a pinky cat-promise.

Der Tierarzt hat die zwei anderen Katzen bei sich behalten. Er würde sie versorgen und sich darum kümmern, dass sie ein sicheres Zuhause bekommen werden. Außerdem hat er sich bei den beiden für ihren Mut bedankt, nach der Adresse der Fabrik gefragt, um so mit seiner gemeinnützigen Organisation noch weitere Tiere daraus zu befreien. Er versicherte meinen Dad auch, dass das Labor ihn normalerweise nicht anzeigen oder verfolgen würde, schließlich könnte er dasselbe machen. Straßenkatzen ohne Erlaubnis des Staates für Tierversuche zu verwenden ist verboten. Das müsste er selbstverständlich nicht mehr machen, weil er und seine Freunde sich darum kümmern würden. Sie wären wohl länger schon auf der Suche nach ihr gewesen. Er müsste sich auch nicht um die Kosten sorgen, die Organisation übernimmt solche Fälle. Außer Sayuris Chip – seine eigene Idee, weil er so gutmütig ist und glaubt, sie wäre meine beste Freundin – den muss er bezahlen.

Jetzt hat Keisuke zwei Katzen.

Seine Mutter wäre fast in Ohnmacht gefallen, als er gemeinsam mit meinem Vater ihr davon berichtet hat. Sie hat meinen Dad entsetzt angeschaut, doch der hat nur die Schultern gezuckt und dasselbe gerissene Grinsen aufgesetzt wie der Junge neben ihn. Nach einer weiteren Diskussion wegen den Kosten und Pflegeaufwand hat sie schließlich nachgegeben, denn Keisuke versprach ihr tatsächlich, sich um einen Mini-Job zu kümmern, um für die kommenden Kosten aufzukommen. Damit hat er sie überzeugen können. Ihr Sohn schien endlich eine gute und vernünftige Richtung einzuschlagen.

Ich freue mich für sie. Für Keisuke. Für Sayuri.

Sie hat die ersten Stunden verbracht, auf dem Bett herumzuspringen. Durch die Wohnung zu flitzen, mit Keisukes herumliegenden Socken zu spielen, bis sie es sich für ein Nickerchen auf seinem Kopfkissen gemütlich gemacht hat.

Mein Dad ist immer noch bei den Bajis im Wohnzimmer. Vermutlich bangt es ihn danach, heimzugehen und meine Mutter mit dem heutigen Ereignis zu konfrontieren. Sie wird wahrscheinlich eine Herzattacke bekommen und glauben, dass mein Vater nun auch von Keisukes wildem Feuer mitgerissen wird.

O man, armer Dad. Sie wird ihn mit Wörtern ausmetzeln. So richtig. Und das oder andere Kissen nach ihm schmeißen. Das kann ich mir gut vorstellen.

Plötzlich vermisse ich das.

Ich vermisse es, bei meinen Eltern zu sein. Diese einfachen Dinge mit ihnen zu machen, wie gemeinsam zu Abend zu essen oder einzukaufen. Mit meiner Mum abzuspülen, während mein Dad eine alte Schallplatte von Guns N Roses auflegt und dazu so peinlich tanzt, weil er so gar kein Rhythmus gefühlt besitzt. Er würde um uns herumtänzeln, und irgendwann würde er meine Mum damit so weit genervt haben, dass sie den Spüllappen nach ihm wirft. Ich würde in Lachen ausbrechen – bis mein Vater mich an die Hand nehmen würde. Dann würden wir beide so peinlich tanzen und diese dämliche Luftgitarre machen, dass wir das taube Gefühl haben, unsere Arme würden abfallen. Meine Mum würde nur den Kopf schütteln, ein kleines Lächeln auf ihren schmalen Lippen, und das letzte Geschirr trocknen. Diese Abende sind selten gewesen. Noch seltener habe ich mich an sie erinnert, dass ich über den Vergessen-mechanismus meines Verstandes schockiert bin. Er hat sie komplett ausradiert.

Diese seltene, liebenswürdige Seite meines Elternhauses. Diese Hoffnung, dass sie gar nicht so verstört und verrückt sind wie ich es mir eingeredet habe. Irgendwann haben wir alle nur angefangen, uns in diesem Teufelskreis einer verrückten Familie zu bewegen. Und jetzt, wo alles so schrecklich fern erscheint, erinnere ich mich an all diese guten Momente mit ihnen zurück.

