facts about cats and humans.
Alles ist so klar.
Gestochen scharf.
Wo bin ich? Was ist das für ein eigenartiger Vorhang aus schwarzen Strängen? Es ist unmöglich, durch diesen zu sehen. Er kitzelt mich, so intensiv, dass ich dieses Niesen nicht unterdrücken kann. Es kommt direkt aus meine Nase geschossen und klingt sehr leise für mein Niesen. Normalerweise würden sich einige Elefanten bei meinem entsetzlich lauten Tröten herumdrehen; aber dieses Niesen ist zart, fast schon verletzlich.
Der Vorhang bewegt sich plötzlich, gleitet in einer achtsamen Bewegung von meinem Gesicht, und dann starrt mich ein bronzefarbenes Augenpaar verwundert an.
„Alles gut bei dir, Saejin?" Keisukes tiefe Stimme wie harter Samt verpasst meinem Herzen einen ruckartigen Aussetzer. Wieso ist er mir so nah? Und: Seit wann ist sein schmales Gesicht so groß? Abartig groß. Als hätte er eine Ladung von Helium eingeatmet und bis jetzt noch nicht herausgelassen. Die Ränder um seine schmalen Augen sind gerötet, angeschwollen durch die klaren Zeichen seines entsetzlichen Schmerzens. Ich sehe jede kleine Narbe in seinem Gesicht, erkenne die leichten, roten Linien eines Blutergusses am rechten Auge, der kurz davor ist, ganz zu verschwinden. Sehe dort eine Reinheit, die mir zuvor noch nie so aufgefallen ist. Hübsch, denke ich mir, sehr hübsch. Dann sehe ich die kleinen Flocken von Staub zwischen uns, die sich bei seinem angestrengten Ausatmen in die Luft erheben und langsam hinabsickern. Das Licht seiner Lampe strahlt sie so an, als wären sie für das herkömmliche Auge kaum sichtbar; doch ich sehe sie klar und deutlich, wie sie tanzen und mit der Luft verschmelzen.
Faszinierend.
Nur kann ich seinen Schmerz nicht ausblenden.
„Warum weinst du?", frage ich nervös – doch anstelle meiner Stimme, höre ich ein süßes und helles Miauen.
Er lächelt mich matt an, und nichts in seinem leeren Blick gibt mir einen Anhaltspunkt darauf, ob ich gerade verrückt werde oder nicht. Habe ich gerade ein Miauen von mir gegeben, oder ist das bloß ein dummer Zufall gewesen?
„Keine Sorge, du hast jetzt ein richtiges Zuhause", sagt er mit einer Sanftmütigkeit, von der ich bis jetzt noch nichts gewusst habe. Sie ist so pur, so rein. Irgendwie ist es schön, diese unentdeckte, weiche Seite von ihm zu begegnen, aber irgendwie auch nicht. In dieser weichen Seite steckt eine Gebrochenheit, die ihn unheimlich erschöpft aussehen lässt. Er ist blass, noch blasser als ich, seine Lippen sind brüchig, als hätte er mal wieder mit seinen spitzen Eckzähnen zu oft auf seine Unterlippe herumgekaut. Ich habe ihn schon oft genug ermahnt, dass er das lassen soll – aber offenbar hört er nicht auf mich. Auf wen hört er überhaupt?
„Was meinst du damit?", will ich wissen. Schon wieder ein Miauen. Was soll das hier? Wollen die Jungs mich verarschen? Hat sich Chifuyu irgendwo versteckt und gibt diese Geräusche von sich? Verärgert springe ich auf. Entweder bin ich geschrumpft oder die Welt ist um mich größer geworden, während ich in dieser Trance gefangen gewesen bin – aber selbst wenn ich stehe, bin ich noch auf seinem Bett. Um mich herum wirkt alles so riesig. Kann es sein, dass die Kuchen aus Alices Wunderland existieren? Und ich unbewusst davon einen genascht habe?
Über mich und meine komischen Gedanken frustriert seufze ich und lasse den Kopf hängen. Eine gewisse Verzweiflung schlägt ihre Wurzeln in mich und zieht mich herunter. Diese Zeitschleife habe ich nicht erwartet.
