21.
Damian nickte nur knapp. »Lass die Waffe hier. Sie erweckt nur Aufmerksamkeit.«
»Wenn du denkst, dass –«
»Willst du hier jetzt lebendig herauskommen, oder nicht?«
Ich biss die Zähne zusammen und umklammerte die Waffe des Toten fester. Leider hatte Damian aber recht. »Dann los.«
Wir verließen den Raum nicht durch die Tür, durch die wir eingetreten waren, sondern durch eine Seitentür. Ob es sich lohnte, Mark zu folgen? Vermutlich nicht. Er war sicher schon längst auf dem Rückweg in seine Villa.
Wir durchquerten Zimmer um Zimmer, alle ausgestattet mit teilweise noch verhangenen Gemälden.
»Wir werden irgendwann durch den Haupteingang müssen«, sagte ich.
»Den Moment zögern wir so lange hinaus, wie es geht.«
Ich schluckte. Ein ungebetener Gedanke schlich sich in meinen Kopf. Er hatte mein Leben gerettet. Er – Damian Lansky, den ich entführt und verprügelt hatte – hatte mein Leben gerettet.
Weshalb?
»Damian ...« Meine Stimme klang leise hinter dem Blut, das in meinen Ohren rauschte.
Er antwortete nicht, seine Brauen waren finster zusammengeschoben und der Blick, den er mir zuwarf, hätte mir eigentlich einen Schauer den Rücken hinunter jagen sollen. Stattdessen löste er etwas ganz anderes aus, das ich nicht näher analysieren wollte.
Wir standen vor einer Tür. »Wenn wir raus wollen, müssen wir hier durch«, stellte Damian fest.
»Wir können ja schlecht hierbleiben«, sagte ich. Ein schwacher Trost dafür, dass ich erwartete, draußen von weiteren Männern mit Maschinenpistolen begrüßt zu werden. Damian nickte mir nur einmal zu, dann stieß er die Tür auf.
Ein Gewirr aus Stimmen empfing mich und vor meinen Augen wirbelten Farben und Stoffe durcheinander. Wärme schlug mir entgegen.
Ich folgte Damian ins Gedränge. Aus allen Richtungen schien mir Marks Gesicht entgegenzublitzen. War aus irgendeiner Ecke vielleicht gerade eine Pistole auf mich gerichtet? Würde ich gleich einen Knall hören und –?
Ich zwang mich, nicht mehr daran zu denken. Die Eingangstür war bereits in Sichtweite.
»Wie wollen wir danach eigentlich weiter?«, flüsterte ich Damian zu. Wir konnten doch kaum laufen.
»Auto«, knurrte er nur.
»Woher hast du den Schlüssel?«
Darauf erhielt ich keine Antwort. Vielleicht war es auch das Beste, so etwas nicht inmitten von hunderten Menschen zu besprechen, die allesamt Marks Spitzel sein könnten.
Niemand hielt uns auf. Niemand schenkte uns auch nur einen zweiten Blick.
Kalte Nachtluft schlug mir ins Gesicht, als wir ins Freie traten.
»Wo ist die Garage?«, flüsterte ich. Vorhin waren wir aus Marks Limousine direkt auf den roten Teppich gestiegen, aber nun würde vor diesem Teppich kein Wagen auf uns warten, um uns abzuholen.
Damian gab wieder nur ein vielsagendes Knurren von sich und zog mich weiter.
Die Garage befand sich nicht weit von der Gala entfernt. Einmal das Gebäude umrunden, dann in einen unscheinbaren Eingang abbiegen und eine Treppe hinunter.
»Es hätte dich nichts davon abgehalten, einfach zu sagen ›ich war schon einmal hier‹«, giftete ich, während ich mit meinen hochhackigen Schuhen Schwierigkeiten hatte, mit Damian mitzuhalten.
»Wir sind gerade auf irgendeinem Überwachungskamerabildschirm zu sehen«, sagte er, statt einer vernünftigen Antwort auf meine Frage zu geben oder auch nur ein wenig langsamer zu gehen. »Und wenn du unbedingt hierbleiben und dich finden lassen willst, gut, dann bleib hier, aber ich werde mich nicht von Mark töten lassen.«
Er sprach den Namen seines ehemaligen Freundes mit so viel Abscheu aus, dass mir das ›Vor dem ich dich gewarnt habe‹ glatt im Hals stecken blieb.
Er trat durch eine graue Tür und wir standen in einer Tiefgarage, in der sich die Luxuskarossen nur so aneinander reihten.
»Sind wir sicher, dass wir nicht eine von denen nehmen wollen?«, fragte ich mit einem Fingerzeig auf ein rotes Cabrio.
Damian folgte meiner Deutung mit seinem Blick und seine Miene verfinsterte sich.
Ich hob abwehrend die Hände. »War ja nur ein Vorschlag.«
Damian fischte einen Autoschlüssel aus seiner Hosentasche. »Ich konnte leider nicht den Schlüssel für das Cabrio bekommen. Schätze, du musst dich mit einer Limo zufriedengeben.«
»Unauffällig«, brummte ich, aber als die Rücklichter des weißen Autos, in dem wir hergekommen waren, aufblinkten, fügte ich mich. Ich brachte allerdings nicht die Energie auf, die Schlüssel von Damian zu fordern. Wortlos ließ ich mich auf den Beifahrersitz sinken.
Der Motor sprang schnurrend an und Damian setzte sich rückwärts aus der Parklücke. In der Garage selbst fuhr er noch langsam, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass er am liebsten sofort das Gaspedal durchtreten wollte. Das Lenkrad hatte er so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
Dann, als wir auf die Straße fuhren, beschleunigte er.
