Das Kopfgeld

Was bisher geschah:
Auf in die Galaxis! Nach einem emotionalen Abschied mit seinen Freunden macht Kopfgeldjäger Din Djarin sich auf den Weg nach Terminus. Sein Plan ist, von Welt zu Welt zu reisen, um Spuren zu verwischen. Doch der Preis dafür ist hoch: Wegen des Risikos, verfolgt zu werden, kann Din keiner Gilde mehr angehören. Er muss sich seine Arbeit selbst suchen.
Davor ist aber erst einmal Warten angesagt, denn bis Terminus ist es ein langer Weg...

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„Früher habe ich der Kopfgeldjägergilde auf Nevarro angehört, aber damit ist wohl erstmal Schluss. Die Sache mit Grogu hat mich ins Visier von interessierten Kriminellen und dem Restimperium gerückt.“

Das Kopfgeld
An Bord der Green Dwarf
Hyperraum

Es war nicht das erste Mal, dass Din sich zu dem Handelsplaneten Terminus begab. Bevor er sich Nevarros Kopfgeldjägergilde anschloss, hatte er sich oft in den dortigen Raumhäfen und Städten aufgehalten, um nach vielversprechender Arbeit zu suchen.
     Der Mandalorianer blickte aus dem Cockpit. Terminus lag genau an der correlianischen und der hydianischen Handelsstraße. Er kannte dort einige Leute, viele sogar, die er aber weder Freunde, noch Kollegen nennen konnte. Die meisten hatte er nur wegen gemeinsamen Aufträgen kennengelernt, in denen sie sich an ihn gewandt hatten, weil er ihnen einen Vorteil verschaffte - von Seiten der Belohnung und dem guten Ruf.
     Vielleicht passte der Begriff „höfliche Schmarotzer“ deswegen auch viel besser.
     So und nicht anders, dachte er mit grimmiger Miene. Sobald es sich lohnte, würden sie ihn von hinten zu erdolchen versuchen. Das hatten sie immer, genau, wie Ranzar Malk, Xi’an und ihr Bruder Qin es damals getan hatten. Ihre Zusammenarbeit hatte auch auf Terminus begonnen.
     Früher waren sie ein Team gewesen, das trotz allen Wahnsinns funktionierte. Zusammen hatten sie sich einen Namen gemacht, Credits kassiert, Aufträge erledigt. Jetzt... Naja, Ran und Qin waren tot und Xi’an, der er das gleiche Schicksal wünschte, verrottete im wahrscheinlich sichersten Gefängnis der Galaxis.
     Der Mandalorianer ballte die Hände zu Fäusten. Elende Nerfhirten. Die einzige Person auf Terminus, von der er behaupten konnte, sie sei vertrauenswürdig, war der Schiffsreparateur Nox Scripta. Von dem hatte Din auch die Razor Crest mit all ihren Modifikationen vermittelt bekommen.
     Der Störsender, der Waffenschrank, der Karbonit-Frierer, all das war Nox‘ Verdienst gewesen. Er würde Dins erste Anlaufstelle sein, sofern er überhaupt noch lebte.
     Nox war eine mysteriöse Gestalt, die den Großteil ihres Lebens nur auf Terminus in seiner Werkstatt verbrachte, aber er war auch nicht mehr der Jüngste. Selbst vor zwanzig Jahren, als Din ihn zuletzt gesehen hatte, hatte er schon über diverse Alterseffekte geklagt. Aber um ehrlich zu sein war Nox schon immer alt gewesen. Trotz dessen war er einsame Spitze, wenn es um Raumschiffe und deren Ausstattung ging.
     Kopfschüttelnd rappelte Din sich auf. Bis Terminus war es ein langer Weg. Bevor er Fuß auf den geschäftigen Planeten setzen konnte, waren es noch einige Stunden, die er totzuschlagen hatte. Er hatte Besseres zu tun, als Löcher in die Luft zu starren.
     Gemächlich erhob er sich aus dem Pilotensitz. Was könnte er machen? Auf jeden Fall würde er sich das Schiff noch einmal genauer ansehen. Bis jetzt war ihm nur wenig Zeit geblieben, alle Fächer und Ecken zu durchsuchen und Ergänzungen zu planen, Listen mit zu besorgenden Sachen anzufertigen oder nach Hinweisen auf Samas‘ Herkunft zu suchen.
