cats can hold people together.
An diese fremde Stimme denke ich öfters zurück, mag es, wie sie mit angehaltenem Atem meinen Namen ausgesprochen hat wie das Flüstern eines Herzens. Doch dieses ist unglücklich, verlassen. Das perfekte Gegenstück der Worte. Ich kann mich nicht mehr an alle Worte erinnern, Bruchstücke sind es letztlich noch. Aber es ist auch die Stimme eines dunklen Raums, eines farblosen Traums, aus dem ich erwacht bin. Da ich nicht weiß, ob es sich lohnen würde, fange ich gar nicht damit an, etwas hinein zu interpretieren.
Chifuyu ist am nächsten Morgen verschwunden gewesen. Ohne ein „Guten Morgen" oder desgleichen. In den meisten Fällen hätte mich das bedrückt und meine kleine Brusthülle mit stummen Tränen vollgestopft. Inzwischen ist mir bewusstgeworden, dass er Saejin das Mädchen mehr braucht als Saejin die Katze. Ich kann mir nicht vorstellen, wen oder was er in meinem katzenhaften Gesicht sieht, aber es ist nicht das, wofür er kämpfen möchte. Es ist das, das er glaubt zu sehen, wenn ich nicht aufwachen werde. Ich weiß auch nicht, wer von uns beiden erbärmlicherer ist. Er, weil er sich dieser Realität nicht hingeben möchte, oder ich, weil ich trotz seiner Abwesenheit davon überzeugt bin, von ihm gerettet werden zu können. Er streikt, so gut es wie mit gebrochenem Herzen geht, gegen dieses Universum, von dem ich wie aus dem Nichts abgenabelt worden bin. Das muss es sein, was ihn richtig hart trifft.
Diese Tatsache, mit welcher Schnelligkeit ein geliebter Mensch aus dem eigenen Leben gerissen werden kann.
Wenige Stunden zuvor hat man sich noch auf das gemeinsame Treffen gefreut, und dann kommt man an und findet seine wichtige Person halb lebendig, halb tot auf dem Asphalt kauern. Es müssen unvorstellbare Bilder sein, die ihn in seinen Träumen verfolgen.
Es erschüttert mich zutiefst, wie er sich an diese schlechten Erinnerungen klammert und wie wenig er dabei an das Gute unserer gemeinsamen Zeit denkt. Als wäre er einer derjenigen Menschen, die nicht in dem Augenblick gelebt haben; als wäre er einer derjenigen, die mich tatsächlich vergessen würden.
Dieser furchtbare Gedanke hat mich zurück zu Keisuke geführt.
Zu guten Erinnerungen, zu Lebensmut und gemeinsamen Geschichten, von denen er so leidenschaftlich erzählt, als würde er sie jedes Mal von Neuem erleben. Ein glühendes Kupfer in den Augen wie ein unerschöpfliches Feuer.
Er hat sich gefreut, als ich nach meiner abendlichen Ausriss zurückgekommen bin. Er hat mich in seine Arme geschlossen und mich so gehalten wie ich mir wünsche, den Blonden festhalten zu können. Mit dieser zweifellosen Zusammenfügung wie bei zwei Dominosteine, die zusammengesetzt werden, um gemeinsam eine einzige Kette zu ergeben.
Das liegt erst zwei Tage zurück. Zeit vergeht unheimlich schleppend, wenn man in einem Schlagloch feststeckt. Mir ist immer noch nicht eingefallen, wie ich es Chifuyu sagen soll, oder wie ich mich besser auf mein Leben konzentrieren soll. Das ist nicht mal mein Leben, das ist nichts als eine märchenhafte Version davon. Und eine jämmerliche noch dazu.
Keisuke hört wieder Musik, die großen, marineblauen Kopfhörer über die schwarze Wellenpracht gezogen und starrt seine Hand an. Seit dem Besuch im Krankenhaus erwische ich ihn mehrmals dabei, wie er so seine Hand betrachtet und sich dabei seine Lippen zu einem warmen Lächeln voller Hoffnung formen. Es bedeutet mir unheimlich viel, ihn in diesen Momenten auf eine Art glücklich zu sehen, die ihn wieder an Träume glauben lässt. Das ist schön, er ist schön, seine Hoffnung ist das schönste an dem Ganzem. Was ist vorgefallen, von dem er mir noch nichts erzählt hat? Wieso habe ich die Vorahnung, er würde mich doch nicht aufgeben? Und warum bringt das mein Herz dazu so schön und wohlig zu flattern? Wenn ich könnte, würde ich dieses Gefühl auf ein kleines Stück Papier malen, so dass ich es immer bei mir habe und ansehen kann, wenn ich kurz davor bin, aufzugeben.
Es wäre wild und bunt – ein Chaos in einer Ordnung, die dem Schwarzhaarigen sehr ähnlich ist.
Ich setze mich neben ihn auf die Hinterläufe und blicke ihn gespannt an. „Wann erzählst du mir, was im Krankenhaus passiert ist?" Es kommt ein fragendes, schrilles Mauzen aus meinem Mund, während ich meine Pfote auf seinen Arm lege. Ein Versuch, seine Aufmerksamkeitsspanne auf mich zu lenken.
