CHAPTER FOUR ─── lions in a hawkshead
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Hyunok Jung
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Wasabi — Little Mix
DER UNTERSCHIED ZWISCHEN DEN DREI hellsten Sternchen, die am Himmel von Hogwarts neuerdings aufgegangen waren, war im Grunde genommen ein recht simpler.
Seokjin Kim wirkte nicht wie die Veela, die bei näherer Betrachtung in flüssiger Form durch sein Blut strömen musste.
Jimin Park schien auf den ersten Blick hin eine Veela zu sein, zog sie aber allesamt nur mit seinem Charme und seinem strahlenden Lächeln in seinen Bann.
Und Taehyung Kim war die Veela, die Hogwarts in ihm sehen wollte.
Unerreichbar, unnahbar und unvergleichlich saß er am Langtisch der Ravenclaws über ein Buch gebeugt, die Wange an einer Hand abgestützt, golden schimmernde Haarsträhnen mühelos sein erhabenes Gesicht umfächelnd. Entweder hatte er seine Scheuklappen heute besonders hoch und stramm gezogen oder er verstand die Kunst der Ignoranz so makellos wie kein anderer, während er vollkommen unbeirrt ob des Interesses des Kollektivs an ihm die vergilbten Seiten umblätterte. Eine Traube von Ravenclaw-Schülerinnen hatte sich in seine Nähe gewagt und setzte ihn in gesitteten Abständen ihren schmachtenden Blicken aus. Eine von ihnen stieß beim Dahinschmelzen ihr Tintenfässchen um und Taehyung ließ erst mit seiner Aufmerksamkeit locken, als die Hälfte des Langtisches ruckartig aufsprang, weil die Tinte aus Zonkos Scherzartikelladen stammte und sich wie ein übersprudelnder Quellbrunnen durch das Holz fraß.
Jeongguk rutschte in einer fließenden Bewegung auf die Bank an der anderen Seite der Halle, ignorierte den Protestruf seiner Freundin, deren säuberlich gestapelte Pergamentrollen er aus dem Weg fegte, und bediente sich an den Äpfeln in der Mitte des Tischs. „Morgen", frohlockte er mit einem zu großen, zu kecken Grinsen für seine übliche Frühstücksrunde, die weder vollzählig noch ausgeschlafen in der Großen Halle erschienen war.
Hyunok schrieb gestresst die heutigen Hausaufgaben für Zaubertränke ab, Oliver starrte Löcher in seinen Kürbiskernsaft, Sakhi brummte ein halbherziges „Morg'n" zurück und Finn hielt etwas gegen seine Nase, das verdächtig aussah und roch wie rohes Fleisch. Jeongguk konnte ein amüsiertes, aber nicht überraschtes Grinsen nicht glaubwürdig unterdrücken wenn sein bester Freund ihm einen entnervten Blick aus grün und blau unterlaufenen Augen zuwarf.
„Was zur Hölle ist mit dir passiert?"
„Klappe, Jeon."
„Lass mal sehen, Hand weg, wer hat dich so zugerichtet? Hast du wieder dem Hufflepuff-Mädchen nachgestiert?"
„Es ist nichts", grollte Finn, aber das vermeintliche nichts drückte auf sein geschwollenes Jochbein, zeichnete sich ringförmig unter seinen Tränensäcken ab und zog sein hübsches Gesicht in eine geprellte Mitleidenschaft. Er schniefte, senkte das rohe Fleisch und hielt das Augenmerk konzentriert auf die Eichentischplatte gesenkt—zumindest solange, bis er den feixenden Blick seines besten Freundes auffing und über seinem unangerührten Spiegelei ein schwaches, schmerzhaft aussehendes Halbgrinsen zum besten gab. „Wie schlimm ist es?"
„Ziemlich schlimm", befand Jeongguk, sich an den gegrillten Würstchen bedienend und Wasser einschenkend. „Wertet deine Chancen, bei der Hufflepuff zu landen, nicht wirklich auf."
„Vielleicht steht sie ja auf das Draufgänger-Image."
„Und vielleicht hast du dir den Nasenbeinbruch verdient." Hyunok warf einen abschätzigen Blick zu Finn rüber, bevor sie kopfschüttelnd die Feder wieder über das Pergament kratzen ließ. Jeongguk konnte in ihrer säuberlichen Handschrift, die trotz der Hektik der Federführerin fein und kursiv aus der Spitze floss, die Überschrift Adäquate Konzentration von Aaleiern mit Horklumpsaft lesen. „Hoseok hat mir alles erzählt."
„Wer auch sonst", murmelte Finn sarkastisch und Jeongguk unterdrückte das Schmunzeln nicht, als er in seinen Toast biss.
„Zurecht. Dein Schwachkopf hat uns um zwanzig Hauspunkte gebracht."
„Zwanzig?", wiederholte Jeongguk mit vor Ironie träufelnder Stimme. „Fuck, Finn, wir sind so enttäuscht."
„Normalerweise schlage ich mich nicht auf Hoseoks ordnungsliebende Seite, aber was ist bloß in dich gefahren, den Beauxbatons-Prinzen so dämlich von der Seite anzumachen? Nicht nur, dass es sowieso vollkommen behämmert ist, vor dem Hintergrund dieser Schüler und wie schwer es sein muss, sich in einer neuen Schule in einem fremden Land zu assimilieren. Weißt du eigentlich, wie einflussreich seine Familie in Frankreich ist? Die kann dich schneller vor das Zaubergamot bringen als du dir die nächste unnötige Provokation ausdenken kannst."
„Es war nur ein Spaß", verteidigte Finn sich halbherzig durch den Rohschinken vor seiner Nase. „Außerdem kannst du nicht behaupten, dass ihre Starallüren dir nicht auf den Piss gehen, sie führen sich auf wie die Könige dieses Schlosses, vor allem die beiden Kims. Wenn ich noch einmal aus der letzten Reihe in meinen Kursen ein leises Pardon höre, weil sie im Stoff nicht mitgekommen sind, fangen meine Ohren auch noch an zu bluten."