     Din hatte es Peli nicht gesagt, aber Samas konnte unmöglich alleiniger Falschgeldvermittler sein. Für die Beträge, die er dabei gehabt hatte, lohnte es sich so gesehen nicht, falsches Geld herzustellen. Da war die Arbeit kostspieliger als die Herstellung. Der Duros musste der Vertreter eines größeren Syndikates sein, welches Unmengen davon produzierte. Milliarden. Billionen. Deswegen auch das schicke Schiff. Bei richtiger Handhabung konnte man von Geldwäsche unglaublich reich werden.
     In Berechnungen und Vermutungen gefangen kletterte Din die Sprossenleiter hinab, die zum Rest des Schiffes führte. Unten angekommen zog er sich die Handschuhe aus und legte sie zur Seite. Beim Herumwühlen störten sie ihn nur.
     Jetzt, wo die Green Dwarf frei von Kisten war, sah Din zum ersten Mal die vielen Einrichtungen an Boden und Wänden und Decke. Er stand im Bug des Schiffes und blickte in einen rechteckigen Raum, der in der geschlossenen Laderampe auf der gegenüberliegenden Seite endete. Seine Höhe betrug etwa zweieinhalb Meter, wie Din mit ausgestreckten Armen feststellte, Länge und Breite schätzte er durch große Schritte jeweils auf neun und vier Meter.
    Das eignet sich perfekt für einen neuen Karbonit-Frierer, dachte er. In der hinteren linken Ecke, direkt vor der Laderampe, war genug Platz für eine solche Anlage. Dort waren auch keine Knöpfe angebracht, die umgeleitet werden mussten.
     Er legte den Kopf in den Nacken. Kleine Neonlampen erhellten den Bug mit hellem Licht, hier und dort waren Griffe und Stangen zur Befestigung von Ladung angebracht. An zwei Wandhaken hingen die dazugehörigen Seile und Verschlüsse. Da passte vielleicht noch ein Schrank für Waffen und Werkzeuge hin.
     Ein Fach auf der rechten Seite weckte seine Aufmerksamkeit. Zwei dünne und lange Platten waren längs in die Wand eingelassen, und als Din sie packte und herauszog, kamen zwei Kojen zum Vorschein.
     Nicht schlecht. Probeweise legte er sich hinein. Komfortabel, aber nicht so weich wie der Pilotensitz. Sein zukünftiger Schlafplatz stand also schon mal fest.
     Schwungvoll stand er wieder auf. Wenn es Kojen gab, war mit Sicherheit noch mehr in den Wänden versteckt. Sorgfältig fummelte er an der restlichen Wandverkleidung herum, in der Hoffnung, auf weitere Überraschungen zu treffen.
     Außer der kleinen Waschkabine und Vakuumröhre im vordersten Bugteil, gleich neben der Sprossenleiter, hatte er bis dato noch nichts Weiteres entdeckt. Das änderte sich schnell, als er auf einen leeren Hohlraum in der Wand stieß und mehrere Schalter entdeckte, die für irgendetwas zuständig waren, das er noch herausfinden musste.
     Zentimeter für Zentimeter arbeitete Din sich mit den Fingern voran. Es gab zu viel in der Green Dwarf, von dem er noch nicht wusste; Lichtschalter, Hohlräume, Hebel, selbst ein im Boden versteckter aufzubauender Tisch und eine tresenartige Arbeitsfläche, die durch eine Klappe in der Wand versteckt war. Hätte er von ihnen gewusst, hätte er schon viel früher seine Röntgenfunktion im Helm angeschaltet, doch nun gefiel es ihm, selbst hinter die Geheimnisse zu kommen, die zwischen all dem Metall auf ihn warteten.
     Er besah sich den kleinen Tresen. Schalen und Schüsseln stapelten sich dort, Essensrationen in kleinen Päckchen und sogar eine Miniatur-Kochplatte. Besteck, zu viel für eine einzige Person, und eine Reihe kleiner Fläschchen, die verdächtig nach hochprozentigem Alkohol aussahen.
     Din sah sie sich alle an, wendete und drehte die Sachen, bis er alles aus jedem Winkel gesehen hatte. Samas schien keine Wertgegenstände oder größere Waffenansammlungen besessen zu haben, dafür musste er Alkohol gesammelt haben. Es war nur einer kleinen Kante zu verdanken, über die der Mandalorianer stolperte, die ein weiteres, größeres Fach im Boden zum Vorschein brachte, in das Flaschen gelagert waren.
