Kapitel 6: Unbeantwortete Fragen, Grübeleien und Regen

"Hey, wartet mal!"
Clint hatte die Zwillinge eingeholt, die auf seinen Ausruf hin ihre Diskussion unterbrachen und sich zu ihm umwandten.
"Was gibt's denn?"
Wanda verschränkte ihre Arme gespielt eingeschnappt vor der Brust.
"Wer ist der Typ da bei Steve?"
Clint deutete mit dem Daumen unauffällig über seine Schultern zurück zum Café.
Wanda und Pietro folgten seiner angedeuteten Richtung mit ihren Blicken, wobei sie beide fast synchron die gleiche Miene aufsetzten.
Auch ihre Gesichtsfarbe wurde um mehrere Nuancen blasser.
Eine unheimliche, angespannte Stimmung legte sich über die Szene.
"Ich weiß nicht, wen du meinst.", sagte schließlich Pietro, nahm Wanda am Arm und drehte sie mit sich herum. Clint verzog das Gesicht zu einem fragenden Ausdruck.
Es war doch unverkennbar, dass Steve sich mit dem anderen unterhielt.
Die Zwillinge taten aber so, als würden sie ihn nicht sehen?
Er hatte das Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben.
Irgendetwas schien diese Gruppe zu verheimlichen und es hatte mit Steves Schatten – er würde diesen Namen jetzt einfach mal für den Unbekannten beibehalten – zu tun.
Etwas war da ganz und gar nicht in Ordnung.
Aber was?
Eine andere Frage war natürlich, ob ihn das überhaupt etwas anging.
"Lasst uns jetzt endlich nach Hause gehen, ja?", bat Wanda schließlich.
Sie schien sich mehr als unwohl zu fühlen und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere, während sie mit ihrer Hand die von Pietro umklammerte, die immer noch auf ihrem Arm lag.
Die beiden setzten sich in Bewegung. Clint öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber er ließ es bleiben.
Er hatte sowieso schon die Stimmung verdorben.
Ihren Heimweg setzten die drei schweigend fort.
Clint hatte es womöglich gerade versaut.
Alles.
Seine Chancen, Anschluss zu finden, Freunde zu finden.
Das erklärte deswegen trotzdem nicht das seltsame Verhalten seiner Bekannten.
Warum reagierten seine Nachbarn nur so?
Als sie ihr Haus erreichten, war immer noch kein Wort zwischen ihnen gefallen.
Die Zwillinge hatten einen äußerst schnellen Tritt an den Tag gelegt und so waren sie mindestens sieben Minuten eher da, als wenn sie langsam gelaufen wären.
Clint war etwas außer Atem von dem Tempo, was nicht wirklich seiner eher ruhigen und langsamen Gangart entsprach.
Von Wanda hätte er so etwas ebenso wenig erwartet, da sie so gewirkt hatte, dass sie Stress stets vermied.
Also musste seine Frage wirklich etwas in ihr und ihrem Bruder ausgelöst haben.
Pietro hatte als erster seine Schlüssel parat und machte die Eingangstür auf. Sie stiegen gemeinsam die Treppen nach oben, wobei Clint stets hinter den beiden blieb, wie auch schon auf dem Weg hierher.
In ihrer Tür wünschten die Zwillinge ihm ein flüchtiges
"Gute Nacht.", dann verschwanden sie so schnell in ihrer Wohnung, dass er gar nicht die Gelegenheit hatte, zu antworten und die Verabschiedung zu erwidern.
Ärgerlich über sich selbst, obwohl er ja eigentlich, zumindest seines Wissens nach, nichts falsch gemacht hatte, betrat Clint sein eigenes Heim.
Noch immer fehlten ihm manche Einrichtungsgegenstände, aber er hatte die Woche bereits schon einiges aufgestockt.
Immerhin waren endlich alle Kartons weg – diese Unglücksbringer.
Er schloss die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel zweimal im Schloss.
Normalerweise machte er das nicht, aber der seltsame Stimmungsumschwung seiner Nachbarn hatte auch in ihm etwas ausgelöst.
Er konnte nur immer wieder wiederholen, wie komisch die Situation vor dem Café gewesen war.
Dadurch wurde er aber auch nicht schlauer daraus, oder begriff, was genau da abgelaufen war.
Clint zog seine Jacke aus und warf sie frustriert in eine Ecke des Flures.
Er hatte nur eine Frage gestellt.
Was war schlimm daran, wenn er wissen wollte, wer Steves Schatten war? Fanden die Zwillinge etwa, sie kannten sich noch nicht lange genug und es würde ihn deshalb nichts angehen? Aber das war doch unlogisch.
Clint erkannte, dass er zu keiner vernünftigen Antwort auf alle seine Fragen kam, auch wenn er noch so lange darüber nachgrübelte.
Wenigstens hatte er jetzt die Handynummern von seiner Bekanntengruppe.
Sie hatten sie während ihres Aufenthaltes im Café ausgetauscht, und nun hatte er sechs neue Kontakte auf seinem Handy.
Wenn jetzt überhaupt noch jemand etwas mit ihm zu tun haben wollte.
Clint beschloss, die Gedanken an diesen rätselhaften Vorfall erst einmal zur Seite zu schieben.
Irgendwie wollte er diesen, nun verkorksten, Abend noch ausklingen lassen.
Auf den Balkon wollte er nicht gehen. Also beschloss er sich vor den Fernseher zu setzten, den er seit gestern besaß. Morgen war sowieso Sonntag, da konnte er sich stundenlang irgendwelche Filme ansehen und musste nicht darauf achten, früh schlafen zu gehen um am nächsten Tag überhaupt aus dem Bett zu kommen.

