14.

Damian rieb sich die Handgelenke. »Siehst du, war doch gar nicht so schwer.«

Ich beäugte ihn nach wie vor argwöhnisch. Und dann stand er tatsächlich auf.

Ich machte mich bereit, ihn aufzuhalten, doch es war nicht notwendig. Damian verzog das Gesicht und schwankte gefährlich. Mit einer Hand tastete er nach der Stuhllehne und stützte sich ab.

»Zu schnell aufgestanden, Cowboy?«, fragte ich.

Damian winkte nur ab, sagte aber nichts. Blässe lag auf seiner Haut trotz seines von Natur aus leicht gebräunten Teints.

Ich runzelte die Stirn. Der ach so starke Mafiaboss würde doch jetzt nicht vor meinen Füßen zusammenbrechen. Nicht schon wieder.

»Kann ich dir helfen?«, rang ich mich durch, zu fragen. Denn Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft hatte ich mir heute zum Motto gemacht.

Dafür wurde ich nur von seinen Eisaugen durchbohrt und Damian brummte ein kurzes »Mir geht es gut.«

Ah ja, das konnte doch jeder sehen.

Er richtete sich wieder auf, ging ohne ein weiteres Wort an mir vorbei und die Kellertreppe hinauf.

Ich folgte ihm in einigen Schritten Entfernung. So könnte ich ihm aus dem Weg springen, falls er doch nach hinten fallen sollte.

Aber das geschah zum Glück nicht. Wie hätte ich auch der Mafia erklären wollen, wenn deren Boss sich auf der Treppe alle Knochen brach? Entschuldigung, aber euer Goldjunge ist über seine eigenen Füße gestolpert und ich konnte ihn leider nicht mehr auffangen. Was? Nein, ich hatte damit definitiv gar nichts zu tun.

Witzig.

Damian hielt in der Eingangshalle kein einziges Mal an, als würde er sich hier bestens auskennen.

»Na, du hast das aber schnell zu deinem Zuhause gemacht«, kommentierte ich.

Er versuchte offensichtlich, einen Blick über die Schulter zu werfen, zuckte aber schmerzerfüllt zusammen und verwarf das Vorhaben wieder.

»Solche Häuser sind alle gleich aufgebaut«, sagte er nur und steuerte das Bad an.

Missmutig folgte ich ihm, blieb aber im Türrahmen stehen. »Und jetzt?«, fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Nichts«, sagte Damian nur, öffnete aber gleichzeitig die Badschränke und wühlte in ihnen herum.

»Was suchst du?«, fragte ich weiter. »Und komm mir nicht mit ›nichts‹.«

Damian brummte kurz etwas, antwortete dann aber deutlicher. »Schmerzmittel.«

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Dann hatte ihm die ganze Tortur also doch zugesetzt und er wollte es nur nicht zugeben.

Ich deutete auf ein Schränkchen mit einem großen roten Kreuz und meinte: »Dort würde ich nachschauen.«

Damian warf mir nur einen finsteren Blick zu, schleppte sich dann aber zu dem Medizinschrank und öffnete ihn.

Ein »Woah« entkam mir und auch Damian stockte.

Der Schrank war vollgestopft, aber nicht nur mit den gängigen Schmerzmitteln, von denen sich Damian umstandslos eine Dose schnappte und einige Pillen einwarf.

»Ist dein Freund irgendwie krank?«, fragte er.

»Nicht, dass ich wüsste«, sagte ich, aber das Medizinschränkchen sprach eigentlich Bände. Hielt Riley etwa etwas vor mir geheim? Wir waren nicht gerade Freunde, aber ... Gut, eigentlich gab es da kein ›aber‹.

