Mach dir keine Sorgen
3 Monate später
"Louis?" rief die kleine, zarte Stimme und ich schmunzelte, während ich in der Abstellkammer hinter dem Regal hockte und darauf wartete, dass Sarah mich finden würde. Verstecken spielen war mit Abstand ihr liebstes Spiel geworden und ich konnte ihr die Bitte danach beinahe nie ablehnen. Und genau deshalb saß ich nun hier und wartete, bis die Kleine mich fand. Ich konnte ihre Schritte hören, die sich langsam näherten, dann war Stille für einen Moment. Ich presste die Lippen aufeinander, um kein Geräusch zu machen.
"Lou?!"
Vor Überraschung riss ich die Augen auf. Meinen Spitznamen hatte sie bisher noch nie verwendet. Dann hörte ich die Schritte näher kommen und plötzlich stand sie vor mir. "Gefunden!" quietschte sie und fiel mir um den Hals. Lachend umarmte ich sie.
"Du wirst zu gut in dem Spiel. Wir müssen so langsam mal woanders Verstecken spielen", sagte ich grinsend und sie lächelte mich an und strich mir über die Wange. So wie Harry es immer tat. Sarah hatte sich in den vergangenen drei Monaten einiges abgeguckt, was er und ich taten, um Zuneigung zu zeigen. Das Streicheln über die Wange, der Kuss auf die Stirn und das Umarmen, all das hatte sie gesehen und verknüpft, tat es nun bei uns auch. Immer, wenn sie das tat, fühlte ich mich noch besser, denn sie fügte sich in unser Leben so ein, wie wir es uns vorgestellt hatten. Als wäre sie das fehlende Puzzleteil gewesen, eine Lücke, die sie füllte und uns damit jeden Tag glücklicher machte.
"Wo ist Hazza?" fragte sie mich und ich lächelte sie an. "Er ist arbeiten, aber bald zurück. Wollen wir etwas für ihn kochen?"
Begeistert nickte sie, rannte in die Küche und stellte ihren Hasen auf einen der Stühle, ehe sie sich zu mir drehte.
"Was willst du essen?" fragte ich sie mit einem Blick in den Kühlschrank. Viel hatten wir nicht da, denn ich hatte verschwitzt, einkaufen zu gehen. Sarah stellte sich neben mich und setzte den gleichen, prüfenden Blick auf, dann grinste sie scheu.
"Pizza!"
Ich lachte und schüttelte den Kopf. "Wir können nicht immer nur Pizza essen, weißt du? Das ist nicht gut für kleine Prinzessinnen, die brauchen auch mal Grünzeug!" antwortete ich ihr mit einem Zwinkern und sie reagierte mit einem Seufzen. Schmunzelnd hob ich sie hoch und ging mit ihr zurück in die Abstellkammer.
"Wie wäre es mit Lasagne? Das ist fast Pizza, aber mit Gemüse drin!" schlug ich ihr vor und sie nickte, war aber eindeutig skeptisch. Zufrieden nahm ich die Lasagneplatten aus dem Regal und ging zurück in die Küche. Gerade wollte ich starten, da unterbrach mich mein Handy.
Es lag auf der Arbeitsplatte und ich griff danach, lächelte breit als ich den Namen las. "Jetzt ruft er an, dann kommt er gleich", sagte ich zu Sarah, ehe ich den Anruf annahm.
"Hey mein Schatz", begrüßte ich ihn.
"Darling? Kannst du mich abholen kommen eventuell?" fragte er und klang müde. Ich runzelte sofort die Stirn.
"Vom Atelier?" fragte ich ihn, was er mit einem leisen "Ja" bestätigte. "Haz, was ist los?"
Er seufzte. "Ich kann kein Auto fahren, ich habe schon wieder Probleme mit dem Sehen. Ich brauche wohl ehrlich endlich eine Brille", sagte er mit einem leisen Lachen. Seine Sorglosigkeit verstand ich kein bisschen, weshalb ich den Kopf schüttelte.
