44.

»Noch fünf Minuten«, säuselte Melissa aus dem Lautsprecher.

Ich sog scharf Luft ein. »Damian«, sagte ich und hätte mich für das Zittern in meiner Stimme am liebsten geohrfeigt. »Deine Männer werden noch Zeit brauchen, bis sie das Gebäude evakuieren. Ruf sie an. Noch ist es nicht zu spät.«

»Tick-Tack«, kam von Melissa. »Oh, ich glaube, ich habe noch irgendwo ein Metronom stehen. Gebt mir eine Sekunde.«

Es dauerte etwa fünf Sekunden, dann drang ein monotones Klicken aus den Lautsprechern.

»Bitte vertrau mir, nur dieses eine Mal«, versuchte ich, Damian zu überzeugen. »Du kannst dieses ganze Leben hinter dir lassen und irgendwo neu anfangen, ohne die Mafia ... Bitte.«

Etwas in Damians angespannten Zügen änderte sich. Ein Funke entzündete sich in den kalten Augen und schmolz das Eis.

Er stieß ein Seufzen aus. »Riley, gib mir dein Handy.«

Riley murrte etwas Unverständliches, kam der Bitte aber nach, wenn auch mit einem skeptischen Blick auf Damians gefesselte Hände. »Mach es nur nicht kaputt.«

Damian wählte eine Nummer und hob das Handy ans Ohr. »Ich bin es«, sagte er, untermalt durch das Ticken von Melissas Metronom. »Wir evakuieren das Gebäude. Jetzt und zwar zügig.«

Dann legte er wieder auf und meine Anspannung schlug in Erleichterung um. Er hatte beigegeben und seine Leute gerettet. Ich hatte es ... geschafft?

Der zweite Bildschirm zeigte nun ebenfalls Menschen, die sich in Sicherheit brachten. Jedenfalls, soweit das möglich war, denn kurze Zeit später explodierte das Gebäude in einem Feuerball, der die Gebäudemauern nach außen schleuderte und Trümmerteile auf die fliehenden Menschen hinunterregnen ließ. Alles spielte sich für uns in gespenstischer Stille ab.

»Ups. Für die Deaktivierung war wirklich nicht mehr genug Zeit«, sagte Melissa. »Nächstes Mal könntet ihr euch ein bisschen beeilen, damit nicht ganz Detroit erfährt, was hier so abgeht.«

»Haben es alle rausgeschafft?«, fragte ich.

»Süße, nicht einmal meine Kameras überleben so eine Explosion«, antwortete Melissa. »Das kann ich dir gerade wirklich nicht beantworten.«

»Meine Leute wissen, was in so einem Fall zu tun ist«, schaltete Damian sich ein. Er hatte mich während des ganzen Austauschs nicht einmal aus dem Blick gelassen.

Ich nickte langsam.

»Wundervoll.« Riley klatschte in die Hände. »Wir können alle nach Hause gehen.«

»Gleich«, sagte Melissa und ich erstarrte. Was konnte jetzt noch kommen? »Lansky«, herrschte sie dann allerdings Damian an, der nur die Augenbrauen hob. »Was tust du jetzt?«

»Solange ich mich an deine Vorgaben halte, hat dich das nicht zu interessieren.« Seine Züge waren finster.

»Du bist wirklich ein sehr unangenehmer Mensch«, bescheinigte Melissa ihm und ich musste mir ein Grinsen verkneifen.

»Ob du lachen willst, würde ich mir noch einmal überlegen, Süße«, wandte sie sich dann allerdings an mich und ich blickte auf.

»Wieso?«

»Ich traue ihm nicht. Du solltest noch ein bisschen auf ihn aufpassen.«

Ich blinzelte. »Was?«

»Sorg dafür, dass er sich an unsere Abmachung hält. Du hast doch schon Erfahrung damit, ihn festzuhalten.«

Unwillkürlich schoss mein Blick zu Damian. Er betrachtete mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, den ich kaum entziffern konnte. Aber er sah nicht aus, als würde er sich ärgern.

Ich musste lächeln.

