31.
»Nach dir.« Damian hielt die Tür zu einem Bekleidungsgeschäft auf, von dem ich allein aufgrund des Schaufensters wusste, dass ich selbst mir kein einziges Kleidungsstück leisten konnte.
Das war nicht, was ich mir vorgestellt hatte. Damian hatte wortlos den Wagen vorgefahren und mir bedeutet, einzusteigen. Kurz bevor wir auf die Straße abgebogen waren, hatte er gesagt, dass er mich zum Dinner einladen würde. Bevor uns die Realität wieder einholte.
»Das sieht nicht aus, als gäbe es hier etwas zu essen«, bemerkte ich skeptisch.
»Amore mio, wenn du mit mir essen gehst, kannst du nicht in deiner Alltagskleidung gehen.«
Ich verbiss mir die Anmerkung, dass es die Alltagskleidung war, die er mir geliehen hatte, als ich durch die Tür trat und Damian mir folgte.
»Versuch es mit einem Lächeln«, besaß er die Frechheit, mir zu sagen, als er die Hand auf meinen Rücken legte und mich in den Nobelladen führte.
»Sei weiter so herablassend und du verlierst die Hand, mit der du mich betatschst«, zischte ich, auch wenn es mir nicht gelang, die gewünschte Schärfe in meine Stimme zu legen.
Der Marmorboden klackte unter meinen Highheels. Sonnenstrahlen fielen durch eine Glaskuppel in das Innere des Ladens.
»Hübsch, nicht wahr?«, sagte Damian.
Mir wären tausende Begriffe eingefallen. ›Protzig‹ vielleicht, irgendwann noch ›altmodisch‹. ›Hübsch‹ stand eher weiter unten auf der Liste.
Bevor ich Damian das jedoch mitteilen konnte, näherte sich uns eine Frau, die wirkte, als müsste sie eigentlich für diesen Laden modeln und nicht in ihm arbeiten. Sie schenkte uns ein strahlendes Lächeln, während ich noch unsicher war, was ich von dieser Aktion hier hielt.
»Mr. Lansky«, begrüßte die Verkäuferin uns. »Es ist eine Freude, Sie zu sehen.«
Ach, er war also öfter hier? Ich hätte nicht zu sagen vermocht, warum der Gedanke Unwohlsein in mir verursachte.
Viel Zeit zum Nachdenken blieb mir allerdings nicht, denn Damian legte wieder eine unerwünschte Hand auf meinen Rücken. »Ich bin heute nicht für mich hier, sondern für meine zauberhafte Begleitung.«
Ich schalt mich dafür, dass mir bei dem Wort ›zauberhaft‹ ein warmer Schauer den Rücken hinunter lief, und nahm mir stattdessen vor, Damian später genau zu erklären, wie wenig er dieses Wort noch einmal in den Mund nehmen durfte.
»Wir gehen zum Dinner«, ergänzte er nun, »und brauchen etwas Angemessenes dafür.«
Für den Moment wehrte ich mich nicht, als die Verkäuferin nickte und mich mit professionellen Blicken maß. Es würde sich sicherlich noch die Gelegenheit ergeben, Damian mit meinem Absatz auf den Fuß zu treten. Und sei es, weil er mir keine Zeit ließ, das zu beschreiben, was ich wollte.
»Bitte folgen Sie mir.«
Langsam sollte ich daran gewöhnt sein, dass alle Räumlichkeiten größer, höher und schöner waren, wenn ich mit Damian unterwegs war. Trotzdem überraschte mich der Umkleideraum, der größer war als mein ganzes Schlafzimmer in der alten Wohnung und von sanftem Licht durchflutet wurde.
Damian folgte uns wie selbstverständlich. Ich hätte ihn hochkant wieder herauswerfen sollen, aber sein süffisantes Lächeln gab mir einen Vorgeschmack darauf, wie erfolgreich ein derartiger Versuch aussehen würde.
Ich seufzte. Natürlich musste er sich wieder als Boss aufspielen, sobald wir in der Öffentlichkeit waren. Wobei er diese Rolle wahrscheinlich nie ganz ablegte.
Als die Verkäuferin den Raum verließ, zischte ich trotzdem ein »Irgendwann werde ich dich umbringen« in seine Richtung.
Das brachte allerdings nur ein anzügliches Grinsen auf sein Gesicht. »Wenn du mir dafür nahekommen musst, würde ich den Versuch gerne sehen.«
Zu seinem Glück trat in diesem Moment die Verkäuferin wieder durch die Tür. »Das hier sollte etwas für Sie sein.«
Sie hielt ein weinrotes Cocktailkleid in der Hand – und zog hinter einer dezenten Ecke einen Raumteiler hervor. Für den Moment war die Verkäuferin meine beste Freundin. Und noch mehr, als ich hinter dem Raumteiler in das Kleid geschlüpft war.
Es schmiegte sich wie eine zweite Haut an mich, ohne mich in meiner Bewegungsfreiheit einzuschränken. Bei jeder Bewegung glitzerte es leicht und betonte jede meiner Kurven. Ich fühlte mich wunderschön.
»Ich wusste, dass Sie eine der Personen sind, für die Chanel geschaffen wurde«, bemerkte die Verkäuferin zufrieden, als ich hinter dem Raumteiler hervortrat.
Damian musterte sie einen Augenblick zu lang, bevor er etwas sagte. »Ausgezeichnet«, brachte er schließlich hervor, aber ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass seine Gedanken nicht in Richtung des Kleides wanderten.
»Wir nehmen es«, fügte er nach einem weiteren Moment hinzu.
