the power of humans.

Vor einer Woche

Wenn du nicht weißt, dass du in der nächsten Sekunde sterben wirst, ist es meistens friedlich und leicht. Die Angst vor dem Tod ist angeboren, aber in dem Augenblick, wo du unvorhersehbar von dem Mann mit der Sense geholt wirst, ist diese Angst unbeschwert, unmöglich. Du driftest weg – wie Schlafen, nur wirst du nie wieder aufwachen. Niemand weiß so richtig, was mit uns passiert, sobald wir wirklich ins Gras beißen. Ob es einen Himmel oder eine Hölle gibt, oder ob wir als etwas Neues wiedergeboren werden, das ist bis heute nicht belegt worden. Ich denke, es wird genau das eintreffen, woran man am Ende tatsächlich festgehalten hat.

Wenn du aber weißt, dass du sterben wirst, dann ist das eine ziemlich abgefuckte Scheiße. Schließlich kannst du nichts dagegen machen. Du erhältst ein VIP-Ticket für ein ganz besonderes Event: deinem Tod. Du wirst praktisch dazu gezwungen, diesen roten Teppich zu deinem eigenen Tod zu überqueren. Und dieser Teppich ist verdammt lange, wenn man als Katze in einem Käfig eingesperrt ist und der Van unter den Füßen tuckert, bei jedem Schlagloch aufsetzt, als wäre die Straße aus weichem Gummi. Aber nun, wo ich weiß, dass ich sterben werde, denke ich genauer darüber nach, was mit mir passieren wird.

Natürlich wäre es schön ein Sternenmädchen zu sein. So hoch am Himmel zwischen all den anderen Himmelsdiamanten, aber ich würde mich auch schämen. Mich vor Chifuyu und Keisuke verstecken. Ich habe mich nicht mal darum bemüht, zurück zu ihnen zu kommen. Mein Herz ist leer, und es hört nicht auf, so wehzutun, als würde es sich ausbreiten und bald in einer Gaswolke sich auflösen. Mitten in meiner Brust.

„Ich will nicht sterben." Sayuri wiederholt diesen einen Satz. Sie kann sich nicht abschalten. Sie scheint wie in einer Zeitschleife gefangen zu sein. Immer und immer wieder spricht sie diesen einen Satz aus. Dieselbe Angst mit derselben Verzweiflung. Diese Verzweiflung, die ihr noch den Verstand rauben wird, wenn sie sich nicht aus dieser Dauerschleife befreit. Aber was soll ich schon dagegen ausrichten? Wir beide werden sterben. Ich endgültig, doch sie... Sie hat noch ein letztes Leben.

„Wie ist das eigentlich mit euren Leben?", unterbreche ich sie, bevor sie wieder mit diesem Satz mein Herz durchlöchert, und blicke sie ohne jegliches Gefühl in den Gesichtszügen an. „Retten sie euch wirklich nur bei Unfällen, oder bekommt ihr auch eines eurer Leben, wenn ihr stirbt?"

Ihre grüne Halbmondsicheln sind der Spiegel meiner reißenden Leere. „Wir sterben, wenn wir keine Leben mehr haben. Aber wenn wir umgebracht werden, kann uns nichts retten."

Also ist es wirklich so, dass sie in etwa 7 Herzen besitzen. Wenn diese 7 Herzen verbraucht sind, bedeutet das für sie Game Over.

„Ich will aber so nicht sterben", flüstert sie zaghaft und eine Wehmut flimmert über ihrem Antlitz.

Ich wackle mit den Ohren leicht hin und her, aber ich raffe mich zu keiner Emotion auf, als hätte mein Herz beschlossen, es wäre das Beste, wenn ich den roten Teppich wie eine kalte Eisprinzessin betrete und verlasse. „Wie willst du dann sterben?", frage ich monoton. Ich habe wirklich ein schlechtes Timing, um solche Fragen zu stellen. Aber die Zeit ist schon mein Leben lang kein Freund von mir.

Sie holt Luft und ihre Stimme hört sich kontrollierter an als davor, mit weniger Schmerz. Ein verträumter Hauch schwebt darin. „Bei ihm: Keisuke. In seinen Armen. Friedlich einschlafen und noch einmal an ihm riechen. Er riecht ein bisschen wie eine feuchte Wiese, weißt du."

Ich bin überrascht, wie taub mein Herz bereits ist, denn, wenn es noch da gewesen wäre, wäre es jetzt mit Sicherheit zerbrochen, an dem sanften, unsichtbaren Lächelns Sayuris letztlich erstickt. Aber wenn man bereits weiß, dass man sterben wird, ist es offenbar so, dass der Tod einen schon viel früher die Gefühle entzieht. Ein schwarzes Loch, das dich von innen heraus auf langsam einsaugt.