     Din griff hinein. Wie ein Kind vor Geschenken hockte er vor dem Bodenfach. Einige Flaschen waren dick, andere waren dünn. Manche waren extravagant verziert, andere schlicht und einfach. Es gab Flaschen, die waren mit bunten Flüssigkeiten gefüllt und welche, die überhaupt keine Farben besaßen. Ein paar waren aus Glas, wiederum andere aus transparentem Kunststoff. Namen in den unterschiedlichsten Sprachen prangten dem Mandalorianer entgegen, Etiketten unterschiedlichster Formen aus den unterschiedlichsten Welten der Galaxis, manche davon, die er nicht einmal kannte.
    »Hm«, machte er, andächtig die große Sammlung betrachtend. Das war ja eine halbe Bar, die dort lag. Es wäre besser gewesen, hätte er das Schiff vor seiner Abreise durchsucht. Din trank nicht, konnte mit den lustigen bunten Flüssigkeiten also auch nichts anfangen. Sie mussten ein Heidengeld gekostet haben, so, wie manche schimmerten.
     Vorsichtig platzierte er sie zurück. Was wohl damit passierte, wenn ihm irgendeine Lasersalve in den Bug einschlug? Ein gefährlicher Spaß war das. Din konnte nicht sagen, ob er positiv von dem Interieur der Green Dwarf überrascht war, doch überrascht war er allemal. Das hier... Das war ein Schiff, das man ein richtiges Zuhause nennen konnte. Ganz anders als die Razor Crest, die im Gegenzug wie ein absolutes Minimum wirkte, das nur zum Überleben und nicht zum Leben gemacht war.
     Din betrachtete sich die grünen Wände. Samas musste hier mit einem oder zwei Partnern gelebt haben. Er fragte sich, woher der Duros kam und was sein nächster Halt gewesen wäre, als er die Luke im Boden wieder verschloss. Er könnte die Flugchronik des Schiffes durchforsten und im Datenspeicher nach Funkaufzeichnungen suchen, insgeheim befürchtete er aber, dass das nicht so einfach war, wie es sich anhörte.
     Still hockte er auf dem nackten Metallboden, dem sanften Ruckeln lauschend, das der Hyperraumflug verursachte. Samas war ein Verbrecher und Falschgeldschmuggler. Er hatte seine ganz eigene Technik, Spuren zu verwischen, eine Technik, die mehr mit Schiffstechnik zu tun hatte als Dins, von Planet zu Planet zu reisen.
     Wenn er sich Zutritt ins Schiffsystem verschaffte und dabei falsche Zugangsdaten eingab, könnte er Löschmechanismen auslösen. Das Schiff konnte in die Luft fliegen, zu brennen anfangen, ein Notsignal senden, was auch immer. In der Vergangenheit hatte Din schon viele solcher Geschichten gehört; seitdem war er immer auf der Hut. Da war es besser, Din wartete, bis er bei einem Spezialisten war, der das Ding für ihn durchleuchtete – Nox Scripta zum Beispiel.
  Und wenn der alte Reparateur schon das Zeitliche gesegnet hatte? Dann blieben dem Mandalorianer nur zwei Alternativen. Er konnte natürlich versuchen, so lange wie möglich mit seiner jetzigen Ausrüstung auszukommen, oder er ging nach...
     Ein Piepton unterbrach seinen Gedankengang. Verwundert fuhr Din herum. Hatte es schon vorher gepiept? Gerade stand er auf, da empfingen seine Ohren ein zweites Piepsen. Dieses Mal war es lauter.
     Hatte er unabsichtlich auf einem Knopf gesessen? Ein Blick zurück versicherte Din, dass dem nicht so war. Es musste etwas anderes sein. Nur woher kam es?
     Dem Piepsen mit dem Gehör folgend aktivierte der Mandalorianer seine Röntgenfunktion. Augenblicklich gaben sich die einzelnen Geheimfächer in den Wänden anhand verdunkelter Umrisse zu erkennen. Nichts. Din blickte nach oben in Richtung Cockpit. Dort. Ein schwaches Blinklicht, das seinen Ursprung in einem Fach oberhalb des Pilotensitzes fand.
     Rasch kletterte Din die Sprossenleiter hinauf. Das Piepsen war jetzt lauter, und schneller. Fast so, als würde es auf seine Präsenz reagieren.
     Beinahe hastig riss Din das kleine Fach auf. Sofort fiel ihm der kleine quadratische Gegenstand entgegen, aus dem das Lichtchen kam. Das Piepsen war zu einem wilden Crescendo an hohen Tönen mutiert, bis zu dem Augenblick, in dem Din es in den Händen hielt. Ab da gab es nur noch einen einzigen, ununterbrochenen Ton von sich.