»Darf ich da auch etwas zu sagen?«, protestierte ich.
Er zog milde amüsiert eine Augenbraue hoch. »Willst du?«
»Nein«, gab ich zu. »Aber ich will auch etwas aussuchen. Ein paar Hemden«, fuhr ich fort, »für ihn.«
»Warum?«, fragte Damian. »Ich habe genug.«
Auf meinem Gesicht zeichnete sich ein schiefes Lächeln ab. »Du schenkst mir etwas und ich schenke dir etwas. Das ist doch nur gerecht.«
Damian öffnete den Mund. Zögerte. Und schloss ihn wieder. Seine Miene blieb undurchdringlich, aber ein sanftes Funkeln in seinen Augen verriet mir, dass er die Idee gar nicht so schlecht fand.
»In Ordnung«, sagte er letztlich. »Wenn es dich glücklich macht.«
Mein Lächeln wurde breiter und ich wandte mich zu der Verkäuferin. »Ein Hemd in Schwarz und eins in Weiß.« Ganz klassisch.
Sie nickte und verschwand aus der Tür.
Damian schob sich ein Stück zu mir. Sein Atem prickelte an meinem Ohr und schickte einen Schauer an meiner Wirbelsäule herab, als er mir leise Worte entgegenraunte: »Du weißt doch hoffentlich, dass dieser Laden hier in einer anderen Preisklasse spielt und du dir mit Sicherheit keines der Stücke leisten kannst.«
Ich schluckte. Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht.
Damian bemerkte meine Reaktion, so verhalten sie auch war, und stieß ein leises Lachen aus. »Du musst mir nichts schenken. Ich komme wirklich klar.«
»Dann lass mich zumindest was aussuchen.«
Er musterte mich kurz und nickte aber. »In Ordnung.«
Genau in dem Moment kehrte die Verkäuferin zurück und schob einen Kleiderständer gefüllt mit weißen und schwarzen Hemden in den Raum.
»Welche davon entsprechen am ehesten Ihren Vorstellungen?«, fragte sie.
»Hm.« Ich nahm mir mehr Zeit, als ich eigentlich gebraucht hätte, um die verschiedenen Stoffe durch meine Finger gleiten zu lassen. Nie hätte ich erwartet, dass es so viel Varianz bei klassischem Schwarz und Weiß gab.
»Das hier«, sagte ich zu einem der weißen Hemden, dessen Stoff auf meiner Haut entlang glitt wie ein seidiger Fluss. »Und das«, entschied ich mich für eines der schwarzen, das mich an die tiefste Nacht erinnerte.
Die Verkäuferin sah zu Damian. Offenbar hatte er hier trotzdem das letzte Wort.
Der Mafiaboss aber öffnete wortlos die Knöpfe seines Hemdes. Für einen Augenblick fragte ich mich, weswegen er dafür nicht hinter den Raumteiler gehen konnte, aber ich wischte den Gedanken schnell beiseite.
Sollte er sich doch vor mir umziehen. So hatte ich zumindest die Gelegenheit, seinen durchtrainierten Körper ein weiteres Mal zu bewundern.
Er schlüpfte in das weiße Hemd und in meinem Kopf breiteten sich ungebetene Fantasien aus. Damian, der in eiskaltem Regen stand. Das Hemd durchnässt, sodass jeder seiner perfekt geformten Muskeln –
Nein, nein, diese Fantasien durften getrost aus meinem Kopf bleiben. Wir waren gerade in der Öffentlichkeit und ich war doch kein pubertierender Teenager mehr. Ich würde nicht daran denken.
Damian drehte sich zu mir, als er das Hemd fertig zugeknöpft hatte. »Gefällt es dir?«, fragte er.
Ich schenkte ihm mein strahlendstes Lächeln, wenn auch nur, um meine Gedanken vor ihm zu verbergen. »Sehr«, sagte ich. »Das nächste.«
Damian nickte es ab. Er schälte sich aus dem weißen Hemd und schlüpfte in das schwarze. Die Regenfantasien wurden prompt von anderen abgelöst, die ebenso wenig unschuldig weiß waren wie das Hemd, das Damian trug. Viel eher waren es Fantasien, die in den Abgründen meiner Gedanken bleiben und nie an die Oberfläche gelangen sollten. Eigentlich.
Denn, was auch immer hier in der Luft lag, brachte mich dafür, an nichts anderes mehr zu denken als Damian, der mich nach allen Künsten verführte, mit Fingern und Lippen brennende Muster auf meine Haut zeichnete. Seine Augen, deren Tiefe viel eher an einen Ozean erinnerten als an einen Eisberg.
Ich nickte knapp. »Nehmen wir.«
Das Zucken seiner Mundwinkel verriet, dass er genau wusste, was in meinem Kopf vor sich ging. Doch er ließ nur für einen Moment zu, dass seine Maske einen Riss bekam, ehe er wieder ganz der eiskalte Mafiaboss war.
Er entledigte sich des Hemdes und gab es an die Verkäuferin. Diese war allerdings gerade nicht bei er Sache. Sie hatte einen Ausdruck in den Augen, bei dem es mir kalt den Rücken hinunterlief, und starrte in Richtung der Tür, durch die sie gerade noch mit den Hemden hineingekommen war.
»Was ist los?«, fragte ich. Eiskalte Leere packte meinen Körper und meine Nackenhaare stellten sich auf. Es war, als wäre ein plötzliches Gewitter an einem ansonsten sonnigen Sommertag aufgezogen.
Die Verkäuferin öffnete den Mund für eine Antwort, aber ehe ein Laut über ihre Lippen kam, wurde die Tür aufgestoßen.
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