between dreams and nightmares, I found my peace in you.
3. ӨKƬӨBΣЯ
„Ich habe ihn getötet", höre ich über Kazutoras Lippen wispern und der Junge mit den stechend gelben Wolfsaugen kommt mit einem Messer auf mich zu. Obwohl sein T-Shirt so tiefschwarz ist, sehe ich im schwachen Licht die tiefroten Flecken darauf schimmern. Es ist noch feucht, kaum wenige Minuten alt. Er lächelt mich an. Ein grausames Lächeln ohne Herz und Seele. Es ist zu spät. Er ist verloren. Der Schatten seiner Vergangenhat hat ihn gänzlich an die dunkle Seite des Mondes gekettet.
Nun ist er wieder zum Mörder geworden.
Mein Atem stockt und ich weiche einen Schritt zurück, versuche nach einem Halt zu greifen, aber da ist nichts. Eine einzige Leuchtkeugel wie eine Glühbirne erhellt den unbekannten Raum. Mein schneller Herzschlag ist voller Angst und Panik.
„Es ist vollbracht, ich habe mich rächen können." Er spricht weiter auf mich ein. Seine Stimme ist nicht rau oder zittrig, eher trocken und verkommen. „Ich bin zu einem Helden geworden. Endlich." Zufrieden atmet er aus, schließt kurz die Lider, ehe er mich kalt anfunkelt.
Er ist ein böser Geist, denke ich mir simple zur Beruhigung, doch so simple ist das nicht, und das ist hier nur ein dummer Traum. Er hält mir das blutverschmierte Messer mit beiden Händen hin wie eine kostbare Krone. Seine dunklen Wolfsaugen bohren sich in mich und versuchen mich zu umgarnen sowie die Schlange Kaa Mowgli in ihren Bann ziehen wollte.
„Hast du wirklich geglaubt, du könntest mich aufhalten?", grinst er düster.
Ich starre auf das Messer in seiner Hand. Hier und dort schimmert die klebrige Lebensflüssigkeit eines anderen, fließt über seinen Unterarm entlang wie zusammenfließende Bäche eines Flusses, den er mutwillig durchbrochen hat.
Es ist nur ein Traum. Ein verdammter Albtraum.
„Wieso hast du das getan?", frage ich leise und meine Zunge fühlt sich seltsam taub an.
„Weil es ist der einzige Weg ist, Saejin", er grient mich lüstern an und da ist nichts mehr von einem hoffnungsschimmernden Irrlicht in seinem Wald. Er steht in Flammen – Flammen, die nicht zu ihm gehören. „Der einzige Weg, um ihn zurück in das Licht des Mondes zu bringen."
„Das ist eine Lüge!" Ich fasse den Jungen zitternd an beide Schultern und schaue ihm mit brechendem Herzen in das stumpfe Gesicht. Sein Glöckchenohrring klimpert verhängsnisvoll wie der entschiedende, vollendete Schlag einer Uhr. „Wieso hast du ihn umgebracht? Wolltest du nicht Mikey töten? Warum jetzt er? Wieso... Keisuke?"
„Du gutgläubiges Dummerchen..." Seine blonden Strähnen fallen über seine Augen und verdecken mir die Sicht in seinen Wald. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich der Finsternis hinzugeben und nach dem Irrlicht zu suchen. Er schiebt mich von sich, aber dann drückt er mir das Messer in die Hand. „Du kannst niemand vor der Dunkelheit bewahren. Wenn er gefallen ist, wird er niemals mehr aufstehen können." Seine Worte echoen wie durch einen leeren Saal und verfangen sich in meinem Lebensgerüst wie in einem Kescher.
Nur ein Traum, nur ein Traum, Saejin!, rufe ich mir ins Gedächtnis.
„Hier..." Er legt seine Finger über das Messer. Blut quillt aus unseren Handinnenflächen. Es tropft hinab und es plätschert, als es auf den Grund trifft. Als stünden wir in einer Pfütze. Mich dreht es bei dieser Vorstellung. „Nimm es. Es gehört dir. Damit du erkennst, dass es keinen Weg außen diesen gibt. Er muss sterben, der falsche Held."
„Was?" Ich schrecke auf und plötzlich erhellt sich der ganze Raum um uns. Mein Körper erstarrt, während mein Herz in abnormalen Takten stolpert. Herzen können nicht brechen, nicht physikalisch, aber gerade fühlt es sich verdammt danach an. Ich sehe ihn auf einer Fläche liegen, die der Spiegelung eines von Sternen besetzten und stilliegendem Ozean gleicht. Aber ich gehe darin nicht unter.
Es ist die schmale Schwelle zwischen Tod und Leben.
Ist das... wirklich ein Traum?
Nein, es ist lediglich ein Albtraum. Einer, der zur Realität werden könnte, wenn ich ihn so vor mir betrachte.
Keisukes Brustkorb hebt sich nicht. Er liegt wie eine Puppe da, nur mit dem Unterschied, dass man dieser Puppe mehrmals in den Oberkörper gestochen hat, das selbst nur noch Fetzen von seinem weißen Hemd übrig sind. Vor ihm ragt ein zinnrotes Torii-Tor, als würde sich demnächst seine Seele von seinem Körper trennen und in das Jenseits übergehen.
Meine Knie schlottern, als ich langsam zu ihm gehe. Vielleicht gehe ich so langsam, weil ich so hoffe, diesen Traum entfliehen zu können. Wenn ich langsamer voranschreite, wache ich bestimmt schneller auf.
„Wie..." Meine eigene Stimme erstickt an dem Klumpen in meiner Kehle. Ruckartig falle ich auf die Knie, das Empfinden meines Körpers ähnelt einem zusammenklappenden Skelett ohne Schutz und Haut.
Mitten vor meinen Augen sehe ich es durch das tropfende Blut meiner geballten Faust in die Spiegelung des Sternenhimmels rieseln wie Herzenstränen. Meine Hoffnung, meine Willenskraft, meine positive Ausmalerei, was nach Oktober alles sein könnte. So viel Gutes, so viel Unvergessliches, zusammengefasst: ein Happy End.