„Nun, über deinen Dialekt müssen wir wohl nicht sprechen, darüber denken sie wahrscheinlich ganz ähnlich—Mist, jetzt hab ich auf seine Hausaufgaben getropft, Min wird mich umbringen."
„Du hast dir von Yoongi Min die Hausaufgaben erkauft?", fragte Jeongguk gelangweilt kauend und sah tatenlos zu, wie Hyunok das Tintendesaster mit vergeblichen Wedeln ihres Zauberstabs einzudämmen versuchte. Irgendwie standen Tintenfässchen heute nicht unter einem guten Stern, wie es schien.
„Hat mich drei Galeonen gekostet, er ist zwar teuer, aber nunmal auch Kursbester und Slughorn kann mich nicht leiden, weil ich nicht genauso mit ambrosischer Brillianz gesegnet bin wie mein herzallerliebster Bruder." Zähneknirschend betrachtete Hyunok ihr Werk, rollte die Vorlage ihres abgekupferten Aufsatzes zusammen und schob sie dann beiseite, um über den Porridge herzufallen. „Schau nicht so. Er ist deine Archnemesis, nicht meine."
„Wir führen in vier Wochen unser Spiel gegen Slytherin, bis dahin solltest du lieber noch einmal überdenken, wen du hier für Hausaufgaben bezahlst."
„Euch kann ich ja nicht bezahlen", entgegnete Hyunok brüsk. „Ihr seid geistig zu minderbemittelt, um es überhaupt in seinen Kurs geschafft zu haben. Hör auf so dümmlich zu grinsen, Murphy, sonst bitte ich Taehyung darum, dir deine Nasenstruktur irreparabel umzuwälzen, damit nicht einmal Madame Pomfrey sie noch retten kann."
„Taehyung war es, der dich so zugerichtet hat?" Seine Mundwinkel zuckten in die Höhe.
Finns Brummeln klang widerwillig. Sein „Mh" hätte genauso gut als „Halt die Fresse, bevor ich sie dir stopfe" durchgehen können.
Jeongguk grinste breit und spöttisch. „Was hast du getan? Ihm sein Silberlöffelchen weggenommen?"
Augenrollend schmunzelte Finn ins Fleisch. „Ich wollte ihn nur einmal von seinem hohen Ross runterholen und wissen lassen, wie er mit seiner versnobten Art ankommt. Ist wohl nach hinten losgegangen, anscheinend himmelt ihn immer noch die anspruchslosere Hälfte des Schlosses an."
„Ich hab das Ganze jetzt eine Woche lang beobachtet", merkte Hyunok konzentriert an, während sie den Tintenklecks über Yoongi Mins säuberlicher Handschrift auszubessern versuchte. Jeongguk hoffte, dass Flecken bleiben würden. „Unfreiwillig, heißt das, weil sie den kleinsten von ihnen, den Park-Jungen, in die Hälfte meiner Kurse gesteckt haben, aber so wie es aussieht, sind unsere drei Lieblinge auf dem besten Weg dahin, dir den Beliebtheitsgrad abzulaufen, Jeon. Oder zumindest die begehrtesten Begleitungen für den Winterball zu werden."
Richtig, der Winterball. Professor Dumbledore hatte die Botschaft gestern Morgen wie den Geniestreich des Jahrhunderts verkündet und vermutlich verhielten sich deswegen vorrangig die Schülerinnen von Hogwarts wie nymphomane Sirenen, deren Gesang an den gewünschten Ohrenpaaren abprallte. Eine freundschaftliche Hommage an die jahrhundertealte Balltradition ihrer Partnerschule sollte die Feierlichkeit sein, die am zwölften Dezember in der Großen Halle veranstaltet werden sollte, sogar Tanzstunden hatte Professor McGonagall für ihre „steif gewordenen Schüler Hogwarts'" angekündigt—oder vielmehr angedroht. Eifriges Getuschel war zwischen den Bänken ausgebrochen und in der eisernen Beauxbatons-Blase eine Aufregung entfesselt worden, die einen Tag später immer noch in den nicht mehr ganz so steinern aussehenden Mienen der Franzosen nachklang.
Das glockenhelle Lachen von Jimin, dem Überraschungsneuzugang aus dem hohen Norden Skandinaviens, hallte bis über die Köpfe der Hufflepuffs zu ihnen herüber an die Wand der Halle. Er schien die aufgeweckteste Seele in seiner Tischrunde zu besitzen, vermochte sein Grinsen doch tatsächlich, Taehyung neben ihm ein müdes Schmunzeln abzuverlangen, das er nicht auf sein Buch richtete, sondern auf den vermenschlichten Sonnenschein neben ihm. Jeongguk konnte alle Mädchenherzen in Hogwarts unisono einen Seufzer der Sehnsucht ausstoßen hören. Er musste schmunzeln, als er aus der Ferne die wütenden, violetten Blessuren ausmachte, die Taehyungs Fingerknöchel krönten.
Mit den Schneidezähnen fing er sein Lippenpiercing ein, dann verschränkte er die Unterarme auf dem Tisch, bevor er halbherzig zu Hyunok blinzelte. „Solange ich in Ruhe gelassen werde, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, wer wen ausführt."
„Sagst du jetzt", murmelte Hyunok, beherzt mit dem Messer ihr gekochtes Ei köpfend. „Wenn erst einmal alle deine Verehrerinnen vergeben sind, wirst du dir wünschen, einer von ihnen zugesagt zu haben."
„Dann tanze ich eben mit dir", erwiderte Jeongguk mit einem seiner charmanten Grinsen, die ihn nicht wie sonst mit roten Wangen und verlegenen Blicken entlohnten, sondern mit einem Klaps gegen seinen Hinterkopf.