„Er hat mich gerettet." Wenigstens Sayuri bleibt davon verschont. Es ist schön, ihrer Stimme lauschen zu können, wenn sie nicht von Hass verdunkelt wird. Eigentlich hat sie einen sehr weichen Ton, aber auch etwas quietschend. Wie ein junger, verliebter Teenager, nur als Katze. „Die Winter sind in den letzten Jahren immer härter geworden. Eines Abends hat er mich halb verfroren auf der Straße aufgegabelt und sich dabei selbst eine Lungenentzündung zugezogen, weil sein Motorrad bei der Kälte versagt hat. Er hat mich bis zu seiner Wohnung nach Hause getragen. Er musste sogar ins Krankenhaus. So eine Lungenentzündung ist wohl lebensgefährlich für Menschen. Aber seitdem komme ich jeden Winter zu ihm, denn er hat mir versichert, dass ich dort immer Zuhause bin. Der schönste Ort zum Sterben ist das eigene Zuhause. Jedenfalls für mich."

Unsere Angst nimmt den Laderaum so fassbar ein, dass unsere Träume daran abrutschen. Ich zittere. Ich verstehe das nicht. Wir können doch nicht so einfach dem Tod die Handschütteln.

Als Erstes stoße ich mit dem Vorderkopf gegen das Gitter, dann nochmal, und ein Schluchzer ringt sich durch meine leere Hülle. Ich fahre meine Krallen aus, will irgendetwas spüren, das nicht dieser ausdehnende Schmerz ist, und pralle mit dem Kopf wieder gegen die Öffnung der Box. Und jeder Aufprall ist wie eine Abbiegung in die falsche Richtung meines Labyrinths, meines Lebens, weil ich mich unaufhaltsam dem Tod näherer, und ich kann es nicht aufhalten, weil der Ausgangspunkt meines Labyrinths mich nicht wieder in meine Welt verknüpft, sondern mich davon trennen wird. Das ist schlimmer als eine Lücke, die andere in einem hinterlassen können. Eine Lücke wird irgendwann an Wirkung verlieren, aber diese Leere... sie wird alles von mir einnehmen, bis nichts mehr von mir übrigbleiben wird. Wirklich alles.

Auch die Flamme meiner Liebe für Keisuke.

Ich werde es nicht ändern können. Es wird so enden müssen. Ich will nicht sterben, aber das habe ich nicht mehr zu entscheiden. Die Rücksichtslosigkeit der arroganten Menschen zwingt mich zum Sterben. Und so viele andere Straßenkatzen auch.

„Das ist grausam, oder?" Sayuri blinzelt und ihr Lächeln kann sich nicht bitterer anhören. Ihre Weichheit bricht. „Der Wille eines Tieres wird immer dann gebrochen, wenn der Mensch zur Gewalt greift."

„Ich will das nicht glauben", flüstere ich und meine Lunge muss vor Salzwasser schon platzen, doch das hindert mich nicht am Reden. Meine Stirn pocht, aber der stechende Schmerz in meiner Brust ist unerträglich. Ich presse meinen Kopf matt gegen das Gitter, fühle, wie die Kälte in mich strömt und mich taub macht. Ein gutes Taub. „Das kann nicht das Ende sein, Sayuri. Ich will diese Welt nicht verlassen. Ich will mein Leben zurück. Verdammt, ich will zurück zu Keisuke und ihm sagen, dass ich ihn liebe und es mir egal ist, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich will ihn beschützen. Und... Und ich will zu Chifuyu und ihn einfach in die Arme schließen, damit er die Gewissheit hat, dass er nicht allein ist und es niemals sein wird. Ich werde immer an seiner Seite sein und mit ihm diesen Stern betrachten, der sein Vater geworden ist. Und... Und..." Mein eigenes Wimmern stoppt mich für einen Moment daran, zu sprechen. „Ich will das Leid der Straßenkatzen beenden!", schreie ich plötzlich und erhoffe mir so, meine Dauerschleife zum Schweigen bringen zu können. Den roten Teppich nicht betreten zu müssen.

Ich möchte nicht aufgeben oder nicht mutig genug sein. Nie wieder in meinem restlichen Leben. Aber das ist nicht so einfach, wenn mein Tod mir unvermeidlich erscheint.