     Ein Peilsender.
     Mit wachsendem Grauen schielte Din in das Fach. Bitte nicht. Da lag noch ein zweiter Gegenstand. Er streckte seine Finger aus und bekam etwas Rundes zu fassen, das ihn von Form und Gewicht glatt an einen Kopfgeld-Puck erinnerte.
Weil es einer war, wie er im Anschluss feststellte.
     Langsam ließ Din sich auf dem Pilotensitz nieder. Den Peilsender brachte er zum Schweigen, indem er ihn entzwei brach. Sofort erstarb der nervenaufreibende Ton, doch in einer Geräuschkulisse, die an einen offline gehenden Droiden erinnerte. Dann wandte er sich dem Puck zu, der so aussah, als wäre er soeben frisch aus der Fabrik gekommen, und aktivierte ihn.
     Und ließ ihn augenblicklich fallen.
     »Dank farrik.«
     Blind stürzte Din sich auf die Armaturen und riss den Steuerhebel herum. Sofort verließ die Green Dwarf den Hyperraum, und ein Dröhnen durchfuhr das Schiff, als es sich irgendwo im Nirgendwo des normalen Weltraums wieder materialisierte. Beinahe wäre Din aus dem Sitz gefallen. Verwirrt schrie das bis dato heruntergefahrene Navigationssystem auf, an mehreren Stellen blinkten Knöpfe in ungesunden Rottönen. Wie morsches Holz ächzten die Turbinen, und alles, was in diesem Moment nicht Niet und nagelfest war, kullerte unkoordiniert herum. Unten hörte er Schüsseln und Flaschen scheppern.
     »Dank farrik«, wiederholte er. Din hatte Schwierigkeiten, die passenden Worte zu finden, und die, die ihm über die Lippen krochen, waren nur ein unverständliches, nicht nachvollziehbares, schockverzerrtes Murmeln und Gurgeln.
    Dank farrik.
     Lange saß der Kopfgeldjäger auf dem Pilotensitz. In seinem Brustkorb, dort, wo sein Herz saß, wütete ein Orchester aus Trommeln und Pochen. Schmerzhaft hämmerte es ihm gegen die Rippen, nahm seiner Lunge die Luft zu atmen, versetzte seinen gesamten Körper in Alarmbereitschaft. Wie Lasergeschosse jagte ihm das Adrenalin durch die Adern; in seinem Kopf wütete ein ganzer Krieg.
     Nein. Nach Terminus zu reisen war keine gute Idee. Terminus war kein sicherer Ort, und die Galaxis war es auch nicht mehr. Nicht mit dem, was auf diesem Puck verzeichnet war. Ein Schritt auf den Planeten und Din wäre tot.
     Zögerlich beugte er sich nach unten. Besagter Gegenstand war bei seiner Vollbremsung unter das Kontrollpult gerutscht. Ächzend tastete er den Boden ab. Dadurch, dass alles in Schwarz gehalten war, sah er überhaupt nichts. Zu seinem Glück fand er ihn dennoch schnell.
     Zurück auf dem Pilotensitz stieß Din ein langes und vor allem überwältigtes Seufzen aus. So sehr hatte er sich nur wenige Male in seinem Leben erschrocken – etwa damals, als Grogu von den Dunkeltruppen entführt worden war. Wenn er recht überlegte, hatte nur Grogu ihn jemals wirkliche Angst spüren lassen. Angst um andere.
     Das hier war etwas anderes.
     Din war heiß. Sein Herz pochte nicht mehr so schnell wie zuvor, trotzdem war sein Blut mächtig mit Adrenalin zu gedröhnt. Die wirre Mischung aus kochend heißer Aufregung und eiskalter Angst brachte ihn unter seiner Rüstung zum Schwitzen. Das Hologramm des Pucks machte es nicht besser.
     Vielleicht war es doch klug, sich irgendwo Unterstützung zu suchen, erinnerte der Mandalorianer sich an Cobb Vanths Vorschlag. Doch erst musste er sich einen Plan überlegen, wie er das am besten anstellte. Din musste irgendwohin, wo er ungestört sein konnte.  
     Irgendwohin, nur nicht nach Terminus. Nicht mit seinem Ebenbild auf diesem Puck. Nicht mit seinem Geburtsnamen darunter.
     Nicht mit einer Millionen Credits als Kopfgeld.

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