Zu früh?

Ich legte meine Hand in seine und spürte, wie ein Kribbeln durch meinen Körper zog, als seine schmalen Finger sich um meine Hand schlossen. Schüchtern sah ich ihn an und er lächelte warm. 
"Bereit?" fragte er mich erneut und ich konnte nur nicken.
Er lächelte und wir gingen die Treppe hinunter. Als wir draußen auf die Straße traten, sah ich in den Himmel und seufzte auf. "Der Regen hat sich verzogen", sagte ich unbedacht. Harry sah zu mir und lächelte. "Dann haben wir hoffentlich einen schönen Sonnenuntergang. Wär doch romantisch, oder?" sagte er zwinkernd. 
Ich wurde sofort rot und lächelte.

Er führte mich zu einem schwarzen Wagen, hielt mir die Tür der Beifahrerseite auf. "Steig ein!" forderte er lächelnd. Schmunzelnd stieg ich in den Wagen und sah ihn an. "Du bist kein Kidnapper, oder?" fragte ich ihn scherzhaft. Der Lockenkopf lachte auf und schüttelte grinsend den Kopf. "Zu anstrengend. Das ganze Knebeln und Fesseln, das macht doch nur Spaß, wenn der andere es auch will!" antwortete er frech und mir klappte der Mund leicht auf, während er mit einem amüsierten Lachen die Autotür zuschlug und um den Wagen herumlief. 

Während ich noch verarbeitete, was er gerade gesagt hatte, fuhr er bereits los und reihte sich in den mittlerweile dichten Stadtverkehr ein. Er hatte mich aus dem Konzept gebracht, das war sicher. 
"Also, wo fahren wir hin?" fragte ich ihn neugierig, vor allem um davon abzulenken, dass in meinem Kopf ein ganz anderer Film ablief, der definitiv Fesseln beinhaltete. Unruhig spielte ich mit meinen Fingern, um mich selbst zu beruhigen. 
"Raus aus Manchester", antwortete Harry locker. "Du hast sicher Hunger, oder?" 
"Ja, total", antwortete ich und fing an zu lächeln. "Wir gehen also essen?" 
Harry sah kurz zu mir und nickte. "Ja. Es gibt da ein französisches Restaurant, das habe ich bei meiner letzten Reise hier entdeckt. Es ist traumhaft schön und das Essen schmeckt auch. Und da die Temperaturen jetzt wieder besser sind, könnten wir in dem kleinen Gartenbereich essen, wenn du nichts dagegen hast?!" 

Sofort grinste ich. "Das klingt echt toll!" sagte ich begeistert und meine Anspannung ließ endlich nach, mit jeder Minute, die er neben mir saß. Harry strahlte eine so selbstbewusste Ruhe aus, dass man sich ganz automatisch bei ihm wohlfühlen musste. 
"Und wo wohnst du?" fragte ich ihn, während ich sein Seitenprofil musterte. "Ursprünglich aus Holmes Chapel. Und mittlerweile wohne ich in New York", antwortete er. Beeindruckt riss ich die Augen auf. 
"New York City?" rief ich aus. Harry lachte auf und nickte. "Genau, ja." 

Erneut völlig beeindruckt seufzte ich auf. "Das muss so schön sein! Ist es schön dort? Ich war noch nie aus England weg, okay, einmal...aber das zählt nicht, wir waren nämlich in Schottland!" plapperte ich vor mich hin.  
Harry sah schmunzelnd zu mir. "Wieso warst du noch nie weg von hier?" 
Er wirkte ehrlich interessiert, weshalb ich auch bereit war, ihm ehrlich zu antworten. "Meine Mom hatte nie viel Geld. Am Ende des Monats blieb nicht viel für Rücklagen, und die, die sie hatte, musste sie für Reparaturen oder Schulutensilien ausgeben", sagte ich schulterzuckend und sah aus dem Fenster. Wir hatten Manchester bereits hinter uns gelassen und ich vermutete, dass wir wohl bald da sein würden. 
"Das ist schade. Du und dein Café würden fantastisch nach New York passen." 
Sofort sah ich wieder zu ihm. "Wie bitte?" fragte ich lachend. Er sah wieder kurz zu mir. "Dein Café hat so einen tollen und besonderen Vibe, die New Yorker würden total drauf stehen. Dieser englische Vintage, denk nicht, ich hab den alten Plattenspieler nicht bemerkt", sagte er mit einem Grinsen. 