Er hebt tatsächlich den Blick an, sein bronzefarbenes Gebirge sieht mich sanft an, ehe er die Kopfhörer um seinen Hals legt. Seit wann hat er eine Kette? Sie ist Silber – vermutlich Edelstahl – mit schmalen Gliedern. Ihr Anhänger bleibt mir aufgrund seines schwarzen Tank-Tops verborgen, er muss ungefähr bei der Stelle seines Herzens liegen, weil dort etwas heraussticht, das nicht seine muskulöse, geformte Brust ist, aber ich kann die Form nicht genau erkennen. Außerdem lenkt er mich ab, indem er seine große Hand auf meinen Kopf liegt und mich behutsam streichelt.
„Was ist los?", fragt er mich mit einem Lächeln, das seine Eckzähne leicht hervorlockt. „Möchtest du eine warme Milch?"
Wieso können Katzen doch keine telepathischen Fähigkeiten besetzen? Diese Barrikade wird ungemütlicher, vor allem dann, wenn wir aneinander vorbeireden. Aber es hat auch was Positives: Katzen können nicht rotwerden, zumindest nicht äußerlich. Keisuke so freizügig zusehen macht mich nervös, und ich komme mir ziemlich bekloppt dabei vor, weil ich schließlich eine Katze bin. Trotzdem ist da dieses dümmliche Mädchen in mir, das bei Bajis durchtrainierten Körper hibbelig wird. Wirklich peinlich.
Meine Schulter geben etwas nach, und ich brauche einen Augenblick, um mir eine andere Möglichkeit der Kommunikation zu überlegen. Derweil schaltet er seinen iPod aus – bevor es an der Tür klopft.
Seine Mutter blickt herein. Eine schmale, schon ältere Frau, aber nicht weniger schön wie ihr Sohn. Sie hat dieselben schwarzen Seidenhaaren wie er in einem klassischen Bobschnitt und ein schmales Gesicht mit schöner, gerader Nase und großen, schokobraunen Augen. Sie arbeitet und weint sehr viel, deutlich an den angeschwollenen Tränensäcken und den dunklen Schatten darüber zu erkennen. Einige Tränen sind noch auf ihrer hellen Haut zu sehen. Sie lächelt ihren Sohn vorsichtig an und klammert sich fest am Türrahmen.
„Sie möchten mit dir reden", verkündigt sie ihm und hat eine gewisse Unruhe in ihren Gesichtsmuskeln liegen. Sie bereitet sich auf Schlechtes vor.
Baji legt nun komplett die Kopfhörer ab und stützt sich vom Bett auf. „Wer?", fragt er überhastet, dass seine Stimme unbedacht kalt klingt.
Sie atmet tief ein wie eine Sicherheitsübung, die das Gerüst ihrer Wohnung aufrechterhält. Und sie selbst. „Ihre Eltern sind hier. Ich habe sie eingeladen. Zieh dir bitte noch etwas Ordentlicheres an, du weißt, wie sie ticken."
Meine Eltern sind hier? Was wollen sie von ihm? Fiebrig schaue ich zwischen den zwei her und beiße mir auf die Zunge. Bei den Gedanken an meine Eltern zieht sich alles in mir krampfhaft zusammen; sie so nah zu wissen ist ein kein gutes Omen. Nur für wen tatsächlich stellt sich noch heraus, entweder für Keisuke – oder für mich. Meine Eltern bevorzugen es, immer schlechtes Wetter mit sich zu bringen. Naturkatastrophen allerdings lieben sie.
„Warum?" Sogleich ist seine Kälte berechtigt. Er verengt die Augen und stampft zu seinem Schreibtisch, um sich dort sein weißgrau-kariertes Flannelhemd über zu ziehen. „Warum hast du sie eingeladen?"
„Sie brauchen uns jetzt", versucht es ihm seine Mutter besänftigend zu erklären, doch sie ist nicht gut darin, ihr Zittern in der hohen Stimme zu verbergen. Sie weiß wie wir alle im Raum, dass meine Eltern Baji nicht leiden können, dennoch fühlt sie sich verpflichtet dazu, für sie da zu sein. Wahrscheinlich schlechtes Gewissen. Keisuke betont immer, wie sehr er seine Mutter hasst – weil sie so schnell nachgibt und den falschen Leuten hilft. Wer wirklich Hilfe braucht, ist alleinig sie. Sie überarbeitet sich, um ihr und ihren Sohn ein ausreichendes Leben zu bieten. Aber sie macht sich auch viele Sorgen um ihn, darüber, dass er ständig schlechte Noten mit nach Hause bringt und eines Tages wie sie enden wird. Er hört es nicht oder möchte es nicht hören, aber sie weint die letzten Nächten mehr als sonst. Sie möchte es unbedingt vermeiden, dass ihr Sohn in demselben armseligen Leben festhockt wie sie; sie gibt ihr Bestes, um ihm ein besseres Leben zu ermöglichen. Deshalb versucht sie es mit Druck – und Baji kann diesen so gar nicht leiden.