Es zerfällt zu körnigem Staub wie eine schutzlose Sandburg, die nur für eine Nacht hält, bevor die stürmische Flut sie niederreißt. Einfach so.
„Entweder töte ich den falschen Helden – oder der falsche Held tötet sich selbst." Was soll das heißen? Ich habe keine Ahnung, was er mir mitteilen möchte, keine Ahnung, wie schnell es Kazutora neben den Körper geschafft hat oder ob er nun Flash ist. Doch er kniet sich neben mich und greift mit seiner Hand nach dem baumelnden Schlüssel um meinen Hals.
Sprachlos und wimmernd sehe ich ihn an. Er spielt mit dem Anhänger, seine Hand ist in Blut getränkt, als hätte er meine zersplitterte Seelenwelt angefasst.
Die traumhafte Atmosphäre füllt sich mit einem unangenehm süßen und metallischen Geruch. Derselbe Geruch wie bei meinem Unfall. Doch meine Lunge ist vor lauter Meersalz und Angst wie eingeschürt, dass Atmen nur aus einem ungewollten Lebensüberlebensmechnimus angetrieben wird. Mein eigenes Leben hat hier noch eine wenigere Bedeutung als außerhalb dieses Traumes.
„Du würdest ihn niemals töten...", flüstere ich mit würgender Stimme und entreiße ihm gewaltsam den Anhänger. „Das bist nicht du, Kazutora, du bist nicht du selbst."
Mein Körper fühlt sich so schwer an, als würde sich die Schwerkraft der gesamten Galaxie auf mir niederlassen. Ich setze mich direkt neben Keisuke, ziehe seinen Kopf mit letzter Kraft in meinen Schoß und streichle ihm mit dem Handrücken vorsichtig über die blasse Haut. Er ist kalt. Kälter als je ein Winter sein würde. Meine Berührung hinterlässt Zeichen eines blutenden Herzens auf seiner Wange.
„Er bedeutet dir zu viel, als würdest du ihn einfach umbringen...", winsle ich und ein Schluchzen ringt sich aus meinem Mund.
„Es ist sein Schicksal, für seine Freunde zu sterben." Kazutora sieht zu mir herab, seine Wolfsaugen kahl und glanzlos. Für einen Moment flackern sie so, dass ich glaube, die Mondsichel einer Katze zu erkennen. Hinter ihm steht ein mächtiger Schatten, einer mit spitzen, pelzigen Ohren und langen Schnurrhaaren. Jetzt wird es mir klar. Das ist nicht er, der zu mir spricht, es ist der Nekomata. „Du kannst sein Schicksal nicht ändern. Er wird sterben. Und du wirst es nicht aufhalten können."
„Nein, sein Schicksal ist es, mit mir zusammen zu sein!", erwidere ich überzeugt und ein unglaublicher Zorn breitet seine Flügel in mir aus wie emporsteigende Flamme einer unerlöschlichen Glut.
„Ihr Menschen seid so naiv. Glaubt immer, nicht aufgeben zu müssen – dabei wäre es das Beste für dich, wenn du gleich mit mir kommst. Ich hasse gebrochene Herzen, die sind die lästigsten von allen."
„Niemals!" Schützend presse Keisukes Kopf gegen meine Brust, pinke Strähnen fallen über sein hübsches Gesicht ein wie der letzte, weiche Kuss einer verwelkten Kirschblüte. Sie geht mit dem Sommer, geht mit dem stillen Feuerherzen, das sie nach jedem Winter liebevoll aufgeweckt hat wie seine Bestimmung. „Ich werde ihn nicht aufgeben!"
„Schade ~", singsangt er, „dann werde ich dieses Spiel noch eine Weile ertragen müssen." Er dreht sich um. Jetzt kann ich ihn in seiner wahren Form sehen. Gekleidet in einem samtblauen Kimono mit der schwarz-weißen Stickerei des Yin-Yang-Symbols am Rücken steht er auf beiden Hinterpfoten, seine drei Schwänze bewegen sich unruhig hin- und her. Er ist rotgetigert, offensichtlich größer als ich. Seine Mondsichel sind tintenschwarz, ein rötlicher Schein umgibt sie, als würde das Böse versuchen, aus ihm zu weichen.
Er widmet mir einen letzten, abfälligen Blick. „Soll mir recht sein. Ich habe versucht, es dir zu ersparen – aber so wirst du es mitansehen müssen, wie er den Weg seines Todes gehen wird. Ich kann es kaum erwarten, dich um sein Leben betteln zu hören."
Mit einem Schnipsen schwindet Keisuke in meinen Armen. Unaufhaltsam löst er sich auf, ein Schwarm von Motten erhebt sich aus seiner fallenden Gestalt und prescht durch das Torri-Tor. Übrig bleibt eine fauchende und fette Ratte auf meinem Schoß.
Der kaltschwarze Sternenhimmel verschluckt mich.
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„Es ist sein Schicksal, für seine Freunde zu sterben." Es ist dieser eine Satz, den ich nicht aus meinem Kopf bekomme. Ich höre ihn ständig, ob ich wach bin oder nicht, er ist immer da.
Ich fühle sein Gesicht noch immer in meinen Händen. So kalt, so vergänglich. Kein schiefes Lächeln auf den Lippen, sein Seelenfeuer Kazutoras Wald niederbrennend, erbarmungslos wie sein letzter und größter Streich, bevor die Hölle ihn zu sich holt. Weil nach oben Fliegen wird er nicht können, seine Flügel sind zu gebrochen, zu zerrissen, weil er bereits zu viel geopfert hat. Die letzte, wichtige Feder ist hier bei mir. Um meinen Hals. Das erhitzte Metal und das klare Licht um mich herum signalisiert mir, dass ich diesem Albtraum entkommen bin.