Hyunok lachte auf. „Bestimmt nicht, ich werde keinesfalls diesem Ball beiwohnen, selbst wenn Hoseok mich dazu drangsaliert. Ich hab im Schlafsaal überhört, dass ein gewisser junger Mann seit gestern Morgen schon vier Einladungen erhalten hat", grinste sie leise in ihre Runde, ihre Stimme in einen geheimnisvollen Flüsterton gesenkt. Jeongguk musste nicht fragen, um zu wissen, wen sie meinte. „Und sie allesamt abgelehnt hat, alle Mädchen und Jungen, die den Mut aufgebracht haben, ihn anzusprechen. Es heißt, Francesca Camberwell würde immer noch auf der Mädchentoilette weinen, das arme, untröstliche Ding. Scheint so, als wäre sogar ein Taehyung Kim nicht daran interessiert, in der Großen Halle Waltzer zu tanzen."
„Oder er wartet darauf, bis die großen Fische im Teich anbeißen", nuschelte Finn undeutlich gegen das Stück Fleisch, das er auf seinen Nasenrücken presste. Jeongguks Blick schweifte zum Hufflepuff-Tisch, an dem Marigold Aberdeen gerade die Post einer stattlich aussehenden Eule öffnete. Die Tochter des britischen Zaubereiministers und der Kriegsheld aus den französischen Pyrenäen—wie absonderlich passend.
„Das dauert nicht lange", entschied Hyunok. „Wer es mit zweiundzwanzig in die Geschichtsbücher schaffen kann, sollte im Handumdrehen eine Begleitung für einen Ball auftreiben."
Finn stöhnte entnervt. „Wenn dieser arrogante Mistkerl uns noch die Dates wegschnappt, werd ich am Ballabend nicht den Schlafsaal verlassen. Es ist doch irgendwie unfair, oder? Nur weil er einen klitzekleinen Anteil von Veela in sich trägt, müssen wir anderen in die Röhre gucken, es is' ja nicht einmal so als wäre er ohne auch nur ansatzweise charmant."
„Tja, Mädchen stehen eben mehr auf selbstlose Ritter, die sich heroisch zwischen Schwarzmagier und Kinder werfen, als auf einen halbstarken Möchtegern-Draufgänger, der die ganze Zeit über eine gebrochene Nase jammert."
„Du scheinst über ihn ja äußerst informiert zu sein", kommentierte Finn ironisch. Jeongguk zog die Augenbrauen hoch und Hyunok besaß den Anstand, die Röte in ihren Wangen auf ihre Haare zu übertragen.
„Es gibt kein anderes Thema im Mädchenschlafsaal mehr", wehrte sie augenrollend ab. „Kommt nicht auf falsche Gedanken, Hoseok redet auch nur noch von ihm, ich bin Opfer meiner Ohren geworden."
Eine Falte grub sich in Finns Stirn. „Hat er dir noch mehr erzählt?", hakte er mit gesenktem Ton nach. „Was sie über seinen Bruder erzählen, zum Beispiel? Stimmt das?"
Hyunok schürzte nachdenklich die Lippen. „Alles, was ich weiß, ist, dass er bei einem früheren Angriff von dieser Sekte gefallen ist", antwortete sie schließlich schulterzuckend. „Er soll bis zur Unkenntlichkeit massakriert worden sein, es muss... scheußlich gewesen sein. Die Kim-Familie in Lyon soll sich nie richtig davon erholt haben. Mehr übersteigt mein Wissen."
Jeongguks Augen darteten durch die Weiten der Großen Halle hinüber zum Tisch der Ravenclaws, der dem Anschein nach das Tintenmalheur überstanden und sich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung verschrieben hatte: namentlich seine Ehrengäste zu bewundern.
Nicht, dass das Haus des Adlers damit allein seine Zeit totschlug: die gesamte Schule hatte sich einen Narren an ihren Zuzügen aus den verschneiten Pyrenäen gefressen.
Nicht selten hatte Jeongguk schon ein amateurhaftes, mit britischen Frikativen versetztes Französisch vernommen und die Namen der Gäste fallen gehört, die von den Akzenten ihrer Insel regelrecht malträtiert wurden. Nach rund einer Woche, die die Beauxbatons-Schüler bereits in ihrem Schloss verbrachten, hätte man meinen sollen, dass jeder verstanden hatte, dass die französischen Neuankömmlinge lieber unter sich in ihrer unangetasteten Blase aus Blasiertheit und Arroganz verblieben. Trotzdem versuchte es ein jeder Hoffnungsvolle, ihnen näherzukommen—zumeist ohne Erfolg. Ein Gryffindor-Letztklässler hatte Dominique Delacour um ein Date gebeten und eine Abfuhr kassiert, von der er sich, so wie Jeongguk dessen Ego kannte, immer noch nicht erholt haben durfte. Und wenn man den Gerüchten Glauben schenken konnte, dann musste die Blamage eines Korbs Francesa Camberwell permanent in die Mädchentoilette umsiedeln lassen haben.
Die einzigen Hogwarts-Repräsentanten, die in der unmittelbaren Nähe der Beauxbatons-Schüler geduldet wurden, waren zur Überraschung der Allgemeinheit Hoseok Jung und Namjoon Kim—keine nennenswerten Rangabläufer auf der schottischen Beliebtheitsskala, sondern lediglich zwei beflissene Studenten, die sich durch rein akademische Leistungen im Schloss einen Namen gemacht hatten. Nur sie durften mit ihnen am selben Tisch in der Bibliothek lernen und auch nur sie schafften es, Gespräche mit den Franzosen zu führen, die nicht einseitig oder desinteressiert verliefen—was seltsam war, weil sich weder Hoseok noch Namjoon so sehr in das soziale Milieu von Hogwarts gestürzt hatten wie sie versuchten, die Beauxbatons-Skeptiker genau darin einzugliedern.
