15.

Nach zehn Minuten Fahrt hatte Damian sich immer noch nicht angeschnallt. Jedes meiner überdeutlichen Nicken hatte er ignoriert sowie einige immer weniger verdeckte Anspielungen und langsam habe ich die Nase voll. Arroganter Machotyp, der meinte, sich nichts erzählen lassen zu müssen.

Nicht nur das, er erhöhte damit auch unsere Gefahr, von der Polizei angehalten zu werden, und das war wirklich das Letzte, was ich gebrauchen konnte.

»Gib die Adresse ins Navi ein«, forderte ich Damian auf, als ich an einer Ampel anhielt.

Dieses Mal hörte er tatsächlich auf mich, lehnte sich nach vorne und kurz danach verkündete ein Pingen, dass die Route berechnet worden war. Ich warf einen kurzen Blick auf die Ankunftszeit, als die Ampel auf Grün schaltete. Tallahassee.

»Tallahassee?«, platzte es aus mir heraus. »Das sind über vierzehn Stunden Fahrt! Du schickst mich einmal durch das halbe Land!«

Damian zuckte nur mit den Schultern. »Hast du erwartet, dass wir nur zwei Blocks weiter fahren?«

Ja!, hätte ich ihn am liebsten angeschrien, aber verbiss es mir. Vierzehn Stunden Autofahrt würden uns garantiert durch irgendwelche gottverlassenen Gegenden führen, in denen er mich angreifen, umbringen und im Graben liegen lassen konnte. Aus meiner Vorstellung einer einigermaßen entspannten Fahrt war prompt ein Höllentrip geworden.

Entsprechend angespannt war ich, als Damian die Hand nach einem Knopf an der Armatur ausstreckte. »Lass das!«, fuhr ich ihn an, aber wieder ignorierte er mich.

Ich hielt den Atem an. Riley würde ich es zutrauen, dass er einen Selbstzerstörungsknopf oder so etwas eingebaut hatte. Ein Sonnenstrahl traf mich ins Gesicht.

»Vielleicht tut ein bisschen Licht dir gut«, bemerkte Damian, während das Dach des Autos langsam nach hinten fuhr. »Sonne soll gute Laune machen.«

Ein Cabrio! Rileys Maserati war ein verdammtes Cabrio! Mein Tag war gerade ein kleines bisschen besser geworden.

Das hielt mich allerdings nicht davon ab, an der nächsten Ampel zu beschleunigen, als sie auf Gelb sprang. Und auch nicht davon, hart auf die Bremse zu treten, als sie rot wurde, als hätte ich mich leider ein wenig verschätzt.

Damian rutschte auf seinem Ledersitz ein gutes Stück nach vorne und er wäre vielleicht sogar heruntergerutscht, hätte er sich nicht im letzten Moment mit einer Hand am Armaturenbrett abgestützt.

»Bist du –«

»Schnall dich an«, schnitt ich ihm das Wort ab. »Sonst wiederhole ich das außerhalb der Stadt, wenn ich keine anderen Autos mehr hinter mir habe.«

Der Blick aus Damians Augen hätte auch ein Dolch sein können, aber als er sich wieder in eine bequeme Position gebracht hatte, angelte er tatsächlich nach dem Gurt und schnallte sich an.

»Geht doch«, brummte ich. Vielleicht würden wir doch unbehelligt in Florida ankommen. Während ich den Wagen aus Detroit herauslenkte, kehrte dankenswerterweise Schweigen ein. Als ich irgendwann einen Blick zu Damian hinüberwarf, musste ich feststellen, dass er sich zurückgelehnt hatte, die Arme verschränkt und die Augen geschlossen.

Er war tatsächlich eingeschlafen. Wie konnte er sich in dieser Situation so entspannen, während ich aus dem Augenwinkel auf jede Bewegung gelauert hatte, die andeutete, dass er einen Ausweg suchen würde?

Die Sonne schien ihm ins Gesicht und zeichnete Damians Gesichtszüge weicher, als das harte Licht in Rileys Keller es vermocht hatte. Der Fahrtwind wehte ihm die Locken in die Stirn.