Mit einem Seufzer versinke ich in die bezaubernde Ansammlung von weißen Kamelien in meiner Hand. Der frische Geruch wandert tiefer als jeder andere Duft über mein zitterndes Gemüt und jagt ein wenig die Unruhe hinfort. Aber das Glück, das sie Keisuke bringen sollen, fühlt sich in meinen Fingern so schwach an, als könnte es in jeder Sekunde von mir zerquetscht werden.
Warum hat der Nekomata mich heimgesucht? Er muss mich beobachten, meinen Fortschritt befolgen, denn etwas ist gestern Abend vorgefallen, was ihm nicht gepasst hat. Schon den ganzen Tag denke ich darüber nach, was es sein könnte, doch deutlich geworden ist es mir noch nicht. Ich sehe mich um – aber ich kann nichts Außergewöhnliches in den Reihen unserer Nachbarhäuser wahrnehmen.
Wäre es kein Nekomata, würde ich nicht vermuten, dass er mich bloß in den Wahnsinn treiben möchte. So aber würde es zu seinem Katzenwesen passen. Sein gespenstiger Besuch als Albtraum hat schon genügend auf mich eingewirkt. Zu sehr, wenn ich jetzt draußen stehe und nicht aufhören kann, mir den Kopf darüber zu zerbrechen. Lieber hätte ich über Keisukes Geschenk den Tag über gegrübelt als über sein bevorstehendes Schicksal.
Da bin ich heilfroh, dass die anstehende Nacht mit ihm mit dem Jaulen eines nicht unbekannten Motorrads eingeläutet wird.
Die untergehende Sonne hinter ihm bildet eine glühende, rubinrote Kugel, dessen Schimmer sich leicht auf seiner karamellfarbenen Haut widerspiegelt. Schatten greifen nach ihm, aber er fährt viel zu schnell, um von ihnen erwischt zu werden. Seine seidigen Haare wehen im Wind wie rasche, dicke Pinselstriche über einer blanken Leinwand, und es sieht so aus, als würde er mehr über den Wind herrschen als dieser über ihn. Als würde er darüber entscheiden, wann ein Tag wirklich zu Ende geht.
Da kommt er auf mich zu, die Welt ihm vollkommen unterliegend – der unbezwingbare, schöne Feuerengel. Meine unberechenbare Seelenhälfte, mein feuergefangener Keisuke.
Für eine Sekunde wünsche ich mir, er wäre so mächtig und hätte keine ablaufende Uhr über den Kopf schweben, könnte sehen, wie ich ihn sehe. Doch selbst wenn er es könnte, denke ich nicht, dass er dem glauben würde. Wir blicken oft genug unser Spiegelbild an und halten uns für jemand, der wir eigentlich nicht sind.
Er kommt vor mir zu stehen und stützt sich mit einem lässigen Grinsen am Lenkrad ab. Unter seiner Lederjacke trägt er ein lockeres, grau-schwarz gestreiftes Shirt. Er hat es schon so oft getragen, dass sich am Hals langsam der Saum löst, doch das verleiht ihm einen noch viel wilderen Look. „Was ist los, Prinzessin? Du siehst aus, als wärst du dem kopflosen Reiter begegnet."
Ich weiß nicht, ob ich ihm von meinem Albträum erzählen soll. Nicht den Inhalt, aber darüber, dass mich einer wachgehalten hat und noch verfolgt. Der Nekomata hat schon mehr als genug von meinem Tag beansprucht, dieser Abend sollte allein ihm und mir gehören. „Soweit ich mich daran erinnern kann, hat er ein Pferd und kein Motorrad", antworte ich ihm und erwähne in die Wange beißend trotzdem: „Ich hab' die Nacht nicht viel geschlafen."
„Ein Albtraum?", errät er problemlos.
Meine Nase versinkt zurück in den Kamelien, unbeholfen und angespannt, als könnte ich mich so vor seinen wachsamen Kupferfunken verbergen. „Womöglich...", murmle ich.
Geschwind stellt er sein Motorrad ab und kommt zu mir hinüber. „Sind die für mich?", fragt er rauchig, samtig, und zupft an einer der Blüten. Sein goldleuchtender Blick weicht nicht von mir.
„Die wolltest du doch", erinnere ich ihn an gestern Abend und versuche, bei seinem hinreißenden Anblick nicht einzuknicken.
Süffisant beugt sich sein linker Mundwinkel in die Höhe. „Hätte nicht gedacht, dass du das wirklich durchziehst. Darf ich?" Er hält mir seine offene Hand hin, umgehend drücke ich ihm den Strauß entgegen und meine Finger prickeln, als sie an seinen vorbei streifen. Jede noch so winzige Berührung macht mich verrückt. Verrückt nach ihm.
„Sie sind wirklich schön, Saejin." Mit der Nasenspitze voraus zieht Keisuke den Duft der Blumen ein, schnuppert ganz vorsichtig daran, als wolle er ihnen ja nicht schaden. Ein verträumtes Grinsen schleicht sich auf seinen Lippen und verleiht seinem hübschen Gesicht an Jugendlichkeit und Frieden zurück, als hätten ihn die Jahre in der Gang diese geraubt. So sehe ich ihn zum ersten Mal, so wirkt er noch schöner, liebenswürdiger als er bereits ist. Die Wirkung eines ungeschützten und viel zerbrechlichen Wesen auf ihn ist erstaunlich, herzerwärmend. Als würde das zarte Alter der Kamelien ihn daran erinnern, dass er selbst es noch ist und den Lasten seiner Vergangenheit an Macht und Kraft nehmen.
Er ist wie eine zertrampelte Blume, die es aus eigener Stärke herausgeschafft hat, trotz der vielen Verletzungen in vollkommener Blüte zurückzukehren und dabei nicht an Leuchten und Willen zu verlieren.
Mein Herz setzt aus, als ich ihn atemanhaltend dabei beobachte. Der Gedanke, ihn als einzige so zu sehen, lässt mich wirklich glauben, besonders zu sein. Für ihn.