Er schüttelt verständnislos den Kopf und sein Ausdruck ist undurchdringlich, als er auf sie zu geht. „Ich werde nur dieses eine Mal mit ihnen reden, dann will ich meine Ruhe", meint er gereizt, „sie sind alle beide Snobs."
„Und doch sind sie Saejins Eltern", sagt seine Mutter leise, verschränkt die Arme vor knielangen Jeanskleid wie bei starken Bauchkrämpfen. „Reiß dich zusammen, verstanden? Ihre Tochter liegt im Koma, sei ein bisschen sensibler."
Er knirscht mit den Zähnen und erhebt die Stimme. „Ihre Tochter? Du meinst wohl eher ihre Marionette. Sie hat es überall besser als bei ihnen, die ihr vorgeben, wie sie zu leben hat."
Seine Mutter weitet vor Schock die Augen, ich tue es ihr gleich. Dann blickt sie ihn wütend an und flüstert: „So habe ich dich nicht erzogen, Keisuke. Sie sind liebevolle Eltern, die alles für ihr Kind auf sich nehmen würden." Sie dreht sich um und Keisuke geht mit geballten Händen ihr hinterher. Nein, meine Eltern sind nicht liebevoll. Das ist das, was sie anderen glauben lassen wollen. In Wirklichkeit haben sie einen krankhaften Kontrolldrang.
Ohne eine Sekunde zu verschwenden nehme ich die Spur auf und verstecke mich im Flur, während die zwei ins Wohnzimmer gehen. Schon aus dem Raum kann ich diese negative Energie meiner Eltern wahrnehmen. Sie kriecht wie ein ungewollter Parasit in das eigene Mark. Was dieser Parasit wirklich bewirkt, erfährt man nie rechtzeitig. Sie sind keine schlechten Menschen, zumindest nicht in der gewöhnlichen Form. Sie schaden niemand bewusst und genießen es auch nicht, wenn andere vor ihnen leiden. Sie neigen lediglich ständig dazu, sich in das Leben anderer einzumischen, weil sie einer einzigen Struktur nachgehen, um nicht die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Kontrolle gibt ihnen Festigkeit. Sie nehmen an, wenn sie alles kontrollieren können, dann kann ihnen kein Fehler entgehen.
Waghalsige Menschen wie Keisuke stören ihre Struktur. Ihn werden sie niemals kontrollieren können, das hat ihnen schon von Anbeginn nicht an ihm gepasst. Er und sein freier, aufbrausender Dickkopf.
Außerdem gibt er ihnen noch einen anderen Antrieb, wieso sie ihn abgrundtief verabscheuen: Er hat ihre Fäden über mich durchschnitten. Sie können mich nicht länger unter ihren Kontrollwahn lenken, ich bin zu dieser Tochter geworden, die sie versucht haben, in ihrem eigenen Zimmer einzusperren. Sie folgt nämlich keiner Struktur, weil das Leben nicht beherrschbar ist. Es hat seinen eigenen Willen – wie Keisuke, wie ich, wie wir alle. Das Leben kann nicht nach einer Anleitung geführt werden.
Nicht wir bestimmten das Leben, das Leben bestimmt uns und unser Schicksal.
„Hallo, Keisuke", begrüßen sie ihn wie aus einem Mund, dieselbe aufgesetzte Freundlichkeit wie jedes Mal, wenn sie aufeinandertreffen. „Wie geht es dir?"
„Hallo", erwidert er trocken, „wie es mir geht?" Ich sehe es vor mir, wie seine Lippen vor Belustigung zucken, weil er meine Eltern leicht durchschaut hat. „Es könnte besser sein. Wie geht es Ihnen?" Nichtsdestotrotz bemüht er sich wirklich darum, höflich und nett zu bleiben. Ich bin froh, dass er nicht sofort die Tür eintritt.
Meine Mutter ist da anders. Sie zerschlägt gleich das ganze Gerüst ihrer Wohnung. „Wir haben erfahren, dass du die Katze vom Unfallort bei dir hältst. Wir haben..."
„Nein", lässt er sie nicht aussprechen und verliert somit seine Höflichkeit in wenigen wilden Herzschläge.
„Wir haben von deiner Mutter gehört, dass ihr keine Haustiere halten dürft. Wir..." Heute sind sie keine Parasiten. Heute sind sie was Beständiges, das nicht mit der richtigen Medizin verschwinden wird. Sie sind wie ein Tumor, der bald seine gefährlichen Metastasen ausstreuen und alles in Keisukes Brust zerstören wird.
„Nein." Er kämpft mit sich, mit seiner Verzweiflung und Ängsten, weil er wie ich schon verstanden hat, dass meine Eltern ihnen Vorteil daraus ziehen würden, würde er ihnen einen Einblick in sich gewähren.