Ich starre mit verlorenem Blick durch die Glasscheibe nach draußen und sehe mich dort in der unsere offene Küche mit meinem Dad dämliche Luftgitarren veranstalten. Wir hüpfen von einer Ecke zu anderen, mein pinkes Haar – damals noch in keinem kinnlangen Bob-Schnitt, weil ich mich da noch keine Mitschüler als ein Schweinchen beleidigt haben – klatscht mir wild in das Gesicht und wippt mit meinen Bewegungen mit. Wir ahmen den anderen nach, versuchen so synchron in einem Takt zu springen und Gitarre zu spielen, als wären wir ein und dieselbe Person. Als wären wir eine Familie. Außer Atem grinsen wir uns an, und dann schimpft meine Mum mit uns, weil wir wieder zu laut und sie sich nicht zu auf ihr Buch konzentrieren kann. Ach ja, jetzt erinnere ich mich daran: Sie hat versucht, ein eigenes Kinderbuch zu schreiben. Hat sie das eigentlich beendet? An einen Verlag geschickt? Darüber habe ich noch nie mit ihr gesprochen.

Wir alle haben unsere Fehler gemacht. Inklusive mir.

Ich habe immer nur die schlechten Seiten gesehen, das verfaulte Obst in meinem Garten der Erinnerung, aber ich habe sie lediglich weggeworfen. Ihnen keine Chance zu geben, um mir ihre andere Seite zu zeigen. Ich hätte sie nur einmal umdrehen müssen, um zu sehen, dass sich hinter ihrer vergrauten Schale eine reine und liebensvolle Schicht verbirgt. Eine, die so schnell gebrochen kann wie jede andere. Meine Eltern haben niemals versucht, perfekt zu sein, sondern vorsichtig. In ihren Schneckenhäusern abgeschattet wie ängstliche Kaninchen in ihrem Bau. Etwas muss dafür verantwortlich sein. Niemand zieht sich freiwillig vor der Welt zurück. Niemand, ohne von ihr verletzt worden zu sein. Sehr, sehr tief.

Plötzlich stieren mich zwei Bernsteinaugen auf der anderen Seite des Fensters an. „Peke J!", japse ich atemlos den Namen des schwarzen Katers und bemühe mich, nicht an der Spiegelung meines weißen Katzenkörpers zu zerbrechen. Ich will wieder Luftgitarre spielen können, will wieder bekloppt durch die Küche springen, und ich will verdammt nochmal Keisuke küssen.

Der Kater quetscht sich durch den kleinen Luftspalt. „Ich kann es nicht glauben!", redet er fusselig los und bekommt noch Schnappatmungen. Seine Augen strahlen mich mit völliger Bewunderung an, und ich erinnere mich daran zurück, wie Chifuyu und Keisuke diesen einen Stern angesehen haben. Genauso – wie eine Heldin.

„Was?", erwidere ich leise. Kann es sein, dass ich schon ein Sternenmädchen bin? Eines, das in diesem Universum auf der Welt leben darf? Bei ihren besten Freunden und ihrer Familie? Mein Sternenstaub... Ich kann ihn fühlen. Ich kann fühlen, wie er in meiner Brust prickelt wie Brause. Aber er löst sich nicht auf, er verfestigt sich. Etwas glättet sich, und auf einmal habe ich das Gefühl, dazu zu gehören. In dieser merkwürdigen Welt, in der ich mein eigenes, einzigartiges Universum gefunden habe.

„Du und Keisuke habt dieses Labor überlistet", grinst Peke J und holt mich zurück in das Hier und Jetzt. „Das hat sich schon überall herumgesprochen. Ihr zwei seid jetzt richtige Promis unter den Streunerkatzen." Seine Brust schwillt sich wie von selbst an. „Und ich bin stolz, ein enger Freund dieser Promis zu sein!" Er lacht, aber etwas in meinen Augen bringt ihn dazu, sich zu stoppen.

"Du bist bereit", stellt er nervös fest und seine Freude wird von Melancholie überrannt. „Dann müssen wir uns verabschieden..." Er senkt den Kopf.