"Nein, du musst zu einem Arzt, nicht zum Optiker!" entgegnete ich deshalb und griff nach den Wohnungsschlüsseln, er antwortete darauf nur mit einem Seufzen. "Wir sind gleich da, ich gehe los."
"Wohin gehen wir?" fragte Sarah, als ich sie absetzte und ihr ihre Jacke anzog. "Wir holen Hazza von Arbeit ab", antwortete ich ihr lächelnd. Die Kleine fing an zu strahlen und hüpfte auf und ab. "Hazza!" rief sie glücklich und ich lachte leise, half ihr mit den Schuhen und zog mich dann selbst an. Sarah liebte Harry und wenn er da war, bekam sie nie genug von ihm. Er musste Vorlesen, Kuscheln, Haare bürsten, mit dem Hasen spielen und noch einiges mehr, alles Dinge, die ich nicht tun durfte. Es war manchmal nicht einfach, da nicht eifersüchtig zu werden, doch ich wusste, dass man solche Dinge nicht erzwingen konnte. Und ich wusste auch, dass sie mich genauso mochte wie ihn, denn nur ich durfte sie zu Bett bringen am Abend.
"Na komm", sagte ich und wir machten uns gemeinsam auf den Weg zum Atelier.
Solche Anrufe von Harry waren in letzter Zeit häufiger vorgekommen, denn die Tage, an denen es ihm nicht besonders gut ging, hatten sich gehäuft. Ich machte mir riesige Sorgen um ihn, doch er tat alles immer ab, sagte, dass es nur daran lag, dass er eine Brille bräuchte oder den Tag vorher nicht genug getrunken hatte. Ich verstand ihn nicht, hätte ihn am Liebsten eigenhändig zu einem Arzt gezerrt, doch er weigerte sich aus irgendeinem Grund. Doch mein Geduldsfaden war jetzt am Ende, weshalb ich beschlossen hatte, ihn heute noch zum Arzt zu fahren. Er diskutierte vor Sarah nicht mir mir und ihn jetzt mit ihr im Schlepptau abzuholen bedeutete, dass ich ihn ohne große Diskussionen zu seinem Arzt bringen konnte. Es war zwar unfair, doch das hatte er davon, wenn er sich weigerte, selbst zu gehen. Ich trug Sarah den halben Weg, denn es waren mindestens dreißig Minuten und dafür war sie eindeutig noch zu klein. Als wir ankamen, klatschte sie glücklich in die Hände und griff nach der Eingangstür. Lachend machte ich auf und sah sie an.
"Wir sind ja schon da", sagte ich, amüsiert über ihre Ungeduld. Im zweiten Stock angekommen, klopfte ich zunächst an die Tür, ehe ich eintrat.
"Hazza, wir sind da!" rief ich und erstarrte im nächsten Moment.
Er lag hinter seiner Kamera und regte sich nicht. Mein Puls schoss in die Höhe und ich setzte Sarah ab, die sofort zu ihm rennen wollte, doch ich hielt sie auf. "Warte einen Moment. Hazza scheint zu schlafen, ich wecke ihn lieber ganz vorsichtig okay? Wir wollen ihn ja nicht erschrecken. Bleib hier stehen, Schatz", sagte ich mit zittriger Stimme und war dankbar, dass Sarah artig genug war. Auch wenn sie mich ein wenig verwirrt ansah, sie blieb stehen.
Ich eilte zu Harry und hockte mich neben ihn, doch er war nicht ansprechbar. "Baby", hauchte ich erschrocken, zog mein Handy hervor und rief einen Krankenwagen. Meine Hände zitterten so heftig, dass ich selbst überrascht war, dass es auf Anhieb funktionierte.