„Was ist hier los, Keisuke?", wende ich mich verwirrt an den Schwarzhaarigen und blicke ihn mit offener Hilflosigkeit an, „wieso bin ich so winzig und du noch größer als davor schon?"
Er lacht, und eigentlich hat er ein schönes Lachen. Diese Variante davon ist mir fremd, er verschluckt sich fast daran und es hört sich mehr danach an, als würde es gleich in ein schmerzliches Schluchzen übergehen. Nicht nur das: Sein Lachen ist stechend laut. Es schlägt in mein Gehör ein und verweilt dort noch für einige Herzschläge lang.
„Du bist sehr gesprächig, was?" Er rückt zu mir heran und hebt seine Hand. „Darf ich dich streicheln?"
Mich streicheln? Spinnt Keisuke jetzt völlig? Ich mache einen großen Schritt nach hinten. Er ist so groß, dass ich von seinem Bett fliege, und... wie komisch! Mit allen Vieren auf seinem buchenholzfarbenen Laminat lande. Was für ein merkwürdiger, schneller Reflex meiner Glieder. Verwirrt starre ich zurück zu dem Bett und meine Muskeln frieren augenblicklich ein. Vom Boden zu Keisukes Bettkante ist ein großer Abschnitt. Ich weiß gar nicht, wie ich wieder hinaufkommen soll, ohne dabei einen Berg erklimmen zu müssen. Was passiert hier?
Diese Zeitschleife ist verwirrend, aber auch beängstigend.
Keisuke steht von seinem Bett auf. Er ist groß. Und wie groß. Als er direkt vor mir steht, sehe ich lediglich sein Schienbein und muss den eigenen Kopf in den Nacken legen, um ihn überhaupt ins Gesicht blicken zu können. Ich weiß nicht, wie ich ihn gerade anschaue, aber er benimmt sich sehr normal, dafür, dass ich erschreckend schnell geschrumpft bin.
„Hey, Saejin, hast du dir wehgetan? Der Arzt hat gemeint, du sollst dich ausruhen."
Der Arzt?
Ich erinnere mich an keinen Arzt, oder...
Plötzlich kommen die Bilder und Wörter der letzten Stunden in mir hoch.
„Sie ist eine wirklich schöne Katze."
Katze?! Eine Katze?!
Panisch wage ich den Blick an mir hinab – und erstarre.
Zwei süße, flauschige Pfötchen bohren ihre scharfen Krallen in den Laminat und stoßen ab. Ich fühle den Druck des Bodens, wie er meine Nägel abwehrt und keinen Millimeter nachgibt. Wie mechanisch drücke ich fester, warte auf einen Schmerz, der den aktuellen in meinem Herzen überschlägt. Die Spitzen der Krallen krachen plötzlich ab, doch kein Schmerz kreuzt den anderen. Als hätte ich lediglich ein bisschen Dreck unter den Nägeln entfernt. Ernüchternd.
Ein weiterer Versuch: Ich konzentriere mich darauf, sie einzuziehen. Und es passiert unerwartet schnell, dass ich erschrocken zurückweiche. Bin ich das gewesen? Sind das... meine Pfoten? Wie soll ich so jemals Chifuyus Hand nochmal halten können? Überhaupt: Wieso bin ich eine verdammte Katze? Ich verstehe das nicht, finde keine einzige plausible Erklärung dafür, warum das hier echt sein sollte. Ich? Eine Katze? Was für ein Schwachsinn.
Ich bewege mich, und es kommt mir sehr anmutig vor, aber auch schwankend. So richtig die Balance zu finden ist nicht leicht. In meinem Kopf gehe ich alle Fakten durch, die ich selbst über Katzen weiß.