„Mhm, die riechen echt gut", schwärmt er so warm, hingerissen und breit, dass die Welt sofort ein ganzes Stück besser, schöner wird.
Ich werde diesen Anblick eine lange, sehr lange Weile in meinem Herzen bewahren, denn ich bekomme nicht genug davon, ihn auf diese Weise zu bestaunen. Derartig fasziniert und entspannt, ein wenig zu verträumt in seiner Gedankenwelt, dass er still wird, als wäre er nur ein normaler Junge, der zum ersten Mal Blumen geschenkt bekommt. Und kein Verbrecher, der solche einfachen Dinge glaubt, nicht wert zu sein. Ich wünsche mir, er wäre es, ein normaler Junge – aber dann wäre er nicht mein Keisuke und das will ich nicht.
„Das sind aber nicht dieselben wie von gestern", stellt er fest und seine Brauen ziehen sich skeptisch zusammen.
„Das sind Kamelien", kläre ich ihn auf und berühre verlegen eine an ihren Blättern, um so seinem bohrenden Blick entkommen zu können, „ich hab' gehört, dass, wenn man einem Mann weiße Kamelien schenkt, dann bringen sie ihm Glück."
Augenblicklich nimmt sein Nasenrücken dasselbe Pink an wie der höchste Punkt am Horizont, seine Fangzähne rutschen aus seinen Lippen heraus. „Oh", brummt er, dann neigt er den Kopf etwas höher, über den Strauß hinaus und lächelt mich unwiderstlich breit und glücklich an wie ihn noch nie gesehen habe. Als hätte er sich noch nicht von dem schönen Gedanken verabschiedet, der ihm die Kamelien erbracht haben. „Aber ich brauche doch gar kein Glück, Saejin. Dafür habe ich dich." Das sagt er so frei, als hätte er keine Zweifel daran. Ich glaube, vom Boden abzuheben, da beugt er sich zu mir und küsst mich noch rechtzeitig auf die Stirn. „Danke, Prinzessin, ich werde gut auf sie aufpassen", flüstert er mit einem verwegenen Grinsen, bei dem mein Herz und Verstand sofort schwach werden, „auch wenn ich nicht so einen grünen Daumen habe wie dein Dad."
„Das macht nichts", beruhige ich ihn lächelnd und stupse ihn mit dem Finger gegen die polternde Brust, weil mich seine Worte so sehr bewegt haben, dass ich ihm nicht in die Augen schauen kann, ohne ihm inständig zu verfallen. „Ich weiß, dass du dein Bestes geben wirst und das reicht aus. Immer."
„Hast du dir heute zur Aufgabe macht, mich noch wahnsinniger zu machen als sonst? Oder warum bist du heute so charmant?" Er hört sich unnormal rauchig an, irgendwie scheu, was so gar nicht zu dem aufbrausendem Feuerjungen passt, dem mein ungestürmer Herzschlag gewidmet ist.
Ich neige das Kinn höher und gestehe ihm nach einem tiefen Atemzug: „Ich werde dir immer die Wörter sagen, die meine Liebe für dich auf mein Herz stickt. Ein „Ich liebe dich" würde niemals das zusammenfassen können, was ich für dich empfinde, Keisuke Baji."
Die Funken seines Kupfers zerspringen in kleine Diamanten eines bronzefarbenen Nachthimmels, als wir uns jeweils in die Seelenwelt des anderen verlieren. Seine ist leidenschaftlich, feurig, tiefsinnig; ein künstlerisches Meisterwerk, das mit den einzigartigen Farben eines starken und wilden Feuerherzens gezeichnet worden ist. Es ist einmalig, und nur mir gewidmet. Ich bin sein einziger Betrachter, sein einziger Liebhaber.
„Du treibst mich echt in den Wahnsinn, Prinzessin." Keisuke rückt so weit vor, bis mich der Vorhang seiner weichen Haare umfängt und die Welt um uns abschattet. Er sieht mich an, ich ihn. Es sind nur wir zwei, nur uns. Es gibt bloß Keisuke und mich. Es scheint das wichtigste zu sein, was wir gerade besitzen können, der Mittelpunkt unseres Universums. Seine Nasenspitze liebkost zärtlich meine. Für eine Weile schweigt er, schließt versiegelnd die Augen, als müsse er sich sicher werden, dass er nicht träumt. Falls es kein Traum ist, möchte er ihn unbedingt aufheben. Wie für schlechte Regentage.
Er ist so schön, so schön verloren in unserer Liebe, die ihn in einen Zwiespalt mit sich selbst zwängt. Weil er wohl glaubt, sie nicht verdient zu haben. Nicht als der Teufel, den er in sich sieht. Doch für mich ist er das nicht, und dieser Tatsache kann er nicht mehr entfliehen. Es scheint einer seiner schwersten Kämpfe zu sein, das zu akzeptieren, aber, als er die Lider öffnet und mich so hingebungsvoll anschaut, dass es mich prickelig schaudert, wissen wir beide, dass es sich gelohnt hat.
Als seine Glut werde ich seinem Seelenfeuer immer zu seiner alten Stärke zurückverhelfen.
„Ich erinnere mich an deine Worte, Saejin", fängt er leise mit seiner samtenen Stimme an, „du hast zu mir gesagt, das Leben mit mir wäre ein Abenteuer. Aber für mich ist das größte Abenteuer, dich zu lieben."
„Keisuke..." Ich bin nicht fähig Weiteres zu sagen. Dieses Geständnis bricht schmerzlicher auf mich ein als ich erwartet habe.
