Kapitel 24: Ein alter Bekannter

„Verfluchte Scheiße!" Die Worte hatten Clints Mund so schnell verlassen, dass er nicht einmal im Ansatz den Gedanken fassen konnte, sie zurückzuhalten. 

Mit leichten Zornesfalten auf der Stirn ging er in die Knie und hob seine Tasche auf, deren Inhalt über den Gehweg zerstreut war. Der ganze heutige Tag war schon wie verhext gewesen, und eigentlich wollte er nur nach Hause, sich ins Bett legen und schlafen.
Da war er auch in Gedanken gewesen, bereits im Bett, und hatte daher nicht mehr wirklich auf seine Umgebung geachtet.
Deswegen war er wohl auch in jemanden hineingelaufen – und nun lagen seine Habseligkeiten weit und breit verteilt und er versuchte, sie so schnell wie möglich einzusammeln. Herrgott, war das unangenehm! 

„Alles in Ordnung?", fragte der Mann, den er wohl angerempelt haben musste, und für den Bruchteil einer Sekunde kam seine Stimme Clint unglaublich bekannt vor. Doch er hatte dafür jetzt wirklich nicht den Kopf, darum grummelte er nur eine unverständliche Antwort (welche sowohl als „Ja, danke alles in Ordnung." oder „Verpiss dich und lass mich in Ruhe!" hätte gedeutet werden können) und packte seine restlichen Sachen wieder in seine Tasche. 

Kaum, dass er fertig war, streckte ihm jemand die Hand entgegen, direkt in sein Gesicht. Er blickte auf blasse, schlanke Hände mit langen Fingern. Ohne großartig darüber nachzudenken, ergriff er diese Hilfe und ließ sich von dem Fremden hochziehen. 

„Danke. Ich - " Clint erstarrte augenblicklich, als er in das Gesicht seines Gegenübers aufsah. Die Worte weigerten sich plötzlich, seine Lippen zu verlassen.
Der andere Mann hielt noch immer seine Hand fest und grinste belustigt, als er den geschockten Gesichtsausdruck bemerkte. 

„Hallo Clint Barton. Hast du mich vermisst?" 

„Loki!", zischte Clint nur als Antwort. Etwas Anderes fiel ihm nicht ein. 

Mit einem Ruck entriss er seine Hand dem Griff seiner Ex – Liebschaft. Er hatte gehofft, diesen Mann nie wieder zu sehen. Und nun standen sie sich gegenüber und es gab keinen Zweifel mehr – Loki Laufeyson, der größte Fehler in Clints Liebesleben, war wieder da. Und er erschien so charmant wie eh und je, doch Clint durchschaute diese Fassade mittlerweile.
Hinterlistig und selbstsüchtig, so war sein wahres Gemüt. Also hatte er sich doch nicht getäuscht, als er am Wochenende meinte, Loki vor seinem Wohnhaus wiedererkannt zu haben. Die Frage war nur, was er hier wollte. 

„Was für ein unverhofftes Wiedersehen, nicht wahr? Die Wege des Zufalls scheinen unergründlich zu sein.", meinte der hochgewachsene Schwarzhaarige. 

Clint, der nun wirklich keine Lust auf dieses philosophisch-kryptische Geschwafel hatte, unterbrach ihn unwirsch. „Was willst du hier? Ich habe dich letzte Woche vor meinem Haus gesehen – spionierst du mir hinterher?" 

Loki lachte, als würde Clints Gereiztheit ihn amüsieren. Wahrscheinlich war dem auch so.
„Wie kommst du denn darauf? Ich darf doch wohl an jedem Haus vorbeilaufen, an dem ich vorbeilaufen will. Deine sture Natur möchte wohl nur nicht akzeptieren, dass es zwischen uns vorbei ist - weswegen du so verzweifelt versuchst, meine Anwesenheit mit deiner eigenen Nähe zu begründen." 

„Da war nichts zwischen uns!", zischte Clint ärgerlich.