Erstens, sie haben einen ausgeprägten Geruchs- und Geschmackssinn. Ich wage es erwartungsvoll zu schnuppern, und ich rieche nicht nur den Raum, ich schmecke ihn auch. Die tänzelnden Staubflocken, die angestaute Heizungsluft. Ein seichter Geschmack von Meersalz und Lavendel, dem ich Keisukes Bettwäsche und dem verborgenen Lavendelkissen darunter zuordnen kann. Er würde sich selbst nie eingestehen, dass ihm dieses sehr beim Schlafen verhilft; insbesondere gegen seine Schlafstörungen. Ich habe ihm damals dazu geraten, als er im Unterricht deswegen beinahe eingeschlafen ist, habe jedoch bis heute noch nicht geahnt, dass er es wirklich angenommen hat. Also hört er doch auf jemand.
Und vor allem rieche ich diesen vertrauten Duft von warmer Milch, wie Honig und Zimt darin gemischt wird; dieser erinnert mich ungemein an Chifuyu. Er ist so stark, als hätte er sich in den Wänden angesetzt wie feuchte Luft.
Zweitens, Katzen hören viel, viel besser als wir Menschen. Dreimal so gut. Jetzt spitze ich die Ohren, lausche gespannt und mit angehaltenem Atem der Umgebung. Da ist wieder dieser zarte Herzschlag, direkt unter mir, und er ist kraftvoll, polternd – wie ein Teil dieser vollkommenen Welt. Und da ist noch dieser aufgeregte Atem, ein Schniefen durch eine verstopfte Nase und das Knirschen aufeinandertreffender Zähne. Ein jaulender Wind peitscht gegen das Fenster, der Regen prasselt in einem sanften Rauschen auf die Welt hinab und umschließt sie in ihrer Vollkommenheit. Ich wandere aufgeregt mit dem Blick zum Fenster und stelle fest, dass Keisuke es heute Nacht nicht für streunende Katzen geöffnet hat. Warum? Ist es selbst für ihn zu kalt? Für mich hat der Raum eine angemessene Temperatur.
Drittens, sie haben einen erstaunlichen Gleichgewichtssinn – dank ihres Schwanzes. Sie sind sich in ihren Bewegungen immer sicher. Ich stelle mir jetzt einfach vor einen Schwanz zu haben und darf dabei nicht wie ein keusches, dämliches Schulmädchen kichern. Oh man, ich bin so lächerlich. Dann bewege ich mich in Richtung Fensterbank. Ich laufe nicht einfach, ich schwebe förmlich dahin. Es fühlt sich an wie auf weichen Wolken zu spazieren. Jeder Schritt gibt mir das verrückte Gefühl, der Boden würde mir gehören, sich mir hingeben und keinen Widerstand leisten. Er würde es nicht wagen, mich zu Fall zu bringen. Ich bin der eigene Herr dieser Anziehungskraft. Meine Schritte sind federleicht, anmutig. Eine Sache fehlt allerdings noch: Ein hoher und krasser Sprung, der alleinig durch die Kraft in den Hinterbeinen ausgeführt wird.
Ich sehe zur die Fensterbank hinauf und schrecke vor dem Abstand nicht zurück. Wenn ich das schaffe, bin ich es wirklich – eine Katze. Dann muss ich nur noch herausfinden, wieso. Das scheint schwerer zu sein als die Akzeptanz. Ich bin nämlich schon dabei, mich dieser neuen Gestalt vollständig hinzugeben. Es ist nur eine Zeitschleife, ein „Was wäre, wenn...?". Nichts Ausschlaggebendes.
„Magst du den Regen?", fragt mich Keisuke und kommt zu mir hinüber. Nein, nein, er darf mich nicht hochheben. Er würde damit meinen Prozess der Akzeptanz verhindern. „Warte, Saejin, ich helfe dir." Ruckartig weiche ich seinen großen Händen aus – indem ich meine ganze Kraft in meine Hinterbeine stecke und springe.
Ich glaube, es geschafft zu haben.
Dann rutschen meine Vorderpfoten von der glatten Oberfläche ab. Ich kann mich nirgendwo festhalten, genauso wie in der Leere, und bekomme Panik. Ehe ich meine Krallen in etwas hineinbohren kann, falle ich.
Plötzlich schlingen sich zwei starke Arme um mich und schieben mich so hoch, dass ich es doch noch auf die Fensterbank schaffe.