Sayuri starrt mich mit großen Mondaugen an. „Saejin...", winselt sie.

„Sie dürfen uns nicht töten!" Irgendwo in mir drin geht gerade ein Funke auf. Ein Funke wie der eines Feuerherzens. „Unsere Leben sind nicht wertlos. Kein Leben ist das, dass man es einfach so vernichten kann." Ich blicke sie direkt an. „Wir dürfen hier nicht sitzen und auf unseren Tod warten, Sayuri! Wir müssen uns wehren! Wenn wir es überleben, wissen sie, dass wir die stärkeren sind!"

Sie stützt den Kopf etwas hoch, und der Funke in meinem Herzen springt auch in ihre Augen über. „Das geht nicht. Diese Boxen sind zu stabil."

„Werden sie uns in diesen Boxen umbringen?"

Ihre Halbmonde leuchten wie zwei Smaragde auf, ihre innerliche Aufregung färbt sich in ihrem Ton ab. „Nein, aber..."

Ich blicke sie eindringlich an und gehe in meinem Kopf bereits einen Plan durch, suche in meinem Labyrinth meinen Weg zurück zu ihnen. Keisuke, Chifuyu, mein Zuhause, meine Welt, mein Alles. „Sobald sie die Box öffnen, attackieren wir sie. Am besten springen wir ihnen ins Gesicht. Das sollte sie für einen Augenblick so aussetzen, dass wir flüchten können."

Sie nickt und hört sich so seltsam an, als wäre sie außer Atem. „Glaubst du wirklich, dass das funktionieren wird?"

„Nein", bleibe ich ehrlich, aber verliere nicht an Kraft und Überzeugung in den Worten, „aber ich werde niemand mehr über mein Leben bestimmen lassen. Lieber wage ich diesen Versuch und scheitere als schon aufzugeben, ohne etwas versucht zu haben. Die alte Saejin würde das tun, ja, aber die gibt es nicht mehr."

Das Feuer in meinem Herzen ist längst keine kleine Flamme mehr. Es ist ein Inferno. Eine ansehnliche Naturgewalt. Die wirklich größte Gewalt auf unserem Planeten.

„Ich sehe es jetzt, wieso du es bist und nicht ich." Sayuris pinkes Näschen ist so klein, dass es durch einen Spalt ihrer Transporttür passt.

Ich runzle irritiert die Stirn, sofern eine Katze dort Falten hat.

Sie lehnt sich vor Begeisterung noch weiter vor, dass der Abdruck der Stäbe in ihrem Gesicht eine bestimmte Weile anhalten wird. „Du hast dasselbe Feuer in deinen Augen wie er."

„Natürlich. Er liebt mich schließlich." Mein Herz poltert, die magnetische Anziehung darin fügt alles so zusammen wie es sich gehört, damit meine Nadel wieder ihr Ziel finden kann. Mich zurück zu meinem richtigen Ausgangspunkt führt. „Und damit hat er mich zu einem Teil seines Feuers gemacht."

„Liebst du ihn auch?" Es ist mühsam, ihrem Blick standzuhalten, wenn sie mich so anblickt, als würde ich ihre ganze Hoffnung verkörpern.

„Ja, ich liebe ihn. Er ist mein Schicksal." Es ist bloß das, was ich wirklich empfinde, aber für sie bedeutet das mehr als sie zugeben möchte. Mehr als wir uns beide in diesem Augenblick der Versöhnung vorstellen können.

Sie grinst mich unsichtbar an und ihr Kopf findet wieder zu ihren Vorderpfoten zurück. „Ich glaube, du wirst ihn wirklich retten können, Saejin. Aber nur, wenn du wieder ein Mensch wirst. Schaffst du das?"

Es wird wohl schwieriger dem Tod zu entkommen als die Liebe meiner Mutter zu finden. „Ich denke schon."

Laut hämmern unsere Herzen.

Der Van kommt zum Stehen und damit steigert sich mein Puls rapide. Gleich wird es so weit sein. Hoffentlich werden wir meinen Plan durchsetzen können und diesen Menschen beweisen können, dass der Lebenswillen einer Katze nicht zu unterschätzen ist. Sollten wir es tatsächlich schaffen, fliehen zu können, wird mich nichts daran hindern können, Sayuri mit mir zu nehmen. Sie soll nicht weiter eine Straßenkatze sein. Sie soll zu Keisukes Katze werden. Das wünsche ich mir für alle Straßenkatzen – ein sicheres und warmes Für-immer-Zuhause. Sobald wir geflohen sind, werde ich zu meinen Eltern gehen und wieder ein Mädchen werden, denn nach allem hat Sayuri nicht gelogen. Als Katze kann ich gegen das Kommende nichts ausrichten, denn dafür werden Worte benötigt. Echte und verständliche Worte aus dem Mund einer anderen Person. Endlich begreife ich, worum es wirklich geht. Nicht Kazutora muss aufgehalten werden, sondern Keisuke.

