cats and their world we don't know.


Bei Chifuyu ist alles anders. Ich kann nicht genau sagen, was ich wirklich erwartet hätte, aber weniger Einsamkeit vielleicht? Er ist selten daheim. Noch seltener redet er mit mir und noch seltener blickt er mich so an, als würde ich ihn zusammenhalten. Das macht mir nichts, mir ist ja bewusst, dass ich nicht die Saejin bin, die er braucht. Darüber kann ich hinwegsehen, bald würde die richtige Saejin wieder bei ihm sein und ihn halten können. Dieser Gedanke macht mich immun gegen diese Kränkungen. Was mir aber etwas ausmacht, ist das, was er überhaupt nicht macht. Er bietet mir keine warme Milch an und erzählt mir keine Geschichten, als würde er diese Kleinigkeiten nicht beachten und so auch ihre Bedeutung nicht.

Aber ich habe eine Kleinigkeit für ihn gefunden. Sie ist bei mir daheim, bei meinen Eltern, in meinem dunklen Loch, das andere ihr Zimmer und Zuhause nennen würden. Das, was es für mich keineswegs ist. Mein Zuhause ist woanders, aber ich habe es noch nicht so richtig gefunden. Es ist aber da. Es zieht mich so magisch an wie mein Nordpol, doch das Problem ist, dass ich keinen Kompass besitze, der mich dorthin führen wird. Keisuke fürchtet sich davor, mich im Weltall zu verlieren, doch ich habe mich bereits auf diesem Planeten verloren.

Ich habe nur meine Kleinigkeit für Chifuyu.

Ich habe noch einen weiteren Manga in den letzten Monaten angefertigt, bevor ich zur Katze geworden bin. Er ist nicht lang, höchstens 10 Seiten, aber in diesen 10 Seiten steht alles, was ich für das blonde Sonnenlicht empfinde. Es ist eine Geschichte, die ich ihm gerne erzählen möchte. Die Geschichte darüber, wie ich mich in ihn verliebt habe. Eigentlich habe ich geplant, ihm diesen zu Weihnachten zu schenken, natürlich nur dann, wenn er auch meine Gefühle erwidert hätte. Aber – warum sollte er das nicht? Ich bin doch das Juwel in seinem Universum.

Wenn ich ihm diesen Manga zeige, wird diese Barriere zwischen uns endgültig verschwunden sein. Er würde wissen, dass die richtige Saejin tiefe, innige Gefühle für ihn entwickelt hat, und dann lege es an ihm, diese Saejin zu ihm zurückzubringen.

Wann ich zu meinen Eltern nach Hause gehen werde, bin ich mir noch unsicher. Am besten gar nicht – doch dann würde ich auch mich aufgeben und das ist nicht richtig so. Ich werde kämpfen.

Peke J ist das erste Mal in seinem Zimmer, seitdem Chifuyu mich bei sich aufgenommen hat. Er begrüßt mich mit hochgehobenen Schwanz und tapst freudig auf mich zu. „Was machst du denn hier?", fragt er mich neugierig.

Sein Besitzer ist nicht da. Mikey hat sie wieder einberufen. Er hat irgendetwas wie „Valhalla" gemurmelt, bevor er stürmisch den Raum verlassen hat. Seitdem starre ich hinaus, wie auf der Suche nach der richtigen Abzweigung zurück in mein Leben.

„Ich wohne hier für eine kleine Weile", antworte ich ihm und kräusle die Nase.

Meine Suche bleibt erfolglos.

„Ah ~ wegen deinen Eltern?"

Ich reiße die Augen auf. „Woher weißt du das?"

„Ich war gerade eben bei Baji." Als er seinen Namen erwähnt, fühle ich das ganze Gewicht der Schwerkraft gegen meine Brust drücken. „Er hat es mir erzählt. Seine Mutter ist immer noch davon überzeugt, dass er dich irgendwo versteckt hält." Er kichert. „Er vermisst dich sehr. Ob als Mensch oder Katze, du schafft es immer sein Herz zu erreichen. Das ist verrückt."