Meine Unterlippe bebt, ich zittere und kann die Tränen nur erschwert zurückhalten. Das Gewissen über sein Schicksal verwandelt seine Liebe plötzlich zu Gift um, das sich eiskalt in mir verteilt. Sein schönstes und leichteste Abenteuer könnte bald vorüber sein, und ich bin nicht mal mutig genug, um es ihm zu sagen. Nein, ich bin so selbstsüchtig und behalte es für mich, weil ich ihn nicht schon zuvor verlieren möchte. Weil ich lieber mehr von diesen Momenten will, mehr Momente, in denen die Zeit kurz erfriert. Kurz genug, dass ich in die Zukunft reisen kann und es dort entdecken kann: mein Happy End mit ihm. In diesem Universum.
Es ist genug, dass ich alles dafür tun werde, um sein Schicksal zu ändern. Zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich zu hundert Prozent, was ich will, und das ist Keisukes Schicksal sein.
„Saejin", spricht er liebenswürdig meinen Namen aus und mit einer Hand stützt er mich an der Wange hoch, damit ich ihn wieder anschaue. Abermals lächelt er, liebevoll und aufgeregt. „Bist du bereit für deine erste Fahrt auf einem Motorrad?"
Das ist also sein Geschenk. Endlich, endlich darf ich mit ihm fahren! Bei der Vorstellung, wie der Wind in mein Gesicht peitscht, wie er wohl schmeckt, weil ich bin mir sicher, er hat seinen ganz eigenen und besonderen Geschmack, und wie ich meine Arme um Keisuke liegen habe – wie eine gemeinsame Seele –, keine Macht außer die seiner würde unsere Leben bestimmen, kribbelt es heftig in meinem Bauch wie ein Schwarm Bienen. Eine Aufregung fesselt mich, schlägt das Gift binnen wilden Herzschlägen zurück.
„Natürlich!", fließt es ohne Stopp und Halt aus mir. Vor Aufregung weiche ich mit buttrigem Knie einen Schritt zurück. Zum Glück habe ich mich so weit in Griff, dass ich nicht noch auf- und abhüpfe wie ein freudiges, kleines Mädchen, dem er ihr Lieblingsplüschtier bei den Losen gezogen hat. „Wann geht's los?", hake ich nervös nach.
Er lacht rau, aber samtwarm und schüttelt den Kopf, die Blüten der Kamelien rascheln bei der gleichmäßigen Bewegung seiner Brust. Es ist dunkler geworden, aber durch sein Lachen wirkt alles so hell, als hätte die Sonne es sich nochmal überlegt und würde eine längere Runde um die Erdachse drehen. „Wie lange hast du wohl auf diesen Tag gewartet, hm?", meint er verschmitzt und grinst.
„So lange, dass ich es für unmöglich gehalten habe", antworte ich ihm gespielt vorwurfsvoll und verschränke die Arme.
„Das hat auch seinen Grund." Er kneift die Lippen zusammen, so dass sich nach seinen Worten seine Eckzähne in seiner Unterlippe verfangen und dort erstmal bleiben. „Es ist auch gefährlich", verteidigt er sich ernst dreinblickend, bevor er wieder zu grinsen beginnt und seine Kupferfunken ungebändigt und goldschimmernd aufleuchten. „Aber deshalb wirst du deine erste Fahrt mit dem schnellsten und besten Motorradfahrer aus ganz Tokio erleben."
Argwöhnisch blicke ich ihn an. „Bist du das, ja?"
Er nimmt den Strauß in einer Hand, mit der anderen schnippt er mir gegen die Stirn. „Ich werde es dir beweisen, Prinzessin. Also – wo soll es hingehen?"
Kichernd denke ich über eine Antwort nach. Während ich überlege, kann ich es nicht vermeiden, in sein mitreißendes Seelenfeuer zu blicken und das warme, innige Spiegelbild meiner Gefühle zu erkennen. Heute Abend sollte es nicht nur um mich gehen, sondern auch um ihn.
Er ist aus dem Staub denselben Sternes gemacht wie ich. Als dieser explodiert ist, hat er sich in exakt zwei Teile aufgelöst und auf der Welt verstreut. Jetzt ist er wieder zusammen, weil wir uns gefunden haben. Jetzt sind wir dieser Stern.
Wir können im Universum bleiben.
Oder gemeinsam als ein schwarzes Loch verschwinden.
„Ich möchte zu dem Ort, der dir am meisten bedeutet", lautet daraufhin meine Antwort.
Ein keckes Lächeln formt seine Lippen, als er ein Arm um meine Schulter liegt und mich an sich heranzieht. „Da bin ich doch schon", entgegnet er samtig.
„Idiot!" Augenrollend boxe ich ihm sanft in die Seite, mein Herz schlägt mir holprig gegen die Brust. „Bitte", flehe ich anschließend und setze ein extra süßes Lächeln auf. Glaube ich mal.
„Saejin..."
„Du musst mir nicht den Hintergrund zu deinem Ort erzählen, Keisuke."
„Aber ich würde es echt gerne, das ist das eigentliche Problem." Sein Grinsen schwindet, nun trägt er diesen quälenden Ausdruck im Gesicht, als würde er davon abneigen wollen, weil er mir nicht diesen wichtigen, doch düsteren Teil seiner Welt zeigen möchte oder kann. Das hier bedeutet ihm einfach zu viel, um es aus diesem Grund so selbstgefällig zu verlieren. Aber es könnte ihm auch diese Furcht nehmen, weil ich ihm dadurch beweisen kann, dass mich nichts von ihm losreißen wird.
Er grübelt mir zu lange, dass ich ihm bei seiner Entscheidung unterstützen möchte. So ducke ich mich aus seinem Arm, nehme seine Hand und führe sie an die Stelle, wo mein Herz fröhlich und verschossen das Lied unserer verbundenen Seelen summt. Es kennt jede Zeile in- und auswendig, kennt die Bedeutung der Lyrik, weil sie aus der Feder meiner Liebe für ihn geschrieben worden ist.
Irritiert, doch am meisten zerbrochen sieht er zu mir hinab. „Ich bin nicht ehrlich zu dir, Saejin", flüstert er angeschossen.
