5.

Ich durchquerte den Raum in Richtung Toilette und warf einen letzten Blick über meine Schulter. Lanskys Eisaugen waren noch immer auf mich gerichtet und an mir floss der Hauch eines Schauers hinab.

Ich erwiderte den Blick, lockte den Mafiaboss zu mir. Und sprang er darauf an? Hatten meine vorherigen Flirtversuche Früchte getragen und war er nun an meiner Leine?

Er erhob sich, aber ich hielt noch nicht inne. Mein Herz trommelte in meiner Brust, als ich den Gastraum hinter mir ließ.

Die Tür ließ ich leicht geöffnet und wenige Sekunden später ertönte ein leises Knarzen, das verriet, dass Lansky mir folgte.

Mein Plan ging auf. Der Mafiaboss ließ sich von all seinen Schergen weglocken und rannte mitten in meine Arme. Wie eine brave kleine Ratte.

Vor der Toilettentür drehte ich mich um und wartete, bis er sich mir näherte. Sicherlich gehörte er zu den Männern, die wussten, welche Wirkung sie auf andere hatten. Aber ich wusste, wie diese Männer tickten.

Ich biss mir auf die Unterlippe. Er war deutlich größer als ich, sodass ich zu ihm aufsehen musste, als ich ihm meinen schönsten Schlafzimmer-Blick schenkte. Genau genommen konzentrierte ich mich so auf diese Show, dass ich vergaß, darauf zu achten, was Damian mir zu raunte. Aber es endete auf ›amore mio‹.

»Alles, was du willst«, flüsterte ich zurück. Es schien mir das Richtige zu sein.

Er kam einen Schritt näher, drängte sich an mich und mich gegen die Wand. Selbst durch seine Kleidung konnte ich erahnen, dass er durchtrainiert war. Sein Blick fixierte mich wie die Kobra eine Maus und seine Hände glitten an meiner Taille hinab.

»Du gehörst mir, amore mio.«

Ich ließ ihn in dem Glauben, die Kontrolle zu haben. Eine andere Frau wäre vielleicht unter dem Fokus der eisblauen Augen geschmolzen, doch nicht ich. Ich gab es nur vor.

Ich hob meine Arme und verschränkte meine Finger hinter seinem Nacken. »Immer«, hauchte ich sanft in sein Ohr.

Sein Atem streifte über mein Gesicht. Seine Hände zogen mich näher an sich und eine Gänsehaut fuhr über meinen Körper.

Meine Finger vergruben sich in den dunklen Locken, die sich genau so weich anfühlten, wie ich es am Tisch noch vermutet hatte. Beinahe hätte ich mich in dem Gefühl verloren, dann aber beugte sich Lansky zu mir hinab und wollte seine Lippen auf meine legen. Das war der Moment, in dem mich die Realität einholte. Das würde ich nicht zulassen. Vorher zog ich ein Knie an und traf ihn genau dort, wo kein Mann je getroffen werden wollte.

Lansky krümmte sich, hatte offensichtlich nicht mit einem Angriff gerechnet. Doch er wäre nicht an seinem Platz in der Mafia-Nahrungskette, wenn er eine lange Reaktionszeit hätte.

Trotz der Schmerzen, die ihn quälen mussten, ging er nicht zu Boden. Ich aber gab ihm keine Gelegenheit zur Verteidigung.

Das Lächeln auf meinen Lippen war die erste echte Mimik, die ich gezeigt hatte, seit ich aus Rileys Auto gestiegen war.

In einer geschickten Bewegung zog ich die Nadeln aus meinem Dutt. Meine Haare, die nun nicht länger in der Frisur gehalten wurden, fielen mir über die Schultern.

Ohne zu zögern, schraubte ich eine Nadel auf und offenbarte, was sich darin verbarg: eine dünne Spritze mit Betäubungsmittel.

