Kapitel 21: Anrufe

„Warte, sag nichts! Ich weiß was neu ist." Clint lümmelte auf dem Boden im Schlafzimmer, das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt, vor sich mehrere aufgerissene Pappkartons. Überraschenderweise hatten es diese nämlich unbeschadet in seine Wohnung geschafft. Er war gerade dabei gewesen, sein Bett aufbauen zu wollen, das ihm endlich, nach mehreren Tagen Verspätung geliefert worden war. 

Damit konnte er auf die Luftmatratze verzichten, die jedes Mal quietschte und knarzte, wenn er sich umdrehte. 

Dann jedoch hatte ihn ein Anruf ereilt und ihn aufgehalten. „Dein Telefonanschluss funktioniert nun und du hast endlich mal die Zeit gefunden, bei mir anzurufen?", fragte er. 

Am anderen Ende der Leitung lachte Laura nervös auf. „Du hast es erraten.", sagte sie, „Und, was gibt es Neues bei dir?" 

„Du hälst mich vom Bettbauen ab.", klärte Clint seine Cousine auf. 

„Oh nein! Das wusste ich nicht. Ich melde mich einfach später wieder, wenn's besser passt.", schlug sie vor. 

„Nein! Bitte, bleib doch dran. Ich hab dir einiges zu erzählen." 

„Für Klatsch und Tratsch bin ich schließlich immer zu haben. Schieß los, Cousin." 

Clint nahm sich die Zeit, noch den Bauplan sowie den Schraubenzieher beiseite zu legen, mit denen er bis vor kurzem noch hatte werkeln wollen, und sich bequemer hinzusetzten, ehe er antwortete. „Nun ja, zuerst einmal habe ich noch kein neues Hobby gefunden." Er hielt es für eine gute Idee, erst einmal mit etwas belanglosem ins Gespräch einzusteigen. 

Laura lachte wieder. „Das hatte ich auch ehrlich gesagt nicht erwartet. Und eine Möglichkeit, deinen Bogen zu benutzen, hat sich wohl auch noch nicht ergeben, wie ich annehme?" 

„Nein, leider nicht." 

„Das tut mir leid, ehrlich. Ich weiß ja, wie sehr du das Schießen liebst. Hätten wir eine größere Wohnung, hätte ich dir angeboten, hier ein wenig zu trainieren, aber - ", doch Clint unterbrach sie eilig. 

„Hey, es gibt überhaupt keinen Grund, dass du dir wegen so etwas den Kopf zerbrichst. Du hast Wichtigeres zu tun. Wie geht es den Kindern?" 

Seine Cousine begann aufzuzählen, was sie in der kurzen Zeit die bereits nach seinem Besuch vergangen war, alles angestellt hatten. 

Und während sie berichtete, dass Nathaniel sich mittlerweile großartig durch die Vorschule schlug und sich die größeren Beiden ab und an mit den Nachbarskindern anlegten, spürte Clint, dass es nicht der richtige Moment war, um ihr von den jüngsten Ereignissen zu berichten. 

Laura hatte noch immer Stress, so kurz nach ihrem eigenen Umzug, und dazu noch drei Kinder, die sie allein großziehen musste – nicht zu vergessen war, dass sie nebenbei auch noch zu arbeiten hatte. 

Er hatte sie bereits beim ersten Mal viel zu tief in das Thema eingeweiht. Vielleicht war das eine falsche Entscheidung seinerseits gewesen. Solange er nicht wusste, was unter der Oberfläche verborgen lag – egal ob gefährlich oder harmlos –  sollte er eine Mutter, die dazu einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben war, nicht in etwas derartiges hineinziehen. 

Er sollte die Dinge lieber allein klären und sich vorsehen. Tiefer graben, aber unauffällig und nur im Schutze der Dunkelheit. Er würde schon noch das rausbekommen, was hier vor sich ging, denn wenn Clint eines war, dann hartnäckig und starrköpfig! 

„Du, Laura?", sagte er und unterbrach damit ihren Redefluss. „So gern ich mich jetzt weiter mit dir unterhalten würde, ich glaube die Kids kommen sicher bald nach Hause und so wie ich dich kenne, willst du nicht, dass sie stundenlang eure Telefonrechnung strapazieren. Und mein Bett baut sich auch nicht von allein auf." 