Ich weiß, und dennoch bin ich bei dir geblieben, hätte ich ihm gerne gesagt, aber das ist nicht so bedeutend wie das, was ich mir stattdessen in den Kopf gesetzt habe. Entschlossen umschließe ich seine Finger. „Hier drin wird sich nichts ändern", lasse ich ihn mit sicherer Stimme wissen und kann nicht sagen, ob er zittert oder ich, oder wir beide, „egal, was du vor mir verheimlichst, meine Gefühle bleiben für dich. Ich bleibe bei dir. Selbst wenn mich ein Nekomata mit einem Fluch belegen würde, keine Magie dieser Welt kann mein Herz beeinflussen."
Seine Lippen zucken. „Ein Nekomata? Du redest so einen süßen Schwachsinn, dass ich gar nicht weiß, wie ich dir noch widerstehen kann. Du bist echt gut darin, mir den Kopf zu verdrehen, habe ich dir das schon mal gesagt?"
„Lenk' nicht ab", ermahne ich ihn bissig und mit heißem Schädel. Ich bin meinem Ziel so nah, dass ich seinen gerissenen Dickkopf sicherlich nicht so blind den Sieg überlasse.
Er seufzt aus und das knappe Flimmern von Belustigung wird von unvermeidbarem Schmerz erstickt. Was immer er in meinen Blick gefunden hat, es ermutigt ihn. „Und du bleibst auch wirklich bei mir?", fragt er verzweifelt, flehentlich und entkräftet, wie die zertrampelte Blume die Sonne fragt, ob es sich lohnt, überhaupt weiterzumachen – oder nicht gleich aufzugeben, wenn man sowieso wieder auf ihr herumtreten wird.
Und die Sonne antwortet: „Du könntest mir das Herz brechen, Keisuke, ich würde dich nie gehenlassen. Du bist mein Ikigai. Ohne dich gibt es kein mich."
Dann zerbricht er, der dunkle Schmerz in seinen Kupferfunken und wird wehrlos von den Flammen verschlungen, die mich an jenes faszinierende Feuer erinnern, das die Gewalt meiner Eltern über mich in die weite Ferne des Horizonts fortgetragen hat. So nun auch sein Vergangenheitsschmerz. Ich kann mir nicht ausmalen, was er im kirschblühenden und sonnigen Frühling vor drei Jahren gedacht hat, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Wie er über mich gedacht hat. Aber was es auch gewesen ist, es hat hierzu beigetragen hat.
Seine Entscheidung, mich in seinen schützenden Wall aus Kleinigkeiten und Abenteuer aufzunehmen, hat dazu geführt, dass dieser langwidrige und widerspenstige Schmerz seiner Vergangenheit leiser, schwächer, geworden ist. Und es ist das großartigste und bedeutsungsvollste, was ich bis jetzt miterlebt habe. Von dem ich ein Teil sein darf.
„Okay", wispert Keisuke und nimmt mein Gesicht in seine Hände. So wenig sagt er selten. Bevor ich darauf eingehen kann, fügt er noch bei: „Ich könnte dir niemals wehtun. Vor allem nicht dein Herz brechen. Das ist zu wertvoll, sowie du."
Er hört sich komisch verschnupft an, seine Augen werden röter, als hätte er schlagartig eine Erkältung bekommen. Oder stünde den Tränen nahe, was ich für unwahrscheinlich halte. Keisuke würde nicht deshalb weinen, oder doch? Aufmerksam studiere ich sein schönes Gesicht, aber da ist schon dieses warme und glückliche Lächeln, das wieder einen ausgelassenen, jungen Frieden darüber bringt. Es beflügelt mein Herz, macht meine Welt um einiges leichter, und ich bin glücklich darüber, ihn auf derselben Ebene berühren zu können wie er mich. So kann ich ihm das zurückgeben, was er mir gibt und ihm zeigen, wer er wirklich ist. Was er wert ist. Für mich.
Eine Hand löst sich, um sich fest mit meiner zu verschränken. „Bitte wirf dich vor kein Auto mehr, Saejin", sagt er mit kratziger Stimme.
Verblüfft starre ich ihn an und kann seiner versteiften Mimik keine Emotion enträtseln. „Wieso?"
Sein Lächeln ist überaus traurig, sein Seelenfeuer ist darunter verborgen und nicht erreichbar für meine Augen. Sein Daumen streicht behutsam über meine Wange, so ungläubig, als würde er mich für einen Traum halten. Eine grauenhafte und düstere Vorstellung flackert über seinem angebrochenen Antlitz, die ihn schon jetzt alles abverlangt.
„Weil damit mein Herz keinen Grund mehr hätte zu schlagen", flüstert er mit der Vergänglichkeit, die auch in mir abläuft.
Nochmals muss ich an den einen Satz zurückdenken.
Es ist ein Schicksal, für seine Freunde zu sterben.
Aber nicht meinetwegen. Das verleiht mir Hoffnung.
Den Schlüssel um meinen Hals ergreifend lächle ich ihn hoffnungsvoll an. „Ich werde dein Herz mit meinem Leben beschützen."
Anstatt einer Antwort, beugt er sich einfach zu mir hin und legt seine Lippen an dem rechten Winkel meiner. Ich erschaudere.
„Du bist noch selbstloser als vor deinem Unfall", erwidert er anschließend und grinsend. „Das erinnert mich an die kleine, weiße Katze, die du gerettet hast. Sie hat mich auch beschützt und davon abgehalten, in deiner Abwesenheit dumme Dinge zu veranstalten. Sie hat dir irgendwie geähnelt, ein sturköpfiges Ding - aber ihre Augen, Gott, ihre sonnengelben Augen, ich liebe diese Augen wie ein Besessener. Ich würde duzente Autos mit einem Mal abfackeln, wenn ich so ihr Sternenleuchten erhalten kann."
Wenn er wüsste...
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„Halt dich gut fest." Das sagt er jetzt zum dritten Mal, seitdem ich hinter ihm auf dem Motorrad sitze. Allerdings sind wir noch kein Stückchen losgefahren. Wir haben nur die Kamelien in meinem Zimmer in einer Vase verstaut, bis wir wieder zurück wären.