Ich gehe auf ihn zu und lehne meine Stirn gegen seine. „Das ist kein Abschied, Peke J. Ich hasse Verabschiedungen", versichere ich ihm sanft. Ganz automatisch fangen wir beide zu schnurren an.

"Was ist das dann?", fragt er leise.

"Ein letzter Austausch von Tiefgründigkeit."

Ich sehe es nicht, aber ich spüre es, wie er nachgibt, vorrückt, um sich an mich zu lehnen. Als hätte er dasselbe in mir gefunden wie ich in ihm: einen Freund fürs Leben.

"Ein letzter Austausch?", hakt er nach, aber seine Stimme zittert auch vor Nervosität. Oder ist es Angst? Doch wovor? Meine Antwort etwa? Die ist nicht schlimm. Für niemand.

Deshalb lächle ich ihn nur besänftigend an, als ich so von ihm weiche, dass wir uns ansehen können. „Wenn ich wieder ein Mensch bin, werden wir uns nicht gegenseitig verstehen können. Nicht so klar wie jetzt."

"Aber wir bleiben doch Freunde, oder?" Er sieht mich zweifelnd an.

Ich nicke. „Natürlich, Peke J! Man sagt zwar, der Hund ist des Menschen besten Freundes – aber bei mir ist das eindeutig danebengegangen. Bei mir ist es ein schwarzer, frecher Kater."

Er strahlt; jedenfalls seine Bernsteine und seine Worte. „Erwarte von mir nicht, dass ich so bescheuert bin und dir einen Ast holen werde, sobald du ihn wirfst."

Wir beide müssen lachen.

Mein Herz ist nicht so leicht, dass ich mein Lachen von einem rauen Nebenklang befreien kann. Es ist wie ein falsches Nebengeräusch, das dort nicht dazu gehört. Peke J fällt das sofort auf, selbstverständlich tut es das.

Er blickt mich forschend an. „Kann ich dich nochmal um ein Versprechen bitten?"

Meine Sicht mag durch Tränen verschwommen sein, aber das warme Strahlen seiner Bernsteine berührt mein Herz auf eine Art wie kein anderes Seelenleuchten zuvor. Als würde dort, in meinem Herzen, ein kleiner Funke seiner Seele einziehen. Wie eine Narbe, aber eine schmerzfreie und schöne Narbe. Eine, die mich immer an ihn erinnern wird.

"Ein Pinky Promise, also?", lächle ich sanft und heiser, hebe meine rechte Pfote so an, dass ich ihm meine seitlichste Kralle wie einen kleinen Finger hinhalte. „Ein Pinky Promise darf niemals gebrochen werden."Er grinst begeistert, laut und ansteckend.

"Das habe ich schonmal bei Kindern gesehen!", strahlt er und zögert nicht, um mir nachzuahmen. Dann trifft eine tiefe Schwermut seine Züge und seine Bernsteine dimmen ab. Er starrt mir direkt in die Seele, aber mehr besorgt als eindringlich. „Versprich mir, dein Leben so zu gestalten wie du es willst, ja? Probier' dich aus, und wenn du fällst, gib niemals dich auf. Lass dir von keinem einzigen Menschen sagen, wer du zu sein hast, ja? Nur du entscheidest darüber, wer die wahre Saejin ist." Es ist, als würden genau diese Worte seine Narbe in meiner Seele versiegeln.

Ich nicke und vollführe den letzten Schritt, indem ich unsere äußersten Krallen ineinander verhake. „Versprochen, Peke J."

Wir sehen uns an. Für ein letztes Mal.Für ein letztes Mal sind wir Katze und Katze. Aber ich glaube fest daran, wir werden uns nun von fortan immer so ansehen. So, als hätten wir ein Teil unserer Seelen miteinander ausgetauscht. Eine Träne des Abschieds für eine andere, ein aufrichtiges Lächeln für ein anderes, ein Kapitel für eine gemeinsame Geschichte.

Hier endet es nicht.

Hier fängt sie es richtig an – unsere Geschichte.