"Schon wieder so ein schönes Kompliment", sagte ich leise und lächelte ihn fasziniert an. Harry schmunzelte. "Bekommst du die nicht oft?" fragte er mich neugierig. 
"Das kommt darauf an, wie man oft definiert", antwortete ich unverfänglich. Harry fuhr auf einen Hof und staunend sah ich zum Haus, dass vor uns emporragte. Es handelte sich um ein altes, britisches Herrenhaus, umgeben von unendlich vielen Rosenbüschen. Der Garten war perfekt gepflegt und hergerichtet und ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. 
"Wow", hauchte ich. 
"Oder? Ich liebe es hier!" rief Harry begeistert aus, parkte den Wagen und wir stiegen aus. Der Lockenkopf lief um den Wagen herum und kam zu mir, legte die Hand auf meinen unteren Rücken und sah mir lächelnd in die Augen. "Na komm", forderte er mich sanft auf. 

Fest biss ich mir auf die Lippe, damit ich mein Grinsen nicht ganz so zeigte, während wir um das Haus herum liefen in den angrenzenden Gartenbereich, der ebenso mit Tischen und Stühlen bestückt war. Harry hielt die Hand auf dem ganzen Weg an der Stelle, verpasste mir eine Gänsehaut damit. Als wir an dem Tisch ankamen, schob er mir den Stuhl vor, damit ich mich setzen konnte. Mein Herz spielte völlig verrückt, denn der Mann vor mir verhielt sich durch und durch wie ein wirklich anständiger Kerl, behandelte mich gut. Es war etwas völlig Neues für mich, etwas, dass mir unglaublich gut gefiel. 

Ich sah mich einen Moment um und ein noch breiteres Grinsen entstand auf meinem Gesicht. Der Garten war so herrlich bepflanzt, dass es um uns herum aussah, als wären wir in einem romantischen, englischen Film gelandet. Als ich eine Schaukel entdeckte, quietschte ich leise auf und schlug mir erschrocken im nächsten Moment die Hand vor den Mund und wurde knallrot. Harry lachte leise und ich sah ihn beschämt an. 
"Was war das denn?" fragte er amüsiert. 
"Ich habe nur...da hinten, da ist eine Schaukel", sagte ich und zeigte darauf. "Hast du je etwas kitschigeres gesehen? Ich liebe alles daran!" fügte ich hinzu. 
Er nickte mir zustimmend zu. "Ich sage ja, dass hier ist ein wundervoller Ort", sprach er leise. Plötzlich sahen wir uns einfach nur in die Augen, während wir beide gleichermaßen sanft lächelten. Seine Augen waren wirklich besonders. Sie waren groß und sanft, hatten ein wundervolles Grün, mit leichten Goldsprenkeln darin.  
Wir sagten nichts, blickten uns einfach nur an, bis sich neben uns jemand räusperte. 

Erschrocken sahen wir zu der Kellnerin, die uns herzlich anlächelte und darauf zu warten schien, das wir unsere Bestellung aufgaben. Ich lachte leise und nahm die Karte in die Hand. "Ich habe noch gar nicht reingeschaut", sagte ich amüsiert. 
"Wir hätten gern eine Flasche Weißwein, einen trockenen, es kann gern ein guter, französischer sein", sagte Harry zu ihr. "Und zwei Gläser", fügte er hinzu und blickte mich dann an. "Oder möchtest du lieber etwas anderes?" 
Ich schüttelte sofort den Kopf. "Nein, Weißwein klingt toll!" antwortete ich ihm, musterte sein Gesicht und konnte nicht umhin, seine Lippen genauer anzusehen. Als darauf ein Schmunzeln erkennbar war, sah ich wieder auf in seine Augen. 
"Wollen wir aussuchen, was wir essen?" fragte er mich amüsiert. 