»Drogenabhängig?«, riet Damian weiter. »Oder ein Dealer?«

»Was weiß ich«, gab ich zurück. »Nimm deine Medikamente und dann denk dir was aus, wie du mir helfen kannst.«

»Wie freundlich von dir«, antwortete er nur. Er fuhr sich kurz mit der Hand über die Stirn und meinte dann: »Ich habe eine Idee, wie wir deinen Freund finden können. Wir reden mit Mark.«

»Wer ist Mark?«

»Ein ... Informant.«

»Dir ist klar, dass ich das Zögern gehört habe, oder?«

Damians Blick war hart. »Du wirst ihn noch früh genug kennenlernen, Bellissima.«

»Nenn mich nicht so.«

Seine Züge entspannten sich etwas und beinahe konnte ich die Andeutung eines Lächelns darauf erkennen. »Verrätst du mir dann deinen richtigen Namen?«

»Laura.« Ich blinzelte. Stockte. Die Antwort war mir entwischt, bevor ich sie hatte zurückhalten können. Wie war ich auf die Idee gekommen, Damian Lansky meinen richtigen Namen zu verraten? Wie hatte ich mich so angreifbar machen können?

»Ein schöner Deckname«, kommentierte Damian. »Nicht besonders kreativ vielleicht, aber nett.«

Ich atmete durch. Er dachte, ich hätte ihm einen falschen Namen genannt, wie es ja auch vernünftig gewesen wäre.

»Wie sieht es aus?«, versuchte ich von mir selbst abzulenken. »Ist Damian dein richtiger Name?«

Damian ließ sich allerdings nicht aus der Fassung bringen. »Vielleicht«, erwiderte er nur. Dann wandte er sich ab und verließ das Bad. »Wir sollten zu Mark gehen.«

Ich verdrehte die Augen und folgte ihm. Wir waren allerdings kaum zehn Schritte weit gekommen, als Damian sich wieder umdrehte und mich von oben bis unten musterte. »Du solltest dich umziehen. Mark mag hübsche Mädchen.«

Ich durchbohrte ihn mit meinen Blicken. Jetzt sollte ich aus Prinzip in Jogginghosen mit ihm gehen.

»Wie alt bist du?«, fragte Damian hinterher. »Vierundzwanzig?«

»Geht dich nichts an«, fuhr ich ihn an. Sechsundzwanzig wäre die richtige Antwort gewesen, aber die würde ich ihm jetzt nicht geben.

»Wir geben dich als einundzwanzig aus«, stellte er fest, ohne auf mich einzugehen. »Das wird uns weiterhelfen.«

Ich verschränkte die Arme. »Ich werde nicht –«

»Vertraust du mir jetzt oder nicht?«, schnitt Damian mir das Wort ab.

»Natürlich nicht!«, hielt ich dagegen, dann schob sich Rileys vorwurfsvolles Gesicht wieder vor mein inneres Auge. »Also schön«, gab ich nach. »Aber wenn er mich anfasst, dann hacke ich ihm und dir die Hände ab.«

Das Eis in Damians Augen bekam einen Riss. »Fair.«

»Dann gehe ich mich umziehen«, bestimmte ich. »Du bleibst hier.«

Es war möglicherweise nicht meine beste Idee, ihn allein hier zu lassen, aber ich hatte gesehen, wie schwer ihm bereits das Aufstehen im Keller gefallen war, und er hatte gerade fünf Schmerztabletten eingeworfen. Wenn er entscheiden sollte zu fliehen, würde er nicht weit kommen.

Das führte nur leider nicht dazu, dass er den Mund hielt. »Wenn du dich vor mir ausziehst, wirst du das freiwillig tun.«

»Ha ha«, machte ich und verschwand im Schlafzimmer. Bevor ich auch nur darüber nachdenken würde, mich vor ihm auszuziehen, wäre die Hölle schon zugefroren.

Ich öffnete den Schrank, zog eine kurze Hose und ein bauchfreies Top heraus und schlüpfte hinein. Dazu wählte ich noch ein weites Hemd, das ich aber vorne offenließ. Etwas Einfaches, das trotzdem viel Haut zeigte, würde diesem Mark bestimmt gefallen.

Ich überschminkte meine Augenringe und legte meine Haare in Wellen. Ein wenig Farbe auf den Wangen und Mascara noch dazu und fertig war mein Werk.

In der Eingangshalle wartete Damian bereits auf mich. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt.

»Ungeduldig?«, fragte ich.

»Du hast fast eine Stunde gebraucht.« Er schien eher ungläubig als gereizt. »Hattest du noch nie eine Freundin«, giftete ich zurück. »Perfektion braucht Zeit.«

Für einen Moment breitete sich Schweigen zwischen uns aus, aber ich kam nicht umhin, mich zu fragen, ob sich in den Eisaugen ein kleiner Funke Anerkennung entzündet hatte oder es nur eine Einbildung war.