„Du bist genauso tollpatschig wie sie", lacht Keisuke und beugt sich zu mir, um mir sein ganzes, breites Grinsen zu präsentieren. Jetzt nehme ich ihn zum ersten Mal richtig wahr. Die klaren, braunen Tupfer in seiner Bronze wie Kupfer; die Tiefe und unzählig viele Einkerbungen darin sind wie ein geheimnisvolles Gebirge. Sein Lächeln ist ehrlich, ein kleiner Funken verschmilzt mit den Kupfertupfer seiner Augen. Es tut mir gut, nach dieser zerrenden Dunkelheit ein Licht zu sehen; und zugleich ein schönes Gesicht, aber diesen Gedanken schließe ich schnell zurück.
Und schlagartig verändert sich der Ausdruck in seinem Gesicht. Diese entsetzliche Leere ist zurück und nimmt jeden Funken, jede gesunde Farbe seiner Haut, dann schlingt er seine Arme um mich und schiebt mich an sich heran. Ich kann gar nichts dagegen machen, aber ein Teil meines aktuellen Bewusstseins, dieser mächtige und emotionale Teil, der endlich für seine Freunde da sein möchte, egal wie, siegt im selben Moment über diesen Schutzinstinkt. Mein Herz ist zu schwach, und Keisukes Schmerz zu laut.
„Hör auf mich so anzusehen wie sie", schluchzt er gegen mich, „so, als wäre ich ein guter Mensch. Das bin ich nicht, verstehst du?" Seine feuchte Nase vergräbt sich in meinem Fell, und langsam realisiere ich mit zerrendem Schmerz, dass es mich in dieser Zeitschleife schon bereits gibt.
Nur nicht so wie ich es mir gewünscht habe.
Sie haben mich in dieser Zeitschleife schon verloren – als ihre geliebte Freundin Saejin. Als das Mädchen, das ich immer noch bin, aber in einem anderen Körper. Es schockiert mich, wie wenig es mich noch interessiert eine Katze zu sein. Alles, was ich wirklich möchte und für mich eine wichtigere Bedeutung hat, ist es für meine Freunde da zu sein. Ob als Katze oder Mensch ist nebensächlich. Hauptsache ich kann endlich ihnen diesen Schmerz nehmen – oder genauer genommen: ihn mit ihnen teilen. Also presse ich mein Köpfchen gegen seinen Kopf und suche nach diesem Knopf, um meine Schnurrmaschine anzuwerfen. Laut Chifuyu findet er es sehr beruhigend, wenn Peke J schnurrt. Vielleicht hilft es auch Keisuke. Wenigstens ein kleines bisschen.
Mir fällt noch ein vierter, interessanter Fakt über Katzen ein, und gleichzeitig ist es etwas, das bei mir schon als Mensch besonders ausgeprägt gewesen ist. Ihre Empathie. Sie sind überraschend emphatisch, und nicht nur wenig. Sie spüren es, wenn es einem schlechtgeht; wenn einem die eigene Decke zu Kopf steigt und man nur wochenlang angesammelten Stress abdämpfen lassen möchte. Dann sind sie keinem böse, wenn man herumwütet oder nur stumm im Bett sitzt, nichts tut. Sie sind so einfühlsam, dass sie trotzdem bei einem bleiben, ganz furchtlos, aber mit einer anspruchslosen Liebe in ihrer Tröstung.
Ich erwarte auch nichts als Gegenleistung. Sie danach wieder lächeln zu sehen ist ausreichend. Es ist mehr als ich verlangen kann. Es ist sogar das schönste, was sie mir nach Tränen und Schluchzen zurückgeben können. Ihr freies, ehrliches Lächeln macht die Welt erst so vollkommen für mich. Gerade ist diese Welt nicht vollkommen, sie ist pechschwarz – wie eine gähnende Leere.