Ich umklammerte das Lenkrad fester, zwang meinen Blick zurück auf die Straße und trat aufs Gaspedal. Vielleicht würde ich es schaffen, die Fahrzeit auf zwölf Stunden zu drücken. Zumindest würde mir diese Aufgabe verbieten, mich von anderen Dingen ablenken zu lassen.

Mein Plan ging nicht auf. Detroit lag schon einige hundert Meilen hinter uns und es wurde langsam dunkel, als das Schnurren des Motors sich veränderte und mehr zu einem Husten wurde.

Ich sog Luft ein. Vor einer halben Stunde hatte ich doch gerade erst nachgetankt. Ein Blick auf die Tankanzeige bestätigte es. Fast voll.

Der Maserati ruckelte und machte ein Geräusch, das an das Husten eines Kettenrauchers erinnerte.

Damian neben mir rührte sich. »Was ist los?«, fragte er und rieb sich die Augen.

»Nichts«, sagte ich. Wieder ein Röcheln des Motors. Danke, Auto.

»Ich dachte, du kannst fahren«, meinte Damian und ich konnte die hochgezogene Augenbraue in jedem Wort hören.

»Das hat nichts mit mir zu tun«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Wir befanden uns auf einer Landstraße im Nirgendwo. Zu den Seiten nur Felder und weiter im Hintergrund ein Wäldchen, aber weit und breit keine Stadt oder auch nur ein kleines Dörfchen.

Ein Ruck ging durch das Auto und verbrannter Geruch stieg mir in die Nase.

»Shit«, zischte ich. Ich bremste und brachte den Maserati am Straßenrand zum Stehen. Wäre ich jetzt nicht angehalten, hätte es das Auto in einigen Metern selbst erledigt.

Summend schloss sich das Verdeck und tauchte uns in Dunkelheit.

»Ich schaue es mir mal an«, sagte Damian und öffnete seine Tür.

Ehe er aussteigen konnte, fragte ich: »Kennst du dich damit aus?«

»Besser als du zumindest.«

Ich schnappte nach Luft. »Bitte? Du hast doch keine Ahnung, was ich alles kann.«

»Du hast das Auto kaputt gemacht. Mehr muss ich nicht wissen.« Ohne ein weiteres Wort stieg er aus und umrundete den Wagen bis zu meiner Tür, die er prompt aufriss.

Ich zuckte kurz zusammen und schob mich ihm so gut, wie es ging, aus dem Weg.

Er lehnte sich vor und zog einen Hebel direkt neben dem Knopf zur Kontrolle der Fenster. Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Motorhaube.

Damian richtete sich wieder auf, ging zur Vorderseite des Maserati und öffnete die Motorhaube gänzlich.

Schwarzer dichter Rauch stieg auf.

Ich schnallte mich ab und sprang aus dem Auto, um mich an Damians Seite zu gesellen, der das Innenleben des Autos mit zusammengeschobenen Brauen begutachtete.

Es war kalt geworden und da ich mich sommerlich angezogen hatte, fröstelte ich und umschlang meinen Oberkörper mit meinen Armen.

»Und?«, fragte ich. »Nicht meine Schuld?«

»Nicht deine Schuld«, bestätigte Damian. »Ich sehe aber auch nicht, was es sein könnte. Es ist schon zu dunkel.« Er wandte sich mir zu. »Kannst du den Pannendienst rufen?«

Mit einer Hand zuckte ich bereits zu meinem Handy in meiner Hosentasche und hielt mich im letzten Augenblick auf. Ich hatte den Mafiaboss im Schlepptau. Wer versicherte mir, dass er den Mechanikern nicht erzählen würde, was vorgefallen war, und diese dann die Polizei riefen?

»Nein«, sagte ich daher.

»Nein?«

»Nein.«

Er fragte kein zweites Mal nach.

Ich räusperte mich. »Und nun?« Wir konnten doch schlecht hierbleiben und im Wagen schlafen ... oder?

