20.

»Ihr seht gut aus«, sagte Mark, als wir uns ihm näherten, und ich war mir nicht sicher, ob ich den Unterton mochte, der in seiner Stimme lag.

Damian schenkte ihm ein schmales Lächeln, dem keinerlei Wärme innewohnte. »Ich nehme an, du hast deinen Kontakt ausfindig gemacht?«

Wenn die Abfuhr Mark etwas ausmachte, ließ er es sich nicht anmerken. »Natürlich. Ich habe alles in die Wege geleitet«, antwortete er im gleichen Tonfall wie Damian. »Kommt mit.«

Argwohn pulsierte durch mich, während ich mich von Damian mitziehen ließ. Bildete ich es mir ein oder zog er mich eine Winzigkeit näher zu sich?

Ich zwang mich indes zur Ruhe. Das hier war auch meine Welt, das waren die Kreise, in denen ich mich bewegte. Ich konnte mit jeglichen Grausamkeiten umgehen.

Mark führte uns weg von den Feierlichkeiten und zu einem abgetrennten Bereich, der nur schwach ausgeleuchtet war. Gemälde hingen in sorgfältig bemessenen Abständen an den Wänden, aber ich konnte in dem schlechten Licht keine Details erkennen, auch wenn sie alle ähnliche Motive zu haben schienen.

Schließlich hielt Mark vor einer Tür aus Mahagoni an. »Seid ihr bereit?«, fragte er, die Hand bereits auf dem goldenen Türknauf.

»Natürlich.« Es lag eine Kälte in Damians Stimme, die Mark offenkundig davon abhielt, noch etwas zu sagen, bevor er die Tür öffnete.

Ich warf ihm einen hoffentlich schüchternen Blick zu, als wir an ihm vorbeigingen. Seine Miene war ausdruckslos.

Er trat hinter uns ein und ließ die Tür leise ins Schloss fallen. Drei Männer, die dahinter gewartet hatten, bezogen vor ihr Stellung.

Oh, Shit. Ich starrte auf die Maschinenpistolen in den Händen der Männer.

Nicht gut. Das hier war alles gar nicht gut.

Wie in einem schlechten Film fiel die Tür hinter uns zu. Das Klicken hallte laut in meinem Kopf wider. Und dazu gesellte sich das Geräusch von Marks leisem Lachen, während er hinter Damian und mir hervortrat und sich zu den Männern mit Maschinenpistolen gesellte.

»Mark.« Ein Unterton von Wut hatte sich in Damians Stimme geschlichen. »Was hat das zu bedeuten?«

Ich versuchte, ihm meinen Arm zu entziehen, um irgendwo in Deckung zu gehen. Mark zeigte nun endlich auch Damian sein wahres Gesicht und ich wollte nicht mitten ins Schussfeld geraten.

»Ich denke, es ist eindeutig, was das hier bedeutet, mein Freund«, sagte Mark und betonte das Wort ›Freund‹ sogar extra.

Damian biss die Zähne zusammen. Das Eis seiner Augen war nicht in Kälte erstarrt, es brannte.

Wieder versuchte ich, mich aus dem Griff zu befreien, aber er verstärkte ihn nur.

»Erfolgreich warst du aber noch nie, oder?«, fragte Damian, die Kiefermuskeln angespannt. »Vier gegen zwei«, er warf einen Blick auf mich und korrigierte: »Anderthalb und trotzdem musst du dich hier noch einmal vor mir aufbauen.«

»Vielleicht haben wir unterschiedliche Vorstellungen von Erfolg.« Mark lächelte auf eine Art, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Du bist schließlich umzingelt und glaube mir, lebendig wirst du dieses Haus nicht verlassen.«

»Aber warum?« Ich bemerkte erst, dass ich die Worte ausgesprochen hatte, als sie bereits meinen Mund verlassen hatten. »Die Antwort darauf müsstest du doch am besten wissen, Laura oder Linda oder wie auch immer du dich heute nennst.« Mark machte sich nicht einmal die Mühe, mich anzuschauen. Seine Augen waren auf Damian gerichtet.

Er hatte mich also erkannt. Ich musste dringend an meinen Verkleidungskünsten arbeiten ... vorausgesetzt, ich kam hier lebendig raus.

Ich warf einen vorsichtigen Blick auf Damian, aber er fixierte Mark ebenso sehr wie dieser ihn.