Ich möchte unbedingt zu ihm zurück, aber ich kann es nicht.

Wenn mich Bajis Mutter an seinem Fenster entdeckt, wäre sein Herzgebreche bedeutungslos und, vor allem, umsonst gewesen. Und ich möchte nicht zu der Kategorie von seinen Freunden gehören, die dieses große Opfer nicht wertschätzen. Schließlich bin ich auch ein Teil dieser Kategorie, die dasselbe tun würde, um die eigenen Freunde zum Mittelpunkt des eigenen Lebens zu machen. Die Schwerkraft der Sonne ist der Grund, wieso die anderen Planeten kontinuierlich um sie kreisen. Ich denke, in solchen Augenblicken gibt man seine eigene Schwerkraft auf, um sich mit den anderen mitzudrehen.

Vielleicht ist das einer der größten Fehler, die man in seinem Leben machen kann, weil man so immer das Risiko eingeht, dass das Herz noch brutaler gebrochen werden kann. Vielleicht ist das aber auch das einzige richtige, was man in seinem Leben machen kann. Doch mir ist das egal, Keisuke ist das egal. Ich erkenne immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen dem Universum und seiner Schwerkraft, und ich hasse es.

Ich hasse es noch mehr, getrennt von ihm zu sein, um ihn das nicht mitteilen zu können.

Aber am meisten hasse ich, wie mich nicht mal meine Gefühle für Chifuyu dazu überzeugen, nicht zu Keisuke zurück zu wollen. Als mein Herz noch größer gewesen ist und er meine Hand mit seiner verbunden hat, da habe ich mich in seiner Nähe sehr besonders gefühlt. Zugehörig, so vervollständigt, dass ich keinen Gedanken daran verschwendet habe, nicht bei ihm bleiben zu wollen.

Er ist meine Sonne gewesen, um die ich mich dauernd gedreht habe. In seiner gletscherblauen Milchstraße bin ich von dem Gewissen besänftigt worden, dass ich nicht an einen anderen Ort abhauen muss, um frei zu sein, weil er mir bereits dieses schwerelose Gefühl spüren hat lassen, ein Vogel zu sein. Ein freier und großer Vogel, der endlich gelernt hat, zu fliegen – und jetzt bin ich ein Vogel mit gebrochenen Flügel. Gefangen in einen noch viel schmaleren Käfig, dass ich selbst durch mein schweres Ausatmen die engen Gitter um mich herum verspüre. Nichts von der Anziehungskraft meiner Sonne. Wirklich nichts.

Peke J stupst mich mit seiner Nase an und holt mich zu sich zurück. „Ich habe dich mal wieder gesucht", spricht er mit seinem hörbaren Lächeln und seine Bernsteine funkeln mich einfühlsam an. Ich versuche meinen Frust erst gar nicht vor ihm zu verstecken, der ganze Raum ist schon damit gefüllt wie eine neue Art von Moleküle, dass er ihn schon längst bemerkt haben muss. „Sie möchte dich gerne kennenlernen."

„Wer?", frage ich verwirrt und spitze die Ohren.

„Yukidaruma."

„Deine Katzenfreundin?"

Er nickt. „Ja, sie möchte sich nochmal bei dir bedanken."

„Sollte ich mich nicht eher bei ihr bedanken, weil sie mir einer ihrer Leben schenkt?", meine ich ehrlich und bemühe mich darum, meine eigene Verlorenheit aufzuschieben. Sie irgendwo zu verstauen, damit sie mir dann schaden kann, wenn es den passenden Moment dafür gibt. Nicht jetzt, wo ich die Möglichkeit bekomme, dieser Verlorenheit für ein paar Stunden entfliehen zu können.

„Das kannst du dann auch machen." Er dreht sich um und springt hinaus. „Komm, ich bringe dich zu ihr."

