gemeinschaftsraum, von der wir oft Gebrauch machen. Ach, und Taehyung?"
Taehyung sah erwartungsvoll noch einmal zurück, sodass er auf halber Strecke zwischen Marigold und der beeindruckenden Kelpiestatue aus Stein, ein Treppenplateau unter ihm, stehenblieb.
Sie öffnete und schloss ihren Mund, bevor sie die Lippen zu einer schmalen Linie verzog. „Ich wollte mich dafür entschuldigen, die Zeit deines Lehrers beansprucht zu haben, bevor ihr euch wiederbegegnen konntet."
Überrumpelt blinzelte Taehyung. „Ah", machte er, geistlos. Dann schüttelte er knapp den Kopf. „Nicht der Rede wert. Wir sprechen heute."
Marigold schien nicht überzeugt, doch sie nickte einmal. „Gut, dann..." Ihre üblich leise, sanfte Stimme verklang, und Taehyung wollte schon weitergehen, bevor wahlweise Ungeduld und Unwohlsein sich zwischen ihnen ausbreiten konnten, da ergriff sie noch einmal unverhofft das Wort. „Ähm, pass an der Treppe auf, sie ist etwas glitschig, Peeves hat sie vereist und bisher konnte noch kein Zauber gefunden werden, der den Fluch wieder aufheben kann."
Er hatte zwar nicht den blassesten Schimmer davon, wer dieser Peeves sein sollte und wie ein ganzes Kollegium aus studierten Meisterzauberern dermaßen inkompetent sein konnte, nicht einmal den Scherz eines randalierenden Schülers zu beheben, aber er versprach es ihr dennoch und rauschte im nächsten Augenblick die Stufen herunter, an der buckelnden Kelpiestatue vorbei und links ab, durch einen gewölbten, altertümlichen Steingang.
„Ah, sieh an, Laurie, ein Franzose!", gluckerte die erste Statue, die er beim Durchqueren eines offenes, gewölbten Tores passierte, und das Jammern ihres Freundes, einer gegenüberstehenden Rüstung, echote durch die Kellerwände.
„Das letzte Mal, dass ich einen verfluchten Franzmann gesehen habe, war im Krieg..."
„Das war vor zwei Jahrhunderten, Laurie, und du warst nicht einmal dabei. Körperlich, zumindest."
„Nicht der Krieg, ich spreche von dem, der mich vor fünfhundert Jahren den Kopf gekostet hat."
„Ach so..."
Taehyung blendete ihr Gezanke einfach aus und blieb mit wachsender Ungeduld vor der einzigen weiten Wand im Kerker stehen, die seines Ermessens nach groß und blank genug war, um hinter magischen Verwünschungen einen ganzen Schlaftrakt zu beherbergen. Abwartend suchte er die schieren, unverputzten Steine nach Indizien ab, die dafür sprachen, dass hinter ihnen die ersten Slytherins die verborgenen Räumlichkeiten frequentierten, doch es tat sich, wie auch anders zu erwarten, nichts.
Eine Viertelstunde verging, in der sich die Ritterrüstungen lauthals in die Haare bekamen darüber, wann der Hundertjährige Krieg zwischen den englischen und französischen Adelshäusern Plantagenet und Valois sein Ende genommen hatte, und Taehyung spürte allmählich seine Geduld schwinden—bis endlich Fußschritte ertönten, und zu seiner Überraschung die ersten Trauben von Slytherin-Schülern aus einem Gang am anderen Ende der Halle erschienen. Die urteilenden und verwunderten Blicke, die sie ihm dafür zuwarfen, eine leere Wand niedergestarrt zu haben, prallten einfach an ihm ab, sodass Taehyung einfach erduldete, wie ein verräterisches Hitzegefühl in seine Wangen ausfächerte.
Aufmerksam beobachtete er die Schülertruppen beim Vorbeiziehen, hielt Ausschau nach dem seidig schwarzen Haar, der grünen Markenzeichen-Brosche, mit der die Person seines Interesses die glatten Strähnen verzierte, dem Pelzkragen, und... da.
Taehyung ignorierte den überraschten Ausruf, den Genevieve Balcombe ausstieß, als er sie unvermittelt am Unterarm aus ihrer festen Formation von Freundinnen herauszog, und ließ sie erst dort los, wo sie etwas abseits der Schülermassen reden konnten.
Genevieve trug ein dunkelgrünes Barett, das er mit seinem dramatischen Auftritt wohl verrutscht hatte, denn sie nestelte unablässig daran herum und bedachte ihn dabei mit einer Mischung aus Verblüffung und Enervierung, bevor sie einmal beleidigt die Zunge schnalzte. „Dir auch einen guten Morgen", wollte sie meckern, doch Taehyung fuhr ihr über den Mund.