Damian zuckte mit den Schultern. »Wir bleiben hier. Im Tageslicht kann ich noch einmal genauer nachschauen.«

Ich wollte nicht hierbleiben. Wollte ich wirklich nicht. Aber zur nächsten Ortschaft wandern, wie weit diese auch immer entfernt war? Schlechte Idee.

Ein kalter Windzug ließ mich frösteln.

Damian warf mir einen Blick zu, entledigte sich dann seines Sakkos und reichte es mir.

Ich streckte schon meine Hand aus, hielt aber auf halbem Weg inne. Ich würde nicht auf das weiße Hemd starren, das er darunter trug. Ich würde nicht auf das weiße Hemd starren.

Das Hemd spannte sich über seine Brustmuskeln und ließ meiner Fantasie gleichzeitig aber viel zu viel Spielraum. Die obersten beiden Knöpfe waren geöffnet und gaben den Blick auf sein Schlüsselbein frei.

Hatte ich jemals zuvor ein Schlüsselbein attraktiv gefunden? Nein.

Tat ich es jetzt? Äh ...

Damian räusperte sich. »Brauchst du noch einen Moment?«

»Nein.« Ruckartig wandte ich den Blick ab und riss ihm sein Sakko aus der Hand. Ich legte es über meine Schultern. Es spendete mir tatsächlich Wärme und das Frösteln ließ nach.

Sollte ich mich dafür bedanken? Vermutlich, aber ich brachte die Worte nicht über meine Lippen.

»Hat dein Freund irgendetwas zu essen im Auto?«, fragte Damian. »Oder eine Decke?«

»Ich denke nicht«, murmelte ich und sah zwanghaft in den Qualm des Motors, damit mein Blick nicht ständig zu Damian schweifte. »Dann wird es wohl eine kalte Nacht.«

Außer wir würden einander ein wenig näher kommen und ...

Pfui, Laura. Was war nur los mit dir?

»Ich komme schon klar«, brummte ich, ehe ich mich abwandte und zurück auf den Fahrersitz setzte. Damian knallte die Motorhaube zu und kehrte dann ebenfalls in das Auto zurück.

»Dir ist schon bewusst, dass wir noch keinen Hochsommer haben, oder?« Damian wandte sich mir halbwegs zu, als würden wir ein entspanntes Gespräch führen.

Ich hielt meinen sakkobekleideten Arm hoch.

»Das könnte ich dir wieder abnehmen.« Er wirkte, als würde er seine Entscheidung bereits bereuen.

»Versuch's doch«, kontere ich.

Für den Moment aber schlang ich die Arme um mich und kuschelte mich möglichst bequem in den Ledersitz. Er war nicht bequem.

»Bist du nicht eigentlich einigermaßen gut in deinem Job?«

»Ich habe uns eingeschlossen«, erwiderte ich und schloss die Augen. Trotzdem konnte ich hören, dass ich ihn aus dem Konzept gebracht hatte.

»Was?«

»Ich habe uns eingeschlossen. Du kannst die Tür nicht leise öffnen und wenn du ein Fenster einschlägst, wird es mich aufwecken. Abhauen tust du heute Nacht nicht.«

Diese Kopfstütze war wirklich unbequem. Ich ruckte mit dem Kopf hin und her und versuchte, eine bequeme Position zu finden.

»Das war nicht, was ich meine.«

Verdammt. Das hatte ich mir gedacht. Aber leider redete er weiter.

»Du bist Assassinin, hast du mir gesagt. Und du scheinst mir nicht wie der Typ, der die Leute mit einem Fernschuss vom gegenüberliegenden Dach tötet. Wie kann es also sein, dass du es für deinen Job schaffst, einigermaßen vertrauenserweckend zu sein, während du dich in Wirklichkeit so gibst?«

Ich konnte mir denken, dass er das ›so‹ mit irgendeiner Geste untermalte.

»Im Job bin ich nicht ich«, grummelte ich, noch immer mit geschlossenen Augen. »Und ob du es glaubst oder nicht, ich kann auch freundlich sein.«

»Auch als du?«

»Wäre ein Wunder, wenn du mich so erleben würdest«, beende ich das Gespräch und drehe dann mein Gesicht von ihm weg. »Gute Nacht.«

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top