»Das ist ja so süß, ich könnte kotzen«, riss Riley mich zurück in die Realität.

»Melissa«, fragte ich leichthin. »Wie viel gibst du eigentlich so auf Riley als deinen Verbündeten?«

»Einiges«, wehrte sie ab. »Du darfst ihn nicht erschießen.«

Ich ließ die Pistole also, wo sie war.

»Sind wir dann entlassen?«

Irgendwie war ich einige Schritte zu Damian hinüber getreten, sodass wir uns beinahe berührten.

»Das wäre wohl besser.« Ich konnte das Grinsen in Melissas Stimme förmlich hören.

Wir waren schon fast zur Tür raus, da rief sie noch: »Und Lansky, such dir bessere Freunde.«

»Das ist eine Sache, die ich auch nicht verstehe«, sagte ich. »Wie konntest du jemals mit Mark befreundet sein? Sogar so gut, dass er deine erste Anlaufstelle war, als wir nach Informationen zu Riley gesucht hatten.«

Damian nickte langsam. »Ich verstehe es auch nicht mehr. Es war ... witzig, ihn um mich zu haben, schätze ich. Und er ist nicht ganz so dumm, wie er tut. Er hat schließlich hinter meinem Rücken eigentlich gegen mich gearbeitet und ich habe es, wer weiß wie lange, nicht mitbekommen.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Wir tragen wohl alle manchmal Masken.«

»Befreist du mich jetzt?«, wechselte Damian das Thema und streckte mir seine gefesselten Hände entgegen.

»Oh«, machte ich. Das hatte ich vollkommen vergessen. Schnell löste ich seine Fesseln. Sofort legte er einen Arm um meine Schulter und zog mich zu sich, während er einen abschätzigen Blick in die vage Richtung, aus der Melissas Stimme gekommen war, warf.

Riley dagegen winkte der Lautsprecher-Melissa zu und meinte: »Immer eine Freude, mit dir Geschäfte zu machen. Vielleicht gibst du Laura nächstes Mal aber keine Knarre, damit ich nebenbei Popcorn essen kann.«

»Geht einfach«, sagte Melissa. Bevor ich aber aus der Tür treten konnte, sagte sie noch: »Laura, Süße, ich melde mich bei dir, wenn ich einen Auftrag für dich habe.«

Verwirrt hielt ich inne. »Das willst du wirklich noch, nach allem, was passiert ist?«

Ich konnte Melissas Schulterzucken förmlich hören. »Ich weiß nicht, ob du dir im Klaren darüber bist, wie die Welt funktioniert, aber du wirst Geld brauchen. Und wenn du nicht vorhast, eine Bäckerei aufzumachen oder zu kellnern, ist deine bisherige Arbeit doch das Beste, was du bisher mit deiner Zeit angefangen hast, oder?«

Ich biss mir kurz auf die Unterlippe, aber dann nickte ich. »In Ordnung. Weihst du mich denn das nächste Mal ein, wenn du böse Mastermind-Pläne hast?«

»Das kommt ganz auf deine Gesellschaft an«, konterte Melissa.

»Gut, das ... verstehe ich«, murmelte ich. »Dann wirst du dich wohl melden.«

»Genau«, sagte Melissa. »Und nun raus hier. Ich will Feierabend machen und ehrlicherweise glaube ich, dass hier bald der Pizzabote klingelt.«

Ein statisches Knacken ertönte in dem Lautsprecher, dann trat Stille ein.

Riley stromerte in Richtung der Tür. »Dann gehe ich jetzt mal und kaufe mir Popcorn, weil jemand«, er sah anklagend auf mich, »mir die Freude eben genommen hat, trotz des perfekten Anlasses.«

Ich musste lachen. »Ich gönne es dir, Riley. Danke für ...« Es war gar nicht so leicht, diesen Satz weiterzuführen. »Dafür, dass du noch irgendwie mein Freund bist.«

Riley zuckte beiläufig mit den Schultern. »Wenn du Lansky nochmal irgendwo festhalten willst, dann melde dich. Mein Keller steht dir frei.« Er deutete ein Winken an und verschwand aus der Tür.


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