Im Zimmer hängt nicht nur Kummer fest. Letzte Staubflocken von Hoffnung und einer erschütternden Einsamkeit mischen sich darunter, dass mich weitere schwere Atemzüge noch umbringen werden, wenn ich nicht mit ihm gehe. Ich fasse mir ans Herz und stolziere ihm nach. Nach allem sollte ich mich auch auf genau das hier fokussieren – mein eigenes Sonnensystem. Auch als Katze. Das macht keinen Unterschied. Es bleibt derselbe Organismus, dieselben zwei Planeten mit den Namen „Keisuke" und „Chifuyu". Nur die Sonne ist neu, die sie anzieht. In den letzten Jahren bin ich nie eine Sonne gewesen, mehr der Mond, der nur zu bestimmten Zeiten sichtbar ist. Der Unfall hat das geändert.

Die beiden Jungs werden von einer Sonne festgehalten, bei der man noch nicht voraussagen kann, ob sie demnächst explodieren wird oder nicht. Aber sollte es so weit kommen, zerfällt ihr Sonnensystem. Und wir alle mit ihr.

Peke J spaziert über die Geländer der vielen Balkone wie durch ein Geäst im Wald. Ein Wald ist für gewöhnlich ruhig, plätschert in der Natur vor sich hin – doch diese komplexe Wohnanlage ist das nicht. Als ich die beiden immer besucht habe, sind mir all diese Dinge gar nicht aufgefallen. Schräge Klänge von Musikinstrumenten, besonders Flöte, die mit viel Anstrengung und Leidenschaft malträtiert werden, summende Hausfrauen, die ihre Wäsche aufhängen und kurz stoppen, als sie Peke J und mich vorbeihuschen sehen. Aufgeregte Männerstimmen, die über irgendein aktuelles Sportspiel berichten, und das Quietschen von Stühlen und Türen. Zudem kommen noch die verschiedenen Gerüche hinzu, wie von stark penetrantem Waschmittel, Curry und – oh – jemand scheint gerade auch eine Hühnersuppe zu kochen, die alle anderen Düfte in die Ecke drängt.

„Das ist Frau Suzuki." Peke Js Lächeln ist voller Wärme. „Sie kocht jeden Tag eine Hühnersuppe für die Streuner in dieser Gegend. Die musst du mal probieren – die ist wirklich köstlich!" Er leckt sich über die Schläfen, bevor wir unseren Weg fortsetzen. Keisuke und Chifuyu scheinen nicht die einzigen zu sein, die ein schwaches Herz für Streuner haben. Ich kann in keiner anderen Wohnung ein Haustier ausmachen, oder es riechen. Katzen haben einen Eigengeruch. Wie ein Plüschtier, das jeden Tag einen neuen Geruch an sich haften hat, weil man es überall mit hinnimmt. Einen Hund ist mir noch nicht unter die Nase gelaufen, was ich, ehrlich zugegeben, auch nicht wirklich bevorzuge zu erleben.

Hier, in diesem Wohnkomplex, habe ich den Eindruck, als würden dort jede Menge unterschiedliche Menschen hausen. Chaotisch, arm, hoffnungsvoll, Normalverdiener oder alles durcheinander. Vom Leben verlassen oder noch an das Leben glaubend. Wie ein einzigartige Darstellung davon, dass wir Individuen sind und uns letztlich nichts außer Sternenstaub miteinander verbindet.

Wir verlassen die Wohngegend und klettern von Mauer zu Mauer immer weiter weg davon. Seine Schritte sind gezielt, und ich verlasse mich auf seinen Orientierungssinn.

Meine Eltern wohnen in einem anderen Viertel. Eines, das weniger gottlos erscheint. Eines, in dem immer dieselben, gleichen Fertighäuser aneinander gereiht stehen. Läuft man dort vorbei, wird einem davon immer schwindelig, weil es wie eine endlose Schleife erscheint und man glaubt, in einer rasenden Stadtbahn festzusitzen. In diesem Viertel wohnen dieselben, eintönigen Menschen: Die, die glauben, das Leben verstanden zu haben. Die, die annehmen, Erfolg und Geld sind der Schlüsselpunkt zum Leben. Dabei sind die eher der Schlüsselpunkt dafür, um sich vor dem tatsächlichen Leben zu versperren.