Keisuke hebt mich auf einmal hoch, nur, um mich mit ihm zurück in sein Bett zu tragen. Dort setzt er mich auf seinen Schoß und ich bleibe, weil ich verstanden habe, dass er diese Katze nicht einfach so nach mir benannt hat. Diese Katze ist das einzig beständige, das noch von mir übriggeblieben ist. Jedenfalls glaubt er das. Er kann nicht wissen, dass ich hier bin, bei ihm – wenn auch anders als er sich erhofft. Aber ich bin da, und das zählt am meisten. Nicht wie oder warum, ich bin da und kann weiter ein Teil von seinem Leben sein.
Seine Lippen zittern, tonlos fallen die Tränen aus seinem Gebirgen und zischen von seinem Kinn auf mich hinab. Wie Regen, nur sanfter, mit Erinnerungen erfüllt, die er nicht ausschalten kann. Wir sehen uns an – eine ganze Zeit lang. Sie kommt endlos vor, aber gleichzeitig verändert sich die Welt. Es hört auf zu regnen. Draußen, in seinem Gesicht. Es wird wärmer. In meinem kleinen und in seinem großen Herzen. Sein Herz füllt sich mit etwas, das auch das Kupfer zwischen den tiefen Gebirgen zum Strahlen bringt. Weniger Leere, mehr Stärke. Kein Herzschlag wird mehr ausgeschlossen, die ganzen Herzschläge dieser Welt scheinen in einem Einklang zu poltern.
Und dann schlägt jemand seine Zimmertür auf und stolpert kraftlos hinein.
„Baji", keucht Chifuyu und sein Atem stockt bei unserem gemeinsamen Anblick. Er drückt ein raschelndes Bündel aus Fleece an sich, das mir bekannt vorkommt. Ist das nicht meine Jacke mit dem großen Karomuster? Da, wo in den weißen Kästen ein trauriger Smiley und in den schwarzen Kästen ein grinsender Smiley ist? Die Jacke, die ich mir extra für diesen besonderen Abend gekauft habe, leider aber viel zu groß ist? „Ist das jetzt deine Katze?", fragt er atemlos, bewegt sich so zitternd auf uns zu, dass ich furchtbare Angst habe, er würde gleich zusammenbrechen.
Die Gesichter um mich herum passen perfekt in die weißen Kästen meiner Jacke.
Keisuke nickt und hört sich sehr ruhig an, während sein bester Freund mit sich selbst kämpft. „Ja, das ist Saejin."
„Saejin?", wiederholt er erstickend und Tränen steigen in die gedämmten Gletscheraugen, Eis schmilzt auf grausame Weise auf. Ich will zu ihm aufstehen, ihn anschurren und um seine Beine herumstreichen, irgendwie ihn spüren lassen, dass er nicht alleine ist – aber Keisuke drückt mich mit seiner großen Hand auf dem Bauch hinunter. „Du... Du hast sie Saejin genannt?"
„Na ja, wenigstens bin ich kreativ bei der Namenswahl. Nicht wie Excalibur."
Oh nein. Nicht das Thema.
Zuerst sollte Peke J Excalibur heißen – da wussten beide aber nicht, dass sie denselben Kater füttern. Nachdem dieses Geheimnis aufgedeckt worden ist, hat Chifuyu nach einer kurzen Weile nachgegeben. Er gibt es ungern zu, aber Peke J gefällt ihm sehr. Das würde er nur nicht vor Baji freiwillig zu geben.
Chifuyu blinzelt zuerst, bevor er sich mit einem Seufzen neben ihn schmeißt und meine Jacke an sich drückt. Hat er sie einfach mitgenommen? Ist das sein Teil meiner Beständigkeit? Bin ich ihm so wichtig? Selbst wenn dieses Herz zart und viel kleiner ist, ändert es nichts an der Größe und Intensität meiner Gefühle für ihn. Viel mehr fürchte ich darum, dass dieses Herz bei diesem heftigen Wall von aufgehenden Gefühlen noch zerplatzt.
„Excalibur ist ein exzellenter Name für Peke J gewesen." Seine letzten Worte werden fast unverständlich, weil er sein Gesicht in dem weichen Fleece verbirgt und langsam und tief ausatmend wie ein Wundermittel gegen den entsetzlichen Schmerz des Verlustes. „Ich könnte das nicht", gesteht er leise, aber verstehend, „ihr Namen einfach so weitergeben. Nicht so früh. In ein paar Monaten hätte ich es garantiert auch getan, eine Katze nach ihr benannt – doch jetzt schon? Dafür habe ich noch zu viel von der richtigen Saejin in meinem Kopf."