Jeongguk trank einen Schluck, während er sein Augenmerk über die dicht zusammensitzende Traube am Kopf des Ravenclaw-Langtischs schweifen ließ. Bisher hatte er zwei Kurse mit vereinzelten Vertretern ihrer Nachbarschule geteilt und selbst dort waren sie nicht mit ihrem Talent—auf das sie sich sehr viel einbilden mussten, um die Nasen so hoch oben zu tragen—aufgefallen.
Zumeist verkrümelten sie sich in die letztmögliche Reihe des Kurses, führten Wettbewerbe mit den ausgehängten Gerippen an der Decke darum, wer länger und glaubwürdiger fossil aussehen konnte, und flüchteten dann nach der Doppelstunde als erste aus dem Klassenzimmer.
Ihre Nachricht an die Außenwelt war eindeutig: Erfolge durch Annäherung verliefen gegen den absoluten Nullpunkt und wenn ein unglücklicher Held es dennoch versuchte, ihre eisernen Mauern zu stürmen, würden sie den Wall um sich nach dessen Absturz nur noch höher ziehen.
Sein Augenmerk fand wieder zu den blauen Flecken auf Taehyungs Hand zurück.
„Muss 'n guter rechter Haken gewesen sein", überlegte er nachdenklich.
Finn schnaubte verächtlich. Sein Blick wirkte zwischen seinen Blessuren noch dunkler. „Lass dich nicht täuschen, er ist genauso wenig eine Prinzessin wie ich eine bin."
Jeongguk schob sich Locken aus der Stirn, die sich noch feucht von der heißen Dusche auf seiner Haut kringelten. „Hätte ich ihm nicht zugetraut", schloss er seinen Eindruck nachlässig, um sich dann anderen Themen zu widmen: wie dem anstehenden Quidditch-Auswahltraining am Samstag, an das er große Ambitionen herantrug.
Als Kapitän oblag es ihm, die beiden offenen Posten in ihrer Jäger- und Treiber-Formation zu füllen, die eine Schwachstelle im anderweitig starken Bund der Gryffindor-Hausmannschaft darstellten. Mins Mannschaft hatte den Sommer vollzählig überstanden und es kratzte an seinem Stolz, sich diesen Rückschritt eingestehen zu müssen. Für das erste Spiel gegen Hufflepuff mussten sie sich mit ihren beiden Neuzugängen zu einem eingespielten Team einpendeln, das dem Zusammenhalt und Kampfgeist einer jahrelang bestehenden Einheit gleichkäme. Gryffindor hielt den Quidditchpokal seit drei Saisons inne—ein vierter Titel würde sowohl seinem Prestige als Hauskapitän als auch seinem Karrierewunsch in die Karten spielen.
Unter den zu schreibenden Verwandlungs-Aufsatz über den Inanimatus-Zauberspruch hatte Jeongguk eine Kritzelei hingeschmiert, der scheinbar nur seine Augen eine Logik entnehmen konnten, die von dieser Welt stammte. Die Reaktionen seines Co-Captains und seines besten Freundes auf seine vorgenommenen Veränderungen in ihren Spiel-Strategien fielen geschmälert aus: Hyunok hatte die Nase kraus gezogen und Finn schaute ihn an als erwartete er immer noch von ihm, dass er jeden Moment die Abänderungen als Scherz enttarnen und beteuern würde, die Trainings doch nicht am Wochenende in den grauen Morgenstunden stattfinden zu lassen. Jeongguk rollte das Blatt Pergament wieder zusammen.
Es gab weniges, was er so ernst nahm wie seine Leidenschaft für den Sport—zum Beispiel seine Leistung im Fach Verwandlung, dessen Abgabenpergament er für seine Quidditch-Taktiken zweckentfremdet hatte. Nervlich gesehen ging es ihm noch ziemlich gut dafür, dass seine Professorin für Verwandlung seine Arbeit ständig im Auge behielt. McGonagalls Engagement für ihre Hausmannschaft stand im ständigen Clinch mit ihrer Verantwortung als Hauslehrerin und Jeongguk hatte aus dieser herztechnischen Dissonanz reichlich Profit geschlagen.
Es pisste sie zweifelsfrei an, wenn ein Repräsentant ihres Hauses ihren Unterricht schwänzte. Aber Jeongguk entging nicht, wie zufrieden mit sich und der Welt McGonagall am Ende jeden Schuljahres ausschaute, weil der Quidditch-Pokal wieder im Gryffindor-Gemeinschaftsraum ausgestellt worden war und die Grüne des Neids mit Slughorns dunkelgrünen Roben harmonierte.
Große Erfolge erforderten eben große Opfergaben, fand Jeongguk.
Er konnte sich in seinem zweiten Jahr an der Spitze des Quidditch-Teams nicht auf den Errungenschaften des letzten Semesters ausruhen, weder theoretisch noch mental. Ihr Sieg über Slytherin im alles-entscheidenden Spiel im Mai gehörte einer triumphalen Vergangenheit an—was zählte, war, dass ihr nächstes Match gelb und schwarz am dritten Oktober auf sie im Pit wartete und Jeongguk nicht dazu geneigt war, seine hart erkämpfte Kapitänsmarke mit Faulheit und Schwäche zu besudeln. Revolutionierte Faultierrollen, eine neue Jäger-Offensivstrategie und bessere Aufteilung ihrer Treiber auf dem Feld versprachen den nötigen Boost für die Hausmannschaft von Gryffindor, um ihren Titel ein viertes Mal in Folge zu halten.
Er berührte mit der Zungenspitze das kalte Piercing an seiner Unterlippe, bevor er auffordernd in ihre Runde schaute.
Hyunok blinzelte skeptisch. „Ich soll Zaubertränke jetzt schwänzen, obwohl ich die bessere Hälfte meines Frühstücks damit verbracht habe, die Hausaufgaben dafür abzuschreiben, nur weil du irgendwelche neuen Strategien auf dem Feld austesten willst, die du dir nach deinen Fieberträumen selbst ausgemalt hast?", wiederholte sie amüsiert sein Vormittagsprogramm.
