25.
Das Geräusch einer sich öffnenden Tür riss mich aus meinem Schlaf. Ich saß sofort kerzengerade im Bett, meine Hand tastete schon unter das Kopfkissen, um eine Waffe hervorzuziehen, da erkannte ich, in welcher Situation ich mich befand.
Ich war im Krankenhaus und gerade trat eine Schwester in das Zimmer. Sie stockte kurz, als sie meine Haltung sah, schien dann aber zu entscheiden, es nicht kommentieren zu wollen. Möglichst unauffällig holte ich meine Hand wieder unter dem Kopfkissen hervor.
»Wie geht es Ihnen heute Morgen?«
Die Krankenschwester stellte ein Tablett auf den Tisch neben mir, wahrscheinlich handelte es sich um Frühstück. Wenn jemand diese graue Pampe als solches bezeichnen wollte.
»Mir geht es gut«, sagte ich schnell. Mein Kopf dröhnte zwar und bei jedem Atemzug spürte ich ein Stechen im Brustkorb, aber wenn ich ihr das sagen würde, dann müsste ich noch länger hier bleiben. Und auf die Rechnungen konnte ich gut verzichten. Auch wenn sie mich fairerweise wahrscheinlich nie erreichen würden, den Eintrag konnte ich nicht gebrauchen.
»Meine Liebe, ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie sich unnötig tapfer geben«, warnte die Krankenschwester mich sanft.
»Ich komme klar.« Am liebsten wäre ich aus dem Bett gehüpft, um es ihr zu beweisen, aber alles, was ich ihr damit bewiesen hätte, wäre, dass ich kaum stehen konnte.
»Darf ich jetzt meinen ... Freund sehen?«, lenkte ich das Gespräch auf ein anderes Thema. Damian war hier noch irgendwo und allein würde ich ihn wohl kaum finden. Und damit auch nicht mein Geld und meine Sicherheit.
»Er braucht weiterhin Ruhe und außerdem ...«
»Bitte.« Die nächsten Worte fühlten sich bitter auf meiner Zunge an. »Ich vermisse ihn.«
Die Krankenschwester schenkte mir ein Lächeln, war aber offenkundig noch nicht überzeugt.
»Ich muss sehen, ob es ihm gut geht«, schob ich hinterher und fluchte, dass mir keine gefälschten Tränen in die Augen steigen wollten.
»Wir müssen selbst noch einige Tests durchführen. Zu viel Unruhe würde ihm mehr schaden als nützen. Sie können ihn sehen, sobald wir die Test abgeschlossen haben.«
»Ich habe ihn vor gestern so lange nicht mehr gesehen. Er war zwei Monate lang auf einer Geschäftsreise und gestern hatte er mich ausführen wollen und es hätte so ein schöner Abend werden sollen und jetzt – jetzt –« Endlich kamen die Tränen, die ich eben nicht hatte herbeizwingen können. »Ich will doch einfach nur die Sicherheit haben, dass das gestern nicht das letzte Mal war, dass wir uns gesehen haben.«
Die Krankenschwester schwankte buchstäblich auf der Stelle. »Na gut«, gab sie letztlich nach. »Einen kurzen Besuch von Ihnen werden wir wohl unterbringen können.«
Ich gab mir alle Mühe, meinen Triumphjubel im Keim zu ersticken und sagte nur: »Danke, danke, danke.«
»Dann kommen Sie mal mit«, meinte die Krankenschwester. »Sie können doch laufen, oder?«
»Sicher.« Ich schwang die Beine über die Bettkante – glücklicherweise ohne Hindernisse durch irgendwelche Kabel – und stand schwungvoll auf. Ebenso schwungvoll wäre ich beinahe auch wieder vornüber gefallen, wenn die Krankenschwester nicht geahnt hätte, was passieren würde, und mich aufgefangen hätte.
»Tun Sie mir einen Gefallen und sagen Sie nichts«, bat ich.