„Mhm." Keisuke schweigt, doch nicht aus Buße. Mehr aus Entschlossenheit und Sturheit, dass seine Entscheidung die richtige gewesen ist. Nun meistere ich es, mich aus seinem Griff zu lösen, um mit sicheren Schritten auf den anderen, gebrochenen Jungen zu zu gehen. Er hat den Kopf auf seinen Arm abgestützt, mit flüssigem, gebrochenem Eis blickt er mich an und kneift sich die Lippen zusammen. Sie fallen unaufhaltsam über sein schönes, feines Gesicht ein. Die flüssigen Sterne. Es schmerzt diesen sonst fröhlichen Jungen so am Ende zu sehen und nichts weiter tun zu können als ihn bloß anzustarren.
Diese dumme Sprachbarriere.
„Ihr Lächeln, ihr Lachen... oh, ihr Lachen." Er schluckt hart und fasst sich an die eigene Brust, als wäre der Schmerz darin überwältigend. „Ich hätte es gerne noch einmal am ihren Geburtstag gehört... So, so gerne." Der Schmerz ist so überwältigend und verlangt so viel von ihm, dass sein Schluchzen so locker aufbricht wie sein Gletscher. „Du hättest sie sehen müssen... Wie sie daliegt, Baji... In diesem Bett. Ganz unschuldig. Sie wirkt so nah, so greifbar, aber ich weiß, dass sie unendlich weit entfernt ist. Wieso tut es so weh, Baji? Wieso?"
Der Angesprochene legt sich auf die andere Seite neben mich und streckt seine Hand nach mir aus. Ich gewähre es ihm, mich zu berühren, seine Finger in meinem weichen Fell zu vergraben wie sein Wundermittel gegen den entsetzlichen Schmerz. Mein Schnurren ist laut, vibrierend, und hoffentlich erreicht es Chifuyus Herz, um es zu besänftigen.
„Weil es sie ist, Chifuyu", antwortet Keisuke ihm heiser und schließt die Augen, als hätte er genug von der grausamen Realität. „Und Saejin einer der wenigen Menschen gewesen ist, die in dieser dunklen Welt ein Licht gesehen hat."
Ihr seid mein Licht. Ihr werdet es immer sein.
Erwartungsvoll blicke ich in Chifuyus fallendem Gletscher, warte, dass auch er mich berührt – doch zu meiner Enttäuschung schlingt er seine Arme um meine Jacke und verwindet sich mit ihr zu einem, wie ich es mir immer gewünscht habe, würde er mich als Mensch an sich festhalten. Er hält an mir fest, aber traurigerweise an mein verstorbenes Ich.
„Hör auf so in dieser Vergangenheit mit ihr zu sprechen!", winselt Chifuyu und schnieft, „sie ist noch da. Da bin ich mir sicher."
„Nein", widerspricht ihm Baji hart und blickt ihn mit einem Auge an, „ein künstliches Koma ist quasi wie tot. Es ist erbärmlich, wie ihre Eltern ihr es nicht mal erlauben, tot zu sein. Ich hasse sie. Ich hasse diese Welt..."
Mein kleines Herz verträgt diesen urplötzlichen Hass nicht.
Jetzt habe ich auch keine Lust mehr auf diese grausame Realität und verschließe die Lider.
Aber ich werde nicht schlafen können.
Keiner wird das von uns können.
Unsere Herzen sind zu ausgelaugt, zu aufgewühlt, um in dieser Nacht Ruhe zu finden.
Ich bin kein Mensch mehr.
Es gibt einen entscheidenden Fakt, der Menschen immer von Katzen unterscheiden wird: Katzen haben sieben Leben.
Menschen leider nur eins.
Und so habe ich auch nur eine einzige Chance gehabt, Chifuyu meine Gefühle zu gestehen.
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