Draken hat damals die richtigen Worte für diese Situation gewählt: Er kann nicht alles im Alleingang machen. Es wird ihn irgendwann noch umbringen. Weshalb ich das verhindern muss. Seine Worte dürfen sich keinesfalls bewähren.

Dann springt die Hintertür des Vans auf.

Zwei verhüllte Personen greifen nach den Transportboxen und ziehen sie hinaus ins Freie. Vor uns ist ein großes Backsteingebäude (ironischerweise ist so rot wie der Todesteppich), das mich mit seinen mehreren Kaminen an eine alte Fabrik erinnert. Rauch steigt dort gemächlich hinaus – Rauch, der eine Asche beinhaltet, die nicht aus einem natürlichen Weg entstanden ist. Sie ist das Ergebnis eines unfairen Machtspielchens und einer unkontrollierten Vermehrung, die der Staat nicht anderweitig überwachen kann als mit Massenmord.

„Habt ihr das Auslesegerät?", fragt mein Träger einen anderen, der gerade aus der breiten Tür der Fabrik auf uns zu kommt.

„Hab' ich", antwortet dieser und hält ein komisches Gerät in den Händen, das mich von der Form an ein Handy erinnert. Aber dafür ist es wiederum viel zu groß.

Sie bleiben unerwartet stehen und stellen die Boxen ab.

„Gut, dann lass es schnell hinter uns bringen."

Ich sehe zu Sayuri und spanne währenddessen meine Muskeln an, um mich auf den bevorstehenden Angriff vorzubereiten. Was mich aber verwirrt, ist, dass Sayuri sich auf einmal kleiner macht als sie schon ist und sich weiter in die Ecke ihrer Box drängt. Ihr Gesicht wirkt aschfahl.

„Was ist los?", frage ich nervös und ein dunkler Schatten beugt sich über mich.

Sie schweigt, und das ist nicht normal für ihr vorlaute Art. Hat sie Angst? Aber wovor?

Die Fremden öffnen den Deckel über mir, einer von ihnen drückt mich gewaltsam mit der Hand im Nacken so herunter, dass ich nichts machen kann. Es ertönt ein komisches Piepsgeräusch, und ich vernehme, wie die drei Männer um uns herum den Atem anhalten. Ist das nun gut oder schlecht?

„Sie ist gechipt", kommt einer dann doch schnell zu Wort und schließt den Deckel über mir. Gechipt? Was soll das heißen: Ich bin gechipt?

Irgendetwas dehnt sich in der Luft zwischen uns aus, und ich versuche instinktiv zu begreifen, was es ist. Aber entweder kann oder will ich das gar nicht. Es ist nicht richtig – oder ist es bloß ein weiterer Schutzmechanismus meines Herzens?

„Und sie?", bohrt ein anderer nach.

Sie führen dasselbe bei Sayuri aus. Sie halten das eigenartige Gerät an ihre linke Schulter, ich lausche gespannt, aber es folgt kein Piepsgeräusch wie davor.

Es dehnt sich weiter auf, die Luft nimmt eine Ernsthaftigkeit an, die ich nicht genau erklären kann. Ich habe sie noch nie gefühlt. Noch nie so nah, dass ich sie fast spüren kann, wie sie mich selbst zerreißt.

„Diese nicht." Es hört sich wie ein schneidendes Urteil an – ein Todesurteil.

„Gut. Dann gebe ich ihren Besitzer Bescheid und die andere bringt ihr bitte zu ihren Gleichgesinnten."

„Sayuri?", spreche ich aufgewühlt den Namen der Glückskatze aus, doch sie sieht mich nur mit dieser Endgültigkeit an. Als hätte sie sich von ihrem Leben verabschiedet, als hätte sie bereits gewusst, dass sie uns trennen werden. Nein, oder... „Sayuri!", miaue ich mit klopfendem Herzen, als sie sie hochheben und ihren Weg zur Fabrik fortsetzen. Aber mich lassen sie dabei unbeachtet zurück. „SAYURI!", schreie ich, aber es ist ein stummer Schrei einer entstehenden Lücke in meinem Herzen.

