Kapitel 74
Der Himmel wurde heller, die Sonne erkämpfte sich ihr Reich erneut und schickte ihr immer länger werdenden Strahlen bis hinauf zu uns.
„Das ist die beste Willkommensfeier überhaupt." Coilin und ich lagen ganz oben auf dem Aussichtspunkt des Turmes, in dem mein Zimmer lag. Drei weitere dieser Türme waren in die steinerne Mauer rund um das in den Berg ragende Schloss gebaut. Das dunkelblaue Himmelszelt spannte sich in seiner Unendlichkeit über uns.
„Bist du traurig, weil du jetzt mit mir und nicht mit hier bist, anstatt mit einem schönem Fae in einem Bett?" Ich hickste und sah dabei zu, wie die Sterne und der Mond im aufgehenden Licht der Sonne verblassten.
„Belle, das würde ich für nichts auf dieser Welt verpassen wollen." Er lachte und ich warf ihm einen finsteren Blick zu.
„Das ist eine Verschwörung", brummelte ich und kuschelte mich näher an ihn.
„Ich habe den Namen doch nur von Arya übernommen", verteidigte er sich. Dabei funkelten seine hellblauen Augen verschmitzt.
„Nichts als Ausflüchte", murmelte ich kleinlaut als Coilin über meinen Kopf strich. Dann sagte eine Weile niemand mehr etwas. Die Farben des Himmels wechselten bis ein klares blau erstrahlte
„Coilin? Als du damals in meinen Geist vorgedrungen bist, hast du etwas gesehen, oder?" Meine Stimme war leiser, aber da sich sein spitzes Ohr direkt an meinem Mund befand, hörte er mich.
„Ja. Ich habe eine Königin gesehen. Deine Mutter, die meinte, du müsstest es bis zu deinem achzehnten Geburtstag aushalten."
Ich nickte. „Ich frage mich, woher sie es wusste. Dass es so kommen würde."
„Ich vermute die Antwort kennen lediglich die Sterne." Behutsam strich er mir eine Strähne hinters Ohr. „Ich kann nicht fassen, dass es so zwischen uns ist, Belle. Ich habe damals nicht den leisesten Funken der Vertrautheit gespürt, die uns umgibt."
„Ich bin genauso verwundert", gab ich zu. „Hat bestimmt mit dem Bann zu tun", folgerte ich.„Willst du es immer noch tun? Torin umbringen? Auch wenn das bedeutet, dass du selbst den Thron einnehmen musst?" Ich spürte, wie er schluckte und nahm seine Hand.
„Das ist das einzige, was mich daran hindert." Er räusperte sich. „Mein Vater hat bestimmt noch über zwei Jahrhunderte. Dennoch braucht der Norden einen Thronfolger und der möchte ich eigentlich nicht sein."
„Und hast du noch eine andere Idee, wie du ihn bestrafen kannst, ohne in zu töten?"
Coilin lachte. „Und das von dir, liebe Kriegerprinzessin. Ich fasse es nicht."
Ich stupste ihn in die Seite und er wurde wieder ernst. „Ehrlich gesagt, nein."
Die Morgenluft legte sich kühl auf unsere Haut. Tau tropfte von den Pflanzen und silberne Nebelschwaden lagen über den Wiesen und zogen durch die Wälder. Wir verließen den Turm und ich führte Coilin durch das Gewirr der Gänge und steinernen Torbögen, bis wir in einem der kleinen, vergessenen Gärten ankamen.
Coilin blieb stehen, als wir die drei Stufen hinabgestiegen waren und durch den mit Dornen umrankte Rosenbogen traten. Wir befanden uns in einem der unzähligen Innenhof. Die Wände waren mit Efeu berankt und ein Springbrunnen aus Marmor bildete das Zentrum des Gartens.
Ich füllte Wasser in die Gießkanne und begann die kleinen Setzlinge zu gießen, während mir Coilin, noch immer mit offenen Mund, zusah. Schließlich nahm er auf einer der schmiedeeisernen Bänke Platz und beobachtete mich von da aus.
„Hier versteckst du dich also, wenn du deine Ruhe haben willst?"
„Ganz genau. Hier oder in der Bibliothek."
„Und du hast die alle alleine eingepflanzt?" Ungläubig wanderte sein Blick über die Setzlinge, von denen einige inzwischen gar nicht mehr so klein waren. Ich nickte und setzte meine Runde fort, prüfte die Erde und strich über die neuen Blätter und Blüten.
Coilin ging auf eine Reihe besonders bunter Pflanzen zu und ich trat grinsend zu ihm. „Hier würde ich an deiner Stelle nicht zu tief einatmen. Der Blütenstaub der Pylea wirkt betäubend", informierte ich ihn, woraufhin er drei Schritte zurückwich.
„Dich will ich echt nicht zur Feindin haben."
Als ich mit meiner Runde durch war, machten wir uns auf den Rückweg.
„Ich habe das eigentümliche Gefühl, das wir uns schon viel länger kennen würden", sagte ich, woraufhin Coilin nickte.