Ich setzte die Nadel an Lanskys Hals an und umklammerte mit der anderen Hand den vorderen Teil seines Hemdes. Er würde nicht fallen, ehe ich es ihm erlaubte.

Ich wollte sehen, wie er erkannte, was mit ihm geschah. Sein Blick jedoch lag nicht auf meinen Augen, sondern eine Etage tiefer.

Ich schnaubte und stach die Nadel in seine Haut.

Er zuckte zusammen und jetzt erst hob er seinen Blick, als hätte er bis zu diesem Moment geglaubt, es sei alles nur ein Spiel. Ein Vorspiel. Doch nun wurde es bitterer Ernst.

Ich sah in dem eisigen Blau seiner Augen, dass er erkannte, dass sich das Blatt gewendet hatte. Und es fühlte sich so verdammt gut an. Er hatte mich um mein Geld betrogen und ich holte mir nun, was mir zustand.

Das Betäubungsmittel wirkte schnell. Seine Augen rollten zurück und sein Körper erschlaffte.

Ich ließ seinen Kragen los und Lansky schlug vor meinen Füßen auf. Das Knarren einer Tür lenkte meine Aufmerksamkeit jedoch sofort wieder von meinem Opfer weg. Jemand betrat den Flur.

Mein Blick schnellte in die Höhe, dann zurück auf den regungslosen Körper zu meinen Füßen. Selbst wenn Lansky so eine Dumpfbacke war, die nicht glaubte, dass eine Frau zu irgendetwas fähig war, einer seiner Lakaien würde es sicherlich anders sehen, wenn er den Mafiaboss regungslos in meiner Gesellschaft vorfinden würde.

Doch es war keiner der Schergen, es war Riley. »Ihr hattet also eine nette Unterhaltung?«, fragte er und nickte zu dem bewusstlosen Lansky auf dem Boden. »Und ihr hattet wohl auch ein gemütliches Treffen.« Riley zuckte mit den Schultern. »Ein wenig Betäubungsmittel, um eine spektakuläre Flucht einzuleiten, hat noch nie geschadet.«

Ich rollte mit den Augen. »Weniger reden, mehr spektakulär fliehen. Mit dem da.« Ich versetzte Lansky einen Tritt.

»Zu Befehl«, murmelte Riley. »Wohin soll es denn gehen?«

»Nun ...« Ich ließ den Satz in der Luft hängen und schenkte Riley meinen besten Augenaufschlag.

Er verstand sofort. »Nein, kommt überhaupt nicht in Frage.«


Rileys Keller war groß und geräumig. Ein Teil von mir fragte sich, wofür Riley den Platz normalerweise nutzte.

Rileys Blick nach zu urteilen, passte ihm die aktuelle Verwendungsweise aber ganz und gar nicht. Vielmehr schien er mich für das gesamte Leid der Welt verantwortlich zu machen, vor allem aber für den ohnmächtigen Mann, der nun an einen Stuhl gefesselt in der Mitte des Kellers saß. Gut, streng genommen war das wahrscheinlich wirklich meine Verantwortung.

»Und jetzt?«, fragte Riley schlecht gelaunt.

»Jetzt gehen wir schlafen und wenn wir aufwachen, macht er wahrscheinlich auch keinen mehr auf Dornröschen. Ich bin dann morgen früh wieder hier.«

»Oder ...« Riley ließ den Satz für eine Weile in der Luft hängen. »Oder du könntest die Nacht hierbleiben.«

Das war nichts, womit ich gerechnet hatte. »Wie stellst du dir das vor?«

Rileys Schüchternheit machte einen abrupten Rückzug. »Wie wohl. Du schläfst auf der Couch und beschwerst dich morgen über deine Nackenschmerzen.«

Ich warf Lansky noch einen Blick zu. Würde ich hierbleiben, könnte ich zumindest direkt da sein, wenn er wach wurde.

»Gut«, sagte ich schließlich. »Aber du schläfst auf der Couch.«

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