Ich kann es nicht fassen. Auch als Katze scheinen sie mich immer noch kontrollieren zu wollen. Als wäre ich nicht selbständig genug, um über mich selbst zu bestimmen. Es tut nicht so weh, weil ich das nicht gewöhnt bin. Sie haben schon über meinen ersten Atemzug entschieden, als meine Mutter beschloss, meine Geburt hinauszuziehen, weil sie einen anderen Tag besserfand als der Tag, an dem ihre Wehen einsetzten.
Es tut so weh, weil ich mir eingestehen muss, dass es wirklich schwer und furchteinflößend ist, diese Verantwortung über sein eigenes Leben zu tragen. Ich senke den Kopf und horche weiter zu.
Was Keisuke nicht kann, kann meine Mutter äußerst perfekt: die Fassung bewahren. Sie redet mit bedachten, aber spitzen Stimme auf ihn ein. „Ich weiß von deiner Mutter, dass dir viel an unserer Tochter und der Katze liegt – aber diese Katze wurde von unserer Tochter gerettet. Und daher halten wir es für richtig, wenn sie bei uns ist. Sie ist dort besser aufgehoben als... hier." Das letzte Wort betont sie mit deutlicher Verachtung.
Niemals.
Keisuke ist schon immer das bessere Zuhause gewesen.
Und irgendwoher wissen sie das – weshalb sie alles daransetzen, dieses Zuhause zu einem dreckigen, bedeutungslosen und leeren Fleck zu machen. Wie mein Zimmer bei ihnen.
„Nein!" Er wird lauter, die Metastasten streuen bereits aus, und ich bin überrascht, wie hartnäckig er sich gibt. Was macht ihn so stark? Der Groll in seiner Brust, oder dieses innige, mächtige Gefühl, worauf die Metastasen es abgesehen haben? „Sie bleibt bei mir. Sie ist meine Katze."
„Keisuke, wir haben schon alles besprochen. Es sind keine Katzen erwünscht, wir könnten es uns nicht leisten deswegen raus zu fliegen", meldet sich seine Mutter zu Wort und hört sich so an, als würde sie keine Mimik verziehen. Sie hat sich mit meinen Eltern verbündet – das schlimmste, was Keisuke und mir passieren kann.
Mein Herz trommelt in Aufruhr und ich erstarre wie in Trance auf der Stelle. Wieso wollen sie unbedingt mich als Katze? Sie mögen keine Haustiere. Überhaupt keine Tiere. Sie sind ein weiterer Störungsfaktor ihrer linearen Struktur. Sind sie so besessen darauf, Keisuke zu zerstören? Warum können sie nicht einmal wegschauen? Nicht ein einziges Mal? Und wieso ist seine Mutter so blind, um nicht zu bemerken, wie ihr eigener Sohn vor ihren Augen zerfällt? Und noch tragischer: Wieso kann ich nicht dazwischen gehen und mich für ihn einsetzen? Ich würde es so gerne, mein eigenes Herz schreit mich dafür an – doch was können Miauen und Kratzen schon ausrichten, wenn ein anderes Herz gerade dabei ist, zu zerbrechen?
„Das hast du einfach so hinter meinem Rücken entschieden?!" Er schreit nicht. Nicht äußerlich, aber innerlich. „Ich dachte, du könntest es verstehen. Wenigstens einmal." Seine Enttäuschung bringt seinen Samt zum Kratzen.
„Ich habe nicht gesagt, dass wir sie für immer behalten können. Nur für den Anfang." Seine Mutter würgt die Wörter heraus, als würden sie ihr einiges an Kraft kosten. Ich frage mich, wie Keisuke sie ansehen muss, aber dann möchte ich es doch nicht. Mir bricht es schon Herz, ihn so zuhören. Angeknackst, kämpfend mit allem, das er in den letzten Tagen angebaut hat. Seine Mauer ist auf diesen Hinterhalt nicht vorbereitet gewesen. Das Schwarze Meer baut sich in ihm auf.
Ich denke an die Stunden zurück, wo er so verträumt seine Hand angesehen hat und wünsche mir, wieder dahin zurückkehren zu können. Da hat ihm seine Mutter noch nicht einen Dolch in den eigenen Rücken gejagt. Da ist er noch ungebrochen gewesen und hat geglaubt, die Welt würde ihm unterliegen.
Nun wendet sie sich von ihm ab.
„Ich werde sie nicht hergeben. Nicht in ihre Hände." Er fürchtet nicht den Tumor und seine späten Nachfolgen, er beschwört ihn sogar schneller, weil er wohl so glaubt, der Verlauf wäre harmloser. Wird er aber nicht sein. Das ist er nie. Schmerz ist wie das Leben nicht kontrollierbar.
„Das musst du auch nicht, wir können gerne der Polizei melden, dass du hinter der Randale an dem Auto des Fahrers steckst", sagt meine Mutter unberührt und es hört sich so an, als würde sie mit einem Löffel in einer Tasse rühren. Tee trinken und Herzen brechen, ihre Lieblingsbeschäftigung. „Dann müsstest du sowieso in den Jugendknast, weil du ein wichtiges Beweismittel zerstört hast."
Ich hasse sie. Ich hasse sie so, so sehr.