Die Krankenschwester kam meiner Bitte nach. Sie zog nur eine Augenbraue hoch, als ich mich langsam aus ihrem Griff löste und versuchte, auf eigenen Beinen zu stehen.
»Ich bin nur ein bisschen schwungvoll aufgestanden«, erklärte ich. »Mir geht es gut.« Um es zu beweisen, ging ich einige Schritte ohne Halt und kam dieses Mal auch ohne Beinahe-Sturz aus.
»Wenn Sie das sagen«, meinte die Krankenschwester trocken. »Dann wollen wir mal.«
Das Tallahassee Memorial Hospital war wie die meisten Krankenhäuser ein Labyrinth aus verzweigten Gängen, Hinterein- und -ausgängen sowie Nebenräumen, Patientenzimmern und Abstellkammern. Um Damian allein zu finden, hätte ich Stunden gebraucht. Wenn ich ihn überhaupt gefunden hätte und nicht an irgendeinen Arzt geraten wäre, der mich unter Beaufsichtigung zurück auf mein Zimmer geschickt hätte.
»Wenn wir bei Ihrem Freund sind, haben wir aber nicht allzu viel Zeit«, sagte die Krankenschwester auf dem Weg. »Aufgrund der Situation, in der Sie sich befunden haben, sind noch einige Fragen zu klären, die nicht nur ...«, sie zögerte kurz, »medizinischer Natur sind.«
Bei mir schrillten sämtliche Alarmglocken. »Was meinen Sie?«
Die Krankenschwester vermied meinen Blick. »Es stellt sich die Frage, ob Ihr Unfall tatsächlich einfach nur ein Unfall war. Das muss von der Polizei geklärt werden.«
Ich gab mir alle Mühe, mir meinen Schock nicht anmerken zu lassen. »Verstehe«, krächzte ich. »Ja, das ist sicherlich keine schlechte Idee.« Gleichzeitig schmiedete ich aber schon Pläne, wie ich mit Damian fliehen könnte. Denn eines war sicher: Wenn die Polizei hier war, dann würden wir in Schwierigkeiten geraten. Also gab es nur eine Möglichkeit, zu reagieren. Nicht mehr hier sein, wenn die Polizei hier war.
»Der Rest ist reine Formsache«, fuhr die Krankenschwester fort, die mich offenbar beruhigen wollte.. »Wir müssen Ihre Personalien aufnehmen, eine Bestätigung ihres Verhältnisses, so etwas. Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen.«
Ich machte mir Sorgen, doch das Thema war beendet, als wir vor einer Tür ankamen. Die Krankenschwester öffnete sie und gab den Blick in ein Zimmer frei, das ebenso weiß war wie das, in dem ich aufgewacht war.
In dem Bett und an einige Schläuche angeschlossen lag Damian, offenbar einigermaßen lädiert, aber am Leben. Als er sich zu mir umwandte, hatte mein Gehirn einen kleinen Kurzschluss. Die Krankenschwester war uns gegenüber misstrauisch und die Polizei war auf dem Weg. An unserer ganzen Geschichte gab es Zweifel, angefangen damit, in welchem Verhältnis Damian und ich standen. Wenn ich sie jetzt nicht davon überzeugen würde, dass die Geschichte, die ich ihr aufgetischt hatte, wahr war, dann konnte ich mich auch gleich selbst an die Polizei übergeben.
»Schatz!«, rief ich in den Raum und lief – so gut mich meine Beine trugen – zu ihm, um mich neben ihm auf das Bett fallen zu lassen.
Leider reagierte Damian nicht so smooth, wie er das im gesunden Zustand wahrscheinlich getan hätte. Statt mich in den Arm zu nehmen und mitzuspielen, öffnete er den Mund zu einem »Was zum –«
Die Krankenschwester war direkt hinter mir. Mir blieb ganz buchstäblich nur noch eine Möglichkeit.
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