Wir kommen in eine noch ärmere Gegend an. Es riecht nach Benzin und altem Biomüll. Mir stellen sich die Nackenhaare auf und Peke J gibt ein softes Geräusch von sich wie ein dümmliches Grinsen. Vor uns ist ein altes, heruntergekommenes Wohnfamilienhaus aus Blech. In einer der Wände ist ein Loch, wodurch der schwarze Kater schlüpft. Ich folge ihm, auf der Hoffnung, diesen Gestank loszubekommen. Wohin ich sehe, bietet sich mir ein trostloser Anblick. Hier also sammeln sich die Streunerkatzen an: in dem heimatlosen Ebenbild ihres Zustandes. Die große Fläche ist von abgenutzten und durchseichten Möbeln besetzt, einige mir bekannten Gesichter halten dort ihren Mittagsschlaf und verspeisen ihr Mittagsessen – Ratte oder Maus, das kann ich nicht erkennen – doch Peke J geht die Wendeltreppe weiter hinauf. Sie krächzt selbst bei unserem Fliegengewicht und mein Herz poltert vor Furcht, einen falschen Tritt zu machen, um dann hinunterzustürzen.

Katzen landen auf ihren vier Pfoten, sagt man. Aber tut das auch eine Katze mit dem Sternenstaub eines Menschen? Für dieses Experiment melde ich mich nicht an. Im Obergeschoss bietet sich mir derselbe verlassene Anblick.

„Wir sind gleich da", versichert mir Peke J und schaut mich für einen Moment an. Ob man mir mein Entsetzen ansehen kann? Er geht wieder weiter, hüpft aus dem schrägen Dachfenster auf eine wackelige Regenrinne und kämpft sich mit einer katzenhaften Leichtigkeit nach oben. Diese Leichtigkeit ist auch in meinen Bewegungen zu fühlen, aber mein Herz ist alles andere als leicht.

Oben begreife ich es: Tiere können auch in Armut leben, und diese Armut kann ihnen das eigene Leben kosten. Für heimatlose Tiere gibt es selbstverständlich ein Tierheim – aber was ist mit denen, die ihren Weg dorthin nicht finden? Wenn sie mitten im Nirgendwo ausgesetzt werden? Verlassen von all der Wärme und Geborgenheit ihrer ehemaligen Besitzer? Das kann ich mir nun selbst beantworten. Eine Traurigkeit, bei der ich die Unfairness der ganzen Welt wahrnehme, überfällt mich. Ich wünsche mir so sehr, jetzt in die Arme genommen werden zu können. Von niemand geringerem als Keisuke. Doch da ist noch dieses Gefühl, dass ich gerade als Katze machtlos gegen diese Armut bin und ihn nicht dabei unterstützen kann, sie zu bekämpfen.

Die Dachterrasse gleicht einer verblassten Hoffnung. Ich kenne die Geschichte hinter diesem Haus und ihrer Familie nicht, weshalb ich mir nicht vorstellen kann, wer hier gelebt hat. Aber einer davon hat entweder als Pflegekraft oder Putzfrau gearbeitet, denn es hängen noch eine unzählige Menge von Bettlaken an ihren breiten Ständern und sind wie riesige, stilllegende Flaggen. Der Himmel ist heute klar, ein nicht zu heißer Sommertag, der sich langsam dem Ende neigt. Aber es weht kein Wind, als wäre dieser Platz selbst von der Welt verlassen worden.

Wir bahnen uns unseren Weg durch die Laken, bevor wir bei einem alten Korb aus geflochtenem Rattan schlussendlich stehenbleiben. Er liegt zur Seite umgekippt, eine Schicht aus zusammengefalteten Laken bietet eine weiche Unterlage – und auf dieser liegt eine schneeweiße Katze mit ihren vier saugenden Kitten.

Da ist es aber noch: ein bisschen Leben.

Peke J zögert nicht und geht zu ihr hinüber, um seinen Kopf liebevoll an ihrem zu reiben. „Ich bin wieder da", summt er.