„Das Kräftemessen", beharrte er, und zwischen Genevieves Augenbrauen tat sich eine Steilfalte auf. „In Hogsmeade, mit den Kämpfen-"
„Den Duellierclub, meinst du", schlussfolgerte sie skeptisch.
„Genau." Taehyung benetzte seine Unterlippe mit der Zungenspitze. „Ich hab meine Meinung geändert, ich will dorthin."
Genevieve runzelte die Stirn und blickte einmal hinauf zu der Hand, mit der Taehyung sie von den neugierigen Blicken ihrer Freundinnenschar abgeschirmt hatte, sodass er seinen Arm zurückzog und diese stattdessen locker vor der Brust verschränkte. „Schön, aber das geht jetzt nicht", entgegnete sie dann, offenbar immer noch ein wenig zerstreut von der unvorhergesehenen Hektik dieses Morgens. „Die Treffen finden immer am letzten Samstag des Monats statt, und der war vor zwei Tagen. Im Oktober kann ich dich mitnehmen und vorstellen."
„Das ist zu spät", sagte Taehyung, und Genevieve seufzte ein leises, schwächliches Seufzen; eines, das versprach, dass er wie immer bekommen würde, was er wollte.
„Was willst du, das ich jetzt tue? Die Zeit zurückdrehen?"
„Stell mich dem Komitee vor."
„Ich-was?"
Taehyung nickte entschieden. „Dem Preisrichter, der oberste Spielemeister, wie auch immer ihr ihn nennt. Ich werde sie oder ihn überzeugen."
Zweiflerisch blickte Genevieve ihn an. „Dieser... Jemand hat nicht die Zeit, um dir Sonderregelungen einzuräumen."
„Ich duelliere ihn, wenn nötig."
Sie lachte einmal auf, ein hohes, süßliches Lachen, dem Wärme fehlte, dann atmete sie tief durch und stieß sich von der Wand ab. „Du meintest das ernst, ja? Schön, ich werde sehen, was sich machen lässt. Du scheinst ja ziemlich verzweifelt zu sein, wenn du so früh auf mich lauerst, was erhoffst du dir denn von deinem Gewinn?"
„Das werde ich mit ihm bereden", wich Taehyung knapp aus, und Genevieve machte ein spöttelnd beleidigtes Geräusch, ehe sie ihn am Handgelenk den Gang herunterführte, aus dem die allmählich abebbenden Schülermassen geströmt waren.
„Warte hierin", wies sie ihn an, und Taehyung betrat nur langsam vor ihr die leerstehenden Jungentoiletten, in denen das Geräusch der zufallenden Tür leise und blechern widerhallte, bis es verklang und vollkommene Stille Einzug hielt.
Mitten im octagonförmigen Raum stehend sah er sich um. Irgendwo tropfte ein Wasserhahn, der vermutlich nicht zugedreht worden war. Hinter den beiden kreisrunden, vergitterten Fenstern drang grünliches, schwaches Licht in das Gemeinschaftsbad, und er meinte hinter den dicken, milchigen Gläsern Algen oder Tang zu erkennen, der am Grund des Schwarzen Sees wuchern musste.
Langsam trat Taehyung an die Waschbecken heran, die unterhalb einer dreieckigen Spiegelfront kreisförmig nebeneinander aufgereiht waren. Mit den Fingern berührte er den echtsilbernen, tropfenden Wasserkran, dann warf er einen Blick durch seinen Wimpernvorhang zu seinem Spiegelbild.
Unterhalb seiner Augen lagen tiefe, violette Schatten, die im grünlichen Schimmer des Bads kränkliche Bestätigung erfuhren. Seine Lippen waren spröde und rissig und blutleer, und Taehyung spritzte sich gerade dann eiskaltes Wasser ins Gesicht, in der Hoffnung, die Farbe darin aufzuschrecken, als sich leise knarzend die Tür hinter ihm öffnete.
Augenblicklich richtete er sich wieder auf, schaute in den Spiegel—und fuhr dann energisch herum.
„Du bist das Preiskomitee."
„Du wolltest verhandeln." Yoongi Min stand vor ihm, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, die silbrig blonden Haare wellenartig sein ausdrucksloses Puppengesicht umfächernd. Er schloss die Tür und drehte sich ohne mit der Wimpern zu zucken wieder um. „Gut, dann lass uns verhandeln."
- — -
Author's Note
well, well, it's been some time, hELLO, welcome back!! how is everyone! 🥹
taehyung ist immer noch ein snob und kann jeongguk nicht ausstehen so nothing has changed so far
but
ich hab diese story so vermisst!! 💕 hoffe ich komme jetzt dazu, öfter zu updaten ahhh!!
please support this book by voting and leaving comments, it's greatly appreciated 🪄🤍
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top