Jeongguk zuckte eine Schulter.
„Wenn du lieber Amortentia brauen und deinen Kommilitoninnen dabei zuhören willst, wie sie ihre Tränke an Taehyung Kim austesten werden, nur zu."
„Ich will am Ende des Tages in ganzen Stücken ins Bett fallen, das ist das Ding."
„Hyunnie", grinste Jeongguk kraft des ganzen Charmes, den er mit dunstigen Haaren, freigelegtem Tattoo-Sleeve und in einem verwaschenen Van Halen-Bandshirt in sich mobilisieren konnte. „Hab ich meiner Co-Kapitänin je Grund gegeben, an meinen guten Intentionen zu zweifeln?"
Hyunok grunzte. „An denen, die meine akademische Laufbahn betreffen, schon." Sie bedachte ihren hingeschmierten Aufsatz mit einem Blick, der wortlos bedeutete, dass sie ihrer Schulkarriere selbst lange schon abgeschrieben hatte. Theatralisch seufzte sie. „Wenn mein Captain mich einberuft, kann ich mich ihm schlecht verwehren. Okay, ich komme mit dir ins Stadion. Dann bleibt mir wenigstens ein demütigender Tod zwischen verklumpten Aaleiern und zu dünnem Horklumpsaft erspart."
„Ich wünschte, ich könnte mit euch kommen", stöhnte Finn in sein rohes Fleisch. „Aber Vector bringt mich um, wenn ich nicht endlich einmal in Arithmantik auftauche. Ich bereue es immer noch, mich wieder eingeschrieben zu haben, die Hälfte der Beauxbatons-Schönlinge sitzt in meinem Kurs und sie sind alle besser als wir."
„Mein Beileid", grinste Jeongguk schroff, während er von der Bank aufstand.
Hyunok folgte ihm, steckte das wertlos gewordene Pergament in ihre Hosentasche und passte vor dem Torbogen den Tisch auf der anderen Seite des Saales ab. Widerwillig blieb Jeongguk stehen und nickte dem platinblonden Schopf in der Runde aus Slytherins einmal zu, der sein katzenartiges, gelangweiltes Augenmerk einmal zu ihm hatte schweifen lassen.
Yoongi nahm seinen mustergültigen Zaubertränke-Aufsatz träge zwischen Ring- und Zeigefinger entgegen, die Wange an der anderen Hand abgestützt, seinem Klientel nicht mehr als eine Unze seiner Aufmerksamkeit zukommen lassend. Obwohl seine Freunde die rot-goldenen Eindringlinge mit skeptischen Blicken beäugten, schimmerte in Yoongis Augen nicht mehr als neutrale Resignation. Das wirkliche Feuer konnte nur Quidditch in den schwarzen Iriden entfachen.
Seine schleppende Reibeisenstimme übertönte leichthin das Geplänkel in diesem Abschnitt der Halle. „Jeon", rief er ruhig. An seinen Fingern glänzten die Siegelringe seiner Familie, auf denen weiße Rosen und Dornen rankten. „Uns wurde dieses Schuljahr noch nicht die Gelegenheit zuteil, miteinander zu sprechen, fürchte ich."
Ehrlicherweise wurde Jeongguk immer wieder aufs Neue davon überrascht, was für einen hochgestochenen Stock Reinblüterfamilien ihren Sprösslingen in den Arsch schieben konnten. Obwohl sie dieselbe Südküste der Insel bewohnten, herrschte Zuhause in Dover augenscheinlich ein rauerer Ton als im Herrenhaus der Mins in Cornwall.
„Das geht schlecht, wenn du immer durch das Schloss streunerst."
Yoongi überhörte seinen Seitenhieb gekonnt. „Wir sollten uns baldig mit den Kapitänen der anderen beiden Häuser zusammensetzen, um die diesjährigen Trainingspläne auszutauschen. Ich gedenke noch in dieser Woche die erste Übungseinheit auf dem Spielfeld abzuhalten."
Jeongguk wandte sich ihm mit einem schiefen Grinsen zu. „Ich hab meinen Zeitplan schon von McGonagall absegnen lassen, du findest Gryffindors Spielzeiten auf dem Aushängeschild in den Kabinen."
Yoongi zog eine Augenbraue in die Höhe. „Und sie sagen, mein Haus sei hinterhältig", scherzte er, aber er klang gelangweilt, als hätte er längst damit gerechnet, dass eines der vier Hogwart'schen Häuser über bürokratische Leichen gehen würde, um sich Vorteile auf dem Spielfeld zu verschaffen—oder als hätte er insgeheim selbiges geplant gehabt. „Ich hörte, ihr haltet Auswahltrainings ab."
„Am Samstag, richtig."
„Vakanzen in treibenden Formationen auszufüllen, sind immer nervenaufreibende Angelegenheiten, aber Schwachstellen sowohl in der Offensive als auch in der Defensive auszugleichen..." Vielsagend, geradezu bemitleidend schnalzte Yoongi die Zunge. „Du wirst deine inneren Dynamiken überdenken müssen, bevor du deine Mannschaft in den Wettkampf schickst. Es wäre zu schade, wenn sich deine neu erwählten... Talente unter der falschen Strategie als vergeudet, gar unnütz herausstellen."
„Ah, du wirst es nicht verstehen, aber im Gegensatz zu Slytherin arbeiten wir mit dem, was wir haben", erwiderte Jeongguk mit fester Stimme. „Und werfen es nicht gleich aus dem Team, wenn wir mit anderen Ergebnissen als erhofft konfrontiert werden. Gryffindor setzt auf Leidenschaft und Ehrgeiz, nicht auf Perfektion. Wir sehen uns auf dem Feld, Min."
Das Kinn auf seine verschränkten Hände gebettet, bedachte Yoongi ihn mit der Aufmerksamkeit einer Klapperschlange, die des Rasselns müde geworden war. „Wohlwahr", erwiderte er nur schleppend. Dann blinzelte er träge, drehte den Kopf und wandte sich von ihm ab.