„Ja, das geht mir ganz genauso. Es ist als würdest du mich besser kennen, als es überhaupt möglich ist. Wir haben ein paar Wochen miteinander verbracht, aber da hatte ich dieses Gefühl noch gar nicht." Plötzlich pulsierte ein stechender Schmerz in meiner Schulter und ich keuchte auf. Sofort musste ich an den Angriff im Wald denken, doch es war niemand zu sehen. Coilin hielt inne, als ich mich gegen die Wand sinken ließ und war sofort an meiner Seite. Ich ließ meine Magie die Gänge und Wände um uns herum auskundschaften ließ, doch sie spürte niemanden.
Ich versuchte mich zu heilen, doch es wurde nicht besser. Der Schmerz nahm zu, schwoll an und dann war er plötzlich verschwunden. Irritiert sah ich auf.
„Was zur Anderswelt?" Coilin fluchte und untersuchte meine Schulter, an der rein gar nichts ungewöhnlich aussah.
„Das war merkwürdig." Ich atmete durch und rollte die Schulter. „Ich muss noch kurz in den Stall. Wir sehen uns beim Frühstück", verabschiedete ich mich schnell und verschwand.
Ich betrat die Höhle und eine eigentümliche Ruhe überkam mich. Ich hörte seine Stimme, bevor ich sie sah und ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus, bevor ich reagieren konnte.
„Hallo Belle." Vaughn trat aus den Schatten. Ich legte den Kopf schief und beobachtete ihn, als er auf mich zukam. Seine Gang war elegant, seine Schritte leichtfüßig und gleichzeitig entschlossen. Er trug seine lederne Kampfausrüstung, die seine muskulösen Schultern betonten und in seinen smaragdaugen funkelte es.
„Warst du auf der Suche nach mir?" Beim Klang seiner Stimme lief ein wohliger Schauer über meinen Rücken. Ich schüttelte den Kopf, doch meine Reaktion war schon überfällig gewesen.
„Ich wollte Verdikal besuchen", antwortete ich und wie aufs Stichwort, fiel mich der Bär aus dem Schatten an und riss mich zu Boden. „Nicht so stürmisch", schimpfte ich und kraulte ihn hinter den großen Ohren.
Vaughn sah mit einem Stirnrunzeln zu mir herunter. „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll." Der Bär knurrte kurz und brummte dann genüsslich als ich meine Streicheleinheit weiter fortsetzte.
„Verdikal", ermahnte Vaughn ihn, doch dieser nahm keine Notiz von seinem König. Ich unterdrückte ein Lachen und blieb auf dem Rücken liegen. Wie würde Vaughn wohl schauen, wenn Verdikal mit mir davon marschierte?
„Belle, du scheinst Gefallen an dieser Position zu finden. Ich könnte..." Da machte Verdikal sich selbstständig und ohne mein Zutun saß ich plötzlich auf seinem Rücken und er verließ die Höhle. Vaughn knurrte genervt und ich beugte mich nach vorne um mein Lachen im Fell des Bären zu verbergen. Entschied mich dann aber dagegen und grinste Vaughn über die Schulter noch einmal triumphierend zu.
Wir waren nicht besonders weit gekommen, als mich zwei Arme packten und von Verdikals Rücken hoben. Dieser knurrte protestierend und stellte sich auf seine Hinterbeine. Vaughns Arme waren um mich geschlungen und er drückte mich an sich.
„Prinzessin, Prinzessin", tadelte er mich, während Azra höher stieg. „Ich habe euren Hang zum Ungehorsam wohl unterschätzt." Ich wollte Lachen, doch der Druck seiner Hand, ließ mich erstarren. Sie wanderte weiter nach unten, bis sie auf meiner Hüfte lag.
„Ihr habt in den letzten Nächten nicht besonders viel geschlafen", bemerkte er, während ich spürte, wie mein Körper sich in seinem Armen zugleich entspannte und auf eine andere aufregende Art anspannte. „Kann ich Euch behilflich sein?", raunte er mir zu und Hitze breitete sich von meinem Bauch in meinen ganzen Körper aus.
„Ich wusste nicht, dass es Euch aufgefallen ist, My Lord", wisperte ich mit rauer Stimme.
„Ich bemerke so einiges, My Lady", erwiderte er. Mit einem Ruck saß ich ihm plötzlich gegenüber. Meine Beine über seinen und unsere Oberkörper nur eine Handbreit von einander entfernt. „Wie Ihr meinen Blick meidet, wenn Andere anwesend sind. Wie Euer Atem einen Moment stockt, bevor ihr mir antwortet. Wie Euer Körper bereits nachgibt, auch wenn Eure Stimme es noch nicht tut."
Seine Magie strich über meinen Körper. Dunkel und rau, ein Versprechen. Sein Blick wanderte über mein Gesicht. Verheißungsvoll und lasziv. Ein Angebot.
Sein Mund näherte sich meinem. Eine stumme Frage auf den Lippen.
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