Die Katze fängt wohlig zu schnurren an und schließt für einen Moment die Augen, ehe sie diese auf mich richtet. Mir wird es schrecklich mulmig im Magen. Sie hat dieselben, gletscherblaue Augen wie Chifuyu. Nur sind ihre Sterne nicht geschmolzen. Sie hat außerdem noch dieses Funkeln wie das Feuer in Keisukes Augen. Sofort weiß ich es: Sie ist stark und voller Selbstbewusstsein.

„Das ist also Saejin." Ihr Lächeln ist anders als Peke Js. Ihres hört sich wie das zarte Spielen von Glöckchen an. „Du kannst ruhig näherkommen. Vor dir muss ich meine Kinder nicht beschützen."

Peke J setzt sich neben sie, während ich in unsicheren Schritten auf sie zu gehe. Ihre Kitten haben schon die Äuglein geöffnet. Soweit ich es aus Keisukes Katzenbücher gelesen habe, heißt das, sie sind schon über 10 Tage alt. Aber da sie sich noch nicht richtig bewegen können, auch noch keinen ganzen Monat.

„Sie sind eine Woche nach deinem Unfall geboren worden", berichtet sie mir und klingt so, als würde sie sich darüber freuen. „Hättest du mich nicht vor dem Auto gerettet, wäre es niemals so weit gekommen. Daher möchte ich dir danken."

Ich bin sprachlos und finde auch einfach nicht die richtigen Wörter. Meine Selbstlosigkeit hat meinen geliebten Menschen das Herz gebrochen, aber sie hat auch etwas Gutes bewirkt. Genau dieses Wunder vor meinen eigenen Augen. Zum ersten Mal erblicke ich die guten Seiten meines Opfers.

„Ich weiß, dass es eine große Aufgabe für dich ist, unsere Bedingung zu erfüllen. Wenn es mir möglich wäre, hätte ich dir dein Leben auch ohne diese zurückgeben. Aber das liegt nun mal leider nicht in meiner Macht." Nun hört sie sich traurig an. Das muss sie aber nicht.

„Das ist schon okay", versuche ich sie deshalb zu besänftigen und lasse mich auf meine Hinterläufe nieder. „Ich bin froh, so die Welt auf eine ganz andere Weise kennenzulernen. Mir bleiben zwar viele Möglichkeiten verwehrt, aber mit der Zeit gewöhne ich mich daran. Ich..." Hilflosigkeit kommt über mein Gemüt und bringt mich dazu, den Kopf hängen zulassen. „Ich weiß nur nicht, wie ich sie trösten soll."

„Deine Menschen?"

Meine Menschen? Es hört sich nicht ganz falsch an.

„Ja, genau die."

„Ist da einer von ihnen dabei, den du liebst?" Diese Direktheit der Katzen macht mich wirklich fertig. Ich bin wie ein offenes Buch für ihre scharfen Blicke.

Die Worte, die folglich aus meinen Mund kommen, entsprechen jedoch nicht dem, was ich am Grunde meines Herzens fühle.

„Ja, aber ich glaube nicht, dass er meine Liebe erwidert."

Sie tauscht einen fast schon verzweifelten Blick mit Peke J aus. Ich komme mir in dieser kleinen Gestalt unheimlich verwundbar vor.

„Ich habe dir noch etwas zu sagen", beginnt der schwarze Kater. „Das letzte Mal habe ich zu dir gesagt, dass es nicht genügt, nur ein Planet von vielen zu sein. In den letzten Tagen habe ich mich noch auf ein anderes Herz konzentriert, andere Gerüche, andere Töne. Und für den Besitzer dieses Herzens bedeutest du die ganze Welt, Saejin." Sein Tonfall ist liebevoll, seine Worte gehen direkt in mich und berühren mein Innersten auf eine besänftigende Weise.

„Ist es Chifuyu?" Das kommt einfach aus mir heraus. Diesmal sage ich wirklich das, was ich auch denke. Mein Herzschlag ist wilder, Hoffnung packt ihn wie der Sturm eines Tsunami.

Er kichert.

„Ist das ein „Ja?" Ich fühle mich nicht ernstgenommen und höre mich dementsprechend patzig an.