„Das ist jetzt ein schlechter Witz, oder?" Keisukes Samt verliert an Stärke. „Und du bist damit einverstanden?", wendet er sich verletzt an seine Mutter und hält den Atem an, als wolle er nicht länger die Luft einatmen, die sich durch den Verrat enger zuschnürt. Es wird kälter, das Schwarze Meer bereitet sich darauf vor, ihn mit sich in die Finsternis zu reißen.
„Mein Sohn, die Polizei ist gestern vor unserer Tür gestanden. Sie haben mich gefragt, wo du letzten Dienstag gewesen bist. Mir ist klar gewesen, dass, wenn ich dich nicht jetzt beschütze, du nie wieder aus diesem Teufelskreis kommen wirst. Ich habe sie angelogen, um dich zu beschützen. Aber ich möchte auch nicht, dass die Yun so unter dem Verlust ihrer Tochter leiden müssen, deshalb bin ich der Meinung, dass die Katze zu ihnen gehört", erklärt sie ihm angebrochen und scheint mit den eigenen Tränen ringen zu müssen. Darum weint sie so oft, sie nimmt an, als Mutter kläglich versagt zu haben. „Versteh doch, mein Sohn, es ist das Beste für uns alle."
„Nein, das ist es eben nicht!" Diesmal schreit er, und jetzt stürze ich mich doch in den Raum, weil ich habe es gehört. Seinen unerträglichen Schmerz und das Brechen seines Herzens. Er steht mit den Rücken zu mir, seine Hände sind zu zwei Fäusten gespannt und sein Körper schlottert, als hätte es seine Mutter mal wieder nicht geschafft, rechtzeitig die Heizungskosten vor dem Herbst zu bezahlen. Diesen Herbst kann ich ihm meine mobile Heizung nicht ausleihen. Diesen Herbst muss er frieren. „Fragst du dich einmal eigentlich, wie es mir geht? Wie ich mich fühle, seitdem Saejin im Koma liegt? Nein, ansonsten wüsstest du, was sie mir bedeutet und wie schwer es mir fällt, mich überhaupt zusammenzuhalten. Das einzige, was mich in den letzten Tagen davor bewahrt, nicht noch mehr Dummes zu machen ist diese Katze! Ich kann das nicht, ich brauche sie – und verdammt nochmal, ich lasse es nicht zu, dass diese Snobs mir sie noch einmal wegnehmen!"
Die Metastasen setzen sich in seinem Herzen fest, und dann zerstören sie mit einem Mal alles darin, das ihm irgendwie noch hat durchhalten lassen. Sie fressen sich wahllos durch seine harte Schicht. Kaum haben sie den Kern darin erreicht, ist er endgültig gebrochen worden. Sein Körper verkrampft; er hält inne und wirkt still, doch in ihm ist es alles andere als still.
Schmerz fühlt man nicht bloß, man hört ihn auch.
Ein weißes, endloses Rauschen.
Es ist das Rauschen des Schwarzen Meeres. Es schwappt über ihn, die Mauer durchbrochen, und Keisuke ist allein. So allein, dass da keine zwei Arme sind, die ihn daran hindern, zu ertrinken.
Er ertrinkt. Auf eine grausame und unvorstellbare Weise.
„Keisuke!", fängt seine Mutter empört an, aber sie wird von meinem Vater unterbrochen.
Er steht vom grauen Sofa auf und stellt sich vor dem Schwarzhaarigen. Ich kann sein Gesicht nicht lesen, weil er größer als mein Vater ist. Doch ich kann hören, wie er mit seiner dunklen und markanten Stimme dem Jungen das letzte bisschen Halt unter den Füßen wegzieht.
„Es ist schon in Ordnung, Kyou. Wir verstehen deine Lage", kommt es mit einer Einfühlsamkeit aus seinem Mund, die nicht hätte kühler sein können. „Wir wissen auch, dass in Tokio vieles nicht nach unseren Vorstellungen gelaufen ist. Sollte unsere geliebte Tochter nicht in den nächsten 3 Monate aufwachen, werden wir uns an einen Spezialisten in Südkorea wenden und dorthin zurückkehren. Das haben wir bereits mit den Ärzten beschlossen. Es wäre natürlich schön, würden wir die Katze bis dahin bei uns haben. Und du, Keisuke..." Nichts außer Hass lauert in den nächsten Sätzen. Eine Finsternis ist nicht nur in seiner Stimme, sondern auch in diesem Raum und in Keisukes Herz. „Ich habe es dir schon einmal gesagt: Halt dich von unserer Tochter fern. Du hast und wirst ihr nie guttun. Hätte sie nicht so sehr darauf gedrängt, ihren Geburtstag mit dir und Chifuyu zu verbringen, wäre das niemals passiert. Es hat schon gereicht, als sie deinetwegen beinahe einen Schulverweis kassiert hat – aber das, das werden wir dir nicht verzeihen können. Wenn du auch nur ein Schritt zu ihr ins Krankenhaus wagst, werden wir die Polizei darüber informieren. Schließlich bist du kein Familienmitglied und hast somit kein Recht, sie besuchen zu dürfen."