Er war erleichtert darüber, dass Laura seinen plötzlichen Stimmungswandel einfach so hinzunehmen schien. „Verstehe, du willst mich loswerden.", meinte sie in gespielt beleidigten Tonfall, „aber keine Sorge. Ich lass dich für die restliche Woche in Ruhe. Gib mir nur mal Bescheid, wenn sich etwas in du – weißt – schon – welcher – Sache ändert, okay? Kannst du mir das versprechen?" 

Clint schluckte einen gewaltigen Kloß in seinem Hals hinunter, welcher sich in sekundenschnelle dort gebildet hatte. „Natürlich." Nach einer kurzen Verabschiedung legte er schließlich auf. 

So elend hatte er sich schon eine Weile nicht mehr gefühlt. Er hatte Laura angelogen und ihr ein leeres Versprechen gegeben. Und sie vertraute ihm blind. Es fühlte sich wie ein Verrat an, als hätte er sie hintergangen. 

Wenn er nach Ausreden suchen würde, könnte er sich immerhin erzählen, er hätte ihr nur ein paar Informationen vorenthalten, was ja auch sein gutes Recht war. Seine Intention war der Schutz seiner Familie, und der war wichtiger, als sein eigener. Denn vor allem Sams letzte Worte im Vogelladen hatten ihn den vergangenen Tagen kaum Ruhe gelassen.

Steve ist hier der Captain, hallte es in seinem Kopf wieder und wieder. Wenn er nicht will, läuft auch nichts. 

Steve war also der Schlüssel, das Kernelement der ganzen wirren Ereignisse. Mit Bucky konnte er darüber auf keinen Fall reden, dafür kannten sie sich noch nicht genug. Und mit den Zwillingen ... wenn er Wanda wiedersehen wollte, würde er wohl oder übel an Pietro vorbei müssen. Und um ihm zu begegnen, dafür war er einfach noch nicht soweit. 

Nachdenklich tippte sich Clint mit dem Telefon gegen das Kinn. Steve schien so etwas wie der Knotenpunkt zu sein, an dem alles zusammenlief. Sein Blick schweifte über die Holzbretter, Schrauben und Pappkartons, die rings um ihn herum verstreut waren. Vielleicht war es an der Zeit, einen nächsten, vielleicht riskanten Schritt zu wagen. 

Er wog den Gedanken noch einen Moment lang ab, um sich sicherzugehen. Dass es wirklich eine gute Idee war, ihn auch in die Tat umzusetzen. Dann stand er auf und klopfte sich ein paar Holzspäne von der Hose und machte sich auf die Suche nach seinem Handy, welches er kurz darauf unter dem Aufbauplan des Bettes entdeckte.

Er entsperrte es und suchte in den Kontakten nach einer ganz bestimmten Nummer. Noch einen weiteren Moment zögerte er, der Finger schwebte über dem grünen Höher. Dann entschloss er sich, das Ganze etwas anders zu machen. Also tippte Clint die Zahlen ins Telefon ein und legte sein Handy wieder beiseite, nach dem er sich vergewissert hatte, dass er keinen Zahl vergessen oder vertauscht hatte. Anschließend trat er ans Fenster, das Telefon am Ohr, und sah nach draußen in den freundlichen Nachmittag. 

Warum genau er sich mit dem Festnetzanruf sicherer fühlte konnte er nicht sagen. Das mehrfache Tuten aus dem Höher machte ihn ein wenig nervös. Doch dann ertönte endlich ein leises Rauschen, dann ein Knistern in der Leitung und jemand nahm den Anruf entgegen. 

Clint versenkte seine freie Hand in der Hosentasche, während er weiterhin nach draußen starrte und einen Vogelschwarm beobachtete, der im waghalsigen Tempo über den Himmel sauste. „Clint Barton ist mein Name.", erklärte er mit ruhiger Stimme. 

„Ich würde gerne mit Scott sprechen." 

(Freitag)

~ Lang, lang ist's her und das Kapitel ist wieder eher semi gut geworden. . . aber immerhin geht es ein wenig voran. 

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