„Du hast noch vieles über die wahre Liebe zu lernen, Saejin." Er beugt sich vor und schmiegt seine Wange an die seiner Geliebten. Sie schnurrt, ganz tief aus dem Herzen sowie Keisuke, wenn er lacht. Wie schön es wäre, Peke Js Glück mit ihm teilen zu können. Oder sein ansteckendes Lachen. Ein stumpfer Schmerz stülpt sich über mein Herz, und ich bin verunsichert, ob ich wirklich wissen möchte, was die wahre Liebe ist.

„Ist das bei euch nicht auch so ein Instinkt? Also dieser... äh... Fortpflanzungsinstinkt? Das hat doch nichts mit Liebe zu tun."

Bei meiner Direktheit weitet Peke J die Augen. Offensichtlich nehme ich immer mehr Verhaltensweise von ihnen an, ohne es zu bemerken. Wird das auch so sein, wenn ich mich selbst vergesse? Das würde es auf jeden Fall erleichtern, aber auch umso schwerer machen, es aufzuhalten.

Aber den schwarzen Kater scheint nichts aus der Fassung zu bringen.

„Manchmal ist es das, ja", gibt er zwar zu, aber er hört sich überhaupt nicht davon getroffen an. Seine nächsten Worte offenbaren mir auch, wieso. „Manchmal aber verliert man sich auch in dieser Liebschaft. Und ehe man sich versieht, wird daraus mehr. Wir mögen als Einzelgänger bekannt sein, doch wir sehnen uns wie jedes andere Lebewesen nach einer Liebe, die unvergänglich bleibt. Ob diese nun von einem Menschen kommt oder von einem anderer unserer Art, das ist nicht vorgegeben. Niemand gibt dir vor, wen du zu lieben hast. Wenn du jemand liebst, dann ist es am besten, ihn auch einfach zu lieben."

Ich blicke zu meinen Pfoten und meine Krallen, die sich fest in den Beton unter mir bohren.

„Natürlich hätte ich irgendeine vornehme Hauskatze mir aussuchen können oder eine, die näher in meinem Revier wohnt. Oder eine, die Chifuyu sogar kennt und versorgt. Aber warum sollte ich das machen, wenn sich mein Herz anders entscheidet?"

Die Richtigkeit seiner Worte befreit mich aus meinem Käfig.

„Wie ist das eigentlich?", möchte ich wissen und wage es endlich, die letzte Distanz zwischen Laken und Beton zu durchtrennen, um die säugenden Kätzchen genauer zu betrachten. Ein unvergleichbares Wunder dieser Welt – und ich darf daran teilhaben. Wie wunderschön. „Werdet ihr alle namenlos geboren? Oder gibt ihr euch untereinander Namen?"

„Mhm, nicht wirklich." Peke J blickt in den Gletscher der anderen Katze. „Ich halte nicht viel von Namen."

Das macht mich neugieriger, und ich kann es nicht fassen, wie mir die Worte einer Katze so viel Kraft geben. „Wieso?

„Ein Name ist nur ein Name. Nicht derjenige dahinter. Bevor man mich Peke J nannte, haben mich andere mit „Verschwinde!" oder „Katze" gerufen. Selbst wenn ich mit einem Namen geboren wäre, würde er von anderen verdreht werden. Das macht ihr auch untereinander. Entweder nennt er den einen „Arschloch" oder „Idiot", als wäre es sein richtiger Name und würde alles über ihn aussagen – aber das stimmt nicht." Er grinst mich imaginär an. Ein schönes, warmes Grinsen.

Ich weiß, wie er mich gerade ansieht. Menschen machen das auch, dich so ansehen, als wärst du gebrechlich und schwach, wenn sie von deinem Schmerz wissen. Ganz mitleidsvoll, aber mit der Zuversicht in den Augen schimmern, dass es vorbeigehen wird. Sowie die Wolken über den Horizont weiterziehen, wird es auch der Schmerz tun. Aber die Blicke erinnern mich daran, dass ich es wirklich bin. Gebrochen und verletzt. Wie etwas sehr Zerbrechliches.

„Weißt du, was ich meine? Peke J gefällt mir, und so möchte ich auch gerne genannt werden. Das ist wichtig. Was mir gefällt."