„Wie fest denn noch?", jammere ich. Wie aufgefordert klammere ich mich enger an ihn und glaube nicht, dass da noch irgendein Spalt von Sauerstoff zwischen unseren Körpern liegt. Seine aromatische und benebelnde Duftwolke nach Regen und Sommer hüllt mich ein wie eine zweite, schützende Hautschicht.
Er hat eine Hand über meine gelegt, als würde er wie bei einem Sicherheitsgurt nochmal prüfen, ob er auch wirklich eingerastet ist. „Das sollte reichen", sagt er die erlösenden Worte, auf die ich schon die ganze Zeit gewartet habe.
„Du tust so, als wäre ich wie ein sperriges Kleinkind im Kindersitz", murmle ich trotzend.
Tief schnaubt er durch seine Nasenlöcher. „Du hast keine Ahnung, wie sehr ich mich dafür hassen würde, würde dir wegen meinen ungewöhnlichen Fahrkünsten etwas zu stoßen."
Er hat mich auch als Katze mitnehmen können, da sollte es als Mensch doch leichter für ihn sein. Diesmal muss er mich nicht noch festhalten. Er kann sich voll und ganz auf das Fahren konzentrieren. „Hast du vorher nicht noch erwähnt, du wärst der beste Fahrer in ganz Tokio?", ziehe ich ihn auf.
Er wirft einen nervösen Blick über die Schulter zu mir. „Ja, aber ich hab' scheiß Angst um dich. Es ist etwas anderes, wenn ich einen von den Jungs mitnehme. Die brechen mir nicht gleich in tausend Teile, wenn sie abstürzen."
Flüchtig sehe ich die Scheinwerfer von damals auflimmern, die mich aus meinem Leben katapuliert haben. Ich ziehe eine Grimasse, um meine Angst zu verschleiern. „Gib' mir noch 30 Jahre und dann wächst mir bestimmt auch ein Flaum als Bart. Nimmst du mich dann mit?"
„In 30 Jahren beschäftigen uns andere Dinge als ein altersbedingter Haarwuchs", erwidert er eilig. Sein Grinsen ist ganz ungetrübt.
Neugierig lehne ich mich gegen ihn. „Was denn zum Beispiel?"
„Job, Versicherungen, überteuerte Miete, monatliche Rechnungen, die man kaum bezahlen kann, weil man einfach über seinen Standard hinauslebt..." Er zuckt. „Dieser ganze Erwachsenscheiß. Oh, und Kinder."
Es wird mir ganz warm um das Herz, wenn er so über eine gemeinsame und völlig gewöhnliche Zukunft redet. Als wäre es möglich. „Ich will keine Kinder. Wenn dann lieber Katzen. Ganz viele. So 20 Stück", gehe ich darauf ein.
„20 Stück?", wiederholt er und klingt so, als hätte er etwas im Hals stecken, „wie willst du die alle versorgen? Wenn du die einmal vergisst zu füttern, bleibt von dir nicht mehr viel übrig."
„Die werden dich als Erstes fressen. Schließlich ist an dir mehr dran."
Er lacht; und wenn er lacht, fühlt es sich so berauschend an, als würde es wie Alkohol auf mich wirken. Dabei weiß ich nicht mal, wie es ist, betrunken zu sein. Doch so muss es sich anfühlen, schwebend, schwummerig, alles ausblendend, bis auf Heiterkeit und Freude. Kein Wunder bekommen manche eine Sucht da nach, meine Sucht ist ganz klar Keisuke Baji: Sein schiefes Grinsen, sein wilder Geruch, seine samtene, tiefgehende Stimme, sein Feuerherz. Ohne das kann ich nicht leben.
„Sehr lieb von dir, dass du mich vor unseren eigenen Katzen nicht schützen wirst", schmunzelt er zum Schluss.
„Das wäre ein Notfall", erkläre ich ihm kichernd.
„Achso, ein Notfall, ja?"
„Wir können auch die Steuerhaie an sie verfüttern." Doch meine Worte gehen unter dem lauten Knurren des anspringenden Motorrads unter. Es fängt unter mir zu vibrieren an, meine Brust jauchzt vor Enthiusiasmus und dem Unbekannten der nächtlichen Straßen.
„Lass mich nicht los. Kein einziges Mal. Versprich mir das, Saejin!", ruft er darüber hinweg. Sein Blick von Sorge fange ich im Seitenspiegel auf. Loslassen werde ich ihn nicht. Nicht heute, nicht Ende Oktober, nicht in Millionen Jahren ohne ihn.
Wie könnte ich dich auch loslassen? Ich will dich nicht aufgeben, will dich nicht hergeben. An niemanden. Du sollst es spüren, wie sehr du geliebt wirst. Von mir. Und vielleicht... ist das ja genug.
Tiefer und mit Herzschmerz in seiner wohlbekannten Duftwolke sinkend, lehne ich meine Wange gegen seinen starken Rücken und schließe die Augen, weil sie aus dem Nichts anfangen, zu brennen und zu jucken. Ich kämpfe gegen sie an, und noch mehr, dass ich nicht nennen möchte. Nicht jetzt.
Meine Arme schlingen sich so eng und schmerzlich um seinen Oberkörper an, als könnte ich ihn dadurch an mich binden. An ein Leben mit mir. Aber ich vergesse seine Vergänglichkeit nicht, vergesse nicht sein bitteres Schicksal und werde ihn niemals vergessen.
Gleich wird es losgehen, gleich wird er mich in seine Welt entführen und mich dort für den Rest seiner Abenteuerreise einschließen. Ich bin bereit dafür, schon seit 3 Jahren warte ich auf diese Fahrt, auf diese eine Nacht mit ihm.
Sie wird mich verwandeln, von innen heraus.
Zu seinem Mädchen.