Am nächsten Morgen erwachte Clint, weil gewaltige Tropfen gegen die Scheiben der Fenster platschten.
Regen.
Schon wieder Regen.
Gut, das letzte Mal hatte es geregnet, als er hier eingezogen war, das war nun auch schon eine Woche her.
Aber trotzdem kam es ihm so vor, als würde hier ständig Wasser vom Himmel kommen.
Also konnte er heute nichts draußen unternehmen.
Das hieß auch, dass er seinen Spaziergang von gestern nicht fortsetzten konnte.
Also würde er wahrscheinlich den ganzen lieben langen Tag in seinen vier Wänden hocken und sich langweilen. Großartig.
Clint ließ den Morgen sehr langsam angehen, um Zeit zu schinden.
Er blieb ungewöhnlich lange auf seiner Matratze liegen, denn ein Bett gehörte zu den Sachen, die ihm immer noch fehlten.
Glücklicherweise hatte das mit seinen Rückenschmerzen bereits in der zweiten Nacht nachgelassen.
Irgendwann war er aufgestanden, lustlos, geradezu schwermütig.
Das graue Wetter draußen trug nicht gerade zu guter Laune bei. Anschließend war er in die Küche geschlurft, hatte sich das Radio angemacht, Kaffee getrunken und ausgiebig gefrühstückt.
Währenddessen hatte er sich gefragt, warum er es für nötig gehalten hatte, sein Geld erst für einen Fernseher auszugeben, anstatt für ein Bett.
Den Rest des Vormittages brachte Clint damit zu, sein Chaos von Wohnung aufzuräumen.
Er war nun einmal kein Mensch der peniblen Ordnung, aber etwas anderes hatte er sowieso nicht tun können, das war viel zu langweilig.
Er brauchte Bewegung.
All das endete damit, dass er das Radio auf eine ziemlich hohe Lautstärke drehte und, bei allen möglichen gespielten Songs laut mitsingend, durch seine Wohnung lief und alles etwas auf Vordermann brachte.
Die gute Laune war wieder hergestellt. Nach getaner Arbeit ließ sich Clint auf seine Matratze fallen und gönnte sich einen Moment der Ruhe.
Dabei checkte er sein Handy auf irgendwelche Nachrichten.
Und in der Tat, jemand hatte ihn angeschrieben.
Er war überrascht zu sehen, das es Wanda war.
Er hatte ihre Nummer gleich unter ihrem Namen abgespeichert.
Verblüfft, aber auch gespannt was drinnen stehen konnte, öffnete er ihre Nachricht.

Magst du vielleicht am Nachmittag mal rüberkommen? Wir langweilen uns. LG, Wanda

(Sonntag)

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