»Bevor wir losgehen, müssen wir aber noch was mit dem Bluterguss machen«, sagte ich.

Damian zog eine Augenbraue hoch. »Damit meine Leute nicht sofort wissen, dass ich verprügelt wurde?«

»Genau.« Ich deutete ihm mit einer Handbewegung an, mir ins Bad zu folgen. Dort, wo ich meine Schminksachen gelagert hatte.

Damians Blick war zwar verdüstert, aber er ging mir nach. Ich öffnete schon das Spiegelschränkchen und holte Concealer heraus.

»Mach dich kleiner.« Sonst müsste ich mich zu sehr strecken, um die Stellen zu erreichen, die in Mitleidenschaft gezogen worden waren.

Das Blau in Damians Augen gefror zwar, als ich ihm die Anweisung gab, aber er kam ihr trotzdem nach. Vermutlich rang er mit Stolz und Vernunft.

Worüber ich aber nicht nachgedacht hatte: Sein Gesicht war nun viel näher und trotz des Blutergusses sah er immer noch aus wie ein junger Gott.

Falsche Gedanken, Laura. Ganz falsch.

Ich räusperte mich überdeutlich, aber zumindest hatten meine Wangen nicht angefangen zu glühen.

Ich verteilte den Concealer auf dem Bluterguss. Dabei wanderte mein Blick über die Wangenknochen, deren perfekte Form eigentlich niemandem außer einer Statue zustand.

Interessanterweise rührte auch Damian sich nicht, als wäre er genau diese Statue. Sein eisiger Blick ruhte dabei auf mir und ließ mich frösteln.

Ich schluckte und riss mich von ihm los. »Das ...« Ich räusperte mich. »Das muss reichen.«

»Wie du meinst«, sagte Damian. Auch seine Stimme hatte einen ungewohnten Klang angenommen, über den keiner von uns sprechen wollte.

»Dann sollten wir los«, sagte ich und wandte mich ab.

»Hat dein Freund ein Auto, das wir nutzen können?«, fragte Damian, als er mir folgte.

»Jep«, sagte ich, ohne mich zu ihm umzudrehen. War mir heute mehr nach Jeep oder Sportwagen? Sportwagen, eindeutig.

Ich schnappte mir den Schlüssel, den Riley sehr offensichtlich in einem Kasten neben der Tür aufbewahrte.

Damian hielt mir die Hand hin. »Ich fahre.«

Ich lachte nur. »Nichts tust du.«

Er rührte sich nicht und hielt mir seine Hand weiterhin offen entgegen.

»Du kommst damit nicht weiter«, sagte ich. »Ich. Fahre.« Mit diesen Worten ließ ich Damian hinter mir stehen. Sollte er doch hierbleiben, wenn er so unbedingt darauf bestand, selbst zu fahren.

Schritte erklangen hinter mir. Der ach so tolle Mafiaboss war also zwar vielleicht stur, aber nicht dumm.

Die Garage öffnete sich automatisch, als ich nähertrat, und darin sah ich den roten Maserati, den ich bei Riley schon des Öfteren aus der Ferne bewundert hatte, von dem er mich aber immer gekonnt ferngehalten hatte.

Ich öffnete die Tür und ließ mich auf den Fahrersitz gleiten, der mit hellem Leder überzogen war.

Damian stieg neben mir ein, immer noch mit verdunkelter Miene. Aber da musste er jetzt durch. Es würde ihn schon nicht umbringen, nur vielleicht ein bisschen an seinem Stolz kratzen.

Ich startete den Motor.

»Du kannst doch fahren, oder?«

Ich warf ihm einen Blick zu, ersparte mir aber die giftige Antwort. Ich würde ihm schon zeigen, wie ich fahren konnte. Er müsste sich nur anschnallen und vielleicht auch festhalten, um nicht aus der Frontscheibe geschleudert zu werden.

Andererseits ... so ein plattgematschter Mafiaboss war sicherlich auch ein hübscher Anblick. Nur seine Leute wären darüber nicht so froh.

»Schnall dich an«, wies ich ihn an und fuhr langsam aus der Garage.

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