Kapitel 2:
„Hallo?", schreit die Brünette und bleibt stumm, um zu sehen, ob eine Antwort widerhallt.
Doch nichts. Nichts antwortet ihr irgendwie zurück. Sie seufzt laut auf und verkriecht sich ebenfalls wieder in ihre Ecke, verschränkt die Arme und zittert vor Nervosität. Sie spürt ein bedrohliches Schaudern in der Brust, als ob ihr das Herz herausspringen will. Sie hat verstanden, dass es keinen Zweck hat um Hilfe zu schreien, denn es wird niemand kommen.
Über ihnen ist plötzlich ein lautes Scheppern zu hören; vor Schreck verschluckt die Schwarzhaarige sich und beide sehen sofort nach oben. An der Decke des Raums erscheint eine grade helle Linie, die immer breiter wird. Ein schabendes Geräusch deutet darauf hin, dass zwei schwere Türen gewaltsam auseinander gezogen werden. Nach so langer Dunkelheit tut ihnen das Licht im Auge weh. Sie wandten die Gesichter ab und halten sich die Augen zu. Über ihnen hören sie Geräusche – Stimmen – und sie können vor lauter Angst kaum atmen.
„Leute, das musst ihr euch ansehen!"
„Oh Klonk nochmal! Ruf Alby, verdammt!"
„Heiliger..."
„Nicht wahr..."
Unterschwellige Angst macht sich erneut in den Mädchen breit, denn sie haben keinen blassen Schimmer wer diese Menschen sind und was ihnen so den Atem wegnimmt.
„Stopp!", schreit jemand.
„Ja, was ist denn?", brüllt jemand zurück.
„Zwei Neue...", sagt ein anderer fast flüsternd. „Und vor allem... sie sind Mädchen."
„Lass mal sehen!"
„Geh weg, du Strunk!"
„Warum sagst du uns nicht einfach, was zum Geier da unten ist, Alby?", schreit jemand von weiter hinten.
Es gibt ein weiteres Gemurmel, das wenige Sekunden andauert.
„Halt alle die Klappe!", brüllt der angebliche Alby mit einer sehr dunkleren Stimme. „Sag's ihnen, Newt."
„Es sind zwei Mädchen."
Und die beiden Mädchen hören ein fürchterliches Durcheinander, als wäre es der blanke Horror, dass zwei Mädchen zu ihnen gekommen sind. Was hat das alles zu bedeuten? Wer sind diese Menschen?
„Zwei Mädchen?"
„Das will ich sehen!"
„Wie sehen sie aus?"
„Wie alt sind sie?"
„Klappe halten!", schreit Alby wieder. „Es sind keine Vorräte mitgekommen!"
Und wieder gibt es ein lautes Gerede. Die beiden Mädchen kennen keiner dieser Stimmen, niemanden. Und es sind bis jetzt auch nur Jungen, die sie hören. Keine einzige Mädchenstimme, jedenfalls keine helle Stimme. Es scheint eine Katastrophe für sie zu sein, dass keine Vorräte mitkommen, obwohl die Mädchen keine Ahnung haben, was die Jungen damit meinen. Sie haben generell keine Ahnung, was es damit auf sich hatte. Langsam stehen sie auf und halten die Hand vor den Augen, weil die Sonne dessen grelle Licht sie immer noch stark blenden. Einer von den Jungen springt zu ihnen in den Aufzug herunter. Er hat blondes, kurz geschorenes Haar, helle Haut und hellgraue Augen. Für die beiden sieht er nicht gerade gutaussehend aus, da er ein seltsames geformtes Gesicht hat.
„Tag eins, Frischlinge! Raus aus den Federn!" Er schubst sie nach oben, wo sie außer Puste sind und beide zu Boden fallen.
„Guckt euch die Strünke an!"
„Wie alt sind sie?", kommt wieder die Frage auf.
„Sieht aus wie Klonk auf ihren Shirts."
„Du redest Klonk, du Neppdepp!"