Ich wende mich mit angeknacksten Herzen an die weiße Katze. „Wie möchtest du gerne genannt werden?"

Sie ist gerade dabei, dem Kitten mit den großen und breiten schwarzen Fleck auf dem Rücken zu putzen, aber sie nimmt sich einen Augenblick Zeit, um mir zu antworten. „Yukidaruma. Ein kleines Kind hat mir diesen Namen gegeben. Sie hat mit mir den Fisch von ihrem Sushi geteilt. Leider habe ich sie nie wiedergesehen. Und nie wieder Sushi gegessen." Diese Erinnerung ist traurig-schön. Wie ihr Blick. „Und du? Bist du mit Saejin zufrieden?" Dann setzt sie sich wieder an ihre mütterliche Arbeit.

Darüber habe ich noch nie gedacht. Mir einen anderen Namen zu geben, oder überhaupt mich zu fragen, ob ich ihn mag oder nicht. Doch sogleich fällt mir eine Sache ein, die ich tatsächlich über meinen Namen mag: Wie er von Keisuke ausgesprochen wird. Wie das geheimnisvolle Wispern des Herbstwindes, das nur er hören kann. Wie ein Name, der keiner ist. Und ich glaube, es ist wirklich kein Name für ihn. Das bin ich, Saejin bin ich.

Aber was ich ihm bedeute, das weiß ich nicht so recht.

Er bedeutet mir das ganze Universum – mit seinen schwarzen Löchern und seinen sowohl klaren und schwachen Sterne. Er im Gesamten ist das stärkste Universum von allen.

Dieses Mal ist meine Antwort genau die, die auch in meinem Herzen ihre feste Bedeutung hat. „Ja, ich mag ihn sehr." Und dann frage ich noch: „Darf ich hierbleiben? Bis es Abend ist?"

„Gerne", widerspricht mir Yukidaruma nicht und Peke J stimmt ihr mit einem brummenden Schnurren zu. „Du kannst auch gerne länger bleiben", fügt sie noch mit einem warmherzigen Lächeln hinzu.

Das freut mich ungemein, aber ich schüttle trotzdem den Kopf. „Ich kann nicht. Ich muss wieder ein Mensch werden, damit ich den Schwächeren helfen kann."

Sie sehen mich irritiert an.

Als ich die nächsten Worte ausspreche, denke ich dabei an Keisuke und wie er sich immer für die Schwachen und Wehrlosen einsetzt. Er würde dasselbe an meiner Stelle machen – ohne mit der Wimper zu zucken. Dieser Gedanke belebt mich, sein wildes Feuer setzt sich in meiner ganzen Brust frei.

„Ich habe nie richtig gewusst, was ich werden möchte. So ganz weiß ich es immer noch nicht, aber ich bin mir nun sicher, was ich auf jeden Fall machen werde, wenn ich wieder ein Mensch bin. Ich denke aber, damit werde ich in die richtige Richtung durchstarten." Für einen Moment schwelge ich in der Erinnerung an meinen Unfall und wie es mich aus der Bahn geworfen hat. Allmählich werden mir immer mehr gute Seite daran klar. „Dieser Ort ist keiner, wo eine Katze wohnen sollte und wo erst recht keine Katzenkinder großwerden sollte. Deshalb möchte ich gerne mein Erspartes für mein eigentliches Studium, das sowieso nur meinen Eltern wichtig ist, für diesen Ort ausgeben. Egal, was meine Eltern davon halten werden. Ich möchte, dass alle Streunerkatzen hier einen schönen Fleck haben, um sich wohl zu fühlen. Schließlich weiß ich, wie sich das anfühlt, heimatlos zu sein."

Jetzt blicke ich direkt und entschlossen in die gletscherblauen Augen von Yukidaruma und erkenne dort alles, an dem es mir selbst fehlt. Mut, Stärke, Selbstbewusstsein. Das möchte ich ändern – und zwar noch heute.

„Und ich hoffe, dass wir dann gemeinsam Sushi essen können."

Die beiden Katzen kichern.

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