Kapitel 19: Kalter Rauch und Mondlicht

„Was zur Hölle willst du, Barton!" 

Kaum schlug ihm die kühle Nacht entgegen, fragte sich Clint genau das Gleiche. Was machte er hier? Ihn ging Buckys und Steves Streit absolut nichts an. Er sollte seine Nase nicht in die Angelegenheiten von anderen stecken – und als ihm wieder einmal Scotts Warnung in den Sinn kam, dann erst recht nicht in die von Steve. 

„Ich . . .", begann er schließlich, eine Erklärung suchend, „Ich habe euren Streit gehört und – " Bucky schnaubte entrüstet. „Du hast also gelauscht, ja?" Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich hatte dich eigentlich nicht als so eine Art Mensch eingeschätzt." Und so, wie er das ausdrückte, hielt er nicht viel von „dieser Art Mensch". 

Aus irgendeinem Grund trafen Clint seine Worte hart. Konnte er denn nicht einmal das Richtige in Buckys Gegenwart sagen, ohne die Situation merkwürdig zu machen? 

Verärgert über sich selbst stemmte er die Hände in die Hüften und drehte sich ein Stück von Bucky weg, der sich mittlerweile an die Hauswand gelehnt hatte und sich mit der Hand übers Gesicht fuhr. Diese Geste wirkte beinah gestresst. 

Clint wandte den Fokus seiner Aufmerksamkeit von ihm ab, und ließ seinen Blick über die Straße schweifen. Sie war kaum befahren, was wohl daran lag, dass ihr Wohnhaus eben etwas weiter außerhalb, am Rande der Stadt lag. Schön, dass ihm das jetzt erst auffiel. 

Was sollte er denn nun machen? Einfach wieder ins Warme zurückkehren und hoffen, dass Bucky das alles hier schnell wieder vergaß? Oder sollte er doch lieber weiter hierbleiben und versuchen, sein Ansehen wieder in besseres Licht zu rücken? Er könnte allerdings auch einfach weiter hier herumstehen und nichts sagen. 

Clint entschloss sich schließlich dazu, sich selbst ein wenig zu verteidigen. „Ich wollte nicht lauschen.", sagte er und drehte sich wieder um. 

Bucky lehnte immer noch an der Hauswand, aber mittlerweile hatte er die Hand wieder aus dem Gesicht genommen und  stattdessen ein Feuerzeug und eine Zigarette zwischen den Fingern. Langsam schien er sich wieder zu beruhigen. Clint schien ihn von seinem Streit mit Steve abzulenken.

 „Was wolltest du dann?", fragte er, während er das Feuerzeug anknipste. 

Clint beobachte interessiert, wie sein Gesicht für einen Moment von dem flackernden Licht der kleinen Flamme erhellt wurde, ehe Bucky die Zigarette entzündet hatte. Dann nahm er das glimmende Papier zwischen die Lippen und tat einen langen Atemzug. 

Clint riss sich schließlich von diesem Anblick los und kratzte sich leicht verlegen am Nacken. „Abstand. In Ruhe nachdenken. Meine Gedanken ordnen." Das beschrieb es tatsächlich ganz gut. Nur warum er sich deshalb ausgerechnet vor die Tür der beiden hatte setzen müssen, konnte er noch immer nicht erklären. 

Bucky nickte nur leicht und atmete eine kleine, grau bläuliche Rauchwolke aus. Fasziniert beobachtete Clint, wie diese nach oben in den Himmel aufstieg. „Du rauchst also.", stellte er fest. 

„Offensichtlich.", antwortete Bucky und betrachtete die Zigarette zwischen seinen Fingern. Nach einigem Zögern fügte er jedoch noch etwas hinzu. „Eigentlich versuche ich, es mir abzugewöhnen. Hat bis heute auch ganz gut geklappt.", seine Worte klangen leicht verbittert. Er war wütend auf sich selbst. 

