9.
»Wie würde diese Bezahlung aussehen?«, hauchte ich und hoffte, dass er das wütende Aufblitzen in meinen Augen nicht gesehen hatte. Das hier war der letzte Satz, den ich in meiner Rolle sagen würde.
»Ich kann es dir zeigen«, raunte Mark und hob eine Hand, um sie auf meine Wange zu legen. Ich nahm das als meinen Startschuss.
Ruckartig stieß ich ihn von mir und zückte mein Messer. Mark taumelte gegen einen der Aktenschränke. Päckchen mit weißem Pulver fielen heraus. Ehe er sich wieder gefangen hatte, landete meine Faust in seinem Gesicht. Gutes Aussehen adé, zumindest für ein paar Tage.
Mark stolperte gegen die Tür und schlug sie passenderweise zu. »Ich zeig dir meine Art der Bezahlung«, zischte ich. »Gehst du eigentlich immer so vor, lockst die Mädchen her und bringst sie dann dazu, mit ihren Körpern zu zahlen?«
Mark bekam offenkundig nicht genug Luft, um zu antworten. Es könnte etwas mit dem Tritt in den Magen zu tun haben, den ich ihm gerade verpasst hatte.
»Schwein«, stellte ich kalt fest.
»Alles in Ordnung da drinnen?« Jemand hämmerte gegen die Tür.
»Hil...«, brachte Mark heraus, bevor ich ihn davon abhalten konnte. Blöderweise für ihn traf ihn die aufschwingende Tür am Kopf und sandte ihn zurück zu Boden.
Mir blieb nur leider keine Zeit, darüber zu lachen, denn durch die Tür trat ein echtes Problem.
Melissas besorgte Stimme meldete sich in meinem Ohr. »Süße, muss ich mir Sorgen machen?«
Ich konnte nicht antworten. Zu sehr war ich damit beschäftigt, dem Schlag des Typen auszuweichen, der mich sicher um zwei Köpfe überragte. Glücklicherweise behinderte ihn die geringe Größe des Raums ebenso wie mich.
Ich huschte an ihm vorbei und erwischte ihn mit meinem Messer an der Seite. Er jaulte auf und tastete mit der Hand nach der Wunde. Hinter ihm drückten sich allerdings bereits zwei weitere Männer durch die Tür. Es war Zeit, dass ich hier weg kam.
Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, stieß ich Typ 2 gegen Typ 3, die zurücktaumelten und gemeinsam zu Boden gingen. Ich überlegte kurz, ob es die Zeit wert war, sie zu erschießen, entschied mich dann aber entgegen.
Melissas geblafftes »Mach, dass du da wegkommst« hatte einen entscheidenden Anteil daran.
Ich stürmte aus dem maroden Gebäude, in die Gasse und die Straße entlang. Hinter mir ertönten Schritte, aber ich drehte mich nicht um, konzentrierte mich nur auf das Rennen.
Bald verklangen die Schritte und die Stimmen, die mir hinterher schrien, und nach sieben Haken hatten ›die Jungs‹ mich aus den Augen verloren.
Ich verlangsamte meine Schritte und atmete tief ein uns aus. »Ein kleiner Auftrag?«, schnaufte ich. Es dauerte einen Augenblick, bis Melissa antwortete: »Süße, du hattest doch vorhin eine nette Assoziation mit einem Wespennest?«
»Kannst du jetzt schon meine Gedanken lesen?«, fauchte ich. Meine Anspannung ließ nach und entlud sich in Gereiztheit.
»Komm mal runter, Laura«, sagte Melissa. »Trink einen Tee. Riley hat doch bestimmt was bei sich.«
Ich schnaubte. »Musst du den jetzt auch noch erwähnen?« Mit dem Gedanken an Riley kam auch die Erinnerung an Lansky zurück. »Ein Glas Whiskey?«, schlug Melissa vor.
Ich ignorierte ihre Worte. Mit der Wut, die ich nun im Bauch hatte, hätte ich eigentlich tiefe Löcher in den Asphalt stampfen müssen, so fest trat ich auf.
Erst brachte die Mafia mich um mein hart verdientes Geld, dann stieß ich auf einen simplen Auftrag, der sich als gar nicht mal so simpel entpuppte. Nur einmal wollte ich eine Sekunde lang nicht mit etwas genervt werden.
»Du massakrierst doch nicht gerade die Straße, oder? Dafür gehen unsere Steuergelder drauf«, hörte ich Meli.
Ich brummte nur und nahm mir den Knopf aus dem Ohr, um Melissas Witze nicht länger hören zu müssen. Morgen früh würde ich mich bei ihr entschuldigen.
Dies war eine weitere Nacht, die ich mir für nichts und wieder nichts um die Ohren geschlagen hatte. Nur blaue Flecken hatte ich davon. Und eine Menge neuer Leute, die mich am liebsten vom Erdboden fegen würden. Ginge es noch schlimmer?
Als ich wieder bei Riley ankam, wusste ich: Ja, es ging schlimmer. Er zog nämlich eine Augenbraue bei meinem Anblick hoch und begrüßte mich mit: »Du siehst schrecklich aus.«
»Nerv nicht«, fuhr ich ihn an und betrat die Eingangshalle.
