Kapitel 2

Mit hängenden Schultern schlurfte ich nach hinten in das Büro meines Bosses. Er folgte mir auf Schritt und Tritt und ich konnte schwören, dass ich es in seinem Kopf bereits brodeln hörte. Bald würde Dampf aus seinen Ohren schiessen. Wie jedes Mal wenn er mich in sein Büro rief, setzte ich mich auf den unbequemen Stuhl vor seinem kleinen Holztisch und wartete darauf, dass er sich dahinter setzte. Doch anders als sonst, blieb er stehen. Er lief etwas auf und ab, raufte sich immer wieder die Haare, wobei da nicht mehr viel übrig war. Für seine knapp 40 Jahre, hatte er bereits ziemlich viele Haare verloren, was übrig geblieben war, strahlte in einem faden Grauton. Ob das meine Schuld war? Ich dachte zurück an mein Vorstellungsgespräch vor drei Jahren. Da hatte er noch volles braunes Haar. War auch noch ein paar Pfund leichter... Nein, das war bestimmt nicht meine Schuld. Musste was Privates sein!

„Es reicht...", murmelte John vor sich hin, zog damit meine Aufmerksamkeit auf sich. Er war stehen geblieben und starrte auf den grässlichen grau-braunen Teppich. „Es reicht.", wiederholte er sich erneut, diesmal etwas lauter, bevor er mich ansah und es mir auch noch ins Gesicht schrie. „Es reicht!" leicht zuckte ich zusammen und wand den Blick ab, als er um seinen Tisch herum lief und sich nun doch setzte. „Ich hab es hier oben, Tomlinson!", fauchte er und deutete mit der Hand über seinen Kopf hinaus. „Ich weiss ja nicht, wie oft ich dir schon gesagt habe, dass du zum Arbeiten hier bist und nicht zum Spielen! Bisher bist du immer mit einem blauen Auge davon gekommen aber jetzt bist du zu weit gegangen! Ich hab ja nur darauf gewartet, dass du irgendwann jemanden verletzt, mit deinen blöden Spielchen. Ich bin nur froh, dass es kein Kunde war!"

„Tut mir leid.", murmelte ich. Dass sich jemand verletzte, wollte ich ja wirklich nicht. Aber Jeremy hatte etwas Spass verdient. Wenn seine Eltern ihn mitschleiften um eine Barbie zu kaufen, war es doch mein Job, ihn etwas aufzuheitern, oder nicht?

„Es tut dir leid. Das sagst du jedes Mal und doch sehe ich dich immer wieder spielen. Jetzt ist genug. Ich hab es endgültig satt. Geh nach Hause, Louis. Du bist gefeuert." Schockiert sah ich ihn an. Das war doch wohl nicht sein Ernst?!

„Aber-", wollte ich widersprechen, doch er hob bloss die Hand.

„Nichts aber. Verschwinde. Ich will dich nie wieder sehen.", unterbrach er mich. In mir brodelte eine Wut auf. Nicht mal unbedingt auf John, sondern viel mehr auf mich selber. Da stand ich nun. Ich war 23, wohnte bei Mama und hatte keinen Job. Wahnsinn, wie viel ich erreicht hatte. Das hatte ja schon in meinen Jugendjahren angefangen, als ich von der Schule geschmissen wurde. Kein Wunder, landete ich in verschissenen Jobs wie diesen hier.

Wütend stand ich auf und zog diese verschissene blaue Weste aus, um sie ihm auf den Tisch zu werfen, bevor ich zur Tür rüber stampfte.

„Oh und Louis?", hielt er mich nochmal auf, als ich die Tür öffnete. „Wird erwachsen." Ja, toll. Danke. Noch wütender als zuvor schon, stürmte ich aus seinem Büro, stellte dabei sicher, dass die Tür hinter mir mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. Im Personalraum holte ich meine Sachen und lief dann schnellen Schrittes durch den Laden, direkt zum Ausgang. Obwohl ich starr auf den weissen Plattenboden sah, merkte ich, dass die Blicke meiner Arbeitskollegen auf mir lagen. Bestimmt waren sie froh, mich endlich los zu sein. Vor allem Naomi, der kleine Schleimer. Ich ging schnurstracks raus an die frische Luft und zu meinem Auto. Meine Sachen warf ich einfach auf den Rücksitz und wollte schon einsteigen, als mir ein roter Monstertruck gegen den Knöchel fuhr.

„Louis!", hörte ich die Stimme, des Jungen, der mir noch vor wenigen Minuten so viel Freude bereitet hatte. Jeremy kam auf mich zu gerannt und ich hob seinen Monstertruck hoch, um ihn ihm zu geben. „Meine Eltern haben ihn mir wirklich gekauft!", erzählte er begeistert. Meine Wut verschwand ein kleines Bisschen. Der süsse Junge brachte mein Herz einfach zum Schmelzen.

„Das ist toll, Jeremy.", lächelte ich sanft.

„Wieso gehst du schon nach Hause?", fragte er verwirrt. Ich seufzte und schloss die Tür meines Autos nochmal, lehnte mich dagegen.

„Ich wurde gerade gefeuert. Weisst du, ich wäre ja eigentlich zum Arbeiten hier und nicht zum Spielen, aber mir macht es so einfach viel mehr Spass."

„Das ist doof. Du bist der coolste Verkäufer in dem Laden.", schmollte er. Schmunzelnd wuschelte ich ihm durch die Haare.

„Tja, so ist das eben. Ich werde schon was finden." Jeremy nickte und stelle das Auto wieder auf dem Boden ab.

„Bis dann, Louis!", lächelte er und fuhr mit dem Monstertruck davon, rannte ihm hinterher, bis er beim Auto seiner Eltern ankam. Seufzend liess ich mich in mein Auto fallen und starrte erstmal auf das Lenkrad. So ein Mist. Was machte ich jetzt bloss? Meine Mum würde mich bestimmt umbringen, wenn ich jetzt nach Hause kam... Aber wo anders konnte ich jetzt gar nicht hin. Alle meine Freunde waren ja schliesslich auch arbeiten. Wobei, viele hatte ich gar nicht mehr. In der Schule hatte ich noch einige Freunde, da brach der Kontakt allerdings ab, als ich rausgeschmissen wurde. Seither hatte ich einfach noch ein paar Bekanntschaften gemacht. Die meisten von den Jobs, die ich bisher gemacht hatte, doch da war nichts wirklich Richtiges dabei. Man konnte mit ihnen saufen gehen, das war's dann aber auch schon.

Ich entschloss, auf dem Heimweg Halt beim Floristen zu machen. Wenn ich mit Blumen heimkam, würde meine Mum auch weniger sauer sein. Ich entschied mich für einen Strauss rote Rosen, weil ich wusste, dass sie die am liebsten mochte. Als ich in die Einfahrt einbog, traf mich auch schon der verwirrte Blick meiner Mum, die gerade den Vorplatz wischte. Mit einem unschuldigen Lächeln stieg ich aus und hielt ihr direkt die Blumen vor die Nase. Mit hochgezogener Augenbraue sah sie mich an, stellte den Besen zur Seite und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du bist mal wieder gefeuert worden, hab ich Recht?"


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