„Wenn wir das erste Spiel gegen Slytherin führen", murmelte Hyunok entnervt, während sie nebeneinander die Große Halle verließen, „schnappe ich mir Finns Schläger und haue diesen eingebildeten Pisser von seinem Besen."
„Dafür müsstest du den Klatscher verdammt präzise treffen können."
„Was? Nein, ich nehme von Anfang an den Schläger, damit brat ihm eins über."
Tief atmete Jeongguk durch. „Dann hast du meine Erlaubnis", grollte er aufgewühlt, die ersten Stufen im Treppenhaus in Angriff nehmend, um aus dem Gemeinschaftsraum ihre Ausrüstung zusammenzuklauben. Zwei Ravenclaws grüßten sie im Vorbeigehen, aber Jeongguk war zu vertieft in seinen umherwirbelnden Gedanken, um ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.
Slytherin hatte die Verwundbarkeit in seinem Team detektiert und den Finger geradewegs in die Wunde gelegt. Und es stach.
Wenn Jeongguk etwas auf den Tod nicht ausstehen konnte, dann war es sich seine eigene Unterlegenheit eingestehen zu müssen. Mit zwei Brüdern, zwei Schwestern und einer nichtmagischen Stiefschwester war ihm ein gewisses Konkurrenzdenken in die Wiege gelegt worden, das von der Hogwart'schen Hierarchie zu einer unerträglichen Größe aufgebauscht wurde. Die Jeons hatten immerzu Spuren in der magischen Welt hinterlassen: Daeuls Orden für seine Fähigkeiten im Duellierclub stand noch immer im Pokalzimmer und Hanbin führte ein erfolgreiches Schreibwarengeschäft in der Winkelgasse, mit dem er mittlerweile seinen Unterhalt in Downtown London finanzieren konnte. Er wollte nicht der erste sein, der aus diesem Schema ausbrach.
Zuhause hatte Jeongguk seine dreizehnjährigen Schwestern Yeorin und Jinju regelmäßig zu unfreiwilligen Besenstunden rekrutiert, um den Erfolg seiner ausgeklügelten Taktiken auszuprobieren.
Über einer Salzklippe bei peitschendem, salzigem Seewind flog es sich allerdings relativ schlecht, erinnerte sich Jeongguk mit mahlendem Kiefer. In einer eingeflogenen Formation würden seine Ideen andere Formen annehmen als seine Schwestern sie auf den Besen abgelichtet hatten. Das hoffte er zumindest, denn bevor Yoongi Mins Mannschaft ihm dieses Jahr den Titel abluchste, würde er sich dann doch lieber vom Astronomieturm stürzen.
Ein Ellbogen bohrte sich in seine Rippen. Hyunok blinzelte ihn belustigt an. „Erde an Jeon? Bist du ansprechbar?"
„Mh?" Er nahm die nächste Treppe, die vor dem Plateau zum Halt gekommen war, und joggte sie hoch.
„Das Mädchen hat dich gerade gefragt, ob du sie zum Ball begleiten willst, und du bist einfach weitergegangen."
„Verteidigung gegen die dunklen Künste müssen wir heute auch ausfallen lassen." Jeongguk legte den Kopf zurück in den Nacken, im Gemeinschaftsraum der Gryffindors angelangt sich noch im Gehen aus seinem Shirt schälend. Hyunok gab ein Geräusch von sich, das ungläubig und amüsiert zugleich klang. „Ich will alles, was ich mir im Sommer vorgestellt habe, einmal ausprobieren", bellte er über seine Schulter.
„Alle Strategien? Willst du etwa den ganzen Tag auf dem Feld verbringen?"
„An meiner Kondition wird's nicht scheitern", atmete Jeongguk aus, nahm die Wendeltreppe im Angriff und schnappte sich, in seinem Schlafsaal angekommen, seinen Strickpullover—Jeon 01–seine Handschuhe und seinen Besen, bevor er entschlossen den Weg zum Stadion einschlug.
An den Grashalmen glänzten noch die Tautropfen des Morgens, als sie auf dem Pit ankamen. Irgendwie musste sich herumgesprochen haben, dass der Kapitän und die Co-Kapitänin der Gryffindor'schen Hausmannschaft heute das Terrain des Spielfeldes sondierten, denn eine kleine Traube von Zuschauern hatte sich eng zusammengedrängt in der Nähe der Torposten niedergelassen. Jeongguk blendete ihr aufgeregtes Geschnatter aus, während er mit Hyunok seine mehr schlecht als recht in einen Notizblock gekritzelten Vorstellungen teilte.
Als Anführerin ihrer Jäger zählte Hyunok zu seinen besten Fliegerinnen, doch selbst sie hatte mit seinen neuen Manövern zu kämpfen. Im Sturzflug zog sie ihren Besen jedes Mal zu früh für Jeongguks Geschmack wieder hoch. Der Rasen wirbelte auf, ihre Versen schnitten haarscharf den Boden. „Tiefer geht's nicht", keuchte sie, das rot verfärbte Haar ein halbherzig zurückgebundenes Vogelnest an ihrem Hinterkopf. Die Mittagssonne hatte schon den Zenith überschritten und Jeongguks Geduld sowie Elan einen ziemlichen Dämpfer abbekommen. „Sogar der Mondputzer kommt nicht so schnell wieder hoch, um noch später abzubremsen, Jeongguk, ich brech mir für deinen Größenwahnsinn nicht das Genick."
Jeongguk hielt die Arme verschränkt, einen Fuß nachlässig auf den Ständer seines Nimbus 1700s gestützt, der andere in der Luft baumelnd. „Aber die Borsten sind aus Trauerweide, sie sind geschmeidiger als-"
„Vergiss es. Vergiss, was du in deinen tollen Flug-Aerodynamik-Ratgebern gelesen hast", stöhnte Hyunok und straffte die Schultern. „Es klappt nicht so wie du es dir vorgestellt hast."