»Es geht hier also um einen Konkurrenzkampf?«, sagte Damian schließlich. »Das ging es einmal«, gab Mark ungerührt zurück. »Aber ich denke, über dieses Stadium an freundschaftlichen Streitigkeiten sind wir hinaus, oder was meinst du?« Er wartete auf keine Antwort. »Du musstest dich ja unbedingt an die Spitze stellen und einen auf Mr. Wichtig tun. Und dabei hast du deine Freunde einfach vergessen.«

Ich runzelte die Stirn. Das hier hatte nichts mehr mit dem zu tun, was ich erwartet hatte. Mark und Damian hatten offensichtlich einige Probleme zu lösen, mit denen ich nichts zu tun hatte oder haben wollte. »Diese Spitze war mein Geburtsrecht«, rief Mark. »Und du hast es mir weggenommen. Weißt du, wie hart ich dafür arbeiten musste, dass man mich ernst nimmt? Wie streng meine Familie zu mir war? Ich hätte das Oberhaupt sein sollen und dann kamst du und hast einfach alles bekommen, was mir zustand.«

Um Damians Lippen lag ein verächtlicher Zug. »Nichts stand dir zu. Du hattest schon immer ein Talent dafür, die Tatsachen so zu verdrehen, dass sie in deine Erzählungen passen. Schon von Anfang an wollte niemand dich als Oberhaupt sehen, du hast es nur nicht wahrhaben wollen. Du willst es ja immer noch nicht wahrhaben.«

»Ich wäre besser als du«, brachte Mark zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Damians Lachen war kalt. »Das ist es, was du dir gerade einredest? Deshalb ...« Nun blitzte sein Blick doch für den Bruchteil einer Sekunde zu mir herüber. »Deshalb baust du dir einen eigenen Drogenring auf und versuchst das, was ich tue, nachzuahmen? Nur bist du leider viel schlechter darin als ich. Also verkriech dich lieber wieder in deine Villa – die du ohne mich nie hättest – und wag es nicht, mir noch einmal unter die Augen zu treten.«

Was tat er da? Wollte er uns umbringen?

»Denn sogar in dieser Situation bist du mir unterlegen«, fuhr Damian ungerührt fort.

»Unterlegen?« Marks Blick verfinsterte sich. »Es sind mehrere Waffen auf dich gerichtet und du besitzt noch die Arroganz zu glauben, dass du hier lebendig rauskommst, ohne mir die Füße küssen zu müssen. Du scheinst vergessen zu haben, wer hier vor dir steht und –«

»Ein Versager«, unterbrach Damian ihn.

Ich schluckte. Das entwickelte sich in eine Richtung, die mir ganz und gar nicht gefiel.

Rote Flecken bildeten sich auf Marks Hals. In ihm brodelte der Zorn und er schien Damian am liebsten anschreien zu wollen.

»Es gibt Momente, in denen ich denke, dass ein einfacher Tod durch eine Kugel zu leicht für dich wäre, Damian«, sagte er. »Zu sauber, zu schmerzlos. Es würde all dem Leid, das ich deinetwegen ertragen musste, nicht gerecht werden. Aber wir sollten unser nettes Gespräch nicht zu lange ausdehnen. Wenn du erst einmal tot bist, dann wirst du mir weniger Probleme bereiten. Auf Wiedersehen.«

Er lachte auf. »Ach, was rede ich da. Ein Wiedersehen wird es nicht geben.« Er nickte seinen Leuten zu und sagte. »Kümmert euch um sie.«

Mit diesen Worten verschwand er aus dem Raum und die Angreifer hoben ihre Waffen.

Ich wartete nicht, bis Marks Lakaien abdrückten. In dem Moment, als Mark die Tür hinter sich ins Schloss drückte, hechtete ich zur Seite, sah gerade noch, wie Damian auf meiner Seite das Gleiche tat.

Keine Sekunde zu früh.

Die Schüsse dröhnten mir in den Ohren. Ein eiskalter Adrenalinschub schoss durch meine Adern und klärte meine Sicht. Sofort war ich wieder auf den Beinen, heraus aus der direkten Schusslinie.

Bevor der eine Mann seine Waffe wieder auf mich richten konnte, war ich hinter ihm und rammte meine Fußkante in seine Seite. Er ächzte und senkte für einen Moment die Waffe. Es war ein Moment zu lang.

Mein nächster Schlag sandte die halbautomatische Pistole und der nächste ihn zu Boden. Bevor er sich wieder sammeln konnte, hechtete ich nach der Waffe.

Ein Schuss knallte und etwas zischte knapp an meinem Schädel vorbei.

Hände schlossen sich um meine Schultern, aber ich hatte die Waffe erreicht. In einer fließenden Bewegung fuhr ich herum und drückte ab.

Blut spritzte und einer der drei Lakaien ging zu Boden. Blieben noch zwei.

Hinter mir klickte etwas.

Ich duckte mich instinktiv, noch während die Erkenntnis durch meinen Kopf zuckte, dass ich zu langsam wäre. Allerdings klirrte etwas, im gleichen Moment, als das Geräusch des Schusses mir das Trommelfell zu zerfetzen drohte.

Halbwegs elegant drehte ich mich herum.

Ich starrte auf glitzernde Scherben. Damian umklammerte den jetzt leeren Rahmen eines Spiegels, dessen Überreste den Raum in eine düster funkelnde Discokugel verwandelten. Der Mann, den Damian getroffen hatte, versuchte gerade, sich auf alle Viere zu stemmen. Ich hob meine Waffe und schoss. Jetzt versuchte er es nicht mehr.

»Der andere ist auch tot.« Damian gestikulierte vage in die Dunkelheit hinter uns.

Ich ließ die Waffe sinken. Damian und ich starrten uns an. Wortlos. Bis ich es irgendwann über mich brachte, die Stille zu brechen. »Wir müssen weg.«

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