Meine Seele wird wieder in die richtige Hülle übergehen, aber mein Herz bleibt dasselbe. Und in diesem habe ich diesen schwarzen Kater ganz fest eingeschlossen. Doch meine Erinnerungen enden genau da. Ich weiß nicht, was danach passiert ist, ich kann mir nur schwach daran erinnern, wie wir noch eine Weile auf dem Geländer vor Keisukes Zimmer gesessen sind, die Köpfe dicht nebeneinander und die Nähe des anderen so eingesogen haben, dass sie sich mit dem Sternenstaub unserer Seelen vermischt hat. Irgendwann habe ich mich schließlich mit einem unbeschreiblich schweren Herz verabschiedet, aber statt einem „Tschüss" kroch nur ein heiteres „Bis bald" über meine Lippen.

Dann bin ich zu meinem Elternhaus gegangen, durch mein offenes Zimmerfenster gesprungen.

Da ist meine Mom an meinem Bett gekauert, neben ihr ein Koffer und in ihren Händen ein Ticket, das einem Flugticket sehr ähnlich gewesen ist.

Sie hat bitterlich geschluchzt. So sehr, dass es wie ein Echo in meinem Herz schallte und sich bis in mein Skelett durchfraß. Ich habe meine Mum noch nie in dieser gebückten Haltung gesehen, mit einem Büschel von Pink statt glatt gebürsteten Haaren und einem cremefarbenen Pulloverkleid, das ihr viel zu groß ist. Sie war gebrochen. Ich hatte sie gebrochen. Dieser starken Frau schien man auf grausamste Weise das alles Wichtige genommen zu haben, wie der Kern ihres Herzens und ihres Stolzes. Wie ihr Willen zu leben.

Die Schuldgefühlte machten meine Brust schwer, ich ging auf sie zu und fragte besorgt: „Mama, ich bin wieder zurück. Du musst dir keine Sorgen mehr um mich machen."

Sie hob den Blick an und hörte sich eigenartig hoffnungsvoll an. „Saejin?"

Als sich unsere Augen trafen, bin ich von einer Dunkelheit umgeben gewesen. Eine Dunkelheit, die alles um mich herum in ein schwarzes Nichts getaucht hat. Sie hat sich von allen Seiten weiter zu mir durchgedrängt, hat jeden Fleck Farbe und Licht verschlungen. Statt wie immer dagegen anzukämpfen, hat mich mein wummerndes Herz dazu ermutigt, mich ihr hinzugeben. Ich habe ihm gefolgt, und mit einem Wimpernschlag ist alles stockfinster gewesen.Es umfing mich eine entsetzliche Kälte. Ein seichtes Gefühl wie der nahestehende Tod.

Ich habe an meine Eltern gedacht, insbesondere an meine Mutter und ihr entsetzliches Weinen. An Chifuyu. An Peke J. An Keisuke.

Ein friedliches Blinzeln, und dann ist da dieser leuchtende Punkt vor mir aufgetaucht. Ob ich oder das Licht geschwebt haben, oder wir beide, das habe ich nicht genauer erforscht. Ich bin viel zu fasziniert von diesem Licht gewesen. Und es sind mit jedem weiteren stolperndem Herzschlag mehr geworden. Immer mehr. Und mehr.

Unzählige Lichter gingen an.

Bis das Nichts von diesem gänzlich eingenommen worden ist.

In den letzten Sekunden sind meine Gedanken nur an Keisuke und sein Feuerherzen gewidmet gewesen. Seine zerzausten Haare, sein schräges Grinsen, das tosende Feuer in seinen tiefen Gebirgsaugen und wie schnell er die Kontrolle über seine eiserne Fassade verliert, wenn ich ihn zu tief anstarre. Wir haben schon immer ein Chaos in dem anderem verursacht. Ein Chaos, das wir bis heute noch nicht in Ordnung gebracht haben. Wie würde unsere gemeinsame Zukunft aussehen, wenn wir es endlich gemeinsam anpacken würden? Bunt wäre es, ein Regenbogen aus all den Farben, die aus der Flamme unserer Liebe sprießen würden. Ich habe unendlich viele Bilder im Kopf, die ich am liebsten malen würden, um diese Zukunft für immer festzuhalten.

Nur er und ich.

Zwei Sterne, die zu einem einzigen zusammenschmelzen.

Und dann ist das Licht um mich herum explodiert.

Es ist etwas geschehen, das wie ein Urknall auf mich wirkte und in eine alte Form zurückschleuderte.

Jetzt...

Jetzt bin ich hier.

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