Sie meistert es wirklich, sich in ihrer kleinen Box zu mir herumzudrehen. Ihre Smaragde sind glanzlos, als sie durch die Spalten zu mir schielen. Es ist zerreißend, das mitanzusehen – wie sie sie direkt in den Tod tragen. „Denk' jetzt bloß nicht an aufgeben, Saejin!" Sie hört sich so laut und unbeherrscht wie die vorlaute Katze an, die sie eigentlich darstellt, aber auf eine überspielte Art, und ich kann es nicht ausstehen, wie sie glaubt, so mir diesen Abschied zu erleichtern. „Werde wieder ein Menschenmädchen und richte Keisuke von mir aus, dass ich ihm danke! Für das letzte, schöne Leben, das er mir ermöglicht hat!" Der Ton in ihrer weichen Stimme wird kalt. Er hat etwas Entschlossenes, etwas Endgültiges.

Ihre Augen können mich nicht belügen.

Sie hat fürchterliche Angst.

„Sayuri, du wirst nicht sterben! Nicht so! Du wirst in Keisukes Arme sterben, das schwöre ich dir! Ich werde dich befreien! Warte auf mich! Bitte!" Stürmisch richte ich mich auf, versuche es zumindest, stoße mit dem Kopf gegen jede Ecke, kratze und fauche, und schaukle so wild in der Box hin und her, dass der Mensch neben mir dazu agiert, sie mit beiden Armen zu umfassen.

„Ganz ruhig, kleines Kätzchen, wir werden gleich deinen Besitzer anrufen", spricht er ruhig auf mich ein, aber er versteht nicht, was hier vor sich geht. Für ihn ist das nur seine Arbeit, doch für tausende von Straßenkatzen bedeutet diese Arbeit der Tod.

„Ich werde dich retten! Das verspreche ich dir!" Ich lasse Sayuri nicht aus dem Blick. Kämpfe weiter, strauchle, trete.

Ihre Smaragde schimmern wie gebrochenes Glas, und dann perlt sie über ihr Näschen. Zischend, fein, aber auch von unbeschreiblicher Hoffnungslosigkeit berührt.

Eine einzelne Träne.

„Arigato." Es ist nur ein Flüstern. Nur eine Stimme voller Angst und verlorener Hoffnung, aber auch ein gebrochener Wille und ein Leben, das niemals ihr richtig gehört hat. Ihr Leben besteht nur aus Überleben. Wie jetzt. Ich sehe es nicht, aber ich spüre es. Ich spüre es, wie dieses verlassene Gänseblümchen den Kampf gegen den ewigen Winter aufgibt. Der Winter wird es mit sich nehmen, sobald der erste Frühlingswind seine Farben und Lebendigkeit über das Land fegt. Sie wird es nicht mal mitbekommen sowie niemand mitbekommen wird, wie sie und andere Straßenkatzen ermordet werden. Niemand wird von ihrem Leiden jemals fahren, niemand wird sich an sie erinnern und sie so unsterblich machen.

Sie sind vergänglich. Das ist grausam. Diese Welt ist unsagbar grausam.

Sayuri verschwindet mit den anderen Männern in die Fabrik.

Sie ist fort.

Ich kann kaum atmen.

Sie ist nicht gechipt – doch das kann nicht ihr Schicksal bestimmen.

Aber so ist es.

Sie ist in der bitteren Realität eine Pechkatze.

„Sayuri! Nein!", keuche ich mit leerer Stimme und schmerzendem Herzen.

Ich bewege mich weiter in der Plastikbox, immer wilder, verzweifelnder – bis ein Stechen durch meinen Körper hetzt. Ein Stechen, das mich mit jeder weiteren Sekunde lähmt, aber ich will mich dieser Ruhe nicht hingeben. Will nicht schlafen oder desgleichen. Es zerrt schrecklich an mir, und es wird immer mehr zur Herausforderung, die Augen offen zu halten, weil meine Knochen sich vor Erschöpfung niederlassen. Gegen meinen Willen. Einfach so. Selbst mein eigener Körper verrät mich.

Es tut so weh. Wie nie etwas zuvor.

„So ist es gut, Kleines." Die Stimme meines Trägers dringt wie durch eine weite Ferne zu mir.

Der Tornado in meinem Kopf ist laut, zerstörerisch, als würde er meine Existenz bedrohen.

Nein, ich kann nicht...

Nein, ich darf nicht...

Sayuri...

Es ist plötzlich so still um mich. Furchtbar still. Eine Stille, die nicht irgendwann reißen wird. Sie hält an – für eine unbestimmte Zeit.

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