***

Während des Essens hatten wir uns weiter unterhalten und als wir das Besteck weglegten, fühlte ich mich unglaublich wohl in seiner Gegenwart. Wir lachten zusammen, er stellte kluge Fragen und es gab keinen einzigen Moment peinlicher Stille. 
Noch einmal hob er das Glas an und sah mir in die Augen. "Auf diesen wundervollen Abend", sprach er leise und wir stießen an.
"Es war wirklich wundervoll. Danke für die Einladung", sagte ich lächelnd.
"Wie jetzt, es war wundervoll? Ist unser Date vorbei?!" fragte er gespielt entrüstet. Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. "Wenn's nach mir geht nicht, nein." Ich blickte zur Schaukel. "Jedenfalls so lange nicht, bis wir beide diese Schaukel getestet haben!" 

Harry folgte meinem Blick, lachte und sah mich verwirrt an. "Du willst ernsthaft schaukeln?" hakte er nach, ich nickte sofort. "Du etwa nicht?"
Er zuckte mit den Schultern. "Ich glaube, ich habe schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr geschaukelt. Übrigens ein guter Moment, um zu fragen, wie alt du bist", sagte er lachend. Ich grinste. "29, und du?"
"28", sagte er. 
Lächelnd nickte ich. "28 ist meine Lieblingszahl." 

Harry schmunzelte und stand auf, hielt mir seine Hand hin. "Dann kann ich wohl nicht anders, als mit dir schaukeln zu gehen, hm?" 
Ich legte die Serviette weg und stand auf. "Nein, das musst du jetzt tun", antwortete ich grinsend. Gemeinsam liefen wir zur Schaukel, die breit genug war, damit wir uns beide darauf setzen konnten. Die untergehende Sonne ließ alles um uns herum warm leuchten und ich seufzte genießerisch. Die plötzliche Nähe, als wir uns darauf platzierten, sendete einen Schauer meine Wirbelsäule entlang. Unsere Oberschenkel berührten sich und ich sah auf auf die Stelle, dann blickte ich zu ihm. Er sah bereits zu mir und unsere Blicke trafen sich, eine Sekunde hielt ich die Luft an. 
"Ich muss schon sagen, die Brille steht dir fantastisch. Hättest du die heute Vormittag aufgehabt, dann hätte ich dich direkt hier hin entführt", sprach er leise. Lächelnd biss ich mir auf die Lippe. "Du siehst auch...du bist unheimlich attraktiv", flüsterte ich nervös, kniff beschämt die Augen zusammen und seufzte. 
"Oh man, ich schlage mich wirklich schlecht", fügte ich mit einem leisen Lachen hinzu. 

Harry lächelte, dann legte er die Hand sanft an meine Wange, ließ mich stocken. Er musterte mein Gesicht, während sein Daumen leicht über meine Haut strich. 
"Ich finde, du schlägst dich ziemlich gut. Ich genieße den Abend", sagte er. Ich blickte ihn mit großen Augen an.
"Ich auch", hauchte ich. 
"Louis, wäre es deiner Meinung nach zu früh für einen Kuss?" 

Ich schluckte und blinzelte perplex. War es zu früh für einen Kuss? Wie waren die Regeln für erste Dates? Ich wusste es nicht, alles was ich wusste, war, dass ich ihn unglaublich gerne küssen wollte. War es zu früh, wenn beide es gleichermaßen wollten? Wenn es sich gut anfühlte? Ein wenig überfordert zuckte ich mit den Schultern. 
"I-Ich denke nicht, nein", flüsterte ich und sah für eine Sekunde auf seine Lippen, dann wieder in seine Augen. Er lächelte, sein Blick wurde warm und er kam mir näher. "Na Gott sei Dank. Denn ich kann es kaum erwarten", wisperte er.
Seine Lippen waren so nah an meinen, mein Herz begann kräftig zu schlagen und mit einem Mal war ich so fürchterlich nervös. Seine Hand streichelte über meine Wange und dann überbrückte ich den minimalen Abstand zwischen uns und legte die Lippen auf seine. 
Er erwiderte sofort und ich wusste in diesem Moment, dass ich nie einen schöneren Kuss erhalten hatte. 

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