»Probier die Bremsen vorher aus«, presste ich durch zusammengebissene Zähne hervor.
Er warf mir einen kurzen Blick von der Seite zu, trat dann aber kurz auf die Bremse. Dankenswerterweise wurden wir langsamer.
»Okay«, flüsterte ich dann. Zumindest in diese Falle würden wir nicht tappen. Wir hatten also eine Chance zu entkommen.
»Macht es dir etwas aus, wenn ich jemanden anrufe?«, fragte ich. Normalerweise würde ich nicht fragen, aber wer wusste schon, ob Damian derzeit nicht jeden als Verräter ansehen könnte und ich würde nur ungern aus dem Auto katapultiert werden.
Er zögerte. »Wen?«
»Meine Assistentin.« Wenn uns hier jemand lebendig herausbringen konnte, dann sie. Und sei es nur, dass sie uns den Weg mit den wenigsten roten Ampeln zeigte.
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
Ich angelte mein Handy aus meiner Handtasche, gemeinsam mit meiner Pistole. So schnell würde ich keines von beidem wieder loslassen. Ich drückte die Kurzwahltaste, um Meli zu erreichen.
Es klingelte genau einmal, dann hob sie ab.
»Laura, Süße«, hörte ich ihre Stimme. »Ist alles in Ordnung bei dir? Du hast dich so lange nicht gemeldet und meine Anrufe hast du auch nicht entgegengenommen.«
»Nichts ist okay.« Meine Stimme war ein panisches Staccato. »Wir sind mit den Jungs aneinandergeraten bei dem Versuch, Rileys Aufenthaltsort herauszufinden.«
Melissas Ton wechselte sofort ins Geschäftliche. »Wer ist wir und wo seid ihr?«
Mein Blick blitzte zu Damian hinüber. »Lansky und ich. Wir sind in Tallahassee, auf dem Weg aus der Stadt.«
Von der anderen Seite des Telefonats kam nur Schweigen.
»Meli? Bist du noch da? Ich hab gerade nicht wirklich Zeit, um mich übers Handy um Nervenzusammenbrüche zu kümmern.«
»Ja«, sagte sie. »Sorry, musste das nur kurz sacken lassen. Lansky und du ...« Sie räusperte sich. »Aber gut. Weißt du, in welcher Straße ihr seid?«
»Nein?« Damian fuhr viel zu schnell, als dass ich irgendwelche Straßenschilder hätte lesen können.
»Okay Süße, ich werde euch finden. Was für ein Auto fahrt ihr?«
»Eine weiße Limo.«
Wieder das kurze Schweigen auf der anderen Seite der Leitung. »Das macht es mir leichter«, sagte Meli dann. »Auch wenn es nicht gerade der unauffälligste Fluchtwagen ist, aber ihr werdet euch schon etwas dabei gedacht haben.«
Hatten wir nicht. Hatte ich zumindest nicht, vielleicht hatte Damian aber Pläne, in die er mich nur nicht eingeweiht hatte.
»Gefunden«, sagte Meli. »Oha, das ist ja echt Lansky. Ich dachte kurz, du willst mich auf den Arm nehmen.«
»Nicht der richtige Zeitpunkt«, knurrte ich.
»Gut, ihr folgt einfach der Straße, sie führt euch direkt aus der Stadt. Sobald ihr die Grenze hinter euch habt, kann ich euch nicht mehr direkt verfolgen, aber wir werden bis dahin schon eine Lösung finden, damit ich euch weiter helfen kann.«
»Danke, Meli. Du bist ein Schatz.«
»Ich nehme das als ein ›Ich werde dir bis an dein Lebensende deinen Kaffee bezahlen‹. Aber ...« Sie verstummte und das nicht auf eine gute Art.
»Was ist los?«, fragte ich.
»Da kommt euch ein Auto entgegen.«
Ich spähte in die Dunkelheit, die sich jetzt vor der Windschutzscheibe ausbreitete.
»Muss nichts bedeuten.« Aber Melis Stimme sagte etwas anderes. »Kann einfach ein Nachtschwärmer sein.«
»Damian, sei vorsichtig«, warnte ich.
Sein Griff um das Lenkrad verstärkte sich. Er bremste etwas ab.
Jetzt konnte ich die Scheinwerfer des Autos sehen, das gerade um die Ecke gebogen kam und auf uns zu raste.
Ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. »Damian ...« Weiter kam ich nicht.
Die Lichtkegel kamen viel zu schnell näher und ehe ich ganz realisiert hatte, was überhaupt geschah, erklang ein krachendes Splittern, noch bevor ich den Aufprall spürte.
Meine Welt explodierte. Die Limo wurde zur Seite gerissen, ich verlor den Überblick darüber, wo oben und unten war. Der Airbag traf mich wie ein Faustschlag und warf mich zurück in den Sitz. Etwas prallte von außen gegen das Auto, prügelte auf die Windschutzscheibe ein.
Ich öffnete kurz meine Augen, die ich im Affekt zusammengekniffen hatte. Waren das ... Äste?
Die Räder verloren den Boden und der Wagen fiel in die Tiefe, nur um nach einer Sekunde auf den Boden zu krachen. Der Gurt schnitt mir in die Schulter.
Im nächsten Augenblick herrschte Stille. Die Äste waren verschwunden und der Wagen ruckelte nicht mehr. Als ich realisierte, dass wir erneut fielen, war es schon zu spät.
Ich glaubte, vor der Windschutzscheibe etwas glitzern zu sehen, da folgte bereits der Aufschlag. Ein letztes Mal wurde ich in meinem Sitz nach vorne gerissen, dann umgab mich Finsternis.
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