Kapitel 19:

Beim Abendessen herrscht düstere Stimmung, was aber nicht an Bratpfanne liegt. Er hat zusammen mit seinen Köchen ein Festmahl aus Steaks, Kartoffelbrei, grünen Bohnen und warmen Brötchen aufgetischt. Kate und Ann haben längst kapiert, dass die Witze über Bratpfannes Kochkünste nicht ernst gemeint sind. Normalerweise verschlangen alle im Handumdrehen sein Essen und betteln um Nachschlag. Aber an diesem Abend mampften die Lichter wie Tote, die eine letzte Henkersmahlzeit zu sich nehmen, bevor sie in die Hölle verbannt werden. Es liegt daran, dass alles anders ist. Niemand ist dagegen, dass Ann zum Läufer ernannt wurde, aber niemand mag das Anderssein.

Ann und Minho gehen neben dem Wald her, stampfen über Äste und Matsch. Minho will den Friedhof meiden, da, obwohl es ein friedlicher Ort sein soll, ein Ort der Schande für ihn ist. Es ist nicht ein Friedhof für ihn, sondern eher ein Ort als Warnung für die, die noch leben.

„Wo gehen wir hin?"

„Wirst du schon sehen, Annie."

Als sie angekommen sind, stehen sie vor diesem Haus, mit der seltsamen Tür wie in einem U-Boot. An sie herein schreiten, erblickt Ann einen Raum, der von außen kleiner scheint, als er es in Wirklichkeit ist. An den Wänden hängen Plakate mit Notizen des Labyrinthes, in der Mitte gibt es einen runden Tisch, der mit einer weißen Decke überdeckt ist, als wäre dort etwas, was niemand auf den ersten Blick erkennen darf. Währenddem sich Ann umschaut, reißt Minho die Decke weg und Ann zuckt zusammen, als sie etwas erblickt, was ihr den Atem verschlägt. Das Labyrinth, mit all seinen Ecken und Kanten, die Lichtung, einfach alles. Und das in Mini-Größe.

„Das Labyrinth. Komplett."

„Was meinst du mit ‚Komplett'? Ich dachte, ihr seid noch nicht fertig."

„Wir haben schon alles erfasst. Ich bin jeden Zentimeter selbst abgelaufen, jeden Zyklus, jedes Muster. Wenn's einen Ausgang geben würde, hätten wir ihn gefunden."

Ann bemerkt Angst in ihr hoch kommen. „Warum hast du das keinem erzählt?"

„Das war Albys Entscheidung." Minho umrundet den Tisch und stellt sich mit verschränkten Armen neben sie. „Er wollte, dass alle weiter daran glauben, dass wir 'ne Chance haben hier raus zu kommen. Aber jetzt haben wir vielleicht 'ne echte Chance."

Er hält das Ding des Griewer in die Höhe, bis er es Ann rüber reicht, welche es aus nächster Nähe genau untersucht.

„Sieh dir das hier an: vor ungefähr 'nem Jahr haben wir angefangen die äußeren Abschnitte zu erforschen. Okay, wir haben diese Zahlen an den Wänden gefunden."

Am Rand des Labyrinthes liegen acht Steine, die nicht in der Reihenfolge sind und mit weißer Farbe gestrichen wurden.

„Abschnitt eins bis acht. Also es funktioniert so: jede Nacht verändert es sich und ein neuer Abschnitt wird geöffnet. Das heißt heute, war der sechste Abschnitt geöffnet. Und morgen Abschnitt vier, dann acht, dann drei. Die Reihenfolge bleibt immer gleich."

Ann streicht mit ihrem Daumen über die Zahlleiste und runzelt die Stirn. „Was ist so besonders an sieben?"

„Keine Ahnung. Aber letzte Nacht, als du den Griewer getötet hast, war Abschnitt sieben geöffnet. Ich glaube, dass er von da gekommen sein muss. Und morgen werden wir beide uns das mal genauer ansehen."

„Glaubst du, wir werden dort irgendwas finden?"

Minho zuckt mit den Achseln, schaut Ann von oben bis unten an. „Das werden wir wohl morgen wissen."

Plötzlich hören sie Schritte von weiter weg und erblicken Jeff und Clint zusammen vor der Tür stehen. Beide sind außer Puste, als wären sie einen Marathon gelaufen und schnappen nach Luft.

„He! Was soll das?", sagt Minho. „Ihr dürft hier nicht rein!"

„Sorry, es ist nur... der Junge.", keucht Clint.

Ann sieht sie erstaunt an. „Was? Ist er aufgewacht?"

Jeff schluckt. „Ja... Könnte man so sagen..."

Jeff und Clint rennen wieder zurück, währendem Minho die weiße Decke wieder über den Tisch legt und dann Ann zurück zur Lichtung folgt. Dort hören sie einen Radau in der Hütte der Sanis. Sie erblicken nichts von außen, aber als sie rein rennen, erblicken sie Gally, Newt zusammen mit den Sanis Clint und Jeff dort, wobei der gerade aufgewachte Junge ein scharfes Messer in der Hand hält.