 „Natürlich nicht.", sein Gegenüber zwinkerte ihm verschwörerisch zu, was die Wut des Blonden natürlich weiter anstachelte. Er könnte kotzen.
Der Tag war gerade so schlimm geworden, wie er es nie für möglich gehalten hätte.
Erst der ganze Arbeitsstress, dann hatte die Schranke des Parkplatzes gesponnen und er hatte doppeltes Geld bezahlen müssen, um sein Auto benutzen zu können. Außerdem hatte einer seiner Kollegen seinen Kaffee auf seinem Schreibtisch und seiner Hose verschüttet und nun war seine Tasche ausgerechnet vor Loki ausgekippt, der ihn verhöhnte und ärgerte.
Wirklich, was für ein grandioser zweiter Wochentag! 

Sonst war Clint nicht immer so von Pech verfolgt, bis auf das Chaos, in dem er seine Wohnung manchmal (was heißt manchmal, eigentlich geschah es ziemlich oft) zurückließ und dann gewisse Dinge nicht wiederfinden konnte. 

Eigentlich hatte er seit seinem Umzug – abgesehen von den kleinen Problemen mit dem Kartons, dem Kuss von Pietro und seinem beinahe Unfall mit ihm und der geheimnisvollen Sache, die da im Hintergrund mit Bucky, Steve und den anderen lief - kaum Missgeschicke erlebt. Diese Glückssträhne schien heute wohl vorbei zu sein. 

„Du kannst mir wirklich gern glauben, dass es nur ein dummer Zufall ist, dass wir beide uns für die gleiche Sache interessieren.", äußerte der Schwarzhaarige plötzlich mit ungewohntem Ernst in der Stimme. 

Clint horchte auf und stoppte, sich in seinen Gedanken selbst zu bemitleiden. „Was meinst du damit?" 

„Das würdest du natürlich brennend gerne erfahren, Falke. Aber dein gutes Auge scheint doch nicht alles zu sehen."
Konnte der Typ nicht einmal ordentlich reden? Doch es lag einfach in Lokis Natur, anderen auf die Nerven zu gehen, er war schließlich nicht umsonst nach dem Gott des Schabernacks benannt worden. 

„Loki.", sagte Clint, wobei er sich in einer Geste, die seinen sehr kurzen Geduldsfaden deutlich zum Ausdruck brachte, über das müde Gesicht rieb, „Bitte sprich nicht in Rätseln und sag einfach, was du willst." 

„Das Herz des Winter Soldiers erobern, genau wie du nehme ich an. Und das am Besten so, dass der Captain davon nichts mitbekommt." 

Jetzt reichte es Clint völlig. Ihm schwirrte der Kopf von komischen Namen, die ihm nichts sagten und absolut nicht in den Kontext zu passen schienen. „Gut, dann eben nicht.", zischte er, raffte seine Tasche mit ruckartigen Bewegungen über die Schulter und drehte Loki demonstrativ den Rücken zu. 

Er würde jetzt nach Hause gehen, sich einen schönen Kaffee machen, duschen und dann einfach entspannt einen Film sehen. Er musste runterkommen und sich von diesem beschissenen Tag erholen. 

„Triff dich einfach zur geplanten Zeit mit Antman, er wird dir schon alles erklären!", rief Loki ihm noch hinterher, aber Clint schaltete auf taub. Es reichte wirklich!
Wenn sein Ex glaubte, ihn auf den Arm nehmen zu können, dann täuschte er sich aber gewaltig. Jetzt war Schluss mit dem ganzen Mist, er würde sich nicht nochmal die Blöße geben, und sich provozieren lassen. 

Während er auf sein Wohnhaus zu stapfte und Loki im Hintergrund in sein dunkelgrün lackiertes Auto stieg und davon fuhr, brauten sich am Himmel einige dunkle Gewitterwolken zusammen, welche perfekt zur Stimmung des blonden Hobbybogenschützen passten.

(Dienstag) 

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