„Dann hör auf.", sagte Clint unvermittelt. „Wirf sie weg." 

Bucky sah ihn überrascht an, zögerte aber. 

„Wirf sie weg.", widerholte der Hobbybogenschütze. „Es ist ganz einfach. Lass die Zigarette fallen." 

Der Braunhaarige stieß ein nicht amüsiertes Schnauben aus. „Das ist lächerlich." 

Clint zuckte mit den Schultern. Er hatte nur helfen wollen. „Gut, dann mach, was du willst." Er verschränkte die Arme und drehte sich wieder seitlich, sodass er erneut die Straße im Blick hatte. Buckys hin und her gerissenen Blick konnte er nicht sehen.

 Ein paar Minuten vergingen, in der eine fast unheimliche Stille zwischen ihnen schwebte, die nur durch das Zirpen einiger Grillen und dem fernen Geräusch von Automotoren unterbrochen wurde. Aber dann hörte Clint ein leises Seufzen und ein leichtes Knirschen. 

Er unterdrückte ein zufriedenes Grinsen und drehte sich wieder zu Bucky herum, der den Rest der Zigarette noch immer unter seinem Schuh zermalmte. Als er Clints Blick wieder auf sich spürte, sah er auf. Er sagte nichts, aber auch auf seinem Gesicht konnte man sehen, dass er einigermaßen zufrieden wirkte. 

Schließlich steckte er seine Hände wieder in seine Jackentaschen und wandte den Blick von Clint ab, um nach oben in den Himmel zu sehen. 

Die Nacht war erstaunlich hell, was hauptsächlich an einem halbvollen Mond lag, der zwischen ein paar dunklen Wolken und blitzenden kleinen Sternen am Firmament zu sehen war. Es war eine schöne Nacht, wie Clint feststellte. Ziemlich perfekt, um mit Bucky draußen im Schatten ihres Hauses zu stehen und sich zum ersten Mal so richtig zu unterhalten. 

„Mein Nachbar hat versucht, mich zu küssen." Diese Worte platzen so plötzlich aus seinem Mund heraus, dass er im ersten Moment gar nicht realisierte, dass er sie gesagt hatte. Aber als Bucky sich ziemlich überrumpelt von dieser Information räusperte, traf ihn fast der Schlag. 

„Ich meine, deshalb saß ich vor eurer Tür. Ich äh, wollte etwas Abstand, wie gesagt." Oh Gott, jetzt hatte er alles versaut. Clint hätte sich schon wieder ohrfeigen können. Bucky interessierte so etwas doch nicht! 

„Du meinst Maximoff?" 

„Ja.", antwortete Clint und hätte am liebsten sein Gesicht vor Scham in den Händen vergraben. „Das wundert mich ehrlich gesagt nicht. Der versucht das bei jedem gutaussehendem Typen, der kein Mädchen an seiner Seite hat." Bucky schüttelte, scheinbar aus Entrüstung über dieses Verhalten von Pietro, den Kopf. 

Währenddessen konnte Clint nur leicht nicken. Hatte er das eben richtig verstanden, und Bucky hatte ihn als „gutaussehend" bezeichnet? Aber vielleicht hatte er den Zusammenhang falsch verstanden . . . 

Jedenfalls stieß sich sein Gesprächspartner nun von der Hauswand ab. „Was hast du vor?", wieder war Clints Mund schneller als seine Gedanken. 

„Ich will wieder rein." Bucky machte eine kleine Kopfbewegung in Richtung der Eingangstür. „Es ist  schon ziemlich spät." 

„Oh. Ja, das stimmt." Clint beobachtete ihn dabei, wie er wieder zurück zur Tür ging und sie aufmachte. Und als seine Silhouette mit der Dunkelheit im Treppenhaus verschmolz, fasste der Blonde den gleichen Entschluss und folgte mit einigem Abstand. 

Was war das nur für ein Abend! 

(Dienstag zu Mittwoch)

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