Er reißt nicht nur sein Herz auf, meines ebenfalls.
Also doch ein schlechtes Omen für uns beide.
Diese Verbundenheit ist ein kleiner, süßer Trost.
Keisuke schnalzt mit der Zunge, findet erstaunlicherweise noch irgendwo ein Fetzen von Kraft und entgegnet im harten Ton: „Kein Wunder kommt sie nicht zurück. Selbst jetzt entscheidet ihr noch über sie, als wäre sie nicht euer Kind, sondern nur eine weitere Spielfigur in eurem perfekten Leben. Wenn ich darüber entscheiden müsste, ob ich lieber zu meinen obsessiven Eltern zurückkehre oder lieber tot bin, dann würde ich mich für das zweite entscheiden."
Dann kehrt er um.
Seine Mutter schluchzt auf. „Es tut mir leid...", nuschelt sie in ihre Hände.
Nun sehe ich sein Gesicht und bereue es direkt.
Eine leere Tiefe aus tausend Scherben funkelt mich an. Er kommt mir fremd vor, so viel Pein liegt in seinem Blick, und sein Gesicht wirkt gequält und auf grausamste Weise gebrochen. Sein Gebirge ist in vollkommener Dunkelheit getaucht. Da ist nichts von dem abenteuerlustigen, ungezähmten Keisuke übrig, den ich so sehr mag und der mich immer zusammenhält. Keine Abenteuer, keine dummen Ideen, kein gerissenes, breites Grinsen. Diese Fremdheit brennt. In seinem Herzen und so auch in meinem. Sein Schmerz ist auch meiner, und das ist eine traurige, aber doch schöne Tatsache. Wir sind noch irgendwie in dieser Welt verbunden, auch wenn es nur unsere Herzen sind. Das ist mehr als ich mir momentan wünschen kann.
Nicht er ist schlecht für mich, ich bin schlecht für ihn – weil meine Bedeutung einem großen Schwachpunkt gleicht, den meine Eltern gänzlich ausnutzen.
Was ich noch weniger an meinen Eltern ausstehen kann als ihre Entscheidungssucht, ist die Tatsache, dass sie genau wissen, wie sie den Schwarzhaarigen brechen können.
„Ich werde Saejin niemals aufgeben", entgegnet er ihnen mit wagemutiger Entschlossenheit und wäre er nicht so angeknackst, hätte seine Stimme nicht so gebebt. Wem will er sich was beweisen? Meinen Eltern? Seiner Mutter? Sich? Oder meinem halb lebenden Ich? „Niemals."
Er stürmt hinaus aus dem Raum, aus dieser Wohnung, in der es niemand gibt, der ihn nicht aufgibt.
Seine Mutter sieht mit tränenverschleierten, schuldbewussten Blick zu meinen Eltern. „Es tut mir leid", murmelt sie heiser, „ich werde mich darum kümmern, dass ihr die Katze bekommt."
Damit verschwinde auch ich, in sein Zimmer, durch das geöffnete Fenster und beeile mich dabei, die Regenrinne nach unten zu folgen. Ich darf ihn jetzt nicht alleine lassen. Nicht so gebrochen, so vollkommen seiner Einsamkeit ausgeliefert. Ich renne und springe, schnaufe und kralle mich an bestimmten Stellen fest, um nicht hinunter zu fallen. Dann fühle ich den kalten Betonboden unter meinen Pfoten und stürze mich zu den Garagen. Dort hat er immer sein Motorrad stehen.
„Keisuke!", rufe ich panisch, als ich den Schwarzhaarigen in der Ferne erblicke. Er ist gerade dabei, auf sein Motorrad zu steigen. Ohne Helm wie immer, aber mit einem gequälten Gesicht, dass mir seine sonst verborgene Verwundbarkeit preisgibt. Rasch bringe ich die letzten Meter hinter mich und bleibe direkt vor seinem Motorrad stehen.
„Saejin?", wispert er verwirrt und steigt wieder ab. Etwas verstopft seine Atemwege, weil er sich räuspern muss, um klarer reden zu können. Er ist normalerweise gut darin, seine Gefühle zu verbergen, jetzt sind seine Augen leer und seine eingeklappte Körperhaltung hat etwas von einem gebrochenem Jungen, der nicht mehr weiß, wo er hingehört. Als hätte er sich von dieser Welt auf eine schmerzhafte Weise abgekapselt. Als hätte er genug von Risikos und Abenteuern. Ihn so zu sehen ist ein unbeschreiblicher Schmerz, der mich innerhalb weniger schweren Herzschläge komplett auslaugt. So habe ich ihn nie sehen wollen, so am Ende seiner Abenteuerreise, und das Gewissen, dass meine Eltern dafür verantwortlich sind, ist zerstörerisch.
„Was machst du hier?", fragt er mich fade und kommt auf mich zu.
Seine Bewegungen sind schwankend, weil er seinen Halt verloren hat und ununterbrochen im Schwarzen Meer ertrinkt.