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Als eine Katze habe ich mehr gerochen, mehr sehen können – doch als Mädchen, als sein Mädchen, fühle ich unvergesslich. Die Luft ist gleich, riecht gleich. Der kalte Wind ist anders, befreiender. Er geht durch die Haut, durch die Knochen, bis in mein gebrechliches Skelett. Als würde ich in ihm wiedergeboren werden. Er schmeckt eisig, wie schmelzende Eiskristalle auf der Zunge. Ein Vorbote des Winters. Die Lichter der Werbeanzeigen, Hochhäuser und Ampeln flackern, verschwimmen – wie ein Regenbogen, den man miteinander vermischt. Meine Haare sind eins mit dem Fahrtwind, so eins wie mein Herz mit seinem.
Lebhaftes Adrenalin kitzelt meinen Puls, meinen Bauch. Es ist nicht mit einer Achterbahnfahrt gleichzusetzen, kein kurzer Rausch und für einen Tag am Rummel ausreichend. Es ist Leben. Leben, das mich so benommen, so glücklich und träumerisch macht und mir das trunkende Gefühl gibt, über dem Universum zu stehen.
Es ist das Leben mit ihm.
Oft treffen sich unsere Blicke im Rückspiegel, mit demselben dümmlichen und sorgenlosen Grinsen. Oft streifen sie auch aneinander vorbei, wenn er mit den Kupferfunken weiter wandert: Zu meinem Gesicht, auf meine wirbelnden Haare, auf meine leicht geöffneten Lippen, weil ich mich in die betörende Kälte der Nacht vernarrt habe.
Es ist der Geschmack von allem Ende. Denn, wenn etwas zu Grunde geht, erstarrt es und wird bitterkalt. Mitten in der Entfaltung.
Sein Tempo ist nicht zu schnell, nicht zu langsam. Ich weiß, dass er normalerweise eine flottere Geschwindigkeit bevorzugt, den harten Todeshauch eher kostet als nur sein sanfter Freund. Aber heute geht er schon ein anderes Risiko ein, dementsprechend ist es eine Nebensächlichkeit.
Als wir nach einer Weile bei einer roten Ampel anhalten müssen, lehnt er sich etwas zurück und schielt zu mir. „Alles gut bei dir?", fragt er unruhig nach.
Wir sind mitten in der Stadt, mitten in geregeltem Chaos und verborgenen Individuen.
„Ja, wieso?" Mein Gesicht fühlt sich vom Winde geküsst und eingefroren an, obwohl ich mich hinter seinem Rücken versteckt habe. Manchmal. Ich hätte mir eine Jacke mitnehmen sollen, immerhin habe ich keinen warmhaltenden Pelz, der zu dieser Jahreszeit angenehm dichter wird.
„Weil du so... still bist", merkt er an und kein Lächeln ziert sein Antlitz. Er ist tatsächlich besorgt um mich.
„Ich glaube nicht, dass es dir gefallen hätte, hätte ich dir die Ohren voll gekreischt. Deshalb genieße ich es lieber im Stillen."
Nun neigen sich seine Lippen auseinander, wenn auch nur ein kleines bisschen. „Mhm, also magst du es?"
„Spinnst du?" Ich strahle ihn mit ganzer Begeisterung an. „Ich liebe es, Kei! Und das nicht nur, weil ich dir so unverschämt nah auf die Pelle rücken kann."
„Kei?" Sein Gesicht nimmt dieselbe Farbe wie die Ampel über uns an, als er hastig den Blick abwendet und die Eckzähne in die Unterlippe rammt. Dieser Spitzname trifft ihn unverkenntlich auf eine softe und intime Art, auf die er nicht vorbereitet gewesen ist. Oh, er ist so hinreißend, in solchen Augenblick kommt es mir so vor, als würde ich mich immer wieder in ihn verlieben können. In mehr seiner verborgenen Eigenheiten, seiner Schwächen und Stärken. „Dann wird es dir wohl nichts ausmachen, wenn wir das wiederholen", versucht er seine Verlegenheit zu überspielen, aber sein Ton ist zu rauchig, zu keisuketypisch. „Und zwar zur jeder Zeit, wenn du möchtest."
„Nein", widerspreche ich ihm und stütze mich mühsam zu ihm hoch, „wenn du es möchtest, Kei."
Er reagiert wie erwartet, indem er den Kopf zu mir zurückdreht – und keine Sekunde später drücke ich ihm einen süßen Kuss auf die Wange.
Ich sehe ihn direkt und mit ganzer Hingebung an. „Es geht nicht mehr nur noch um mich, sondern um uns."
Er lässt diese Worte auf sich einwirken, die Wimpern dezent über seine Kupferfunken gesenkt. Wann hat ihm jemand zum letzten Mal daran erinnert, dass auch er wichtig ist? Auch an sich denken soll?
„Danke", murmelt er und fährt nach dem fünften Hupen eines Autos hinter uns weiter.
Sein Ziel ist der Musashi-Schrein im Shibuya-Bezirk. Aber wir sind nicht die alleinigen Besucher.
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Hello ✧
Ich bin am Wochenende extra fleißig gewesen und habe schon früher als gedacht das neue Kapitel fertig.
Von einem düsteren Sprung direkt in die zuckersüße Verliebtheit der zwei Zuckerbacken. >//< Ach, der Gedanke an Halloween zerbricht mir das Herz... vor allem, wenn ich solche Szenen zwischen den beiden schreibe und an Bajis Schicksals denke..
Oh well, ich weiß immer noch nicht, wie ich es enden lassen soll. Aber zum Glück habe ich noch ein paar Kapitel...
Und wir können noch eine Weile beruhigt atmen!
Aktuell schwanke ich auch mit dem Gedanken eine Drabble-Sammlung zu ihren ersten drei Jahren zu starten, aber dafür ist es mir wichtiger, diese FF erst zu Ende zu bringen, ehe ich wieder ein neues Projekt starte.
Ich wünsche euch allen eine gute Restwoche. ✧
Sternige Grüße
Sternendurst
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