»Vorhin war es noch nur dein Make-up, aber jetzt siehst du wirklich so aus, als hättest du deine Maskerade ein wenig zu ernst genommen.«
Der Typ konnte einfach nicht die Klappe halten.
»Willst du einen Zahn verlieren?«
»Laura –«
Ich schob mich an ihm vorbei. »Ich werde jetzt Lansky zum Reden bringen und ich rate dir, nicht zu versuchen, mich aufzuhalten.«
»Laura!« Ich ignorierte ihn. Die Stimme der Vernunft konnte einfach mal schweigen.
Ich stapfte durch die Villa – fast schien es, als würden die Wände beben – und daher hatte ich mich schon lange angekündigt, bevor ich den Keller erreichte.
Mit einem lauten Knall flog die Tür auf und ich stellte mir vor, wie sie gegen die Wand traf und dort einen sauberen Abdruck hinterließ.
Lansky hatte nicht einmal den Anstand zusammenzuzucken. Stattdessen hob der Idiot langsam den Blick und ich wurde von den Eisaugen durchbohrt. Nur diesmal machte es mir überhaupt nichts aus.
Offenbar hatte Riley ihm während meiner Abwesenheit einen Besuch abgestattet, denn der Stuhl stand wieder und lag nicht länger – samt Mafiaboss – auf dem Boden.
»Wir reden jetzt Klartext, Lansky«, sagte ich und stampfte auf ihn zu. Vor ihm blieb ich stehen und stemmte beide Hände in die Hüften. »Egal, ob du willst oder nicht. Ich werde so lange hierbleiben, bis du mir gibst, was ich will, und glaube mir, ich halte länger durch als du.«
Sein Mundwinkel zuckte, aber einen Moment später war er wieder ernst. Und dann sprach er tatsächlich. »Hör auf, mich Lansky zu nennen. Ich heiße Damian.«
Ich holte nur aus und verpasste ihm eine Ohrfeige. »Ich werde dich genau so nennen, wie ich das möchte.« Ich platzierte die Hände auf den Armlehnen und lehnte mich zu ihm. »Und wenn ich dich ›Prinzessin‹ nenne, du hast keine Widerworte zu geben.«
In dem eisigen Blau seiner Augen blitzte etwas auf. Belustigung? Wagte es dieser Kerl, sich über mich lustig zu machen?
»Dann soll ich also den Mund halten?«, fragte er scheinheilig.
»Du redest, wenn ich es dir sage.«
»Hast du nicht gerade noch gemeint, dass wir Klartext reden wollen?«
Dieses Mal machte ich mir nicht die Mühe, meine Faust zu öffnen, ehe ich zuschlug. Der Treffer riss Lanskys Kopf zur Seite und ich holte schon ein weiteres Mal aus, hielt mich dann aber zurück. Ich wollte nicht am Anfang mein ganzes Pulver verschießen.
Ein roter Abdruck zeichnete sich auf seiner Wange ab, aber er drehte den Kopf wieder in meine Richtung und sah mich an, als wäre nichts geschehen.
»Ich brauche eine Telefonnummer, damit ich Lösegeld für dich einfordern kann.«
Er schwieg nun wieder.
»Wen muss ich kontaktieren, damit du hier herausgeholt wirst?«
»Jeder, den du in der Hinsicht sprechen könntest, wird dich schneller finden als du ihn.«
Ich schnaubte. »Oh, jetzt fahren wir also die Schiene«, spottete ich. »Du spuckst ziemlich große Töne dafür, dass ich dich so leicht verschleppen konnte. Und all deine Lakaien haben dir auch nicht helfen können. Und willst du wissen, warum? Weil ich besser bin als deine unfähigen Schläger.«
»Wollen wir es darauf ankommen lassen?« Lansky neigte den Kopf. In meinem Kopf tauchte Rileys Vergleich mit den griechischen Statuen auf.
Ich schob den ungebetenen Gedanken in meinen Hinterkopf und zwang stattdessen ein herablassendes Lächeln auf mein Gesicht. »Dein Gehirn würde es nicht verkraften, ein zweites Mal k. o. geschlagen zu werden. Sieh doch, was die kleine Betäubungsspritze mit dir angerichtet hat. Willst du es nochmal riskieren?«
»Für den Anblick, den ich vor der Bewusstlosigkeit hatte.« Seine Mundwinkel zuckten. »Aber wie es aussieht, hast du heute keinen so guten Tag.«
Und da fiel mir erst auf, dass ich immer noch aussah wie eine Drogenabhängige, während Lansky ... das nicht tat.
»Bilde dir nicht ein, dass mir deine dummen Sprüche unter die Haut gehen würden«, fauchte ich.
»Niemals.« Ein Lächeln spielte um Damians Lippen, das anderes andeutete. Ich holte ein weiteres Mal aus und ein Klatschen hallte durch den Keller. Lansky lachte jedoch nur leise, trotz des roten Striemens, der sich prompt auf seiner anderen Gesichtshälfte bildete. »Ist das alles, was du kannst?«
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