Ich rüttelte an Harry, während ich versuchte, möglichst unauffällig zu handeln, um die Kleine nicht zu erschrecken. Er rührte sich nicht und ich bekam immer mehr Panik, prüfte seinen Puls und atmete erleichtert aus, als ich ihn fühlen konnte. Meine nächste Nummer, die ich anrief, war Zayn.
"Hey Großer", meldete er sich fröhlich.
"Zayn", hauchte ich. "Es tut mir leid, aber kommst du bitte zum Atelier und holst Sarah? Etwas stimmt m-mit Harry nicht."
"Was? Oh scheiße, ja, ich bin ganz in der Nähe, ich bin gleich da!" rief er und legte auf. Ich ließ das Handy fallen und schluchzte leise auf, denn es fiel mir so schwer, ich konnte meine Tränen einfach nicht zurückhalten. Harry war ganz blass und ich legte die Hand auf seine Wange, streichelte ihn und versuchte erneut, ihn aufzuwecken, ohne Erfolg.
"Lou?" fragte Sarah leise.
Mit einem krampfigen Lächeln sah ich sie an, während sie mit großen Augen auf Harry blickte, in ihrem Blick war Angst erkennbar. Ich nickte und zog sie in meine Arme. "Hazza schläft noch ein bisschen, ja? Mach dir keine Sorgen. Weißt du, wer gleich kommt? Dein Onkel Zayn!" sagte ich und sie sah sofort zu mir.
"Zaynie kommt?"
Ich nickte und lächelte erneut, hielt die Tränen zurück. "Zaynie ist gleich da, genau", antwortete ich und sie lächelte breit. Und dann ging nur wenig später zu meinem großen Glück die Tür hinter uns auf und der Schwarzhaarige kam hinein.
Sarah sprang auf, als sie ihn sah und rannte zu ihm. "Onkel Zaynie!" rief sie glücklich und streckte die Arme nach ihm aus. Zayn hob sie hoch und drückte sie fest. "Hey, kleine Maus! Ich dachte, ich geh mit dir auf den Spielplatz, was sagst du dazu?" fragte er sie, woraufhin sie begeistert nickte und sich an ihn kuschelte.
Zayn sah zu mir, musterte Harry mit großen Augen. Ich schluckte. "Der Arzt ist auf dem Weg", hauchte ich und hielt währenddessen Harry's Hand. Es war schwer, vor Sarah besonnen und ruhig zu bleiben. Unfassbar schwer.
"Ich rufe Niall und Liam an, ja?" fragte er und ich nickte sofort, hörte die Sirenen unten auf der Straße und atmete erleichtert aus, sah ihn noch einmal an. "Vielleicht wollt ihr ja Pizza essen gehen", schlug ich leise vor.
"Mach dir keine Gedanken, Lou. Ich kümmere mich um die Kleine!" sagte er und winkte mir, Sarah sah mich an und winkte ebenso, ehe sie mir einen Luftkuss zuwarf und kicherte. Ich musste sofort lächeln, warf ihr ebenso einen zu und sah zu Harry, als die Beiden das Atelier verließen. Er schien zu blinzeln und ich hielt den Atem an, als seine Augen sich öffneten und er verwirrt zu mir sah.
"Lou?" hauchte er. "Was ist denn los, ich..." brachte er hervor, ehe er heftig hustete und sich im nächsten Moment übergab.
Erschrocken strich ich ihm die Haare aus dem Gesicht. "Hazza, was ist nur los?" hauchte ich und er sah zu mir, die Augen trüb und der Blick verwirrt. "Ich sehe dich doppelt", murmelte er und setzte sich auf, wobei ich ihm half und ihm über den Rücken strich.
"Ich habe den Notarzt gerufen. Sie sollten jeden Moment da sein und dann wirst du vernünftig untersucht, okay mein Engel?"
Harry nickte nur und lehnte sich an mich. Ich legte die Arme um ihn und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, während sich alles in mir mit Angst füllte und ich den Gedanken nicht vertreiben konnte, dass das hier absolut ernst war.
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