„Wo ist Kate?", fragt Ann.

„Newt hat sie zu Zart geschickt. Sie soll in den Gärten bis zum Ende des Tages aushelfen.", sagt Clint. „Soll ich sie holen gehen?"

„JA!"

Clint sprintet aus der Hütte, während die Übrigen erschrocken zu dem gerade aufgewachtem Jungen starren. Alby, der keuchend einige Betten weiter liegt, kann er nicht erblicken, da ein Tuch ihn von den anderen trennt.

„Wo bin ich?! Wer seid ihr!?", schreit der Junge wild um sich und weiß nicht, wem er zuerst das Messer hinhalten soll.

„Beruhige dich erstmal.", murmelt Newt und hebt die Hände in die Höhe.

„Gib mir langsam das Messer.", sagt Gally und streckt seine Hand aus.

„Ich mach einen Scheißdreck!", schreit der Junge ihn an und deutet das Messer auf ihn. „Wo bin ich?"

„Hey!", schreit Kate, sodass er still wird. „Hier ist Kate!"

Minho und Ann machen Platz, sodass sie zwischen ihnen hindurch gehen und dem Jungen richtig in die Augen blicken kann. Clint kommt hinter ihr hervor, man glaubt, dass er bald zusammenbrechen wird. So viel ist er in seinem ganzen Leben noch nicht gelaufen.

„Was wollt ihr von mir?!", schreit er wieder.

„Wir wollen doch nur mit dir reden.", antwortet Kate ihm und er wird ruhig.

„Dann nur mit dir.", knurrt er sofort etwas leiser zurück.

Kate kommt ein mulmiges Gefühl hoch. Gally schaut sie an, als würde er sie heute noch zum Essen verspeisen oder sie mit einem Knüppel zusammenschlagen wollen.

Newt senkt seine Hände und wirft die anderen Blicke zu. „Okay... Kommt! Alle raus!"

Als alle draußen sind, schaut Kate kurz nach hinten, ob sie wirklich auch weg sind und sie belauschen, aber sie verschwinden wirklich. Als sie sich zu dem Jungen umdreht, hält er das Messer näher an sie und Kate hebt ihre Hände vor Schreck in die Höhe.

„Wow, wow, wow... ganz ruhig, in Ordnung?"

„Wo bin ich?", fragt er. „Was ist das für ein merkwürdiger Ort? Warum kann ich mich an nichts erinnern?"

„Ganz ruhig, das ist alles normal, okay? Wir alle haben das durchgemacht."

Kate weiß jetzt, wie sich die anderen alle gefühlt haben, als sie ihr das Gleiche gesagt haben. Es fühlt sich richtig seltsam an.

„U-und dein Name, der wird dir in ein paar Tagen wieder einfallen. Das ist so ziemlich das einzige..." Kate stoppt ihren Satz und glaubt, dass er etwas gesagt hat.  „Was hast du gesagt?", fragt sie etwas verwirrt.

„Mein Name..." Er räuspert sich. „Ich heiße Brad."

„Okay... Brad. Ich bin Kate." Sie reicht ihm die Hand zum Schütteln, aber dann nimmt sie sie sofort wieder weg. „Aber das hast du ja schon gewusst... denk' ich mal."

„Die sagen, ich hätte im Schlaf dauernd deinen Namen gesagt. Wer bist du?"

Kate ist so ahnungslos, genau wie er. „Das weiß ich nicht." Und Brad runzelt die Stirn. „Ich meine, ich kann mich nicht erinnern, okay? Keiner von uns kann das. Keiner von uns kann sich an irgendwas erinnern. Wir sind alle genauso hier aufgewacht, wie du." Kate starrt nervös auf das Messer, das er immer noch auf sie richtet und streckt ihre linke Hand ganz langsam aus. „Ich... ich nehme das jetzt."

Brad lässt es langsam los, als Kate das Messer in den Händen nimmt und legt es außer Reichweite.

„Was ist denn da drinnen los?", schreit Gally von draußen.

Kate dreht sich um und geht zur Tür, hält sie aber geschlossen und schaut durch den Spalt der Äste hindurch.

„Und? Kommt er raus?", fragt Newt schreiend, welcher neben Minho und Ann steht und die vier fragend zur Hütte starren.

„Ehm..." Kate wirft Brad einen Blick zurück und dann wieder nach draußen. „Gibt uns einfach noch 'ne Sekunde, okay?"

Gally schüttelt den Kopf und will am Liebsten rein rennen und ihr eine verpassen, wie er es schon immer wollte, aber in der Beherrschung ist er ziemlich gut. Doch irgendwann wird das Fass überlaufen.

„Na schön...", brummt Newt und scheucht die anderen endgültig von der Hütte weg.

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