Er legte den Kopf tief ausatmend in den Nacken. „Okay", gab er schließlich genervt nach. „Okay, wir machen weiter. Begib dich wieder in die Höhe, ich will sehen, wo wir Darren O'Hares Hawkshead Attacking Formation aufziehen wollen."
„Was ist das? Wieder 'was Gemeingefährliches?"
„Eindruck schindet man eben am besten mit der Bereitschaft, für sein Team zu sterben."
„Jeongguk", grollte Hyunok ungeduldig, vergebens die Knoten aus ihren langsam wieder schwärzer werdenden Haaren kämmend. „Ich geh nicht als die Jägerin in die Geschichte ein, die mutwillig auf dem Boden zerklatscht ist. Muss ja total lebensmüde aussehen, alle halsbrecherischen Manöver zu fliegen und nicht eines davon richtig hinzukriegen. Kannst deine neuen Zuschauer fragen, was sie davon halten." Grummelnd nickte sie nach vorn und Jeongguk drehte sich mit gerunzelter Stirn um.
In der Ferne konnte er weitere Personen ausmachen, die sich gerade den Weg runter zum Stadion bahnten. Großartig. Weitere Beurkunder von Gryffindors Lahmarschigkeit.
Entnervt seufzte Jeongguk und drückte den Schenkel eine dezidierte Druckidee gegen den Stiel. Er ließ die Besenspitze abflachen, lehnte sich vor und bremste erst dann ab, als seine Schuhsohlen über den Rasen streiften. Ungeduldig, geradezu brodelnd schritt Jeongguk über das Gras, den Nimbus 1700 direkt nach dem Sinkflug in einer routinierten Bewegung über seine Schulter geworfen. „Heute sind keine Zuschauer erlaubt!", rief er barsch noch bevor er die torähnliche Öffnung unter der Loge zwischen Hufflepuff- und Ravenclaw-Sitzturm erreicht hatte.
Die Neuankömmlinge blieben verdattert stehen. Hoseok blinzelte ihn überrascht an, die Lippen zu einem tonlosen Oh? verformt. Hinter ihm, unter einer gelb-schwarz-gestreiften Mütze und die freie Hand in der Jackentasche vergraben, lächelte Jimin Park ihn freundlich an.
Der Schulsprecher hielt vor der Kreidemarkierung auf dem Rasen. Er zuckte die Schultern. „Wir sind auf dem Weg nach Hogsmeade", erzählte er munter. Jeongguk konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so lange mit Hoseok Jung geredet hatte, ohne von ihm gescholten worden zu sein. „Anerkannte Besuchserlaubnis von Sprout. Jimin und ich wollen zur Magischen Rübe, zu J. Pippin's Potions und danach zu Madam Puddifoot's Café. Beim Runtergehen vom Schloss haben wir Besen fliegen gesehen, übt Gryffindor schon fürs erste Match gegen Ravenclaw?"
„Hufflepuff", korrigierte Jeongguk ihn.
„Ist ja fast dasselbe."
„Ist mir immer noch schleierhaft, wie du Moderator geworden bist, Jung."
Hoseok strahlte ihn an. „Zum Quatschen brauche ich kein Sportwissen", gluckste er unbekümmert. „Also? Seid ihr schon am Trainieren?"
„Nicht ganz", entgegnete Jeongguk kurz angebunden. „Wir testen neue Strategien aus. Ihr könnt zum offiziellen Training wiederkommen."
„Oh. Dürfen wir denn kurz zuschauen?"
Jeongguk schob sich vor Hoseok, der zu selbstverständlich für seinen Geschmack einen Schritt auf die Rasenfläche gesetzt hatte. „Auch für Schulsprecher gibt's keine Ausnahmen, sorry. Unter Sportsfreunden verstehst du sicherlich, dass ich keine Sonderregelungen machen kann", schloss er abweisend, das Leder seiner knöchellosen Schutzhandschuhe konzentriert zurecht zupfend. „Sonst könnte ja jeder reinschauen."
Fast klang Hoseok beleidigt. „Jeder?"
„Slytherins, hauptsächlich. Bin nicht scharf drauf, Mins Späher anzulocken."
Hoseok blieb hartnäckig. „Weder sind wir Spione oder Spieler anderer Häuser-" Jeongguk hörte ihn förmlich die Augen im Kopf verdrehen, „-noch wollen wir uns irgendwelche Taktiken abschauen. Wir haben nur auf der Durchreise einen kleinen Zwischenstopp hier eingelegt, weil Jimin einmal selbst sehen wollte, wie unser Stadion aussieht. Jeongguk", schob er eindringlich und in einem gedämpfteren Ton hinterher. „Sei nicht so. Nach einer Viertelstunde sind wir doch schon wieder weg."
Jeongguk sah mit zusammengeschobenen Augenbrauen von seinen Handschuhen auf. In Hoseoks abwartendem Blick wehte ein anderer Wind.
Sie haben Zuhause alles verloren, lass sie am Privileg der Normalität teilhaben, wie sie sie monatelang vermisst haben.
Er schaute zu Hoseoks Begleitung, deren freundliches Lächeln trotz seiner schroffen Zurückweisung nicht einen Zentimeter ins Wanken geraten war. Jimin blinzelte ihn genauso erwartungsvoll an wie zuvor und Jeongguk deutete schließlich ein Nicken an.
„Du magst also Quidditch?"
„Großer Fan!", strahlte Jimin, offensichtlich erleichtert darüber, nicht davongeschickt worden zu sein. „Meine britische Lieblingsmannschaft sind die Montrose Magpies, Taehyung und ich saßen in den Zuschauerbänken, als sie zum zweiten Mal die Europa-Liga gewonnen haben."