Ich entgegne ihm einen besorgten Ausdruck und befürchte, ihn für immer verloren zu haben. Könnte ich ihn nur in den Arm nehmen, hätte ich keine weitere Sekunde gezögert, um ihn zurück in meine Welt zu setzen. Meine Finger in seinem weichen Haar zu versenken, meine Stirn gegen seine zu lehnen, um ihn so tief wie möglich in das sonnenlose Gebirge blicken zu können. Ich würde ihn halten, ihn zurückrenken, und ihn davor bewahren, in seinem Schwarzen Meer zu ersaufen. Dann würde er erkennen, dass da doch jemand ist, der ihn niemals aufgeben wird – sowie er mich nicht aufgibt. Es ist nicht meine Machtlosigkeit, die mich niederreißt, es ist meine eigene Vorstellung davon, ihn doch erreichen zu können. Irgendwie. Wie lächerlich ich doch bin, weil ich mich genau daran so instinktiv festhalte.
Als könnte ich ihn tatsächlich in diese Welt zurückführen. Zurück zu mir und unsere widerspenstige Sehnsucht nach Freiheit und Träume, die sich zu tausend Abenteuer entwickeln.
„Nimm mich mit, egal, wohin", offenbare ich ihm mit klopfendem Herzen und blicke ihn tiefer in die schwach funkelnden Kupfertupfer, „ich würde überall mit dir hingehen, das weißt du, Keisuke. Wirklich überall. Nur weg von hier und meinen Eltern."
Ich versuche mich auf das geheimnisvolle Glühen seiner Gebirgsaugen zu konzentrieren sowie damals, als ich schon das erste Mal bereit dazu gewesen bin, mit ihm allem zu entfliehen, das unser Herz entsetzlich schwermacht. Keine Verpflichtungen, keine Eltern und vor allem: keine Enttäuschungen.
Er seufzt aus, und sein Blick wird schwer, aber der Ballast in seinem Brustkorb verschwindet dadurch nicht. Die Metastasen haben wie Parasiten Rückstände hinterlassen, was es ist, bleibt mir verborgen.
Der Tsunami meiner Eltern tobt in ihm, doch er hat die Kontrolle über ihn und nicht sie.
„Ihre Eltern sind furchtbar", murmelt er und diese Mischung aus Zorn und offenen Wunden wühlt seinen Samt auf. Er nimmt diesen Ton an, den ich überhaupt nicht aushalten kann. Dieser Ton, wenn die Einsamkeit über einen gesiegt hat und man sich in dieser hoffnungslos verliert. „Sie können mich nicht leiden. Überhaupt nicht. Schon seitdem ich sie das erste Mal gesehen habe, haben sie diesen seltsamen Ausdruck in ihren Gesichtern. Als ob ich ihnen ihre Tochter stehlen möchte. Hmm..." Er denkt kurz über sein Gesagtes nach, bevor er sich sein wildes Grinsen nicht verkneifen kann. Doch es leuchtet zu meinem eigenen Bekümmern nicht in seinen Augen auf. „So falsch ist das nicht, weil ich andauernd darüber nachgedacht habe. Sie mitten in der Nacht mit dem Motorrad abzuholen, um mit ihr dann abzuhauen. Wohin, das wäre nicht von großer Bedeutung gewesen, aber mit wem und zwar nur mit ihr, das hätte mir doch die Welt bedeutet."
Mein Herzschlag ist ungezähmt, frei; der Gedanke an Abenteuer mit ihm bringt mein Herz zum Rasen.
„Dann lass uns jetzt es tun. Lass uns abhauen, Keisuke!", fordere ich ihn nervös auf und mauze. Ich tripple ungeduldig auf der Stelle, blicke zu ihm hoch und versuche, es mir nicht ansehen zu lassen, wie ich innerlich gegen die ganze, unfaire Welt eine Schlacht führe. Wieso kann ich nicht ein Mensch? Jetzt sofort – dann wäre ich dazu imstande, ihn festzuhalten. So fest, dass er nie wieder darüber denken muss, ob er mich berühren darf oder nicht. Es würden keine Ausnahmen mehr geben, bloß ein Immer.
Sein Lächeln erstickt an dem Niederschlag in seinen Gebirgsaugen, die sich irgendwo zwischen Abenteuer und Pflichten verloren haben. „Aber ich kann nicht einfach so fortgehen und meine Freunde zurücklassen", gesteht er sich bitter ein, „außerdem weiß ich nicht mal, ob sie das gewollt hätte. Ich muss jetzt besser aufpassen. Auf das, was ich tun werde und was ich am liebsten tun möchte."
Baji Keisuke ist verdammt zerbrechlich, und doch ist da ein Schimmer von Hoffnung in der Dunkelheit seiner Herzensscherben.
Hellhörig neige ich den Kopf zur Seite. „Was meinst du damit, Keisuke?"