Sie liegen nebeneinander, sehen sich kurz an und bekommen erst dann ein richtiges Bild voneinander. Die Brünette hat dunkle Augen, fast schwarze, die mit Tränen gefüllt sind. Die Schwarzhaarige hat hingegen hellgrüne Augen, die völlig durchrötet sind. Und als beide die Angst in dem Gesicht des anderen lesen, kommt Panik in ihnen auf. Die Jungen umkreisen sie und starren umwechselnd von lachend zu stirnrunzelnd zu ihnen hinab. Sie sprechen eine seltsame Sprache oder besser gesagt, sie verwenden seltsame Worte, die die beiden Mädchen nicht verstehen. Klonk? Neppdepp? Strünke? Sie sind alle Teenager oder junge Erwachsene. Der Jüngste, den sie erblicken, ist vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt. Vergeblich versuchen sie aufzustehen, was ihnen dann auch gelingt, nachdem beide zwischen ihren Füßen ins freie krabbeln und nebeneinander gemeinsam aufstehen und sich von den Jungen entfernen. Und dann kommen sie ins Staunen. Es müssen mindestens fünfzig Jugendliche sein, in allen Größen, Hautfarben und Frisuren, mit dreckigen, verschwitzen Klamotten, als ob sie hart arbeiten müssen. Den beiden Mädchen wird schwindelig, als ihre Blicke zwischen den Jungen und dem absonderlichen Ort, an dem sie gelandet sind, hin- und her wandern. Sie stehen auf einem riesigen Platz, der die Größe von mehreren Fußballfeldern hat und von vier riesigen Wänden aus grauem Stein umgeben wird, die mit dicken Efeu bewachsen sind. Die Mauern müssen Hunderte von Metern hoch sein und bilden ein Quadrat. Jede der Wände hat genau in der Mitte eine Öffnung, die so hoch wie die Wände selbst sind. Soweit die beiden das erkennen können, befinden sich dahinter Gänge und Wege.
„Oh Mann, jetzt guckt sie euch bloß an.", sagt eine heisere Stimme. „Die verrenken sich noch den Hals vom vielen Glotzen."
Einige Jungen lachen.
„Halt die Fresse, Gally!", erwidert Alby, dass die beiden daran bemerken, weil seine Stimme wirklich dunkel ist.
Die Mädchen richten den Blick wieder auf die Unbekannten, die sie umringen und bekommen es jetzt noch mehr mit der Angst zu tun. Sie sehen garantiert aus, als ob sie völlig durch den Wind sind – sie fühlen sich wie unter Drogen. Ein großer, dünner Junge mit blonden Haaren und einem kantigen Kinn beschnüffelt sie mit ausdruckslosem Gesicht, mustert sie mehrmals. Ein kleiner Pummeliger verlagert nervös das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und blickt mit großen Augen zu den beiden Mädchen hoch. Ein stämmiger junger Asiate mit dicken Muskelpaketen verschränkte die Arme vor der Brust, die Ärmel seines engen T-Shirts hoch gerollt, so dass sein Bizeps zu sehen ist, und mustert beide. Ein dunkelhäutiger, der sich als Alby entpuppt, sieht sie mit gerunzelter Stirn an. Unzählige andere starren einfach nur zu.
„Wo sind wir?", fragt die Schwarzhaarige und ist erstaunt ihre eigene Stimme zu hören, die sich nun weiter ausbreitet, als in diesem Käfig, in dem sie eine gute Stunde verbracht hat. Sie klingt irgendwie falsch – höher, als vorhin.
„An keinem guten Ort." Das hat der Schmerz gesagt. „Macht euch nicht ins Hemd."
Beide Mädchen werfen sich kurz Blicke zu und schauen dann zusammen nach hinten, als hätten sie es ausgemacht, dass sie bereits die Mimik des anderen kennen. Umkreist von den Jungen bekommen beide die Schnauze voll, drücken einige aus dem Weg und rennen fünf Meter zwischen ihnen in die gleiche Richtung, so schnell sie können.
„He, wir haben zwei Läufer!", schreit einer von ihnen hinter den beiden her.
Ein Piepsen hören beide, als sie nach so langer Zeit ihre Beine wieder in so schnelle Bewegung setzen. Dann fällt die Brünette kurzfristig hin, da sie über ihre eigenen Beine gestolpert ist und mit dem Gesicht auf den Boden aufkommt, sodass ihr Schrei kurz gedämpft wird und sie für wenige Sekunden dort liegt.
„Okay, wir haben nur noch einen Läufer!", schreit der Junge und alle anderen lachen laut auf.
Als sie im Liegen nach hinten sieht, sieht sie, dass sie gut dreißig Meter von der ganzen Männertruppe entfernt ist. Die Schwarzhaarige rennt mehrere Meter weiter jedoch ohne stehen zu bleiben. Ein großer Junge, vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt, rennt an der Brünette vorbei, die immer noch auf dem Boden liegt, und rast direkt hinter der Schwarzhaarigen her, das direkt in Richtung einer Öffnung der Mauern rennt. Als die Brünette langsam aufsteht, erblickt sie weit entfernt von ihr, dass der Junge sie erfasst und sie festhält, wobei das Mädchen kurz versucht, sich von ihm zu befreien, ihr es jedoch nicht gelingt. Und aus dem Staunen kommen beide nicht mehr heraus, als sie diesen seltsamen Ort, an dem sie gelandet sind, genauer betrachten. Aber die Jungen kommen schneller auf sie zu, als gedacht und sperren sie weg. Das war es Mal fürs Erste.
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