Jeongguk verstand den Namen der schottischen Quidditchmannschaft nur weil er als eingefleischter Sportler wusste, wer den Sieg in der Europa-Liga nach Großbritannien geholt hatte. Er hatte Probleme, Jimins Englisch zu verstehen, war es doch untersetzt mit dem dichten, schweren Akzent der Franzosen, der die Worte verklebte. Jimin schien aus seinem Moment der komprimierten Konzentration abzuleiten, was ihn stocken gelassen hatte.
Fast schon beschämt zog er den Kopf ein. „Ich hätte besser früher als Fremdsprache Englisch gewählt, so wie die anderen es getan haben", scherzte er unwohl. „Deutsch bringt mir hier herzlich wenig, befürchte ich."
„Du lernst schnell!", versicherte Hoseok ihm mit einem seiner breiten Lächeln, die für das Amt des Schulsprechers wie gemacht schienen und sicherlich hervorragend in Zahnpastawerbungen aussähen. „Und hast mir gar nicht erzählt, dass du Quidditch spielst."
„Oh, ja. Auf Beauxbatons habe ich gespielt, aber unser Spielfeld ist-war bedeutend kleiner als eures und Wettkämpfe unter den Häusern haben wir auch keine abgehalten, wir konnten gerade so eine vollständige Mannschaft aufstellen", plapperte Jimin schon wieder mit einer heitereren Miene.
Jeongguk legte den Kopf schief. „Welche Position hast du innegehalten?", wollte er wissen.
Es hatte nicht seinen Verstand gekreuzt, Beauxbatons-Schüler für sein Team anzuwerben, und er war ehrlicherweise auch nicht daran interessiert, Neulinge kopfüber in die Rivalitäten von Hogwarts hineinzuschmeißen, die bekanntlich grob in den Lüften ausgetragen wurden. Doch falls am Samstag nur Nieten zum Auswahltraining auftauchen würden, könnte er sich wenigstens mit dem Gedanken vertrösten, in der Beauxbatons-Blase noch auf sein fliegendes Wunder zu treffen.
Etwas Unsicheres huschte über Jimins Gesicht. „Uh, Batteur?" Hilfesuchend schaute er zu Hoseok, gestikulierte verhalten mit seiner freien Hand. „Derjenige... der zu zweit mit dem... mit dem Schläger-"
„Treiber", half Hoseok ihm auf die Sprünge und Jimin nickte schnell und erleichtert.
Es kostete Jeongguk alles, nicht die Augenbrauen in die Höhe zu ziehen und seine amüsierte Überraschung kundzutun. Einer schmalen, fragilen Silhouette wie Jimin hätte er die rohe Gewaltbereitschaft nicht zugetraut, die es benötigte, um anderen Fliegern mit beherzten Schlägen des Klatschers blutige Nasen und gebrochene Rippen zu verpassen. Wenn überhaupt, sah er vielmehr wie ein Sucher aus—klein, dünn, schmächtig. Vielleicht war das der wahre Grund, warum Beauxbatons nie ein echtes Match hatte abhalten können. Jimin war ihm eher wie der Typ Flieger vorgekommen, der vor Bällen zusammenschreckte anstatt sie Feldlängen durch die Lüfte zu katapultieren.
„Genau das Wort habe ich gesucht, merci, Hoseok."
Belustigt von der Weise, wie Jimin den ersten Buchstaben von Hoseoks Namen beim Sprechen ausließ, schmunzelte Jeongguk. Hoseok reagierte nicht.
„Ich war Treiber, aber das ist hiermit-" Mit gequältem Gesichtsausdruck hob er seinen bandagierten Arm an, „-natürlich schier unmöglich. Ich freue mich aber trotzdem auf die ersten Spiele hier", schob Jimin förmlich hinterher, auf den Fußballen vor- und zurückwippend. „Ich weiß noch gar nicht, welches Haus ich dabei anfeuern werde."
Amüsiert grinste Jeongguk. „Würde Ravenclaw es nicht als Hochverrat werten, die Gäste unter seinem Dach anderen Hausmannschaften zujubeln zu hören?"
Jimin verdrehte lächelnd die Augen. „Ich habe so lange ein und dasselbe Team in blauen Umhängen angefeuert, dass ich davon überzeugt bin, mir etwas Abwechslung verdient zu haben. Slytherins Triumphe klingen vielversprechend. Oder vielleicht überzeugen mich ja auch Gryffindors Bestrebungen—wir werden sehen, sobald wir nicht länger eure Trainingseinheit aufhalten. Nur zu, bitte."
Er ließ sich von Hoseok zur Tribüne geleiten, den Arm in seinen gehakt und seine Bewunderung über die Größe des Stadions frei hinaus in die Septembermilde posaunend. Jeongguk sah ihnen über seiner Schulter dabei zu, wie sie sich Plätze im unteren Rang aussuchten, vorbei an der Traube von Gryffindor-Fünftklässlerinnen, die dicht zusammengedrängt miteinander tuschelten. Dann kehrte er um und joggte zurück in die Mitte des Feldes.
Hoseoks und Jimins Anwesenheit waren nicht unbedingt der Ansporn, den er brauchte, um nicht hier und jetzt sein Notizbuch zu zerfetzen und alle Pläne, die er im Sommer ausgeklügelt hatte, über Bord zu schmeißen. Seinem Gemüt hatte der Austausch mit jemandem gutgetan, der ihn nicht in jedem zweiten Satz als „sadistischster Kapitän seit Davy Jones" aus dem ‚Fluch der Karibik'-Epos beleidigte.
Jeongguk stieß sich vom Boden ab, passte Hyunok den Quaffel und nahm seine Position vor den Torposten ein—ein wenig zu energisch in der Drehung, ein wenig zu prahlerisch mit seinem Sinn fürs Spiel zwischen Gleichgewicht und Risikofreude.
Aber wenn sich sein angekratztes Ego durch schmachtende und bewundernde Blicke aus den Zuschauerrängen besänftigen ließe—bitte. Er wäre der letzte, der mit seiner Begabung zurückhalten würde.
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Author's Note
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