Er kniet sich zu mir hin. „Ich werde für sie weitermachen, um ihr keinen neuen Grund zu geben, sich um mich sorgen zu müssen. Egal, wo sie gerade steckt, ich möchte, dass sie glücklich ist. Es hört sich albernd an, aber ich habe letztens diesen Wunsch verspürt. Möchtest du ihn wissen, Saejin?"
Ich bejahe mit einem lauten Miauen und aufgekratzten Herzpoltern. „Bitte, erzähl es mir."
Er legt seine Hand über meinen Kopf und krault ihn. „Ich wünsche mir, der Grund zu sein, wieso sie wieder die Augen öffnen wird."
Und dann verstehe ich diese Geste endlich. Sie ist die einzige Bindung zu Saejin dem Mädchen und Saejin der Katze. Es ist, als würde er Saejin dem Mädchen wie bei jeder Begegnung die pinken Locken durcheinanderbringen und dabei in ihren Augen versinken. Sie würde sich darüber beschweren, er würde lachen, und sie würde ihn schnell verzeihen, weil sie ihm alles verzeihen könnte; weil sie viele Kleinigkeiten in ihm gefunden hat, die sie sich selbst nicht eingestehen möchte, weil sie nicht den Mut dazu aufbringen kann. Weil sie Angst hat, der Struktur ihrer Eltern vollständig zu entgleiten. Sie hat fürchterliche Angst davor, und doch weiß sie insgeheim, dass es das ist, was das Leben ausmacht.
Furchtlos zu sein.
Er lacht allerdings nicht. Ich beschwere mich auch nicht. Lieber schnurre ich ausgiebig und schmiege meine Stirn an seine große Hand, während ich derjenige von uns beiden bin, der in den Augen des anderen versinkt. Dort kann ich ein strahlendes und klares Licht finden, das an diesem dunklen, stürmischen Regentag einem sicheren Leuchtturm entspricht. Er ist wirklich ein schönes Kunstwerk. Ein sehr, sehr schönes sogar. Unmöglich, dass es jemals gemalt werden könnte; dieses Kunstwerk möchte ich mit niemand teilen.
So gerne hätte ich ihm gesagt, dass er wirklich ein Grund ist, aber ich möchte nicht, dass er aufhört, an diesem Wunsch festzuhalten. Es ist das letzte Stück Treibholz in seinem Schwarzen Meer. Deshalb behalte ich es lieber für mich. Vorerst.
Ich bin nicht enttäuscht darüber, dass wir nicht in ein Abenteuer aufgebrochen sind.
Jede Sekunde mit ihm ist nämlich wie ein Abenteuer. Ein feuriges, unerforschtes Abenteuer in meiner Vorstellung, in meinen Träumen – und ganz besonders in meinem holprigen, kleinen Herzen.
„Ich weiß, wohin wir gehen können", sagt er mit neu gewonnener Kraft und schließt mich so fest in seine Arme ein wie die Schwerkraft, die ihn wieder an dieses Universum bindet. Ich kann es spüren, in seinem Griff und an seinem lockeren Atem: Er renkt sich zurück in diese Welt, und wir beiden wissen, dort gehört er hin. Meine Eltern haben es vielleicht geschafft, Saejin das Mädchen von ihm trennen zu können, aber sie werden ihm auf keinen Fall Saejin die Katze wegnehmen können. Ich werde alles in meiner Machtstehende dafür opfern, um dies zu verhindern. Womöglich auch mein Leben, doch das ist mir relativ egal. Keisuke ist nicht egal. Er hat das hier verdient; er hat es verdient, sicher gehalten zu werden.
Mir bleiben weniger als drei Monate, um ihn wieder das Träumen beizubringen. Träume sind kein Feenstaub, sie sind das, wieso wir so einzigartig sind – weil jeder anders träumt. Manche träumen tagsüber, manche nachts und manche träumen mitten im Leben, um doch etwas wie Feenstaub zu sehen. Wir brauchen das, um in diesem verrückten Universum an Dinge wie die Unendlichkeit und an das Leben-Danach glauben zu können. Träume sind unser mächtigster Überlebensinstinkt.
Keisuke weiß vielleicht, wie es ist zu leben, aber ich weiß hingegen dafür, wie es ist zu träumen. Vielleicht ergänzen wir uns deshalb so gut. Er, das Universum, ich, die Schwerkraft, die dieses trägt.
„Es wird dir dort gefallen, Saejin." Schließlich sitzt er sich mit mir in den Armen zurück auf seinem Motorrad. Überraschenderweise fährt er dieses Mal langsamer, vorsichtiger, als hätte er doch einen Grund gefunden, um zurück an die Oberfläche zu kehren. Die Art, wie er mich mit einer Hand an sich gedrückt hält, gibt mir das beflügelte Gefühl, dieser Grund zu sein. Dieses Gefühl ist schön. Ich mag es, dass meine Bedeutung für Keisuke weniger riskant ist, dafür unerwartet umso tiefer geworden ist. Ich mag es, so von ihm gehalten zu werden: wie seine persönliche Sonne in diesem zusammengefallenen Universum.
Plötzlich werde ich mir meiner eigenen Lüge bewusst.
Katzen können einen Menschen zusammenhalten.
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